PERCHTA: Interview mit Frau Percht
28.08.2024 | 14:13PERCHTA aus Tirol, Österreich hat mich mit dem aktuellen Album "D'Muata" hier erstmalig die Höchstnote zücken lassen. Im Vorfeld des "Prophecy Fests" Anfang September, welches ich für euch zusammen mit meinem Kollegen Nils für POWERMETAL.de besuchen werde und wo die Black-/Folk-Metal-Band ebenfalls aufspielen wird, stand mir Sängerin Frau Percht bereits Rede und Antwort.
Zuallererst einmal vielen lieben Dank dafür, dass du Zeit und Muße aufbringst, meine Fragen zu beantworten.
Danke dir für deine Fragen. Ich hab mich sehr gefreut.
Euer aktuelles Album "D'Muata" ist nun ja schon einige Wochen auf dem Markt. Wie zufrieden seid ihr denn so mit den bisherigen Reaktionen auf die Platte?
Wirklich sehr. Wir sind unglaublich stolz und berührt, wie viel Aufmerksamkeit und positives Feedback "D'Muata" erhält. Auch in den Gesprächen mit den Leuten vor der Bühne wird uns bewusst, wie viel Wertschätzung uns zuteil wird. Wir schweben auf dieser wunderbaren Wolke und sind für jeden Moment dankbar, den wir mit PERCHTA erleben durften und noch erleben werden.
Für die lyrischen Konzepte zeichnest du allein verantwortlich, wenn ich richtig informiert bin. Mit dem textlichen Überbau in Form des "feministischen Manifests" auf dem aktuellen Album bist du ja schon viele Jahre schwanger gegangen. Den 'Wehenkanon' zum Beispiel hast du ja schon 2013 geschrieben. Wieso hat es letzten Endes dann mit der finalen und künstlerischen Umsetzung doch so lange gedauert und wie kamst du generell überhaupt auf diese Idee?
Genau, ich genieße die große Ehre und besonders das Vertrauen meiner Bandkollegen, mich komplett ausleben zu können, was Lyrik und Ästhetik angeht. Alles kommt zu seiner richtigen Zeit. So fasste ich den Entschluss, nach meiner eigenen Schwangerschaft und Geburt meines Sohnes 2020, "D'Muata" für 2024 zu verwirklichen. Mit voller Unterstützung meiner Perchten konnten die ursprünglichen Ideen zu diesem Album perfekt umgesetzt werden.
Dieses Werk ist geprägt von Liebe, Freundschaft und tiefstem Vertrauen. Als Musikerin oder Musiker befindet man sich während des Schaffensprozesses immer in einer sehr vulnerablen Phase. Meiner Meinung nach kann man nur über Themen schreiben, die in einem etwas regen und auslösen. So war es auch im Fall von "D'Muata". Einige Inspirationen gewann ich selbstverständlich aus meinen eigenen Erfahrungen und Empfindungen als Mutter, Frau und Hebamme. Sei es die mikrofonierte Geburt meines Sohnes in 'Ausbruch', den 'Wehenkanon', der mich bereits seit meiner Studienzeit als Geburtsmantra begleitet oder der tiefen Auseinandersetzung mit der eigenen Mutterrolle im Titelsong 'D'Muata'. Andere Themen griff ich aus Gesprächen oder dem Weltgeschehen auf.
Es ist ja weder zu überhören noch zu übersehen, dass ihr als Bandkollektiv enorm viel Kraft und Inspiration aus der euch umgebenden alpinen Natur zieht und diese im Gegenzug wiederum ganz bewusst in den Schreibprozess beziehungsweise die Musik zurückfließen lasst. Mal ganz salopp gefragt: Wären solche Alben bzw. diese Art von Kunst letzten Endes überhaupt möglich, wenn ihr stattdessen alle in urbanen Gebieten oder gar in Großstadtmetropolen zuhause wärt?
In dieser Umgebung zu leben kann durchaus als allgegenwärtiges Hilfsmittel während des Songwritingprozesses betrachtet werden. Nicht ohne Grund begaben wir uns als Band für mehrere Tage auf eine isolierte Almhütte, um an unseren Songs zu arbeiten. Viel wichtiger ist jedoch in meinen Augen das innere Empfinden und die dabei transportierten Emotionen, die ein Lied beziehungsweise ein Album schlussendlich formen.
Es ist möglicherweise dem lyrischen naturbasierten Konzept geschuldet, aber auf dem Debütalbum "Ufång" finden sich, sowohl in den ruhigeren als auch musikalisch extremeren Momenten, doch deutlich meditativere und ätherische Momente als auf dem aktuellen Album, welches doch beträchtlich aggressiver, düsterer und finsterer ausgefallen ist. Stimmst du mir hier zu?
Fürwahr! Wir genießen unsere musikalische Entwicklung, experimentieren gerne und setzen uns selbst wenige bis gar keine Grenzen. Ruhige, poetische Elemente sind immer noch zu finden ('Wehenkanon', 'Heiliges Bluat', 'Ausbruch'), das wird immer Teil von PERCHTA sein. Die Härte und Vielschichtigkeit von "D'Muata" lässt sich bestimmt auf den gemeinsamen Produktionsprozess zurückführen. Håscht, Gsell und Moosmandl bereichern seit 2021 die Band mit ihrem unglaublichen Talent, und das ist auch im Songwriting spürbar.
Mit Gitarrist Lukas Massinger aka "Gsell", Schlagzeuger Simon Schnückel aka "Håscht" und Christian Höll am Hackbrett wurden drei nicht unwesentliche Stellen im Bandgefüge neu besetzt. Der anfänglich noch vorherrschende Charakter eines Bandprojektes ist damit nun Geschichte und man kann euch somit nun als eher organische "richtige" Band betrachten, auch im Hinblick auf die Zukunft?
Absolut. Freundschaft und Vertrauen spielen eine enorm wichtige Rolle bei PERCHTA. Wir verbringen auch abseits von Konzerten und Proben viel Zeit miteinander und ich betrachte meine Bandkollegen eher als Brüder. Eine Bande, die in meinem Empfinden für die Ewigkeit geschlossen wurde. Es ist so unfassbar schön, wenn die ganze Band und alle Beteiligten wie ein Uhrwerk funktionieren, wo jedes Rädchen ineinander greift. Auf der Bühne fühlen wir uns wie eine Einheit, wo jeder den anderen spürt und sich im Moment fallen lassen kann. Das Schreiben von neuen Liedern funktioniert auch auf einer ganz speziellen Ebene und Dimension und fühlt sich wie ein natürlicher Tanz der Ideen an. Selbst wenn es mal zu schwierigen Situationen kommt, werden diese von jedem einzelnen getragen. Also ja, ich blicke in dieser Gesellschaft mehr als positiv in die Zukunft.
Die musikalische Ausrichtung ist auf dem aktuellen Album im Vergleich zur ersten Platte doch deutlich komplexer und progressiver ausgefallen. Liegen die Gründe hierfür bei den personellen Neuzugängen und inwieweit sind diese überhaupt in den Schreibprozess mit eingebunden? Magst du zur generellen Art und Weise des Songwriting vielleicht etwas sagen?
Wie oben bereits erwähnt, kann ich den ersten Teil deiner Frage definitiv mit ja beantworten. Das Einbringen von meinen Perchten führt selbstverständlich zu einer komplexeren und vielschichtigeren Musik. Konzept und viele Texte, inklusive Melodiestrukturen, existierten von "D'Muata" bereits seit 2013. Im Laufe der Jahre wurden diese von mir mehr und mehr verfeinert, um sie dann schlussendlich 2021/2022 der restlichen Band zu präsentieren. Alle waren sofort überzeugt davon, da sie bereits seit Eintritt in die Band über alle drei Albumkonzepte Bescheid wussten und damit konform gingen. Nach unserer Tour mit DORNENREICH ging es dann Ende 2022 an die Arbeit.
Wir achteten penibel auf das Setting, in dem wir uns befinden. Wenige bis gar keine Ablenkungen (deshalb auch die Alm) und genügend Zeit. Die meisten Songs entstanden in diesen Sessions. Der Titelsong 'D'Muata', 'Vom Verlång' und 'Mei Dianä Mei Bua' entstanden zwischen mir und Walscher in unserem Studio. Diese Lieder wurden dann aber ebenfalls von allen anderen verfeinert und ausgearbeitet.
Für nahezu jedes Lied gibt es im Vorfeld eine Akustikversion von mir. Für gemeinsame Sitzungen bekommt jeder Musiker dann eine Collage-Präsentation, bestehend aus Text, Grundnoten, Audios, Farben, Stimmungsbildern und Hintergründen zu jedem Lied. Dann geht's ans Ausarbeiten, an dem jeder einzelne beteiligt ist. Währenddessen gibt es dann auch Textänderungen beziehungsweise neue Stimmungen, die dann im Prozess für besser empfunden werden. Es handelt sich also um ein sehr organisches, kreatives und besonders demokratisches Event mit enorm viel Spaß.
Von Sprechgesang über perfekt auskoloriertem Klargesang bis hin zu aggressiven Growls beherrscht du nahezu die gesamte Vokalpalette von A bis Z. Darüber hinaus hat man in Songs wie 'Ausbruch', 'Långtuttin & Stampa' oder auch 'Summa' vom ersten Album das Gefühl, du verschmilzt geradezu mit dem Text und wirst eins mit der Rolle, gleich einer professionellen Schauspielerin. Hast du in der Vergangenheit eine Gesangs- und/oder Schauspielausbildung genossen?
Vielen Dank für diese Anerkennung. Ich fühle mich geehrt. Die Rolle der Percht und somit auch meine Stimme durften über die Jahre wachsen. Seit früher Kindheit bis zu meinem 18. Lebensjahr genoss ich verschiedene Ausbildungen in Richtung Stimmbildung, Rhetorik, Schauspiel und Tanz. Ende der Oberstufe entschied ich mich aber zum Glück dafür, dem Musical-Business den Rücken zu kehren und praktizierte seitdem nurmehr Musik als Hobby. Die Leidenschaft zur Lyrik, Sprache und besonders zum Dialekt und zur heimischen Sagenwelt blieb und wuchs stetig. Worte sind mächtig und besonders, wenn sie in der Muttersprache geschrieben und gesungen werden. So gab mir die Rolle der Percht die Möglichkeit, unsere Texte zu kanalisieren, dramaturgisch umzusetzen und voller Emotion mit diesen zu verschmelzen.
Man kann euer wunderbares und außergewöhnliches Merchandise bisher leider nur vor Ort auf Livekonzerten erstehen. Weder auf eurer Bandseite noch über die Prophecy-Homepage ist eine Bestellung derzeit möglich. Ist das tatsächlich so gewollt oder genießt ihr euren (momentanen) Undergroundstatus auf diese Weise nur, solange es noch geht?
Neben dem logistischen Aufwand, den es bedeutet, Merchandise von zu Hause aus während einer Tour, neben Kleinkind, Haushalt und Rufbereitschaft, zu verschicken, ist uns die Achtsamkeit und Wertschätzung unserer Produkte sehr wichtig. Wer etwas während unserer Shows erwirbt, verbindet dies mit unserem Auftritt, wird wahrscheinlich lange daran zurückdenken und sich an PERCHTA erinnern. Auch genießen wir als Band den Austausch mit den Leuten am Merchstand und sind sehr offen für Fotos und Autogramme. Wir finden die Idee eines bewussten Konsums sehr schön, gerade weil viele unserer Produkte auch stark limitiert sind. Gewinnmaximierung und -optimierung liegt uns fern. Mit Sicherheit bedeutet diese Herangehensweise auch einen gewissen Schutz der Privatsphäre und Exklusivität.
In deinem Fall ist ja bekannt, dass du unter anderem bei VINSTA (Nebenprojekt von Christian Höll) und auch als Hebamme tätig bist. Auch die anderen Bandmitglieder sind ja hier und da noch in andere Projekte involviert. Ist das mit ein Grund dafür, dass ihr bisher überwiegend nur Festival- und Einzelgigs spielen konntet? Liegt eine eventuelle komplette Tour in naher Zukunft vielleicht im Bereich des Möglichen, wenn es entsprechende Angebote hierfür geben sollte?
PERCHTA besteht aus mehr als sechs Bands (ASPHAGOR, VINSTA, LICHTSPIELHAUS, AGRYPNIE, WESEN, FIRTAN, um nur ein paar zu erwähnen). Jeder von uns spielt in mindestens einer weiteren Band. Es grenzt an ein Logistikwunder, diese Großfamilie managen zu können. Es bedarf eines hohen Maßes an offener Kommunikation, Transparenz, Verständnis und Vertrauen. Voller Respekt wird darauf geachtet, dass alles Platz hat, es zu keinen Terminkollisionen kommt und sich jede/jeder musikalisch weiterentwickeln und entfalten kann. Deshalb liegt uns Teambuilding innerhalb von PERCHTA so unglaublich am Herzen. Die Musik und die gleichen Visionen einen uns und wir genießen die gemeinsame Zeit.
Ein weiterer Aspekt, um unsere ausgewählten, limitierten Konzerte zu erklären, liegt bestimmt an meiner persönlichen, speziellen Lebenssituation. Als Frontfrau einer Band, Mutter eines bald vierjährigen Sohnes, mit Haus, Garten und als freiberufliche Hebamme, bringt jeder Tag neue logistische Herausforderungen mit sich. Ohne ein stabiles soziales Netzwerk aus Familie und Freunden, wäre dieses Leben nicht vorstellbar. Somit genieße ich jedes Konzertwochenende und besonders auch die Pausen dazwischen in vollen Zügen. Eine klassische Nightliner-Tour ist in diesem Moment, aber auch in näherer Zukunft aus mentalen, physischen, sozialen und ökologischen Gründen undenkbar.
Gibt es denn bereits Pläne und Konzeptideen für ein drittes Album?
Von Anfang an gab es bereits drei fertig ausgearbeitete Albumkonzepte für PERCHTA mit teilweise schon fertigen Texten und Melodien. "D'Muata" war der zweite Schritt auf unserem Weg. Ein für mich unglaublich wichtiger. Im dritten Abschnitt werden wir einen anderen Zyklus behandeln und uns anderen Themen widmen. Zu diesem frühen Zeitpunkt ist es uns allerdings nicht möglich, darüber zu sprechen.
Kannst du dich noch erinnern, wann und wie du zum Metal gekommen bist und welche Bands deine "Einstiegsdrogen" gewesen sind? Ich nehme an, du bist nicht sofort und von Anfang an mit Black Metal in Berührung gekommen.
2004 mit 14 Jahren kam ich das erste Mal mit der Szene in Kontakt. Meine Stamm-Metalkneipe (das "Abyss" in Innsbruck) liegt direkt neben dem Haus meiner Großeltern, bei denen ich in meinen Teenagerjahren viel Zeit verbrachte. Durch die musikalische Prägung meines Vaters mit LED ZEPPELIN, THE DOORS, CREAM, FLEETWOOD MAC, CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL und vielen andere Bands, gab es bereits eine solide Basis und ich war der härteren Musik zugetan. Von Anfang an faszinierten mich detailverliebte Bands, in deren archaische Welten und Mythen spürbar waren. Besonders Themen wie Natur und Mystik sprachen mich an. So ging mein Weg über Mittelater-Folklore (CORVUS CORAX, IN EXTREMO) über Pagan Metal (ENSLAVED, DRUDHK, HELRUNAR) direkt mit LUNAR AURORA, DORNENREICH, WOLVES IN THE THRONE ROOM, DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT und RUINS OF BEVERAST in den Black Metal.
Zum Ende hin noch drei Fragen "außerhalb der Reihe". Welches Buch hast du zuletzt gelesen? Und kannst du darüber hinaus generell Autorinnen oder Autoren empfehlen?
Gsell und Loda sind der Literatur sehr zugetan und versorgen mich stetig mit neuem Lesestoff. Ich lese gern mehrere Bücher gleichzeitig. Zur Zeit sind es drei: Von der deutschen Autorin Julia Korbik "Schwesternschaft - die Macht des weiblichen Kollektivs", der Roman "Die Wilderin" von Sophie Reyer und vom Bewusstseinsforscher Robert A. Monroe "Der Mann mit den zwei Leben".
Welche zwei bis drei Alben hast du in letzter Zeit gerne und oft gehört (es muss nicht zwangsläufig aus dem harten Gitarrenbereich kommen)?
Auch hier sind meine Interessen breit gefächert. Mein Musikgeschmack zieht sich von Klassik über Irish Folk, Stoner Rock bis hin zu Metal. Neben der neuen EP von Ellende "Ballade auf den Tod" höre ich gerade sehr gern von Greta van Fleet "The Battle At Garden's Gate" und von Monteverdi "Teatro D'Amore".
Das euch benachbarte Südtirol ist meine geliebte zweite Heimat, die irgendwann mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch einmal die erste werden wird. Sicherlich haben wir auch den einen oder anderen natur- und wanderbegeisterten Menschen unter unserer Leserschaft. Welche ein, zwei Wanderrouten sollte man in deiner/eurer tirolischen Heimat deiner Meinung nach unbedingt einmal zurückgelegt haben?
Ja wir sind wahrlich gesegnet mit den Naturjuwelen unserer Heimat und der umliegenden Nachbarschaft. Ganz klare Empfehlung für den atem(be)raubenden Zustieg durchs Hahntennkar über den Scharnitzsattel zur Muttekopfhütte in den Lechtaler Alpen. Oder die Route direkt weg von meinem Elternhaus in St. Johann über den Maiklsteig auf den 1280m hohen Gscheuerkopf zum Schleierwasserfall und den Diebsöfen den Adlerweg entlang.
Frau Percht, vielen herzlichen Dank noch einmal für deine Zeit. Es war mir eine regelrechte Ehre. Ich freue mich ungemein auf euren Auftritt beim "Prophecy Fest" im September. Die berühmten letzten Worte gebühren selbstverständlich dir.
Der Dank liegt ganz auf meiner Seite für deine tollen Fragen. Die Vorfreude aufs "Prophecy Fest" ist bei uns ebenfalls gewaltig! Bis bald!
Fotocredits: Cartismandua und Marcel Durach
Hebamm
https://www.youtube.com/watch?v=qKmKRzGl9WU&t=1s
Åtem
https://www.youtube.com/watch?v=sDLonkdHb8c
- Redakteur:
- Stephan Lenze