PRAYING MANTIS: Interview mit Chris Troy und Mike Freeland
02.03.2011 | 15:03Das aus alten NWoBHM-Zeiten stammende Melodic-Metal-Flaggschiff PRAYING MANTIS im Plausch zum 30. Jubiläum.
Auf die Frage, wie die Stimmung zum dreißigsten Geburtstag der Band denn nun sei, geben sich Gitarrist Chris Troy und Sänger Mike Freeland sehr positiv und optimistisch: "Für uns ist alles sehr positiv im Moment. Wir haben einige großartige Reviews zu "Metalmorphosis" bekommen, und wenn man das im Zusammenhang mit "Sanctuary" sieht, dann können wir uns echt nicht beschweren", gibt Mike zu Protokoll, und Chris stimmt ein, indem er sich erst einmal für meine Glückwünsche zum Jubiläum bedankt: "Vielen Dank, Rüdiger... ja, es läuft gerade alles sehr gut. Das ist wie eine Auferstehung für die Band! Besser spät als nie!"
Da eine solch lange Bandgeschichte nicht ohne Höhen und Tiefen abgeht, bleibt die Frage nach den mageren Jahren nicht aus. Doch daran wollen die beiden Musiker nicht zu viele Gedanken verschwenden: "Das Musikgeschäft ist eines der härtesten Spiele, in die man hinein geraten kann", sagt Mike, und ergänzt: "Ich wollte in den späten Neunzigern einmal aussteigen, aber dann hast du da immer die Stimme im Kopf, die dir sagt, dass du nie wissen kannst, ob die Zukunft nicht doch noch etwas für dich bereit hält." - Das sieht Chris sehr ähnlich: "In einer Band zu sein ist schlicht und einfach wie das Leben selbst. Also hat es natürlich auch extreme Tiefpunkte gegeben. Und ja, auch ich habe schon ein paar mal darüber nachgedacht einzupacken." - Die Frage nach der schlimmsten Erkenntnis in der Bandgeschichte nimmt er indes mit Humor und fügt grinsend hinzu: "Ich glaube, das ist die Tatsache, dass wir uns damit abfinden müssen, dass wir nicht mehr so groß werden wie IRON MAIDEN."
Die Highlights des Musikerdaseins sieht der Sänger sehr bodenständig: "Jetzt, wo ich seit knapp fünf Jahren bei der Band bin, - ich kann gar nicht glauben, dass es schon so lange ist - muss ich sagen, dass es für mich das Schreiben der Songs, die Aufnahmen in Atlanta und die Promotion für "Santuary" war. In Japan spielen zu können und von den MANTIS-Fans weltweit akzeptiert zu werden", das macht für Mike den Spaß an der Musik aus. Chris fügt hinzu: "Es gab einige faszinierende Momente. Gerade was Konzerte angeht, schießen mir heute noch sofort die Auftritte in Wacken und beim Bang Your Head in den Kopf. Und wie Mike schon gesagt hat: Tokio! In solchen Momenten fühlt sich das alles wie ein Traum an und du sagst zu dir selbst, dass das all die vergangenen Härten und Mühen wert war. Ich kann mich daran erinnern, dass ich mich sehr privilegiert gefühlt habe, dieses Gefühl zu erleben. Auch wenn Sex ziemlich knapp dahinter an zweiter Stelle kommt."
Mike ist sich nicht mehr sicher, wer mit der Idee ankam, das Jubiläum mit einer kleinen Sammlung von Neuaufnahmen zu feiern: "Wir haben schon vor über einem Jahr darüber gesprochen, und wir hatten immer schon etwas in der Art im Kopf, aber wer letztlich den Anstoß gegeben hat, das weiß ich nicht sicher." - Chris Troy dagegen weiß Bescheid, war es doch seine eigene Ehefrau: "Das ist wahr! Vor einiger Zeit hat sie vorgeschlagen, dass wir alte Klassiker neu aufnehmen sollten. Denn immer, wenn sie uns bei Shows mit dem Verkauf von Merchandise geholfen hat, haben sie die Fans gefragt, wie man denn an die Klassiker kommen könne. Ich war mir dabei nicht so sicher, und ich kann mich erinnern, dass ich zu ihr gesagt habe: "Yo Bitch, sei nicht so blöd! Frau, was weißt du schon von Musik!" - Aber manchmal bist du einfach zu tief drin in der ganzen Sache, dass du das Offensichtliche übersiehst. Letztlich stellte es sich als tolle Idee heraus, und eine tolle Art, dieses Jubiläum zu feiern!"
Auf die Frage, nach welchen Kriterien die Songs ausgewählt wurden, gibt Chris bereitwillig Auskunft: "Nun, 'Children Of The Earth' und 'Lovers To The Grave' sind einfach zwei Klassiker vom "Time Tells No Lies"-Album, nach welchen die Leute oft verlangen, wenn wir live spielen. 'Panic In The Streets' ist ein echter Rocker vom selben Album, und wir waren der Meinung, dass wir das Stück noch ein bisschen aufpeppen könnten. Ich glaube, dass uns das auch ganz gut gelungen ist." - Ja, das ist fraglos der Fall, doch richtig cool wird es mit den beiden weiteren Songs: "Ja, 'Praying Mantis' kennen viele Leute nicht einmal. Trotzdem dachten wir, dass wir das Stück neu aufnehmen sollten, und es ist wirklich jeder damit zufrieden. Und was 'Captured City' angeht: Ohne diesen Song wäre es keine würdige 30-Jahr-Feier. Das Stück bringt die Erinnerungen an die Zeiten zurück, als der Song im Heavy Metal Soundhouse gespielt wurde, in dem der berühmte Neal Kay der DJ war. Es wurde zur Hymne für diese Location. Das Soundhouse hat dann natürlich auch IRON MAIDEN aufs Tape gebracht, so dass daran natürlich viele Erinnerungen hängen."
Natürlich wollten die Jungs auch den Fans eine Freude machen, die keine Vinyl-Archäologen sind, und daher noch keine offizielle Studioversion der beiden letztgenannten Stücke im Schrank haben: "Ja, wie du sagst, wenn du Liveaufnahmen außen vor lässt, dann ist das bis heute das erste Mal, dass 'Captured City' auf CD erschienen ist. Wenn wir aber gerade beim Vinyl sind: Kürzlich kam ein "Time Tells No Lies"-Vinyl im perfekten Zustand auf dem US-amerikanischen Ebay für 275 Dollar unter den Hammer. Definitiv ein teurer Fund für die Archäologen!" - Auch sieht Chris die Chance, dass es für die Freunde rarer Aufnahmen mal wieder etwas aus der MANTIS-Schatzkiste geben könnte, wie dereinst mit der tollen "Demorabilia"-Compilation: "Ja, dass etwas in der Art kommen könnte, ist sehr wahrscheinlich. Es scheint in letzter Zeit eine echte Explosion des Interesses an den Originalaufnahmen zu geben, und "Metalmorphosis" hat gezeigt, dass wir auch einige der alten Songs nehmen und ihnen neues Leben einhauchen können. Also denke ich, dass das Konzept noch einmal sehr gut funktionieren könnte."
Beim kurzen Rückblick auf das noch aktuellste Studioalbum "Sanctuary" aus dem Jahre 2009, das in unserem Soundcheck einen tollen vierten Platz und vom Verfasser dieses Artikels eine ziemlich euphorische Besprechung einstrich, sind sich Chris und Mike völlig einig: Es war ein voller Erfolg. Mike sagt, dass alles gut gelaufen und das Album von allen toll aufgenommen worden sei: "Wenn du in vielen Ländern spielen kannst und das Publikum wirklich jedes Mal die Lieder mitsingt, dann ist das ein fantastisches Gefühl." - Chris fügt hinzu: "Die Reaktionen haben uns überrascht und haben unsere größten Erwartungen locker übertroffen. Wir scheinen uns damit eine noch viel größere Fanschicht erschlossen zu haben und daher macht es wirklich den Eindruck, dass uns "Sanctuary" jetzt endlich dazu verholfen hat, aus dem Rahmen der typischen Zielgruppe auszubrechen."
Das hört man natürlich gerne, und nachdem das Line-up nun auch schon einige Jahre stabil ist, scheint mir die Bandsituation entspannt und konstruktiv zu sein. Das führt natürlich zur Frage nach den Zukunftsplänen, welche Mike direkt zum Songwriting führen: "Ja, die Songideen sind gerade im Werden, und ich bin mir ziemlich sicher, dass "Santuary" demnächst einen Rivalen bekommen wird." - "Ja, wie Mike gesagt hat: Es wird eine ziemliche Herausforderung sein, "Sanctuary" in den Schatten zu stellen. Das ist ein harter Brocken, aber wir nehmen es gerne damit auf! Wenn alles läuft wie geplant, dann werden wir Ende 2011 ins Studio gehen.", fügt Chris hinzu.
Und bis dahin gibt es Tourpläne? Ihr wollt die EP ja unter die Leute bringen? - "Wir werden jederzeit gerne zurück nach Deutschland kommen. Eine Rückkehr zum Bang Your Head wäre großartig für uns. Außerdem haben wir Schweden, Spanien, Barcelona, Italien und viele UK-Konzerte auf dem Plan. Und es wird noch mehr werden!", sagt Mike, während Chris fortfährt: "Ja, wir werden schon bald Schweden, Spanien, Italien, Japan und Bulgarien besuchen. Wir haben noch nie in Bulgarien gespielt, so dass das sehr interessant werden könnte. Wir lieben Deutschland, und es ist tatsächlich dabei, in schnellen Schritten eine unserer stärksten Bastionen zu werden. Wir werden sehr bald zurück bei euch sein!"
Super. Dann bleibt mir an dieser Stelle nicht mehr, als Chris und Mike für das nette Gespräch zu danken, mich auf hoffentlich bald angekündigte Tourdaten zu freuen und der Band viel Erfolg mit der EP, den Konzerten und dem kommenden Album zu wünschen. Denn eines weiß der MANTIS-Fan: Auf die Band ist Verlass! Daher auch an dieser Stelle noch einmal der gut gemeinte Hinweis: Bestellt euch die EP direkt bei der Band und besucht die unheimlich informative offizielle Website oder schickt den Herren auf Facebook ein paar Grüße.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle