PRONG: Interview mit Tommy Victor

07.10.2023 | 00:22

Sechseinhalb lange Jahre hat es gedauert, doch nun steht mit "State Of Emergency" endlich das neue PRONG-Album in den Regalen. Ein durch und durch besonderes Album, wie uns Tommy Victor, Kopf der New Yorker Legenden verrät. Welche Bedeutung hinter dem Titel steckt, woher der doch offensive Unterton des Albums kommt und was generell bei PRONG in der langen Wartezeit seit "Zero Days" los war, erfahrt ihr in unserem Gespräch.

Hey Tommy, vielen Dank für die Interviewmöglichkeit. Wie geht es dir?
Hi Marcel. Momentan geht es gut ab: wir hatten einige Festivalshows, darunter das Alcatraz Metal Festival, was uns großen Spaß gemacht hat, waren auch in Deutschland unterwegs und entsprechend geht es mir echt gut. Wir sind auch sehr zufrieden mit der neuen Platte, die Resonanz ist hervorragend.

Du hast es gesagt, ihr wart mit WALTARI in Deutschland unterwegs. Wie ist es für dich als Musiker, wieder auf der Bühne zu stehen und auch in Deutschland live zu spielen?
Es steckte sehr viel Arbeit dahinter, diese Shows auf die Beine zu stellen. Für meinen Körper sind Tourneen hart. Wenn wir für eine Band eröffnen, ist es für PRONG immer etwas tough, aber wenn die Fans kommen, speziell um uns zu sehen, dann fühlt es sich einfach toll an. Beispielsweise bei OVERKILL oder unserer Tour mit LIFE OF AGONY ist mir das aufgefallen, da wollte der Funke auch in Deutschland nicht so recht überspringen. Die Shows waren gut, aber nicht herausragend. Das kann manchmal etwas ernüchternd sein.

Das glaube ich dir. Griffin, das neue Gesicht hinter dem Schlagzeug, kam letztes Jahr zu PRONG. Wie seid ihr auf ihn aufmerksam geworden und wie hat er es in die Band geschafft?
Er ist kein Teil der Band, er hat lediglich auf dem neuen Album gespielt. Griffin hat für sich die Entscheidung getroffen, seine andere Band zu priorisieren. Also müssen wir die Schlagzeuger wechseln und haben aktuell Wade (Murff – Anm. d. Red.) und Tyler (Joseph – Anm. d. Red.). Und wenn Wade beispielsweise bei den Shows nicht dabei sein kann, springt Tyler für ihn ein. Aber wir proben mit beiden, von daher wird das klappen. Bei den Festivalshows hat das Wade gut auf die Reihe bekommen.

Verstehe. "Zero Days" ist eigentlich schon sechs Jahre alt. Warum hat es diesmal länger gedauert, bis PRONG mit einem neuen Album aufwarten konnten?
Es waren verschiedene Auslöser. Zunächst sei die Pandemie erwähnt. Und diese ganze Panikmache seitens der Medien hat mich darüber nachdenken lassen, wie es weitergehen soll. Ich dachte wirklich darüber nach, meine Musikkarriere an den Nagel zu hängen und mit PRONG aufzuhören. Zudem wurde meine Lebensgefährtin schwanger, wir bekamen einen Sohn und hatten nun zwei Kinder zu versorgen. Dann kam auch noch der Umzug von Los Angeles nach New York hinzu, ein weiterer innerhalb New York von einem Appartement in ein renoviertes Haus – also viele, verrückte Dinge sind in dieser Zeit passiert. Letztes Jahr im Juni und Juli gab es eine Phase, in der ich nicht wusste, wie es mit PRONG weitergehen sollte, habe mich dann aber einfach an neue Songs gesetzt, die dann im November aufgenommen wurden und hier sind wir wieder.

Glücklicherweise. Das neue Album trägt den Titel "State Of Emergency". Befindet sich die Welt derzeit im Ausnahmezustand oder warum hast du diesen Titel gewählt?
Wenn man den Medien Glauben schenken mag, dann ja. Ich persönlich denke, dass es derzeit nicht unbedingt besser oder schlechter war als zu anderen Zeiten. Vielleicht ist es derzeit sogar besser, wenn man bedenkt, dass wir im letzten Jahrhundert zwei Weltkriege, den Vietnamkrieg und Hungersnöte in Afrika hatten. Schaut man auf sein Handy oder ins Internet, signalisieren uns die Medien, dass wir uns in einem Ausnahmezustand befinden. Die Medien kontrollieren die Menschen – natürlich haben soziale Medien auch ihre Vorteile, vor allem wenn man Einkaufsmöglichkeiten denkt, aber vor allem machen sie sie mit ihrem Ausnahmezustand verrückt. Es ist, wie es ist.

Dazu gehört natürlich auch das Artwork der neuen Scheibe.
Exakt. Man sieht die mediale Abhängigkeit der Menschheit, die gleichzeitige Isolation des Einzelnen. Das Artwork hat auch eine gewisse dystopische Atmosphäre, bei der der Mensch von den Medien unter Kontrolle zu stehen scheint. Bei diesem Cover hat Marcelo Vasco gute Arbeit geleistet.

Für mich ist es das bisher facettenreichste Album von PRONG. Nichtsdestotrotz kann man in jedem einzelnen Song seine eigene Note erkennen. Stimmst du mir zu?
Ja, obwohl all unsere Platten sehr abwechslungsreich sind. Ich mag Kopien meiner eigenen Arbeit nicht. Für mich ist es auch schwierig, wie AC/DC, RAMONES oder IRON MAIDEN diesen einen bestimmten Sound zu haben. So ist es für Label-Manager, Booking-Agenturen und auch die Fans schwierig, sich auf PRONG einzustellen, aber es ist, wie es ist. Auf einer PRONG-Scheibe kommen eben die verschiedenen Seiten meines Selbst zum Vorschein. PRONG ist eben PRONG, ein bisschen Industrial-, ein wenig Groove-Metal, hier etwas New Yorker Hardcore und dort auch ein gewisser Old-School-Doom-Metal-Einfluss, es ist eine Kombination aus allem, ein großer Mix. Allen voran ist die Platte ziemlich heavy, was man schon am ersten Song 'The Descent' hört. DISCHARGE meets BLACK SABBATH meets METALLICA, ein ziemlich harter Mix aus den Bands, die ich selbst sehr mag.

Das Album hat einen sehr aggressiven Unterton. Tracks wie 'The Descent', 'Light Turns Black' oder 'Disconnected' nehmen das auch auf. Warum ist das Album so aggressiv geworden?
Alle Songs wurden in New York geschrieben und währenddessen war das Wetter echt beschissen, das Appartement war zu klein und selbst war ich musikalisch von der New Yorker Underground-Szene sehr beeinflusst. Und das hört man dem Album auch heraus, vor allem bei den Riffs. Ich bin ziemlich glücklich darüber, wie das Album letztendlich entstanden ist.

Mir gefällt 'Breaking Point' extrem gut. Was war für PRONG der Breaking Point?
Gute Frage, aber gegen Ende der Pandemie spielten wir eine Tour mit BLACK LABEL SOCIETY und das war für mich entscheidend. Ich fühlte mich in der Rolle des Dads wohl. Wir hatten auch keinen Plattendeal zu dieser Zeit und wussten einfach nicht, ob und wie es weitergehen soll. Dann kam die Tour und die lief fantastisch – wir verkauften Shirts, die Shows waren ausverkauft und die Fans rasteten aus. Und vor allem nach der Pandemie gingen die Leute steil, weil sie es endlich wieder konnten. Das war für mich schon entscheidend.

Auf dem neuen Album hast du RUSH gecovert. Bezeichnest du dich selbst als 'working man' oder warum hat es ausgerechnet dieser Song als Cover geschafft?
Der Song ist auf dem ersten RUSH-Album überhaupt und das gesamte Album ist weniger text- als mehr rifforientiert. Und 'Working Man' hat dieses ganz prägnante Riff. Ein Riff, wie es sonst 'Iron Man' von BLACK SABBATH, LED ZEPPELINs 'Black Dog' oder 'Whole Lotta Love'. Ich war einmal mehr in dieser BLACK SABBATH-Stimmung, habe meine Gitarre runtergestimmt und dann dieses tolle Riff gespielt. Zudem passt auch der Text über einen hart arbeitenden Mann, einem fast schon Zombie, zum restlichen Album. Generell mag ich das erste RUSH-Album aufgrund dieser gloomy Atmosphäre, die mich ein wenig an die alten PENTAGRAM-Songs erinnert. Und da ich das Album ohnehin mit einem leichten Doom-Einschlag beenden wollte, lag das Cover recht nahe.

Welche allgemeine Bedeutung hat RUSH für dich und die Band?
RUSH waren Idole meiner Jugend und als ich mit dem Bassspielen anfing, war Geddy Lee ein großer Einfluss. Ich sah sie immer als Heavy-Metal-Version verschiedener Prog-Rock-Bands an, die ich damals auch gerne hörte.

Im November werdet ihr wieder für kurze Zeit mit LIFE OF AGONY in Deutschland sein. Habt ihr eine besondere Verbindung zu Deutschland und den deutschen Metalfans?
Deutschland hat uns über all die Jahre stets supportet. Selbst über die Jahre, wo PRONG nicht so aktuell war, haben uns die deutschen Fans immer die Stange gehalten – anders als die in den Staaten oder dem U.K. Unsere Plattenfirma kommt schließlich auch aus Deutschland, von daher haben wir auf jeden Fall einen besonderen Draht zu euch. Sie sind uns gegenüber sehr loyal und respektvoll – eine großartige Metal-Szene, die mit anderen nur schwer zu vergleichen ist.

Tommy, gibt es noch etwas, das du über "State Of Emergency" sagen möchtest, das noch nicht gesagt wurde?
Ich bin sehr happy mit der Scheibe und froh, dass sie nun endlich erscheint. Schaut euch auch gerne unsere Videos hierzu an. Zudem gibt es drei verschiedene Vinyl-Arten von "State Of Emergency", u.a. eine Splatter-Version, das ist schon ziemlich cool.

Danke dir, Tommy. Wir sehen uns auf der Tour.
Ich danke dir und bis bald!

Fotocredits: Nathaniel Shannon

Redakteur:
Marcel Rapp

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