PUNGENT STENCH: Interview mit Alex Wank

01.01.1970 | 01:00

Die neue Scheibe von PUNGENT STENCH ist da. Groovig, erdig und technisch perfekt brettern die sicken Kult-Österreicher ab dem 13. September wieder durch die heimischen Sound-Anlagen - die Platte zündet zwar erst nach dem zweiten Anhören, dann aber um so doller. Doch stellt sich auch sofort eine Frage: Wer oder was verdammt ist ein "Ampeauty" und was hat dieses Ding mit PUNGENT STENCH zu tun? Die Antwort ist einfach. "Ampeauty" heißt die neue Scheibe der Ösis. Wie es dazu kam erzählt Band-Mitbegründer und Drummer Alex Wank alias Rector Stench im schönsten Wiener Dialekt.

"'Ampeauty' ist eine Wortspielerei aus Amp, was für Amputierte steht. Dazu kommt Beauty, also Schönheit. Der Titel steht im engen Zusammenhang mit dem Layout der Scheibe, in dem ästhetische Fotos von Amputierten zu sehen sind." Natürlich sind PUNGENT STENCH nicht selbst mit der Kamera durch die Welt gezogen. Alex erzählt: "Die Fotos kommen von dem Wiener Fotografen Gerhard Aba. Er schießt eigentlich Bilder für Reportagen, arbeitete aber auch schon als Kriegsberichtserstatter in Jugoslawien. Ein Teil seiner Arbeit dreht sich um den sogenannten Amputationsfetisch, als Provokation gegen die überperfekte Masse. Wir waren so begeistert, dass er gleich noch mit der Band die komplette Fotosession gemacht hat. Viele Leute sind zwar sicherlich verstört über solche Bilder, aber sie sind keineswegs plump. Aber das Thema Amputation ist eben noch immer ein Tabu in der Gesellschaft. Die Zensur fürchten wir diesmal nicht, das Bild ist nicht auf den ersten Blick zu entschlüsseln." Auch mit dem Rest der neuen Scheiblette scheinen PUNGENT STENCH mehr als zufrieden zu sein: "Ich kann mich nicht entscheiden, jetzt einen Song besonders hervorzuheben. Martin Schirenc und ich sind beide extrem zufrieden. Das ist das erste Mal so. Die Platte hat keinen Hänger, klingt trocken und hart. Es wäre ja auch sinnlos, Füller zu schreiben. Da bräuchte man keine Alben aufnehmen."

Fast automatisch kommt Alex in diesem Zusammenhang zur letzten "Masters Of Moral, Servants Of Sin"-Platte von 2001: "Bei 'Ampeauty' war die Herangehensweise anders, die Produktion klingt anders. Vielleicht kam die vorige Scheibe schon zu früh nach der Reunion. Sie klingt viel steriler als die alten Platten oder das neue Album. Diesmal haben wir uns mehr Zeit gelassen, einfach ein paar Sachen ohne große Pläne probiert. Auf 'Ampeauty' sollte alles groovy, direkt und hart klingen - das ist wohl gelungen. Gegenüber unseren früheren Werken sind jetzt auch die Möglichkeiten der Produktion viel besser. Vom Stil her würde ich die Scheibe insgesamt zwischen 'Been Caught Buttering' und 'Club Mondo Bizarre - For Members Only' einordnen." Doch finden sich auf "Ampeauty" durchaus auch Stellen mit fast schon verständlichen, aber sehr rauen Vocals von Martin. Alex: "Das hat auch mit dem Tempo der Songs zu tun. Insgesamt klingen wir wohl etwas langsamer und grooviger als früher." Die zehn Songs der fast 60-minütigen "Ampeauty"-Scheibe stammen dabei komplett aus der Feder von Martin und Alex: "Wir treffen uns zu zweit im Probenraum und experimentieren ein bisschen mit Schlagzeug und Gitarre herum. Das war auch in den Anfangszeiten von PUNGENT STENCH im Prinzip schon so."

PUNGENT STENCH stehen seit ihrer Gründung 1988 für eine besondere Sicht auf die Dinge dieser Welt, was haben sie denn diesmal für Texte aus ihren Hirnen gesaugt? "Das Stück 'Invisible Empire' dreht sich um die USA. Es besitzt einen typischen Weltverschwörungstext. Es geht um die 'schwarzen Männer' im Hintergrund, man kennt das ja aus vielen Büchern. Das Stück ist aber nicht politisch gemeint. Allerdings lag mir so ein Text schon immer auf dem Herzen. Bei 'Fear The Grand Inquisitor' ist der spanischen Großinquisitor Thomas de Torquemada das Thema. Er war der schlimmste Typ von den Inquisitoren überhaupt. Zwei Texte sind an den Albumtitel angelehnt und behandeln Amputationen. Und 'Same Shit - Different Asshole' von Martin ist ein ziemlich menschenunfreundliches Teil. Der Text ist simpel und effektiv, haha."

Und wo kommt nach all den Jahren noch die Motivation her, überhaupt noch ein Album aufzunehmen? Alex sieht gleich zwei Aspekte: "Natürlich war es einmal der lange Split zwischen 1995 und 2000. Doch die eigentliche Triebfeder ist das Live-Spielen. Deshalb haben wir PUNGENT STENCH damals überhaupt erst gegründet. Klar freuen wir uns, wenn wir mit unseren Platten jetzt auch Geld verdienen können. Doch der Grund Musik in einer Band zu machen, ist ein anderer: Du willst auf einer Bühne stehen und die Leute mit deiner Musik glücklich machen. Deshalb kann ich Gruppen nicht verstehen, die nie live spielen wollen. Solche Bands machen irgendetwas grundlegend falsch. Für uns gilt: Je mehr wir live spielen können, desto besser. Besonders gern spielen wir an ausgefallenen Stätten." Letztes Jahr waren PUNGENT STENCH deshalb zum Beispiel in Russland und Umgebung unterwegs, aber auch im israelischen Tel Aviv. Alex schwärmt: "Israel war sehr spannend. Das Publikum erwies sich als sehr dankbar. Es ist ganz komisch dort, aber nicht, weil jeder Angst vor Terror hat. Ungefähr die Hälfte unseres Publikums dort waren russische Juden, zumeist willenlos angesoffen. Dann gab es eben noch die typischen Löckchenjuden - das Publikum war wirklich vollkommen schräg. Insgesamt möchte ich dort aber nicht leben, obwohl es natürlich landschaftlich und architektonisch sehr reizvoll ist. Die Tour in Russland war dann der totale Wahnsinn. Jede Show war der Hammer. Es kamen jeweils zwischen 400 und 1500 Leuten. Wir haben dort in Millionen-Städten gespielt, die hier wohl kein Mensch kennt. Dort waren wir zum Teil die erste Metal-Band überhaupt. Bei den Shows sind wir bis nach Sibirien für zwei Auftritte gefahren. Dort geht es definitiv nicht so finster zu, wie es in den Medien immer dargestellt wird. Es ist alles total riesig, Sibirien alleine ist wohl schon so groß wie Europa. Die Städte sind zum Teil sehr alt und stammen noch aus der Zarenzeit. Außerdem gibt es unglaublich gut aussehende Frauen jeglicher Coleur. Nächstes Jahr im September soll es noch einmal dort hingehen. Diese Jahr spielen wir noch einmal auf der Halbinsel Krim in der Ukraine bei einem Festival, das direkt am Strand liegt. Außerdem geht es noch zu einem Open Air in der Nähe vom Ural-Gebirge. Auch die kurze Tour mit GOREROTTED Ende 2003 war durchaus cool. Wir haben uns mit den Jungs auf Anhieb verstanden. Zwar klingen die beiden Bands musikalisch sehr unterschiedlich, sprechen aber im Prinzip die gleichen Fans an."

Bei all diesen Reisen war auch noch der blondgelockte Bassist Revernd Mausner dabei. Er gehört seit diesem März nicht mehr zur Band, weil er sich mehr um seine eigene Death-Metal-Kombo COLLAPSE 7 kümmern will. Doch ein neuer Mann ist schon gefunden, wie Alex berichtet: "Die Trennung kam für uns schon relativ überraschend. Es gab nicht nur seine Band als Grund. Doch man kann ja niemanden zwingen bei PUNGENT STENCH zu bleiben. Der neue Basser heißt Fabio Testi und hat bisher bei zwei ziemlich unbekannten Death-Metal-Bands gespielt. Er kommt aus Südtirol, passt vom Alter her super zu uns, hat Zeit und ihm gefällt der Sound - es ist perfekt. Auf der neuen Scheibe ist allerdings noch nichts von ihm zu hören. Wir bringen ihm gerade ein paar der neuen Stücke für die anstehende Tour bei. Aber da wollen die Leute ja eh' nur die alten Sachen hören, haha." Apropos alt: Wann wird man als Band eigentlich zu alt für seine jugendlich anmutenden Pseudonyme? Alex: "Wir werden auch diesmal wieder Pseudonyme benutzen. Das bleibt wohl für immer so. Viele Leute sprechen einen ja inzwischen auch schon privat so an, haha."

Themenschwenk: Was macht eigentlich Martin Schirencs göttliches HOLLENTHON-Projekt? "Es soll wohl nächstes Jahr etwas erscheinen. Es gab in den letzten Jahren viele persönliche und private Dinge, die auch daran schuld sind, dass sich die neue Platte von PUNGENT STENCH so verzögert hat. Deshalb hat HOLLENTHON ebenfalls Pause gehabt. Doch bis zum Herbst will Martin auf jeden Fall schon einmal die wichtigsten Sachen für eine neue Scheibe komponieren." Vorher muss noch die völlig unaktuelle Homepage von PUNGENT STENCH überarbeitet werden, wie Alex erzählt: "Es wird mit der neuen Platte einen komplett überarbeiteten Internet-Auftritt von PUNGENT STENCH geben. Leider hatten wir keine wirkliche Zeit für die alte Seite."

Dies kann ab Herbst gut wieder passieren. Dann kommen PUNGENT STENCH mit "Ampeauty" in der Hosentasche auf Tour. Es wird wohl eine ziemlich lange Reise: "Wir spielen im Sommer auf ein paar Festivals, etwa auf dem Party.San in Bad Berka. Davon haben wir schon viel Gutes gehört. Ab Ende Oktober soll es dann eigentlich quer durch Europa gehen. Wer als Vorband rockt, ist noch nicht klar. Dazu kommen noch Shows in Tschechien, Polen, Spanien, Portugal und England. 2005 wollen wir dann eben noch einmal ganz rüber in den Ostblock. Außerdem planen wir eine Tour in Australien und Neuseeland. Und Südamerika müsste auch einmal beackert werden." Letzte Worte von Alex, der sich in seinem Wiener Plattenladen "Totem" vornehmlich nur ältere Platten reinzieht: "Kauft's weiter brav bei Nuclear Blast ein und hört euch recht oft die neue PUNGENT STENCH an. Servus!"

Redakteur:
Henri Kramer

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