RISE AGAINST: Interview mit Joe Principe
31.05.2025 | 23:34"Es ist unsere Aufgabe als Band, die gesamte Karriere zu würdigen und zu erkennen, dass es Fans aus jeder Ära gibt."
Als RISE AGAINST im Februar auf Europa-Tour war, habe ich mich mit Bassist und Gründungsmitglied Joe Principe zusammengesetzt und ein bisschen übers Tourleben gequatscht. Zum inzwischen angekündigten Album "Ricochet", welches am 15. August erscheinen wird, durfte er mir damals noch nichts verraten, wohl aber, welche Songs er persönlich auf die Setlist gesetzt hat. Wir haben auch darüber gesprochen, wie unterschiedlich man eine Headlinershow und die jetzt im Juni anstehenden Festivalauftritte angeht. Den Showbericht findest du übrigens hier.
Hallo Joe, wie geht es dir? Wie ist dein Tag bisher?
Mir geht es super. Ich hab ausgeschlafen und bin vorhin hier ein bisschen durchs Viertel gelaufen und hab mir bei einem Bäcker einen Kaffee geholt.
Also alles sehr entspannt. Kein wildes Rockstar-Leben?
Nein, wir sind seit drei Wochen unterwegs, da wollen wir manchmal einfach nur eine Massage im Hotel.
Ah, das kann ich mir vorstellen.
Dann fangen wir gleich an, denn so viel Zeit haben wir nicht. Die aktuelle Tour geht noch eine Woche, korrekt?
Ja genau. Es ist eine fantastische Tour. Alle Bands sind einfach tolle Leute. Das macht das Touren immer ein bisschen einfacher.
Man ist ja von seiner Familie getrennt, da ist es schön, von netten Leuten umgeben zu sein. Wir hatten ja die Band SPIRITUAL CRAMP dabei. Die kommt aus San Francisco und hat die erste Hälfte der Tour unterstützt.
Und jetzt haben wir noch SONDASCHULE dabei. Woher kommen die? Aus Düsseldorf?
Ja, ich glaube aus Oberhausen, also aus der Ecke.
Die sind auch super nett. Und dann L.S. DUNES. Das sind alte Freunde.
Ich kenne dort nur die einzelnen Bands, aber L.S. DUNES selbst noch nicht. Ich freue mich schon darauf, sie heute Abend zu sehen.
Das ist so eine gute Band.
Was war bisher euer schönstes Erlebnis auf dieser Tour?
Ich denke, einfach die Kameradschaft, einfach das Zusammensein.
Außerdem finde ich es absolut unglaublich, dass wir seit 25 Jahren eine Band sind und diese Tour ausverkauft war. So eine lange Reise. Wir haben großes Glück, und unsere Fans sind die besten Fans der Welt. Wir sind unglaublich froh, dass sie so lange dabei sind und uns treu bleiben.
Wenn ich mich nicht irre, habt ihr nach der aktuellen Tour zwei Wochen Pause, dann geht es nach Brasilien und dann auf die nächste US-Tour.
Ja.
Dann kommt ihr zurück nach Europa für Festivals und eine weitere US-Tour mit PAPA ROACH.
Jep.
Gönnt ihr euch auch manchmal eine Auszeit?
Ja. Wir haben den größten Teil des Sommers frei. Nach den Festivals im Juni haben wir den Rest des Sommers frei.
Das wird schön, denn man kann das tolle Wetter mit der Familie genießen. Die nächsten zwei Monate sind definitiv voller als sonst, aber es hat sich einfach so ergeben. Wir haben das Angebot für die Festivals in Südamerika bekommen und konnten es nur schwer ablehnen.
Also dachten wir uns: Okay, wir nehmen es einfach hin und machen es.
Was denn für euch der Hauptunterschied zwischen einer Tour und einem Festivalauftritt?
Man muss es anders angehen. Diese Shows sind Headliner-Shows. Wir konnten ältere Songs spielen, vielleicht auch unbekanntere Stücke, nicht nur die beliebtesten. Ich stelle gerne eine Setlist zusammen, die unsere gesamte Karriere umfasst. So ist für jeden etwas dabei, egal zu welcher Zeit er die Band kennengelernt hat.
Aber bei einem Festival hat man ein kürzeres Set und versucht, die Leute mit den größeren Songs richtig zu begeistern. Es ist also ein etwas anderer Ansatz.
Ihr habt da dann wahrscheinlich ja auch Zuschauer, die euch noch nicht kennen, also müsst ihr versuchen, sie für euch zu gewinnen.
Ja genau, zu 100%.
Wohingegen jeder, der heute Abend kommt, kennt euch.
Genau. Wenn wir als Headliner auftreten und einen Song spielen, den das Publikum vielleicht noch nicht so gut kennt, ist es halt so, dass sie ihn ab dem Moment kennen. Dann recherchieren sie ihn nach der Show. Das ist irgendwie schön.
Als Fan von Bands wie BAD RELIGION oder sogar Thrash Metal wie ANTHRAX wollte ich eine bestimmte Ära der Band hören. Wenn ich also zu einem Konzert gehe und sie ihre neueste Platte spielen, aber dann zum Beispiel ANTHRAX auch etwas von "Among The Living" spielt, dann ist das doch toll. Da ist es meiner Meinung nach unsere Aufgabe als Band, die gesamte Karriere zu würdigen und zu erkennen, dass es Fans aus jeder Ära gibt. Man muss das im Hinterkopf behalten und möchte, dass alle glücklich sind. Für mich ist das der richtige Weg.
Vor zwei Tagen hatten wir BULLET FOR MY VALENTINE und TRIVIUM hier, die beide ihr Debütalbum komplett gespielt haben (einen Konzertbericht zu dieser Tour findest du hier). Es ist schon eine ganz andere Erfahrung, nur ein Album zu hören und nicht die üblichen Best-of-Sets, die man sonst auf Tourneen spielt.
Es ist eine sehr interessante Erfahrung, denn nicht jeder Albumsong ist auch unbedingt ein Live-Song.
So etwas ist selbst für Leute, die nicht so auf ihr Debütalbum stehen, ein einzigartiges Erlebnis. Da möchte man einfach dabei sein.
Ich bin ein Fan von Bands, die so etwas machen. Wir haben so etwas noch nicht gemacht, aber ich schließe es nicht aus.
Aber ich denke, es ist eine Möglichkeit, das Interesse an dem Album zu wecken und es ein bisschen neu zu entfachen. Also, ja, ich finde das einen coolen Ansatz.
Was die Zusammenstellung der Setlist angeht: Auf dieser Tour habt ihr drei verschiedene Setlists, welche ihr abwechselnd spielt.
Zunächst einmal: Warum? Die meisten Bands spielen eine Setlist und ändern vielleicht ein oder zwei Songs. Und zweitens: Wie wählt ihr die Songs für welche Setlist aus?
Wir haben drei verschiedene Setlists gemacht, weil uns klar geworden ist, dass viele unserer Fans zu all diesen Konzerten fahren und immer das Gleiche sehen. Deshalb wollten wir für die Leute, die zwei oder drei Konzerte hintereinander besuchen, etwas Abwechslung schaffen.
Bei der Songauswahl haben wir uns dieses Mal an den beliebten Songs auf Spotify, iTunes oder Apple Music orientiert. Wir haben uns dann vielleicht zehn davon ausgesucht. Und dann hat jeder von uns selbst zwei Songs ausgesucht, die er spielen wollte, was sehr diplomatisch war.
Und das hat alle in der Band glücklich gemacht, denn ich habe zwei Songs ausgewählt, Zach zwei, Tim und Brandon auch. Und man hat sozusagen seinen eigenen kleinen Beitrag zum Set. Ich denke, wenn man so lange in einer Band ist, ist es eine gute Möglichkeit, es so zu machen, weil sich jeder einbezogen fühlt.
Welche zwei Songs hast du ausgewählt?
Es hängt natürlich vom Set ab. (lacht)
Aber ich habe ein paar Songs von unseren ersten beiden Alben ausgewählt, zum Beispiel 'Six Ways 'Til Sunday' von unserem ersten Album. Ich finde es immer gut, zumindest einen Song vom ersten Album zu haben, um die eigenen Wurzeln zu präsentieren.
Da ich mit BAD RELIGION oder ähnlichem aufgewachsen bin, wollte ich immer etwas von deren erstem Album hören. Also habe ich das ausgewählt, dazu dann noch 'Black Masks & Gasoline' von unserem zweiten Album. Ich spiele immer gerne energiegeladene Songs live. Viele der Songs, die ich ausgewählt habe, waren eher punkrockig.
Wie werdet ihr auf so einer Tour denn nicht verrückt? Habt ihr Rituale oder ähnliches?
Mir hilft Sport sehr. Immer wenn wir in einem Hotel mit Fitnessstudio sind, gehe ich dorthin. Das hält mich physisch und geistig fit. Und dann gehe ich gerne spazieren, gehe in Cafés und hänge einfach ein oder zwei Stunden ab, lese ein Buch oder so. Das hält mich irgendwie auf dem Boden.
Und mit so einer Routine vergeht die Tour schneller. Und es ist einfach beruhigend, wenn man aufwacht und ein Ziel für den Tag hat. Genau das habe ich heute gemacht: Ich bin aufgewacht und in ein Café gegangen.
Hattest du bisher wirklich schlechte Tour-Erlebnisse?
Nein, diese Tour verlief bisher reibungslos, so großartig.
Klopfen wir mal auf Holz.
Ja, genau. Es ist wirklich eine meiner liebsten Touren. Es ist einfach locker. Wenn die Shows ausverkauft sind, ist der Stress für die Band geringer. Und ja, es hat einfach riesigen Spaß gemacht.
Welche Show einer Tour ist denn einfacher respektive schwieriger? Die erste oder die letzte der Tour?
Ich würde sagen… oh, das ist lustig, das ist eine gute Frage. Ich würde sagen, die letzte Show ist schwieriger, weil man an dem Punkt ist, an dem man nach Hause will, aber man will ja auch eine gute Show haben und abliefern.
Aber ich habe immer das Gefühl, mental am wenigsten präsent zu sein, bei der letzten Show.
Ausgecheckt.
Ja, ja, ja, genau.
Aber wir beenden diese Tour in Wien. Und Wien ist eine meiner Lieblingsstädte. Also, weißt du, wenigstens haben wir das.
Es wird aufregend. Es wird ein toller Abschluss der Tour. Aber ja, ich denke, wenn man einen Monat weg ist, ist es wie … Wie bei allem, es ist wie der letzte Schultag. Man konzentriert sich nicht … Man konzentriert sich auf den Sommer und die Freizeit und, na ja, rausgehen und tun was auch immer man tun will. So bin ich bei der letzten Show.
Es ist wie, wenn man im Auto sitzt und nach Hause fährt, die letzten zehn Minuten muss man pinkeln.
Genau so!
Reden wir mal über neue Musik: Ich nehme an, ihr werdet heute Abend 'Nod' spielen?
Ja natürlich.
Es war der erste Song in den letzten... seit drei Jahren.
Ja.
Ist 'Nod' ein Hinweis ("a nod" auf Englisch) zu einem neuen Album? Kannst du schon was sagen?
Noch nicht. Es gibt definitiv neue Musik, irgendwann kommt noch mehr neue Musik. Ich kann noch nicht genau sagen, wann. Aber ich merke, dass es toll ist, 'Nod' live zu spielen, weil es live sehr gut rüberkommt.
Die Reaktionen waren super. Es macht Spaß, den Song live zu spielen. Manche Songs sind einfach ein bisschen live-tauglicher. Und 'Nod' scheint einer davon zu sein. Ja, es ist schön. Wie gesagt, wenn man 25 Jahre in einer Band ist, ist es schön, mal wieder etwas Neues zu haben.
Es hält es für alle interessant, weißt du. Es macht Spaß. Aber ja, es wird irgendwann neue Musik geben, noch mehr neue Musik.
Ich freue mich darauf.
Ja, danke.
Was inspiriert dich beim Schreiben neuer Musik, sowohl musikalisch als auch thematisch? Gibt es etwas, worauf du zurückgreifen kannst? Ihr seid ja alle politisch recht aktiv.
Wenn ich neue Musik schreibe, schreibe ich das ganze Jahr über. Und ich werde definitiv davon beeinflusst, was ich gerade höre. Das ist doch unvermeidlich, oder? Man saugt einfach auf, was man gerade hört.
Für mich ist das Schreiben von Musik meine einzige Möglichkeit, mich auszudrücken. Es hängt also wirklich von meiner Tagesstimmung ab. Ob wütend oder glücklich, das überträgt sich auf alles, was ich schreibe.
So war ich schon immer, seit ich Teenager war. Ich würde daher sagen, die Stimmung und dann einfach das, was mich gerade beeinflusst. Aber ich schreibe gerne. Ich bin vielseitig, weil ich mit New Wave, Thrash Metal und Punkrock aufgewachsen bin. All diese Elemente fließen einfach ein, ob ich will oder nicht. Es hängt also vom jeweiligen Tag ab, was ich schreibe.
Das klingt gut.
Ich möchte das Interview gerne mit einer etwas anderen, hoffentlich spannenden Frage beenden.
Okay.
Wenn du deine Traumshow oder dein Traumfestival organisieren müsstest, welche Bands würden dort spielen, vom Vorprogramm bis zum Headliner?
Oh Mann. Das wäre... Also, im Moment liebe ich... Ich werde so ziemlich alle möglichen Genres abdecken.
Es gibt eine Band namens HOMEFRONT aus Kanada, die ich liebe. Die ist irgendwie New Wave und ein bisschen Punkrock der späten 70er. Die finde ich echt interessant.
Und ich liebe die Band THE CHISEL aus Großbritannien. Die kommt aus London. Die ist klasse.
Dann stehe ich immer noch auf Hardcore. Ich nehme daher HOPE CONSPIRACY. Die haben eine neue Platte rausgebracht. Eine super Platte. Ich würde sie aufs Programm setzen.
ANTHRAX, eine meiner Lieblingsbands, auch sie wird aufs Programm gesetzt.
Und als Headliner nehme ich wahrscheinlich THE CURE.
Das ist ein sehr interessantes Line-up.
Wirklich ein buntes Programm.
Und kein RISE AGAINST auf der Show?
Nein. Ich will einfach als Fan dabei sein. Aber die neue Platte von THE CURE, die haben vor ein paar Monaten eine neue Platte rausgebracht, die ist echt klasse. Sie haben mich schon immer stark beeinflusst.
Wir haben noch zwei Stunden bis zum Konzertbeginn, also werde ich mir die wahrscheinlich jetzt mal anhören.
Ja, ja, ja. Es ist definitiv sehr düster, sehr stimmungsvoll!
Okay perfekt! Danke, dass du dir die Zeit für uns genommen hast.
Absolut gerne! Danke auch dir.
Wir sehen uns im Sommer auf den Festivals.
Ja, zu 100%. Fantastisch. Viel Spaß bei der Show.
Fotocredit: Chris Schantzen
- Redakteur:
- Chris Schantzen