ROSE TATTOO: Interview mit Angry Anderson

24.12.2006 | 14:25

Nach dem Tod von Peter "Pete" Wells war für viele die Hoffnung auf ein neues Album von ROSE TATTOO gestorben, doch noch im Krankenhaus hat Pete seinen Kollegen gesagt, dass sie weitermachen müssen. Nun ist im Sommer das erste Lebenszeichen mit "Black Eyed Bruiser" auf den Markt gekommen, und im Frühjahr soll dann das neue Album "Blood Brothers" über die Ladentheke wandern. Aus diesem Anlass führte ich mit Angry Andersson ein sehr emotionales Telefonat über das neue Album, den Erfolg der Band und Pläne für die Zukunft.

Lars:
Hallo Angry. Wie war dein Flug aus Australien?

Angry:
Nun, er hätte besser sein können. Das Geheimnis ist zu schlafen, und früher konnte ich das noch ganz gut. Aber das geht nun nicht mehr, weil es einfach nicht mehr so bequem ist. Die Reise geht viel schneller vorbei, wenn man Schlaf hat, aber ich schlafe generell nicht mehr so gut. Die letzten paar Male, als ich mit der Band nach Europa geflogen bin, hatten wir noch Schlafmittel vom Arzt, aber jetzt leider nicht.

Lars:
Also ein harter Flug?

Angry:
Ja, erst mal ein, zwei Stunden nach Bangkok oder Singapur, diesmal war es Singapur. Und dann waren es noch mal acht Stunden nach Heathrow. Also alles ziemlich stressig.

Lars:
Na, immerhin seid ihr heil runtergekommen. Ich hab erst mal ein paar Fragen zur Band an sich. Was genau bedeutet eigentlich der Name ROSE TATTOO?

Angry:
Nun, Peter hatte den Namen aus einem Buch von Tenessee Williams, und ROSE TATTOO bedeutet in diesem Zusammenhang so etwas wie Ying und Yang. Die Rose steht für das esoterische Zeichen der Weiblichkeit und das Tattoo ist männlich, also steht das ROSE TATTOO für die Männlichkeit als auch für die Weiblichkeit. Alles hat zwei Seiten, genauso wie eine Beziehung zwischen Mann und Frau. Sie sollen sich nicht gegenseitig auslöschen, was viele Frauen falsch verstehen, haha. Es ist nicht ihre Aufgabe, den Mann zu ändern, sondern auszubalancieren. Das ist überall so, es muss immer zwei Möglichkeiten geben, die sich ausgleichen.

Lars:
Ihr habt ja jetzt nach dem Tod eures Gitarristen Pete Wells mit seiner Zustimmung weitergemacht und bringt demnächst ein neues Album auf den Markt. Was können wir uns davon erwarten?

Angry:
Ich wollte mit dem neuen Album vor allem textlich zurück zu der Essenz der alten Tage zurückkehren, denn im Grunde ist ROSE TATTOO eine Bluesband, und ich habe Pete noch gefragt, ob wir Mick wieder in die Band aufnehmen, da ich mit Mick schon auf den ersten drei Alben fast alle Songs geschrieben hatte. Mick und Pete haben sich schon immer hervorragend ergänzt, und das wollte ich mit dem neuen Album erreichen. Es wäre schön gewesen, wenn es geklappt hätte, dann hätten wir Mick, Pete und Robin auf einem Album, aber letztendlich scheiterte es daran, dass Robin nicht so gut mit Mick auskam. Das Album selber ist dann letztendlich wieder richtig bluesig geworden, wie auf den ersten Alben.

Lars:
Hört sich schon mal gut an. Welcher Track auf dem Album gefällt dir denn bis jetzt am besten?

Angry:
Ich bin mir nicht sicher, es gibt eine Menge Titel, die mir gefallen. Es gibt einen Track, der als Salut, als Abschiedssong für Peter gedacht ist, 'Once In A Lifetime', der gefällt mir richtig gut. Auch sehr gut ist 'Sweet Meat', in dem es darum geht, ältere Frauen den jüngeren vorzuziehen, einfach weil sie sexuell mehr drauf haben.

Lars:
Interessante Sichtweise. Wie lang glaubst du wird es noch weitergehen mit ROSE TATTOO?

Angry:
Keine Ahnung. Vielleicht noch vier, fünf Jahre. Vor zehn Jahren hätt ich noch gesagt, nach zehn Jahren ist Schluss, vor ein paar Jahren hätte ich gesagt, langsam reicht's, ich meine es sind jetzt 30 Jahre vergangen. Ich hab mit Peter vor seinem Tod darüber geredet, er meinte auch, es hat sich so viel verändert, in drei bis vier Alben sind wir wahrscheinlich eher eine Bluesband als eine Heavy-Rock-Band, und damit wird wohl auch niemand rechnen.

Lars:
Hoffen wir das Beste. Ich finde das Album klingt auch irgendwie düsterer, bluesiger als die vorherigen.

Angry:
Ja? Naja, ich finde, da ist eine gewisse Tiefe in dem Album, wie auf dem ersten Album, wo es noch Songs wie 'The Butcher And Fast Eddy' gab. Es ist schwer, so was zu schreiben. Und auf dem Album gibt es einen Track, der wahrscheinlich 'Summer Rain' heißt, der auch so eine Tiefe hat. Wir spielen ein Riff immer und immer wieder, und es geht darum wie das Leben in der Stadt auf der einen Seite richtig herrlich sein kann, bis der Sommerregen kommt, der zwar auch gut sein kann, aber auch irgendwo seine dunklen Seiten hat. Und dann gibt es noch 'Creeper', der auch sehr düster ist, darin geht es zum einen Serienmörder.

Lars:
Wird sicherlich interessant sein, etwas wie 'The Butcher And Fast Eddy' wieder zu hören. Was können wir denn auf den Shows erwarten?

Angry:
Wir werden hauptsächlich alte Sachen spielen, aber nicht immer wieder dieselben, das wird sonst langweilig. Die Publikumslieblinge werden aber natürlich drin bleiben. Vom neuen Album gibt es ein oder zwei Tracks, die wir auf Konzerten nicht spielen können oder wollen, aber auch da gibt es sechs oder sieben Songs, die wir spielen wollen. Für uns alte Säcke wird das interessant, denn es wird sicher eine lange Show.

Lars:
Schlecht für euch, gut für uns.

Angry:
Hahaha, das stimmt. Wie ich eben sagte, wie Ying und Yang, das Positive direkt neben dem Negativen. Aber wie Mick gestern schon sagte, wir lieben es, aufzutreten, ich meine, wir spielen jetzt schon seit 30 Jahren. Aber wenn wir drei Stunden spielen würden, würden wir irgendwann vergessen, was wir spielen. Aber zehn Jahre schaffen wir bestimmt noch.

Lars:
Nach 30 Jahren ROSE TATTOO, was ist für dich das wichtigste Album?

Angry:
Also vor allem unser neuestes, "Blood Brothers". Und dann auch unser erstes, mit dem wir uns etabliert haben. Es hat schon was für sich, nach 30 Jahren auf das erste Album zurückzublicken und sagen zu können, wir sind noch da, wir sind immer noch "frisch", und wir haben damals schon Zeichen gesetzt. Weswegen die Leute auch immer noch zu unseren Konzerten kommen und unsere Lieder hören. Bei unserem aktuellen Album war es natürlich sehr schwer, nachdem zwei Gründungsmitglieder innerhalb kürzester Zeit starben, und Ian hat so viele Songs für die Band geschrieben, von denen nur zwei jemals veröffentlich wurden. Und bevor er auf dem neuen Album seine Lieder hinterlassen konnte, verließ er uns. Und Peter war natürlich ein markantes Merkmal unserer Band, er brachte einen wichtigen Teil ein. Das Album ist für uns nicht gerade wieder von vorne anzufangen, aber ein Neuanfang, der Beginn einer neuen Ära.

Lars:
Und was war der Höhepunkt der Karriere?

Angry:
Nun, es gab sehr viele Highlights, eins davon war zum Beispiel, als wir zum ersten Mal mit ZZ TOP spielten. Ein anderes Mal war, als wir in Deutschland mit den BÖHSEN ONKELZ spielten. Und das absolute Highlight war wohl Wacken. Wir kamen auf die Bühne und da waren 30.000 Leute und ich drehte komplett durch. Ich hab mich wohl in meinem ganzen Leben noch nie so gut gefühlt. Ich war sehr bewegt zu sehen, dass all die Kinder von damals uns noch loyal waren, zu uns hielten und uns auf diese besondere Art willkommen hießen, das war ein Gefühl, das mich bis zum Ende meiner Tage begleiten wird.

Lars:
Das kann ich gut nachvollziehen. Ihr seid ja bekannt als die "kleinen" AC/DCs, also als zweitgrößte Rockband Australiens. Gibt es Momente, in denen du dir wünschst, das ROSE TATTOO erfolgreicher wären?

Angry:
Es gibt schon Monate, in denen ich schwer zu kämpfen habe. In letzter Zeit eher nicht, aber nach meiner Scheidung vor vier Jahren war es schon sehr hart für mich. In den ersten Jahren war es sehr hart überhaupt das Geld für den Unterhalt zusammenzubekommen. Das sind so Momente, an denen ich mich frage, wo bleibt die Gerechtigkeit. Wir haben tausende Alben verkauft und sind trotzdem nicht reich. Manchmal sitzt du zu Hause bei deiner Flasche Bier und denkst dir: "Scheiße, so sollte das eigentlich nicht sein". Dann kommen aber wieder die Momente, in denen du vor Publikum spielst, Leute auf dich zu gehen oder du auf einem großen Festival spielst. Und wenn dann jemand zu dir sagt, ich hab mich selten so wohl gefühlt wie auf dem Konzert oder beim Hören eurer Platten.
Weißt du, es wäre schon schön, mehr Platten zu verkaufen und erfolgreicher zu sein, dann könnte ich teure Reifen auf mein Auto aufziehen, oder mein Haus streichen oder gleich ein neues kaufen, aber wenn du nach Hause kommst und jemand hat dir so was gesagt, dann ist es fast dasselbe wie reich und erfolgreich zu sein. Natürlich, wenn man jünger ist, sagt man, es geht nicht nur ums Geld, aber ab einem gewissen Alter merkt man, dass das die Wahrheit ist.

Lars:
Was sind eigentlich eure Einflüsse?

Angry:
Es gab schon viele Einflüsse über die Jahre, für jeden von uns individuell. Wir alle haben natürlich unsere Wurzeln im Blues und im frühen Rock 'n' Roll wie JERRY LEE LEWIS und LITTLE RICHARD. Das war es damals und das ist es auch heute noch. Der andere Einfluss ist natürlich das Leben. Wenn alles anders gelaufen wäre, ich hätte wohl nicht so eine klischeeartige Weise, den Blues zu singen. Jeder in unserer Band hatte eine harte Kindheit, und für uns alle war es sehr schwer, so zu sein wie wir sind. Es war auf jeden Fall nicht einfach in ROSE TATTOO zu sein, es war eher hart, aber wir hatten auch eine sehr schöne Zeit. Ich sagte zu Pete bei einem der letzten Male, wo ich ihn besuchte: "Wir waren für über 30 Jahre zusammen, du hast mich bei meinen schlimmsten und meinen schönsten Momenten erlebt, und du hast meine Höhen und Tiefen gesehen." Diese 30 Jahre haben unsere Musik wohl am meisten beeinflusst.

Lars:
Mit diesen 30 Jahren kamen ja auch 30 Jahre auf Tournee gehen dazu. Was war die beste Band, mit der ihr je spielen durftet?

Angry:
ZZ TOP. Einfach weil uns die Band verstand, und für mich sind sie eine der größten Blues-Bands aller Zeiten. Wir kamen außerdem hervorragend menschlich mit ihnen aus, und es war eine sehr erfolgreiche Tour für uns. Wir sind mit ZZ TOP durch ganz Europa und Amerika getourt.

Lars:
Was bedeutet das Leben auf Tour für dich heute im Gegensatz zu früher?

Angry:
Es war schon immer eine sehr schöne Erfahrung. Ich habe schon immer die Möglichkeit geschätzt, die sich darin geboten hat. Ich habe sehr viel von Australien gesehen und auch etwas von der Welt selber. Mir macht das sehr viel Spaß. Das einzige was sich von heute auf damals geändert hat, ist die Tatsache, dass es mir früher kaum was ausgemacht hat, wie lange das Ganze dauerte. Heute vermisse ich meine Kinder, jeden Tag, auch wenn sie mich zu Hause noch so sehr aufregen, wenn ich toure, vermisse ich sie jeden Tag.

Lars:
Und wenn dich die Kinder nicht auf Trapp halten, was machst du dann in deiner Freizeit?

Angry:
Eigentlich habe ich nicht so viel Freizeit, haha. Nein, eigentlich ist noch eine Menge Zeit. Zurzeit renoviere ich mein Haus, und das aus zwei Gründen. Erstens kann ich es mir nicht leisten, jemanden einzustellen, und zweitens ist es so was wie mein Hobby geworden. Ich hab auch viel freie Fläche, mache also auch viel Gartenarbeit. Ansonsten mache ich auch viel für meine Fitness. Wenn ich anfange zu trainieren, dann trainiere ich den ganzen Tag. Die letzten sechs Monate war da natürlich nicht viel Zeit für, weil ich da die Songs geschrieben habe. Ansonsten lese ich sehr gerne. Ich lese dann drei, vier Bücher auf einmal. Zurzeit hab ich einen englischen Autor namens Jeffrey Roberts, "Crimes Against Humanity", dann bin ich zur Hälfte damit durch, "Die drei Musketiere" zum dritten Mal zu lesen, und dann lese ich noch "The Last Days Of Ancient Sunlight", in dem es um darum geht, wie wir nach und nach unsere Umwelt zerstören.

Lars:
Und was hörst du in deiner Freizeit?

Angry:
THE GYPSY KINGS, die hab ich schon immer gern gehört. Als wir zum letzten Mal in Hamburg waren, haben Mick und ich einen Laden gefunden, "The Collectibles", da hab ich gerade eine Menge Sachen her. Ich hör auch grad ALEX HARDY, ein schottischer Sänger, ansonsten noch die Sachen, die ich eh schon immer gehört habe, LED ZEPPELIN zum Beispiel.

Lars:
Dann bedanke ich mich schon mal für das Interview und die vielen guten Songs, die ihr geschrieben habt. Noch irgendwelche letzten Worte?

Angry:
Ich hoffe, das dass neue Album es uns ermöglichen wird, noch viele Jahre weiterzuspielen.

Redakteur:
Lars Strutz

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