SATYRICON: Interview mit Satyr

28.09.2013 | 17:18

Mit "Satyricon" beendet Satyr die fünfjährige Pause seit dem letzten Werk "The Age Of Nero". Wir trafen den Norweger in einem Berliner Hotel, wo sich Satyr als nachdenklicher, sympathischer und sehr redefreudiger Gesprächspartner herausstellte.

Redefreudig ist vielleicht sogar noch ein bisschen untertrieben. Das Interview kann erst mit deutlicher Verspätung starten, weil Satyr auch mit den Kollegen zuvor sehr ausgiebig geplauscht hat und auch auf die Frage wie er selbst "Satyricon" einordnet, folgt ein viertelstündiger Monolog, der den Eindruck vermittelt, dass Satyr mit dem neuen Album sehr glücklich ist. Basis dafür sind einige Änderungen, die sich sowohl beim Songwriting wie auch bei der Produktion niederschlagen. "Ich finde, dass das Album sehr dynamisch geworden ist. Und das nicht nur auf Albumlänge betrachtet, sondern auch jeder Song in sich hat eine sehr gute Dynamik. Das liegt auch daran, dass ich dieses Mal nicht mit fertigen Songs ins Studio gegangen bin, wo dann Frost nur noch seine Parts spielen musste, sondern die Songs eher in so etwas wie Jamsessions entstanden sind. Ich habe Frost meine Ideen vorgestellt und wir haben dann zusammen geschaut, ob das funktioniert oder nicht. Ich hatte auch einen unserer Livegitarristen im Studio, um diverse Harmonien auszuprobieren und Änderungen vorzunehmen, wenn etwas doch nicht gut genug war. So ist viel mehr Leben in die Songs gekommen und dieses Leben ist auch etwas, das ich versucht habe, mit der Produktion einzufangen." Ein Vorhaben, das man durchaus als gelungen bezeichnen darf. "Ich bin natürlich mit Heavy Metal aufgewachsen, aber auch mit Bands wie LED ZEPPELIN, BLACK SABBATH oder DEEP PURPLE und war immer fasziniert davon, wie diese Scheiben klangen und mit diesem Ansatz sollte auch das neue Album entstehen. Wir haben also das Album zu großen Teilen ganz klassisch auf Tape aufgenommen und haben analoge Aufnahmen genutzt. Dabei hat sich herausgestellt, dass vieles nicht so einfach ist, wie es zu Beginn scheint. So ist der Klang einer Gitarre im Studio und auf Band stellenweise ganz unterschiedlich und bist du dann die richtigen Einstellungen, Instrumente etc. gefunden hast, dauert dies sehr viel Zeit und Geld. Auf digitale Techniken habe ich nur zurückgegriffen, wenn ich einfach keinen Unterschied heraushören konnte, aber das war nicht sehr oft der Fall."


Und Satyr kann auch genau erklären, warum ihm dieses Verfahren so wichtig war: "Ich war schon immer sehr offen, was Musik angeht, aber was heute so als Popmusik verkauft wird, ist auf dem niedrigsten Niveau, das ich je gehört habe. Wenn ich mal im Fitnesscenter trainieren gehe und dort im Hintergrund Musik läuft, dann frage ich mich wirklich, wie das jemand gut finden kann. Das klingt alles nur noch tot, wie vom Computer gemacht und kein bisschen mehr nach Mensch. Und das ist ja nicht nur in der Popmusik so, sondern das gibt es auch mehr und mehr im Metal. Ich war mal mit einem Businesspartner von SATYRICON in den USA unterwegs und er hat mir das neue Album einer ziemlich großen und populären Metalband vorgespielt und mir davon vorgeschwärmt. Ich habe verstanden, was er daran gut fand, denn es war so kraftvoll, es machte Boom! und hat dich aus den Sitzen gehauen, aber ich fand es vor allem so unecht. Es hat mich emotional überhaupt nicht berühren können, denn es klang wie eine Maschine, die Musik macht. Und ich wollte ein Album schaffen, das lebt, berührt, eine Seele hat. Und die Basis für diese Seele ist nun einmal wie die Musik klingt. Ich hätte auch alles mit so einer neumodischen Produkion machen können und die Songs wären die selben gewesen, aber ich hätte alles Leben ausgelöscht. Und genau das wollte ich unbedingt vermeiden."

Ein Song, der auf dem Album hervorsticht, ist 'Phoenix', der mit den dunkel-melodischen Vocals von Sivert Høyem (MADRUGADA) überrascht. "Ich hatte im Fernsehen eine Musiksendung gesehen, bei der Sivert live einen Song darbot, bei dem deutlich wurde, dass er gerne Black Metal mochte. Gerade im Gitarrenbereich war das unverkennbar. Daraufhin habe ich gedacht, dass es viel cooler wäre, einen SATYRICON-Song direkt für seine Stimme zu schreiben. Ich habe ihn also kontaktiert und ihm erzählt, dass ich den Eindruck hatte, dass er Black Metal mag und ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, einen Song einzusingen, den ich für ihn schreiben würde. Und er hat ohne zögern zugesagt. Und du hast Recht, es ist ein ziemlich melodischer Song für SATYRICON-Verhältnisse, aber der Song hat sich im Laufe der Aufnahmen unglaublich entwickelt und dabei hat sich herausgestellt, dass die einfachste Lösung häufig auch die beste Lösung für den Song war. Ich habe noch Versionen im Demostadium, die sehr komplex sind, die aber keine Chance gegen die jetzige Version haben."


Die heutige Black-Metal-Szene und die Entwicklung der Szene an sich sieht Satyr auch mit ziemlich kritischen Augen. "Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich enttäuscht, was die Entwicklung innerhalb der Szene angeht. Klar, einige Bands haben sich deutlich weiter oder gar von der Szene weg entwickelt, aber ich hatte schon gedacht, dass der Black Metal noch radikaler bleibt und es auch heute noch 16-jährige Kids gibt, die uns wirklich umhauen können, aber da ist nicht viel gekommen. Und auch bei den einen oder anderen Kollegen, die mit uns angefangen haben und sehr erfolgreich geworden sind, vermisse ich den Mut wirklich etwas zu wagen. Da wird oft auf Nummer sicher gegangen, um Erwartungen zu erfüllen, obwohl man eigentlich an einem Punkt angekommen ist, wo man auch mutig sein kann und etwas macht, was die Fans vielleicht so nicht erwartet haben, dafür aber künstlerisch noch etwas zu sagen hat. Da gibt es sicher Bands, die da Gelegenheiten verpasst haben." Es ist aber natürlich schwierig solch einen Mut zu haben, wenn man gleichzeitig davon abhängig ist, mit der Musik eben auch Geld zu verdienen. "Das ist natürlich richtig. Ich war mal auf einer Fashionshow, weil meine Freundin dort als Model über den Catwalk gelaufen ist und habe mich lange mit einem der Designer unterhalten. Es ging um Haute Couture und die Klamotten waren alle sehr bizarr und merkwürdig. Und ich meinte zu dem Designer, dass man ganz schön Mut aufbringen müsste, um diese Sachen zu tragen und er erwiderte nur, dass sich niemand an Feiglinge erinnern würde. Und das gilt meiner Meinung nach nicht nur für die Mode, sondern ganz generell für die Kunst. Im Jahr 1997 - zu einer Zeit, wo das Internet noch neu war - ist ein Freund von mir gestorben und wenn man heute nach ihm im Internet sucht, ist das einzige, was man findet, die Widmung für ihn, die es auf dem nächsten SATYRICON-Release gab. Davon abgesehen, ist er einfach verschwunden. Außer den Leuten, die ihm nahe standen, weiß niemand mehr, dass er existiert hat und das macht mich sehr traurig. Wenn ich also darüber nachdenke, was ich mit meinem Leben erreicht haben möchte, wenn ich irgendwann einmal von dieser Welt gehe, dann ist es nicht, dass man sagt, die und die Platte sei aber toll gewesen, sondern, dass ich das Leben von einigen Menschen berührt und verändert habe. Und das schaffe ich nicht, wenn ich ein Feigling bin."

Redakteur:
Peter Kubaschk
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