SCAR SYMMETRY: Interview mit Henrik Ohlsson

24.06.2008 | 18:39

Auf dem wieder über Nuclear Blast erschienenen Drittling "Holographic Universe" präsentieren sich die schwedischen Melodic-Death-Metal-Überflieger SCAR SYMMETRY eingängiger und gleichzeitig spannender denn je, jedoch zum Glück ohne den Biss der Vorgänger über Bord zu werfen. Sänger Christian Älvestam brilliert sowohl in den Growls auch in den leicht poppigen klaren Passagen, und selbst in Sachen Songwriting lassen sich im Gegensatz zum noch etwas durchwachsenen letzten Output "Pitch Black Progress" kaum Ausfälle vermerken. Schlagzeuger Henrik Ohlsson erklärt, wie es zu dieser melodischeren Ausrichtung kam und was es mit dem "holografischen Universum" auf sich hat und deckt den "größten" Skandal der Bandgeschichte für euch auf.

Elke:
Zunächst mal herzlichen Glückwunsch zum neuen Album! "Holographic Universe" ist eine echte Überraschung. Du hast zwar im letzten Interview bereits angedeutet, dass ihr niemals im Voraus plant, wie melodisch ein Song oder gar eine ganze Platte ausfallen werden. Aber dass ihr auf eurem dritten Werk dann doch so viel Klargesang verwendet, hätte ich nicht erwartet. Wie kam es dazu?

Henrik:
Es hat sich einfach so ergeben. Wir gehen stets völlig unvoreingenommen an ein neues SCAR SYMMETRY-Album heran und lassen uns vom aktuellen Song-Material treiben. Erst wenn das ganze Werk dann im Kasten ist, bemerken wir, was wir da eigentlich genau fabriziert haben. Aber ich denke trotzdem, dass wir unserem Sound treu geblieben sind. Die Basis-Zutaten sind immer noch da, und es ist auch nicht so, dass wir uns musikalisch um 180 Grad gedreht hätten. "Holographic Universe" verdeutlich einfach, wo wir im Moment stehen, und wir sind sehr zufrieden damit.

Elke:
"Holographic Universe" dürfte euer bisher abwechslungsreichstes Album sein, was es ein wenig schwierig macht, euch immer noch in die "Melodic Death Metal"-Schublade zu stecken. Wie sind die Reaktionen bisher auf den verstärkten "Pop-Einfluss" der Platte?

Henrik:
Die Reaktionen waren bisher sehr positiv. Viele unserer Fans waren bereits vom ersten auf unserer MySpace-Seite veröffentlichten Song 'Morphogenis' begeistert, und als wir Anfang Juni schließlich das komplette Album als Stream zur Verfügung stellten, schienen die Metalheads da draußen angetan zu sein wie eh und je. Wir sehen die Songs allerdings nicht als "poppig" an. Einige haben einen 80er-Heavy-Metal-Einschlag, und auch wenn der 80er-Metal im Vergleich zu Grindcore sicher "poppig" ist, so ist es kein "Pop" im Sinne von BRITNEY SPEARS & Co.

Elke:
Ihr selbst beschreibt die zwölf Songs als eine "Mischung aus der cremigen Güte von 'Symmetric In Design' und der pikanten Würze von 'Pitch Black Progress' plus eine Extraportion Käse und Schweinefett". Von wem stammt dieses leckere Zitat, und was genau wollte er damit sagen?

Henrik:
Der Kommentar stammt von Per [Nilson, git.], und er wollte damit einfach nur auf eine lustige Art ausdrücken, dass wir für die neuen Stücke das Beste der vorherigen Alben genommen und noch mehr coole Elemente hinzugefügt haben.

Elke:
Mir liegen leider keine näheren Informationen zu den Songs vor, aber wenn ich mir die einzelnen Titel anschaue, schaut das ein wenig nach einem Science-Fiction-artigen Konzeptalbum aus. Stimmt das?

Henrik:
Das Konzept, das hinter dem Album-Titel steht, ist ziemlich kompliziert, aber es beschäftigt sich im Wesentlichen mit dem Zusammenhang zwischen der Quanten-Physik und der östlichen Philosophie. Die Kernaussage ist, dass die heutige Wissenschaft zu den gleichen Ergebnissen kommt, auf welche Philosophen bereits vor Tausenden von Jahren gestoßen sind, nämlich dass es keine Masse als solche gibt, nur Energie. Die Geschichte ist in gewisser Weise auch eine Fortsetzung des Themas von "Pitch Black Progress". Dort ging es darum, dass die Menschheit von einer Art Welt-Regierung versklavt wird, welche unsere Gedanken und Handlungen aufzeichnet. Auf "Holographic Universe" haben die Menschen erkannt, dass sie sich der Welt-Regierung nicht unterwerfen müssen, wir können denken und tun, was auch immer wir wollen. Und alles, was wir uns in Gedanken lebhaft vorstellen können, kann sich manifestieren, was auch immer das genau sein mag.

Elke:
Was kannst du mir zu den Aufnahmen an sich sagen?

Henrik:
Aufgenommen haben wir das Album zwischen Dezember 2007 und Januar 2008 (vielleicht auch noch bis in den Februar hinein) in Jonas' [Kjellgren, git.] Black Lounge Studio, und Jonas hat es auch produziert. Für mich war es die bisher lustigste und inspirierendste SCAR SYMMETRY-Aufnahmesession überhaupt.

Elke:
Was man der Platte irgendwie anmerkt, denn es gibt darauf sehr viele interessante Details zu entdecken. Einige Songs, wie z. B. 'Quantumleaper', sind immer noch überwiegend gradliniger Melodic Death Metal, während andere diese eben sehr "poppigen" klaren Gesangspassagen haben, bei denen ich mich frage, wie zum Geier ihr darauf überhaupt kommen konntet. Habt ihr euch in letzter Zeit viele Boygroups angehört oder Casting-Sendungen angeschaut, um auf Refrains wie den von 'Prism And Gate' zu kommen?

Henrik:
(lacht) Nein, eigentlich nicht. Ich kann eigentlich gar nicht behaupten, dass wir für das neue Material von irgendetwas Bestimmtem beeinflusst worden sind. Doch waren wir in den vergangenen zwei Jahren viel auf Tour und sind dadurch als Band gereift. Wir hatten wenig bis gar keine Live-Erfahrung, als wir die letzten beiden Alben einspielten, und ich denke, darin liegt der größte Unterschied bei diesen Aufnahmen. Wir sind inzwischen selbstsicherer, und das macht den Weg frei für ein paar ziemlich verrückte Ideen, haha.

Elke:
Einer der abwechslungsreichsten Tracks (und gleichzeitig der längste der Bandgeschichte) ist der über neunminütige Titelsong. Plant ihr den auch auf der Bühne zu präsentieren?

Henrik:
Vermutlich schon. Es macht Spaß, 'Holographic Universe' live zu spielen, und wenn wir bei einem Gig genug Spielzeit zur Verfügung haben, könnten wir ihn möglicherweise in die Setlist integrieren.

Elke:
Auf "Holographic Universe" stechen die Keyboard-Samples mehr denn je hervor, wie z. B. bei dem Geigen-Intro von 'Artifical Sun Projecton' oder dem Streicher-Sound in 'The Missing Coordinates'. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, einen (Live-)Keyboarder zu engagieren?

Henrik:
Wir hatten schon immer Keyboard-Elemente in unserer Musik und sie sind ein wichtiger Bestandteil von SCAR SYMMETRY. Aber wir vermeiden es trotzdem, einen festen Keyboarder zu haben - es fühlt sich einfach nicht richtig an. Live spielen wir zum Click-Track, und Per und Jonas haben die Keyboard-Passagen vorher aufgenommen.

Elke:
Auch der Anteil von - teils mehrstimmigem - Klargesang ist auf dem neuen Output viel größer ausgefallen. Spielt ihr die zweite Stimme live ebenfalls vom Band ein?

Henrik:
Nein, das haben wir nicht nötig. Bereits auf den vorherigen Alben gab es mehrstimmige Passagen. Da jeder in der Band singen kann, springt für die zweite Stimmlage oder mehrstimmig angelegte Gesangsharmonien auf der Bühne immer irgendjemand als Background-Sänger ein. Dadurch sind wir in der Lage, den Gesang des Albums live eins zu eins umzusetzen.

Elke:
Dem dritten Album sagt man ja bekanntlich nach, über die Zukunft einer Band zu entscheiden. Da es sich bei "Holographic Universe" um euer bisher bestes, homogenstes und gereiftestes Album handelt, habe ich nicht den geringsten Zweifel daran, dass es mit SCAR SYMMETRY weiter steil bergauf gehen wird. Trotzdem würde mich interessieren, wo ihr selbst euch sagen wir in einem Jahr stehen seht. Was sind eure Pläne für die nahe Zukunft?

Henrik:
Wir werden nicht vor dem kommenden Herbst auf Tour gehen, ich vermute, dass es im September eine Europa-Tour gehen wird oder so etwas in der Art. Die Promotion wird nicht anders sein als bei "Pitch Black Progress" auch, doch hoffentlich wird die ganze Sache immer größer werden und uns die Möglichkeit eröffnen, an noch mehr Orten aufzutreten als zuvor. Ein Jahr später haben wir dann - und da bin ich mir ziemlich sicher - einen oder zwei Schritte auf der Karriereleiter nach oben getan. Hoffentlich werden wir zu dem Zeitpunkt dann auch von unserer Musik leben können.

Elke:
Ich habe ehrlich gesagt noch nie von Skandalen oder Gerüchten in Verbindung mit SCAR SYMMETRY gehört. Ihr macht auf mich den Eindruck einer professionellen und hart arbeitenden Band, die für das Rock-Star-Gehabe gar keine Zeit hat. Sind dir jemals irgendwelche verrückten Geschichten oder abwegiger Klatsch und Tratsch zu Ohren gekommen, über die du unseren Lesern berichten könntest?

Henrik:
Das Gerücht, dass wir genauso klingen wie SOILWORK, ist echt skandalös, haha! Es gibt schon etliche ungewöhnliche Geschichten, die offiziell noch nie erzählt worden sind - und das mit gutem Grund. Wenn wir nach Außen hin als hart arbeitende, professionelle Band rüberkommen, ist das eine gute Sache. Aber wir arbeiten ja nicht ständig. Also stellt euch einfach vor, was passiert, wenn wir abends unsere Instrumente in den Koffern verstauen...

Redakteur:
Elke Huber

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