SCULFORGE: Interview mit Polly und Fabz

14.05.2025 | 15:01

Das zweite Studioalben von SCULFORGE ist vor wenigen Wochen erschienen und wurde bei uns rezensiert. Der eigene Mix der Deutschen ist faszinierend und führte zu einem Austausch mit dem Gitarristen Fabz und seinem Axt-Kumpan Polly, der auch das Mikro bedient.

Herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Studioalbum! Wie geht es euch jetzt einige Wochen später?

Fabz: Vielen Dank! Ein Album-Release ist immer eine wilde Zeit. Je mehr man in den ersten sechs bis acht Wochen auf den Weg bringt, desto besser. Wir sind aber sowieso immer dabei den nächsten Step zu planen, Songs zu schreiben und die Band voranzubringen.

Wie sind die Rückmeldungen bisher auf die Veröffentlichung?

Polly: Servus und danke für das coole Review! Super gehts uns, die Resonanz ist Bombe, das ist schon fast unheimlich. Nur die Italiener, die mögen uns irgendwie nicht so richtig. Ich glaube, denen sind wir nicht soft genug. Einer hat geschrieben, unser Drummer Chris hätte ein Moped statt Beinen. Aber das ist ok, es heißt ja POWER Metal und nicht Lulli Metal.

Auch aufgrund eures Titels wird schnell klar, dass ihr das alles nicht so bierernst nehmt. Ist Metal für euch keine ernste Sache mehr?

Fabz: Wir sehen das wie das A-Team. Wir nehmen uns selbst nicht so ernst, aber unsere Gegner müssen uns sehr ernst nehmen. Wir sehen uns da eher in der Tradition von HELLOWEEN, ANTHRAX und DRAGONFORCE - wir müssen da kein Image erfinden.

Polly: Wir machen das, weil es uns Spaß macht und wir es lieben - und das darf man gerne sehen. Klar gibt es Leute, die uns doof finden, weil wir auf Fotos nicht böse schauen oder Fellumhänge tragen. Und das ist auch völlig ok, dann können sie einfach eine andere Band hören. Wir sind alle Ü40 - da stellt sich so eine gewisse "Scheiß drauf"-Attitüde ein. Ich hätte ja auch gern aufblasbare Pinguine auf der Bühne. Richtig große.

Ist es nicht manchmal nervig, wenn die Fans sich nicht mal den ganzen Albumtitel merken können?

Fabz: Unsere Fans sind schlau! Also die meisten. Um ehrlich zu sein, hat sich von den Fans noch keiner beschwert. Das kommt eher von der Presse.

Polly: Weißt du, was das Schöne an einem Untertitel ist? Man kann ihn einfach weglassen. Außer, wenn man unsere Platten in einer Masterthesis zitieren will. Dann muss die Quellenangabe natürlich korrekt sein. :)

Euer Mix ist durchaus eigenständig. Auf der einen Seite erkenne ich DRAGONFORCE oder FREEDOM CALL in euren Songs, auf der anderen Seite auch härtere und ernsthaftere Truppen wie BRAINSTORM. Liege ich da mit den Einflüssen richtig?

Fabz: Dankeschön, wir machen ja alle schon sehr lange Musik. Da kommen natürlich diverse Einflüsse ins Spiel: Bei mir ist das ganz klar MEGADETH, DRAGONFORCE, KREATOR, aber auch KILLSWITCH ENGAGE und die ganzen 80er Helden und natürlich die BEATLES. Wir sind alle sehr breit gefächert, was das angeht. Unser Bassist Felix spielt zum Beispiel auch noch in einer Ska-Band. Wir sind glaube ich weit über den Punkt hinaus, wo es nur METAL!!!! sein darf. Trotzdem sehe ich Metal als meine musikalische Heimat.

Polly: Ich lese beim Gesang sehr oft Kai Hansen-Vergleiche. Und die lese ich natürlich sehr gerne. Meine Helden sind die klassischen Bands, an denen man so Ende der 90er, Anfang der 2000er nicht vorbeikam: BLIND GUARDIAN, ICED EARTH (mit Matt Barlow, also bis zur Horrorshow und vor Schaffers ganzen Eskapaden), GAMMA RAY, BRAINSTORM, EDGUY/ AVANTASIA, jedoch auch CHILDREN OF BODOM, AMON AMARTH und IN FLAMES. Abseits vom Metal bin ich ein ziemlicher Country-Dude. Mit so einem cleanen Gitarrensound wie BRAD PAISLEY muss man erstmal shredden können, das find ich schon ziemlich cool.

Welche Bands und Alben haben euch in den letzten Jahren am meisten begeistert und inspiriert?

Fabz: Ich glaube, es würde den Rahmen sprengen, wenn ich das alles aufzählen würde. Am meisten inspiriert mich bei Bands, wenn ich merke, dass da ein Feuer lodert. Und da ist es völlig egal, ob das eine Band ist, die es schon lange gibt oder eine ganz neue. In den letzten Jahren sind mir aber vor allem FIREWIND, BEAST IN BLACK, DRAGONFORCE und ALESTORM positiv aufgefallen. Da passiert richtig was. Die sind einfach sehr sehr gut geworden in dem, was sie machen. Sei es live oder das ganze Drumherum. Das sind mächtige Maschinen, die einfach super funktionieren. Da arbeiten wir auch dran.

Polly: "Pommesgabel" von HEAVYSAURUS! Meine Tochter liebt sie und das hat ziemlich abgefärbt, das macht auch live richtig viel Spaß. "Immortals" von FIREWIND ist schon ein paar Tage alt, aber die höre ich immer wieder, weil ich die Vocals von Henning Basse so extrem stark finde. "The Final Stand" von FRETERNIA und "Court Of The Tyrant King" von EVERMORE fand ich auch sehr gut. Und die Country-Platte von POST MALONE (lacht).

Technisch habt ihr ganz schön was drauf. Hättet ihr auch mal Lust auf einen richtig komplexen Longtrack, wie einst HELLOWEENs 'Keeper Of The Seven Keys'?

Fabz: Danke dir! 'New Hope' auf unserem ersten Album "Intergalactic Battle Tunes" (Untertitel lassen wir weg) geht in die Richtung. Aus Producer-Sicht macht es keinen Unterschied, ob du einen sehr langen Track oder zwei bis drei kürzere bearbeitest. Wir planen sowas nicht, limitieren uns beim Songwriting auch nicht. Deshalb haben wir auch den kürzesten Track der Bandgeschichte auf dem Album. In dem Song ist in 45 Sekunden alles gesagt.

Polly: Vielen Dank! Ich liebe die Klassiker mit Überlänge, ob 'The Piper Never Dies' von EDGUY, 'Armageddon' von GAMMA RAY oder auch 'The Scarecrow' oder 'Seven Angels' von AVANTASIA. Aber sowas kannst du echt nicht planen, das passiert einfach. Unser Song 'Order Of The Scul' sollte ursprünglich ein Longtrack werden. Aber wenn du nach fünf Minuten alles gesagt hast, musst du auch kein elfminütiges Epos daraus machen.

Könnt ihr es nachvollziehen, dass ich den Eindruck habe, dass ihr euch ein Stück weit zwischen den Zielgruppen von den erwähnten Spaß-Kapellen einerseits und den großen deutschen Heroen wie HELLOWEEN oder GAMMA RAY andererseits ansiedelt?

Fabz: Na klar. Wobei grade HELLOWEEN und GAMMA RAY ja auch nicht die bierernsten Metal-Bands sind. Ich erinnere an Sachen wie 'Rise And Fall', 'Dr. Stein' oder GAMMA RAYs 'Heaven Can Wait'.

Polly: Ich kann das schon nachvollziehen. Ich glaube, wir sind auf der neuen Platte sehr viel mutiger und bestimmter zu Werke gegangen als auf dem ersten Album. Aber es ist jetzt nicht so, dass wir uns hinsetzen und überlegen: "OK, lass uns vier High-Speed-Songs machen, eine Single, zwei Midtempo-Nummern und 'ne Thrash-Granate, die ein bisschen mehr evil klingt, und dann noch ne Klavierballade und einen 45-Sekunden-Song." Ich finde es gerade schön, dass wir zwischen den Stühlen sitzen. Wir haben vor zwei Wochen in Mannheim mit zwei Death-Metal-Bands gespielt und das hat super funktioniert. Power-Metal-Bands mit Einhörnern und Feenglitzerstaub gibt es schon genug. Und ich liebe sie alle! Naja, fast...

Euer Artwork ist sehr farbenfroh und erinnert an Sci-Fi-Filme der letzten Jahre. Was hat euch aus der Science-Fiction besonders inspiriert? Neben Filmen wären auch Comics, Bücher oder Serien interessant.

Polly: Das wird jetzt ein etwas längerer Aufsatz... Ich bin schon immer ein ziemlicher Nerd und mache zwischen Fantasy und Sci-Fi auch keinen großen Unterschied. Ich sauge das seit mindestens 30 Jahren auf wie ein Schwamm. Besonders beeinflusst haben mich die "Drizzt"-Romane von R.A. Salvatore, "The Dresden Files" von Jim Butcher und "Gaunts Ghosts" von Dan Abnett. Außerdem Spiele wie "Baldur's Gate 1 und 2" und "Wasteland 2". Daneben jedoch auch eher im Mainstream bekannte Filme wie "Terminator", "Alien" und "Event Horizon", Serien wie "Star Trek: The Next Generation" oder auch "Firefly", und die Comics von meinem Dad damals: "Nick, der Raumfahrer" und "Sigurd".

So richtig auf das Sci-Fi-Thema gekommen, bin ich mit "Warhammer 40k", und zwar ursprünglich über die "Dawn Of War"-Spiele und "Space Marine". In einem sehr ähnlichen Setting spielt auch die Handlung unseres ersten Albums. Das Grimdark-Thema passt einfach zu Metal: Eine Zukunft, in der es nur Krieg gibt. Was ich jedoch vorher nicht auf dem Schirm hatte, ist die Aktualität des Themas in der echten Welt und die Absurdität des Ganzen. Diese Absurdität nehme ich ganz oft und verdrehe sie ins Lächerliche. Dadurch ergeben sich für mich immer wieder Ideen für neue Stories, die wir gerne mit einem Augenzwinkern versehen.

Spielt ihr bei Live-Auftritten das ganze Album am Stück? Oder wird es da einen Mix mit alten Liedern geben?

Fabz: Wir spielen live aktuell nur noch zwei Stücke vom ersten Album: 'Glorious' und 'Spacehull'. Das liegt aber nicht daran, dass wir die restlichen Songs nicht so geil finden, sondern weil wir uns entscheiden mussten. Und es macht halt mehr Sinn, die Songs zu spielen, die die Menschen kennen und das Set in einen Flow zu bringen. Ich fände es aber geil, mal das ganze Album am Stück zu spielen. Vielleicht machen wir das mal.

Wie stark nutzt ihr Tracks, Click und andere technische Upgrades, um dem Live-Sound eine ähnliche Fülle zu geben wie dem Albumsound?

Fabz: Technische Errungenschaften. Ja, wir nutzen sie. Wir haben ziemlich viel Zeit und Geld in unsere Backline investiert. Live spielen wir alles nach Click. Synthies und Überleitungen und ein paar Chöre kommen zusätzlich vom Band. Aber alle Vocals, Gitarren, Bass und Drums sind echt. Ich glaube, es gibt halt eine Grenze. Unsere Musik würde ohne Synths und Samples auch funktionieren. Und notfalls würde es auch ohne Click und Backingtrack gehen. Aber ich persönlich mag das. Wir sind ja keine Schraddel-Punk-Band und es schiebt einfach mehr, wenn alles n'sync (no pun intended) ist. Vor allem, wenn du ein Lick in Lichtgeschwindigkeit abfeuerst, bist du froh, wenn dir der Click sagt: "Du bist übrigens gerade HIER." Trotz oder gerade wegen all den Späßen mit Luftballons und Wasserbällen, die wir live machen, ist das alles ziemlich herausfordernd.

Polly: Spiel du mal ein Solo, wenn die Leute dich mit Wasserbällen bewerfen, haha. Ich bin immer froh um den Klick, und zwar aus einem einfachen Grund: Ab einer gewissen Tonhöhe beim Singen höre ich so gut wie nichts um mich herum, weil ich einfach zu laut bin.

Seht ihr die Gefahr, dass durch den Einsatz zu vieler Gimmicks das Live-Feeling verloren gehen könnte?

Fabz: Nö, ich glaube dem Publikum wäre es relativ egal, wenn da keine Keyboards wären, manche würden es sogar begrüßen. Aber es ist wie mit allem, was wir machen: Wir haben da Bock drauf und Spaß dran. Und dann ist uns egal, was andere sagen.

Vielen Dank für das Interview!

Polly: Wir haben zu danken! "Cosmic Crusade Chronicles" - get your copy now!

 

Foto-Credits: Band

Redakteur:
Jonathan Walzer

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