SEVEN WITCHES: Interview mit Alan Tecchio

30.01.2008 | 19:30

Interviews mit Alan Tecchio sind immer eine Freude. Der Power-Shouter ist nicht nur eine Stimmlegende, nein, obendrein ist seine optimistische Grundeinstellung zu allen Lebenslagen einfach ansteckend. Der gute Mann wartete, während er meine nervigen Fragen beantwortete, auf die Geburt seines ersten Sohnes. Da hätte ich wohl etwas anderes zu tun gehabt. Aber vielleicht war es ja auch eine willkommene Ablenkung.


Holger:
Ich denke, es macht Sinn, wenn wir beim letzten Album "Amped" ansetzen. Wie betrachtest du das Werk rückblickend? Würdest du heute etwas daran ändern?

Alan:
Ich hätte gern etwas mehr Zeit gehabt, meine Parts auszuarbeiten, aber das war damals zeitlich leider nicht möglich, da Jack bereits im Studio war, als ich zur Band stieß. Also machte ich das Beste aus der Situation. Bei "Deadly Sins" hatten wir hingegen annähernd ein Jahr um alles auszuarbeiten. Ich denke, man kann den Unterschied sehr gut hören, auch wenn ich "Amped" noch immer mag. Songs wie 'Fame Gets You Off' oder 'West Nile' sind toll.

Holger:
Ihr seid mit DEMON auf Tour gewesen. Gibt es irgendwelche besondere Momente von diesem Trip zu berichten?

Alan:
Ich glaube, die beste Story ist die von unserem Drummer Rob, der im Schlaf in den Bus gepinkelt hat. Er stand mitten im Gang als ich ihn pinkeln hörte. Ich stand auf, schüttelte ihn, um ihm zu sagen, dass er nicht auf'm Klo sei. Er murmelte nur irgendetwas und ging wieder in sein Bett. Als ich am nächsten Morgen keine nassen Flecken auf dem Fußboden sah, dachte ich, ich hätte alles nur geträumt und erzählte dies den Jungs von IRON FIRE. Ihr Bassist wurde kreidebleich, konnte er sich nun doch erklären, warum seine Schuhe feucht gewesen waren.

Holger:
Herrlich! Um das Thema abzuschließen, sei dir gesagt, dass die JUDAS-PRIEST-Coverversionen, die ihr auf dieser Tour als Zugaben gespielt habt, völlig grandios waren. Wie lange habt ihr die proben müssen?

Alan:
Ich glaube, wir haben sie ein oder zweimal gemeinsam geprobt, bevor wir sie live gespielt haben. Diese Nummern sind mir in Fleisch und Blut übergegangen, da ich sie, seit ich mit dem Singen angefangen habe, immer wieder anstimme. Und die Band spielt ja gerne immer mal wieder die eine oder andere PRIEST-Nummer.

Holger:
Respekt! Wenden wir uns nun aber dem aktuellen Album zu. Wer gehört denn nun zum Line-Up der Band? Auf der Scheibe spielen ja diverse Bassisten und Drummer, so dass das nicht ganz klar ist.

Alan:
Jack hat mir gesagt, dass momentan geplant ist, mit Joey Vera am Bass und Bobby Jarzombek am Schlagzeug auf Tour zu gehen. Sollten die beiden andere Verpflichtungen haben (man munkelt, dass Jarzombek mit RIOT eine "Thunder Steel"-Tour spielen wird – der begeisterte Verf.), werden Kevin Bolembach und Dave Lescinsky, der ja auch die tiefen Shouts auf dem Album gesungen hat, spielen.

Holger:
Es gibt ein Konzept hinter dem Album, das ziemlich faszinierend ist. Vielleicht erzähslt du darüber mal etwas?

Alan:
Danke. Eigentlich wollte Jack irgendwas mit der Ziffer Sieben für das siebte SEVEN-WITCHES-Werk machen. Im schwebte etwas mit den sieben Todsünden vor, aber ich wollte tiefer gehen. So habe ich etwas recherchiert und fand Gandhis sieben Sünden. Ich schrieb also je einen Song zu jeder Sünde, sowie ein paar ähnlich gelagerte Texte, um das Album komplett zu machen.

Holger:
Ja, drei Songs scheinen außerhalb des Konzeptes zu stehen. Wie passen sie trotzdem zum Rest der Scheibe?

Alan:
So weit abseits stehen die gar nicht. Sie drehen sich um Gandhi selbst, die Idee hinter den Thesen und behandeln die Frage nach dem Sinn des Lebens generell. 'Man Of The Millenium' handelt von dem Menschen, der sich die sieben Sünden "ausgedacht" hat und wie er sein Leben gelebt hat. Der Titelsong behandelt die Aussage, dass es völlig egal ist, an welchen Gott du glaubst. Er wird immer wissen, welche Sünden du begangen hast. Und abgerundet wird der Rundling von einer Neuauflage eines alten SEVEN-WITCHES-Songs namens 'The Answer', dessen Grundfrage lautet: "Worum geht es im Leben?". Da wir diesen Song bisher immer live gespielt haben und er obendrein thematisch so fantastisch zu "Deadly Sins" gepasst hat, konnten wir der Versuchung einfach nicht wieder stehen.

Holger:
Klingt ja auch alles wie aus einem Guss. Etwas anderes: Es gibt nicht wenig Stimmen, die über die sehr harte Ausrichtung von "Amped" etwas verschreckt waren. Mit dem aktuellen Output sieht es so aus, als ob ihr wieder etwas mehr zu euren Wurzeln zurückgekehrt wärt, obwohl es noch immer moderne Riffs gibt. Wie schwierig ist es, die richtige Balance zu finden?

Alan:
Hmm, das ist lustig, da ich denke, dass "Deadly Sins" viel härter als "Amped" ist. Aber egal, ich weiß nicht, wie man die richtige Balance findet. Als wir angefangen haben, Material für das neue Werk zu sammeln, sagte ich Jack, dass er mehr düstere und aggressive Riffs schreiben soll. Er hatte mich auf der Tour während der Soundchecks schon mit einigen Riffs zu Ideen angefixt, wollte mir immer nur kleine Bruchstücke vorspielen. Als ich dann erste Demos bekam, war ich sehr glücklich mit den Ergebnissen. Ich denke also, die Balance hat sich quasi selbst gefunden, wenn du verstehst, was ich meine.

Holger:
Ich glaube ja. Da ihr euch ja (unbewusst) in deutlich modernere Gefilde begeben habt, frage ich dich nach deiner Meinung zur aktuellen Heavy-Metal-Szene in den Staaten im Vergleich zu der in Europa.

Alan:
Ich denke, dass die amerikanischen Fans von Underground-Bands sehr viel europäische Musik hören werden. Was die amerikanischen Bands angeht, so haben sie es verflucht schwer, da der hiesige Markt extrem von Trends beherrscht ist. Man muss genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein oder man endet schnell im Nirgendwo. Ich bin jetzt 41 Jahre alt und mir ist es vollkommen egal, ob meine Musik massentauglich ist oder nicht. Ich liebe es so sehr zu singen, Songs und Melodien zu schreiben, dass ich froh bin, ein Teil dieses Undergrounds sein zu können. Es erinnert mich an die Zeit in den späten 80er Jahren bevor Heavy Metal so furchtbar populär wurde. Die US-Bands können sich glücklich schätzen, dass die europäischen Fans sie immer noch lieben und obendrein noch neuen Bands eine Chance einräumen.

Holger:
Wahre Worte. Man kann dich als einen Veteranen in der Thrash-Szene betrachten, da du ja lange Jahre der Fronter von HADES warst. Es gibt Stimmen, die von einem Thrash-Revival sprechen und die Bands wie EVILE, FUELED BY FIRE, MERCILESS DEATH oder LICH KING als deren neue Vorreiter anpreisen. Wie stehst du dazu?

Alan:
Ich höre von diesem Revival seit mehreren Jahren. Natürlich bin ich sofort dafür, aber ich bin auch nicht so blind zu sagen: "Ja! Es kommt zurück!" Selbst wenn es passieren sollte, wird es bei euch geschehen. Die Europäer haben ihre alten Scheiben nicht weggeworfen. Sie waren immer da für mich und für die Bands, in denen ich gesungen habe. Das werde ich auch nie vergessen!

Holger:
Schön zu hören. Wie sieht es denn mit möglichen Liveshows im Moment aus. Jack spielt ja auch noch bei LIZZY BORDEN, die ein neues Album zu promoten haben?!

Alan:
Stimmt. Und er hat noch eine Coverband namens SMELL THE GLOVE, die regelmäßig auftritt. Sein Terminkalender ist also randvoll. Und ich werde sehr bald Vater, so dass auch mein Leben in nächster Zeit sehr turbulent werden wird. Außerdem planen wir ein Livealbum aufzunehmen. Das wird alles ganz schön hektisch in nächster Zeit.

Holger:
Das klingt so. Wollt ihr denn wieder in Europa spielen?

Alan:
Hoffentlich klappt es. Wir wollen auf jeden Fall kommen. Soweit ich weiß, gibt es Einladungen zu ein paar Festivals bei euch und wir werden versuchen einzelne Gigs drumherum zu buchen.

Holger:
Dann bleibt mir nichts weiter als dir für deine Zeit zu danken und dir und deiner Frau alles Gute zu wünschen.

Alan:
Vielen Dank. Ich bin schon ganz schön aufgeregt.

Anmerkung: In der Zwischenzeit hat Nicholas Sean Tecchio das Licht der Welt erblickt. Wir wünschen alles erdenklich Gute!

Redakteur:
Holger Andrae

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