SKYCLAD: Die Noise-Ära kehrt zurück
03.11.2017 | 23:10Es wurde wahrlich Zeit. Die ersten fünf Alben der britischen Folk-Thrash-Legende SKYCLAD waren mittlerweile nur noch sehr schwer zu bekommen und erzielten stellenweise Mondpreise bei bekannten Anbietern im Internet. Doch dank der Rückkehr von Noise Records wurden diese Schätze gehoben und hübsch verpackt neu aufgelegt. Wir sagen euch, was ihr erwarten könnt.
The Wayward Sons Of Mother Earth - 1991
Jahrelang wollte ich das Debütalbum von SKYCLAD kaufen, jetzt darf ich "The Wayward Sons Of Mother Earth" in der Hand halten - weil Noise lebt. Und ich muss sagen: Das Digipack schaut schick aus, bietet außer ein paar netten Linernotes aber keinen zusätzlichen Kaufanreiz für die, die schon im Besitz des Albums sind. Auch auf Bonus-Songs wurde verzichtet. Bleiben also die ersten 46 Minuten einer der kreativsten und eigenständigsten Metal-Bands aller Zeiten, und ich darf erstmals die Scheibe am Stück hören. Ich muss zugeben: Ein Werk, das zeitlich noch früher (und damit noch näher an SABBAT / PARIAH) angesiedelt ist, hätte ich noch eine Spur thrashiger erwartet. Härter als "A Burnt Offering For The Bone Idol" finde ich das Scheibchen bisher jedenfalls nicht. Mir gefallen sofort der warme Sound, der noch etwas sporadische, aber sehr songdienliche Einsatz der Geige, und die großartigen Gitarrenlinien von Steve Ramsey. Der mittlerweile verstorbene Schlagzeuger Keith Baxter fällt musikalisch nicht allzu deutlich auf, Sänger Martin Walkyrier hat dagegen ein Organ, das man sofort erkennt (aber, wenn ich ehrlich bin, auf der neuesten Scheibe nicht mehr wirklich vermisse). Die allergrößten Hymnen fehlen auf dem Debüt noch, aber wer die Entwicklung dieser einzigartigen (und viel zu erfolglosen) Band verfolgen möchte, kommt an diesem ordentlichen Einstieg nicht vorbei. Die Großtaten folgen aus meiner Sicht aber erst etwas später.
Note: 8.0/10
[Jonathan Walzer]
A Burnt Offering For The Bone Idol - 1992
Jahrelang gab es die Noise-Scheibchen ja nur für horrendes Geld aus zweiter Hand zu erwerben, da ist es zuerst einmal großartig, dass die Alben dieser größten aller Folk-Metal-Bands wieder erhältlich sind. Noch dazu remastered und damit ins neue Jahrtausend katapultiert und mit Linernotes. Allerdings gibt es hier trotzdem etwas zu Meckern: SKYCLAD hat wie fast keine andere Band in ihren Liedern auch etwas zu sagen. Wie kann man da ein Booklet ohne die Liedertexte produzieren? Das empfinde ich tatsächlich als großes Versäumnis, denn nicht alle Wortspiele und Zweideutigkeiten Walkyiers sind immer zu erkennen. Doch schauen wir mal genauer auf die Musik: Nach dem starken Debüt legten die Briten in ähnlicher Form nach, denn das zweite Scheibchen "A Burnt Offering For The Bone Idol" schlägt in die gleiche Kerbe wie "The Wayward Sons of Mother Earth". Noch immer gibt es starke Thrash-Einflüsse, die über die folkigen Sounds dominieren. Was aber bereits beeindruckt ist Martin Walkyiers brilliante Stimme und die außergewöhnlich gute Instrumetalsektion bestehend aus ehemaligen PARIAH- und SATAN-Musikern. Für die musikalische Entwicklung der Band war "A Burnt Offering For The Bone Idol" noch kein ganz großer Sprung, der Unterschied zum Vorgänger ist noch verhältnismäßig gering ausgefallen. Die herausragenden Songs sind 'Spinning Jenny' und 'The Declaration Of Indifference', wobei auch das Zweitwerk keinen einzigen schwachen Song enthält. Es verblasst nur etwas im Vergleich mit den Großtaten, die noch kommen sollten. Vor 25 Jahren war deshalb meine Begeisterung noch größer und für alle, die den Walkyierschen Thrash-Sound, dem er bei SABBAT frönte, lieben, ist "A Burnt Offering For The Bone Idol" ein absoluter Pflichtkauf. Doch die Serie der ganz brillanten Alben sollte im nächsten Jahr beginnen.
Note: 8.0/10
[Frank Jaeger]
Jonah's Ark - 1993
Nun, die Kollege Jäger und Walzer gehen in meinen Ohren etwas harsch mit den ersten beiden SKYCLAD um. Ich sehe beide Werke absolut auf Augenhöhe mit der Spitze des Schaffens der Briten. Natürlich war gerade das Debüt noch etwas ruppiger, aber Songs wie 'Terminus', 'The Sky Beneath My Feet', 'The Cradle Will Fall' oder 'The Widdershins Jig' sind ganz fantastisch. Und das Zweitwerk steht dem dank 'A Declaration Of Indifference', 'Spinning Jenny' 'R'vannith' oder 'A Broken Promised Land' in kaum etwas nach. Sei's drum, hier geht es um das dritte Werk von Martin Walkyier und SKYCLAD, das auf den Namen "Jonah's Ark" hört und qualitativ nahtlos an den beiden ersten Werken anknüpft. Die Violine strebt hier noch etwas mehr in den Vordergrund, dazu gibt es lyrische und musikalische Sahnestücke wie das großartige Eröffnungsdoppel 'Thinking Allowed'/'Cry Of The Land', das zu diesem Zeitpunkt etwas ungewöhnliche 'Schadenfreude' oder das flotte 'Earth Mother, The Sun And The Furios Host' zu hören. Martins Lispelgesang ist so einzigartig wie seine beinahe poetischen Texte und das Gitarrenduo Steve Ramsey und Dave Pugh sorgt für genauso viel Spannung an den Saiten wie Fritha Jenkins an der Violine. Als Bonus gibt es die feine EP "Tracks Of The Wilderness", die mit einer starken Version von THIN LIZZYs 'Emerald' und den beiden damals neuen Songs 'A Room Next Door' und 'When All Else Falls' sowie drei starken Livenummern glänzt. Klarer Pflichtkauf.
Note: 9.0/10
[Peter Kubaschk]
Prince Of The Poverty Line - 1994
Um einen Vergleich mit den ersten beiden Werken ziehen zu können, kenne ich sie nicht gut genug, doch der Schritt zwischen "Jonah`s Ark" und "Prince Of The Poverty Line" ist meines Erachtens nur marginal. Alles das, was SKYCLAD so einzigartig und besonders macht, ist auch schon auf Album Nummer Drei vorhanden. Nur vielleicht nicht ganz so ausgefeilt, nicht ganz so verspielt und demnach nicht ganz so offensichtlich. Das mag den halben Punkt mehr erklären, den ich dem Prinzen der Armutsgrenze spendiert habe. Denn hier stimmt fast Alles. Die Thrashwurzeln sind noch zu erahnen und blitzen in den Riffs und im Schlagzeugspiel immer wieder durch, hochmelodische Melodielinien fiedeln sich in die Gehörgänge und natürlich: Martin Walkyier. Dessen Texte finde ich eben nicht nur beinahe poetisch, wie Kollege Kubaschk beschreibt, vielmehr sind sie Poesie in erhabenster Vollendung! Wer SKYCLAD nur ohne Martin oder aus der mittleren Phase kennt, könnte sich eventuell an dem rauen Stakkato-Gesang stören, mir persönlich gefällt dieser jedoch ausgezeichnet und er passt auch zur wütenden Grundstimmung des Albums. Schließlich wollen Stücke wie 'A Bellyfull Of Emptiness' oder das grandiose 'A Dog In The Manger' nicht nur unterhalten, sondern prangern auf überhaupt nicht platte Art und Weise diverse Missstände in der Gesellschaft an. Demzufolge ist es auch eine bodenlose Frechheit, dem Booklet - und damit dem Käufer - die Texte vorzuenthalten und durch zwar interessante, aber doch leicht redundante Linernotes zu ersetzen. Aber das wurde ja bereits hinlänglich kritisiert. Musikalisch gibt es jedenfalls an dieser Perle des echten Folk Metal nichts auszusetzen und auch die drei Bonus-Lieder lohnen sich sehr. SKYCLAD sollte zwar das Kunststück gelingen, sich danach noch zu steigern, doch das ist eine andere Geschichte.
Note: 9.5/10
[Jakob Schnapp]
The Silent Whales Of Lunar Sea - 1995
Hmm, ich persönlich finde ja, dass SKYCLAD mit "Prince Of The Poverty Line" den Höhepunkt erreicht hatte. Allerdings ging es danach mitnichten steil bergab. Nein, auch der direkte Nachfolger "The Silent Whales Of Lunar Sea" (herrliches Wortspiel) ist ein hervorragendes Werk auf höchstem Niveau mit den von den Vorgängern bekannten Zutaten. Mit dem thrashigen Einstieg 'Still Spinning Shrapnel' wird die Richtung vorgegeben, 'Art-Nazi' hat sich über die Jahre zum Hit entwickelt und 'Another Fine Mess' ist eine der Bandhymnen schlechthin. Als Lyriker war Martin Walkyier immer eine Klasse für sich, was sich hier nur bestätigt und auch die folkige Note bleibt weiter - gerade zum Zeitpunkt der Veröffentlichung - ein echtes Alleinstellungsmerkmal, dass bis heute häufig erfolglos kopiert wurde. Es ist schon schade, dass SKYCLAD nie die Aufmerksamkeit bekommen hat, die diese Band verdient. Vielleicht ändert sich das ja mit diesen Wiederveröffentichungen. Zu wünschen wäre es den Briten.
Note: 9.0/10
[Peter Kubaschk]
- Redakteur:
- Peter Kubaschk