STORMWARRIOR: Interview mit Lars Ramcke

07.05.2008 | 11:52

Mit ihrem dritten Longplayer "Heading Northe" haben die Hamburger Speed-Metaller STORMWARRIOR so ziemlich alles richtig gemacht und ihre treuen Fans in wahre Begeisterungsstürme versetzt. Ihren ureigenen, an frühe HELLOWEEN-Großtaten angelehnten Stil haben die Jungs verfeinert, ihr Songwriting präzisiert und eine deutlich druckvollere Produktion gibt es auch zu beklatschen. Mehr kann man eigentlich gar nicht erwarten, denn für große Experimente und Überraschungen sind eh andere Bands zuständig. Ein gut aufgelegte Sänger und Gitarrist Lars Ramcke sieht das ganz ähnlich.

Martin:
Lars, viele Fans haben sehnsüchtig auf "Heading Northe" gewartet. Nun dreht sich das gute Stück endlich in den Playern der Gemeinde und sorgt allenthalben für Freude und Begeisterung. Beschreib doch mal bitte den Entstehungsprozess von "Heading Northe" ein wenig genauer? Mit welchen Gedanken und Gefühlen seid ihr an das Songwriting gegangen und wie verliefen die Aufnahmen?

Lars:
Schön, wenn euch das Album gefällt! Im Prinzip waren wir ein komplettes Jahr mit dem Teil beschäftigt. Angefangen von der Kompositionsphase, über eine komplette Vorproduktion bis hin zu den eigentlichen Aufnahmen und letztendlich dem Mix und Mastering. Immer wenn Alex oder mir irgendwelche Riff-Ideen kamen, haben wir damit angefangen, Song-Gerüste zu entwickeln. Dazu programmierten wir mögliche Drumming-Versionen vorab und nahmen dann die Gitarren und später auch mögliche Gesangslinien mit irgendwelchen Texten auf, um erstmal einen Eindruck vom neuen Material zu gewinnen. Sobald der jeweilige Song in der Rohversion stand, haben wir ihn ausgefeilt mit richtigen Texten, Soli und so. Als alle Songs im Wesentlichen standen, habe ich mit Falko die Drums dazu fertig ausgearbeitet und aufgenommen, bevor es dann mit Bass, den wirklichen Gitarrenspuren und den endgültigen Vocals weiterging. Wir haben also das komplette Album in Eigenregie in unserem Studio produziert.
Mixen wollten wir es selber noch nicht, werden wir aber irgendwann in Zukunft wohl auch machen. Hat ja mit dem Live-Album schon ganz gut geklappt, aber ein Studio-Album ist dann doch eine etwas andere Liga. Außerdem, wenn man so lange mit den Songs beschäftigt ist, fällt es sehr schwer, kurz vor dem Ende die Ohren quasi wieder bei Null anfangen zu lassen. Also haben wir den Mix in Piet Sielcks Hände gelegt, bevor es zum Mastern nach Dänemark zu Tommy Hansen ging. Ein Grund, warum alles so lange gedauert hat, waren die üblichen Equipment-Probleme. So sind während der Produktion diverse Pre-Amps und Festplatten verstorben, was auch dazu führte, dass einige Takes komplett verloren gingen und wir ein paar Sachen noch einmal aufnehmen mussten. Natürlich war uns auch von Anfang an klar, dass dieses dritte Album ein sehr wichtiges ist, aber als wir die Rohfassungen der neuen Songs auf Band hatten, waren wir uns schon ziemlich sicher, dass am Ende ein sehr geiles Album dabei heraus kommen würde.

Martin:
Gibt es Songs auf "Heading Northe", die dir besonders am Herzen liegen, und wenn ja warum?

Lars:
Na ja, eigentlich alle! Ich finde schon, dass es uns gelungen ist, ein Album zu machen, das man auch mehrmals an einem Stück durchlaufen lassen kann, ohne dass es langweilig wird. Vielleicht sind 'The Revenge Of Asa Lande' und 'Into The Battle' schon etwas Besonderes, weil sie halt ein wenig anders klingen als unsere bisherigen Stücke.

Martin:
Worin unterscheidet sich "Heading Northe" aus deiner Sicht von seinen Vorgängern, wo liegen die zentralen Fortschritte?

Lars:
Fortschritte kann man, denke ich, definitiv beim Gesang, bei der Gitarrenarbeit und auch bei den Arrangements der Songs insgesamt ausmachen. Generell würde ich sagen, erscheint diese Scheibe um einiges eingängiger, aber auch viel abwechslungsreicher als die ersten beiden. Natürlich hat unser neuer Tieftöner Yenz sehr geile Bassläufe mit eingebracht, die zuvor einfach auch gar nicht realisierbar gewesen wären.

Martin:
Für mich ist ein großer Fortschritt der differenziertere, klarere und druckvollere Sound. Könnt ihr in eurem eigenen Studio einfach doch besser arbeiten? Oder gebühren die Lorbeeren eher Piet Sielck und Tommy Hansen?

Lars:
Hmm, was haben wir anders gemacht? Vielleicht konnten wir einfach noch mehr Zeit investieren, als es früher in anderen Studios möglich war. Im eigenen Studio bist du eben von keinem anderen abhängig. Aber vom reinen Aufnahme- und Produktionsprozess her haben wir eigentlich nur das übernommen, was wir von Kai Hansen gelernt haben. Und das scheint ja gut funktioniert zu haben.
Tatsächlich fährt Piet aber einen etwas klareren Sound. Obwohl ich ehrlich gesagt vermute, dass Kai diesmal auch alles etwas differenzierter gemacht hätte, da es das Songmaterial einfach so hergegeben hat. Wenn in Sachen Arrangements sehr viel mehr passiert als auf den ersten beiden Alben, muss dementsprechend auch alles gut heraus hörbar sein, sonst wär's ja vergeudete Liebesmüh gewesen.

Martin:
Die Limited Edition enthält ein Bonus-Video von eurem Wacken-Auftritt. Habe das Teil zwar noch nicht gesehen, aber gehört, dass man da die Studio-Version von 'Heading Northe' zu hören kriegt und die dazu Bilder sieht, wie ihr diesen Song spielt. Nicht besonders true, oder? War der Originalton so schlecht?

Lars:
Haha, nee nee... Wir waren einfach noch nicht so weit mit dem Mixen der Wacken-Live-DVD, die diesen Sommer aber noch erscheinen wird, weil wir bis ein, zwei Tage vor dem Abgabetermin immer noch mit der Album-Produktion beschäftigt waren. Eigentlich haben wir vor einigen Wochen überhaupt erst damit anfangen können, in die Wacken-Tapes reinzuhören. Nur da ja immer irgendwelcher Bonuskram überall drauf sein muss, hat unser Management einfach mal einen Zusammenschnitt von den Wacken-Bildern zum Titelsong gemacht. Das hat auch nichts mit true oder untrue zu tun, so etwas gab es in den 80ern überall und ständig, hahaha!

Martin:
Ich möchte mal eine Bemerkung von dir eben aufgreifen: Es gibt ja diesen klassischen Spruch, dass das dritte Album das Wichtigste ("Make it our break it") für die Karriere einer Band sei. Ihr habt mit "Northern Rage" viele Fans hinzugewonnen, nicht zuletzt durch das intensives Touren zu der Scheibe. Jetzt erwarteten alle von euch einen Oberhammer, der euch endgültig etablieren würde. Dieser Hammer ist euch mit "Heading Northe" auch gelungen. Habt ihr so etwas wie richtigen Druck verspürt?

Lars:
Den Druck, so er denn da war, haben wir nicht wirklich an uns heran gelassen. Wir haben nur während der Vorproduktion die Messlatte von Song zu Song etwas höher geschraubt und am Ende dann auch die ersten Nummern noch einmal überarbeitet, damit im Endeffekt alles aus einem Guss erscheint. Natürlich hat man schon immer im Hinterkopf, dass man gerade am vielleicht wichtigsten Album für die Band überhaupt schraubt. Aber das motiviert einen eher noch mehr, alles so perfekt wie nur irgend möglich zu machen.

Martin:
Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit Dockyard1 bisher? Hast du das Gefühl, dass sich alle Beteiligten richtig reinhängen, um eurem Album zum Durchbruch zu verhelfen?

Lars:
Auf jeden Fall! Die machen bisher echt einen sehr guten Job, wir kommen im Moment mit den Interviewanfragen gar nicht so wirklich hinterher, hahaha! Aber besser so, als wenn sich überhaupt keiner für die Band interessieren würde. Außerdem haben wir bisher mehr als viermal so viele Vertriebsländer als vorher und wie schon gesagt, Interviews haben wir jetzt fast dreimal so viele wie für die ersten beiden Alben zusammen! Also irgendwas passiert da gerade und es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung...

Martin:
Ihr habt nach "Northern Rage" zahlreiche Festivals gespielt. Welches war deiner Meinung nach das Beste und warum? Seid ihr auch mal irgendwann irgendwo schlecht behandelt worden?

Lars:
Schlecht behandelt kann man eigentlich wirklich nicht sagen, im Großen und Ganzen war es immer sehr geil. Herausstechend waren sicherlich das Earthshaker Fest 2005 und letztes Jahr die Wacken-Show. Beim Earthshaker waren wir wirklich überrascht, wie heftig die Leute abgegangen sind. Man hat sich echt so gefühlt, als wäre man für einen Abend direkt in die 80er zurück versetzt worden. Eigentlich hätte man den Gig filmen und aufnehmen müssen. Aber das haben wir ja jetzt in Wacken nachgeholt - 25000 Leute vor der Bühne, viel Feuer und Pyros und hohe Marshall-Türme links und rechts geben natürlich auch was her, hahaha!

Martin:
Eure Songs klingen weiterhin ziemlich nach den alten HELLOWEEN-Sachen und der Name Kai Hansen taucht in eurer Karriere immer wieder auf. Zuletzt habt ihr sogar einige Shows mit ihm absolviert, wo ihr alte HELLOWEEN-Klassiker gespielt habt. Ich frage mal etwas provokativ: Traut ihr euch nicht, endgültig aus Kais Schatten heraus zu treten? Besteht nicht die Gefahr, dass ihr für viele Fans auf ewig eine Art HELLOWEEN-Cover-Band sein werdet?

Lars:
Da Kai mit dem neuen Album ja nun gar nichts zu tun hatte, haben wir schon erstmal allen Leuten, die so etwas behaupten sollten, gezeigt, dass wir auch ohne Kai arbeiten können, und das gar nicht mal so schlecht. Das Songmaterial ist meiner Meinung nach inzwischen gar nicht mehr so HELLOWEEN-lastig und sämtliche Festivals, für die wir bisher dieses Jahr gebucht sind, werden wir auch ohne Kai spielen. Also mach ich mir da mal überhaupt keine Sorgen! Dennoch hat es immer Spaß gemacht, mit Kai zusammen zu arbeiten beziehungsweise auch mit ihm live zu spielen, und allen hat es eigentlich richtig geil gefallen. Kai hat auch definitiv Bock drauf, so etwas irgendwann mal zu wiederholen, aber erstmal werden wir uns natürlich auf unsere eigenen Konzerte konzentrieren. Aber es kann schon sein, dass wir irgendwann noch einmal die alten Klassiker zum Besten geben werden, vielleicht in fünf Jahren zum 15-jährigen Jubiläum oder so.

Martin:
Euer Faible für nordische Mythologie und Wikinger ist bekannt als wichtiges Element von STORMWARRIOR. Glaubst du, dass sich das Thema mit der Zeit abnutzen wird oder könnt ihr euch vorstellen, auch auf dem zehnten Album noch Odin zu huldigen? Darf man erwarten, dass ihr in naher Zukunft mal über was ganz anderes schreibt, meinetwegen über die Erderwärmung oder so etwas!?

Lars:
Erderwärmung wird auf jeden Fall beim nächsten Album ein sehr wichtiger Bestandteil werden, außerdem wird es auch ein paar Songs über Dinosaurier und das lesbische Verhalten einiger Otter-Arten geben, hahaha! Es ist ja nicht so, dass wir einfach stumpf die Edda-Geschichten abschreiben und daraus Songs machen, ohne vorher darüber Klarheit zu gewinnen, was als verlässliche Quellen gelten kann und was von christlichen Mönchen, die die alten Sagen ein paar hundert Jahre später erst niedergeschrieben haben, verfälscht wurde. Wir widmen uns ja schon eher den historischen Fakten und den kulturellen Bräuchen und Ansichten. Und dazu gibt es auf jeden Fall noch eine Menge zu erzählen.

Martin:
Du hast es eben schon am Rande erwähnt: Letztes Jahr hat euch Bassist Jussi verlassen. Erzähl doch bitte mal was über die Gründe und wie ihr schließlich an den neuen Mann, Yenz Leonhardt, gekommen seid.

Lars:
Jussi konnte leider nicht mehr genügend Zeit und Energie in dem Maße aufwenden, wie es für die Band von Nöten gewesen wäre. Also haben wir uns zusammengesetzt, darüber gesprochen und sind alle zu dem Schluss gekommen, dass es wohl besser wäre, wenn Jussi sich um seinen Job und sein Studium ausgiebig kümmert und wir musikalisch getrennte Wege gehen. Es fließt aber überhaupt kein böses Blut zwischen uns, wir sind nach wie vor die besten Freunde und sehen uns auch öfter in diversen Hamburger Metal-Kneipen. Yenz kannten wir schon von ein paar Auftritten mit IRON SAVIOR, und als es darum ging, Ersatz für die Festivals zu bekommen, haben wir ihn einfach gefragt, ob er uns aushelfen könnte. Direkt nach den Festivals war aber eigentlich schon allen Beteiligten klar, dass er die perfekte Ergänzung für uns wäre. Yenz sah das wohl auch so, folglich ist er festes Band-Mitglied geworden. Bei den Aufnahmen zum Album hat sich noch mal bestätigt, dass es richtig war, ihn in die Band zu holen. Er hat sich durch ein paar Texte und vor allem mit vielen geilen Basslinien und Chorgesängen schon auf "Heading Northe" gut einbringen können.

Martin:
Es ist nicht zu übersehen, dass ihr eine Schwäche für das gute alte Vinyl habt. Beschreib mal das ganz spezielle Gefühl, das man hat, wenn man eine gute alte Schallplatte in den Händen hält? Und hat nicht die LP doch den besseren Klang als die CD? Wie siehst du die Zukunft von LP und CD im Download-Zeitalter? Wenn man bald nur noch Songs runterlädt, braucht man dann noch so etwas wie ein aufwendiges Artwork und so?

Lars:
Ich muss ganz ehrlich sagen, es ist schon sehr deprimierend, dass es so gut wie keine Firmen oder Presswerke mehr gibt, die überhaupt noch Vinyl herstellen. Falls das hier jemand liest, der eine eigene Firma oder ein Presswerk hat und unsere neue Scheibe als Vinyl-Version herausbringen möchte, soll er sich bitte bei unserem Management (kk@stormwarrior.de) melden oder direkt bei unserer Plattenfirma! Klar ist es generell schon ein geiles Gefühl, sein eigenes Album als CD in den Händen zu halten, aber bisher war es immer so (bei den ersten beiden Alben und später auch bei der Live-Scheibe), dass ich erst so wirklich richtig stolz wurde, wenn ich das Ganze auch als Vinyl-Version begutachten konnte. Für mich hat Metal und überhaupt der ganze Heavy-Metal-Kult auch viel mit Schallplatten zu tun. Vielleicht sollte man mal irgendwo, im Rock Hard oder so, eine Abstimmung von Metal-Fans bringen, aus der hervorgeht, wie viele Leute überhaupt noch bereit wären sich Vinyl-Versionen zu kaufen. Ich bin mir sicher, das sind einige, und vielleicht bekommt man ja dann doch noch die ein oder andere Firma dazu bewegt, auch Vinyl zu veröffentlichen. Es ist und bleibt einfach geiler, eine Platte zu hören! Man legt sie auf, bekommt sofort dieses spezielle Kult-Gefühl, wenn das Knistern anfängt, und konzentriert sich auch beim Zuhören ganz anders auf die Musik. Ich weiß nicht, ob der Klang wirklich besser ist als von CD, aber zumindest um einiges kultiger und individueller.
Diese ganze Scheiße mit dem Runterladen ist so eine Sache für sich. Im Falle des neuen Albums war es auch mal wieder sehr ernüchternd. An dem einen Tag gingen morgens früh die ganzen Promo-CDs raus an die Magazine und Fanzines und um 18 Uhr etwa stand die Scheibe im Netz zum Download bereit! Was für Szene-Verräter machen so etwas? Ich glaube, manche Leute wissen gar nicht, was für einen Schaden sie damit anrichten. Ich meine jetzt nicht nur die kleineren Bands an sich, die dadurch weniger Verkäufe bekommen und natürlich noch weniger Support von ihren Plattenfirmen, sondern auch die ganzen Fanzines und E-zines, da so etwas einfach das Vertrauen in die Basis schmälert und man irgendwann einfach nicht mehr weiß, wem man noch trauen kann und wem nicht. Aber wenn es irgendwann soweit sein sollte, dass man Musik nur noch als Download erwerben kann, dann braucht man wirklich nicht mehr 2000 Euro für ein geiles Cover-Artwork ausgeben, wenn man es am Ende eh nicht in den eigenen Händen halten kann. Und dann würde ich wohl auch aufhören Musik zu machen. Zumindest würde ich sie dann nicht mehr veröffentlichen.

Redakteur:
Martin van der Laan

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