STRATOVARIUS: Interview mit Jörg Michael
01.01.1970 | 01:00Stratovarius melden sich eindrucksvoll mit Infinte zurück und gehen mit einem Hammerpackage (Rhapsody und Sonata Arctica) auf Tour. Kurz vor der Show in Stuttgart steht mir der Ex-Running Wild Drummer Jörg Michael Rede und Antwort.
Georg:
Hallo Jörg, ihr seid ja jetzt schon einige Wochen auf Tour. Wie sind deine Eindrücke?
Jörg:
Wir haben Ende März in Finnland 6 Shows alleine gespielt. Dann haben wir uns mit Sonata Arctica und Rhapsody am 3. April in Schweden getroffen. Wir sind also 3 Wochen auf Tour. Wir wussten, daß wir ein Killerpackage haben und das wollten wir auch so. Wir wollten den Fans einfach tolle Bands bieten und nicht so wie damals mit Elegy. Wir wollten auch in Deutschland in größeren Hallen spielen, wo wir unsere Sachen vernünftig aufbauen können, deswegen spielen wir heute auch im Longhorn und nicht in der Rockfabrik, wo wir sonst immer gespielt haben. Auch wenn vielleicht nicht mehr Leute gekommen wären, was aber - Gott sei Dank - sich nicht bewahrheitet hat. Wir wollten unsere Show vernünftig präsentieren. Mit dem Erfolg der Tour hatten wir in diesem Maße nicht gerechnet. Wir hatten in Schweden jede Show ausverkauft. Und in den anderen Ländern, in die wir noch fahren, wie Frankreich, Italien und Spanien, ist Stratovarius eh sehr populär. Da haben wir jetzt schon fast alle Shows ausverkauft und mußten teilweise in noch größere Hallen gehen. Wir wußten, daß wir ein tolles Package haben, aber daß es so gut ankommt hatten wir nicht erwartet.
Georg:
Siehst du Unterschiede zwischen Stratovarius Touren und Running Wild Touren?
Jörg:
Es sind z.T. die gleichen Leute dabei wie bei Running Wild. Wir haben eine fast komplett deutsche Crew. Wir haben Peter dabei, der schon die Port Royal und Death Or Glory Tour gemacht hat. Wir haben den Django dabei, der auch auf der letzten Running Wild Tour gearbeitet hat, der mich eigentlich schon seit 3 oder 4 Jahren betreut. Der Unterschied ist sicherlich in der Länge der Tour. Die letzten Running Wild Touren, die ich mitgemacht habe gingen über 8 oder 10 Shows, die alle in Deutschland waren. Bei Stratovarius ist das schon was ganz anderes. Wir fangen im Februar an und werden wohl im Oktober aufhören zu touren. Professioneller ist es nicht, Running Wild waren schon immer sehr professionell. Wir haben in Deutschland mit Stratovarius wohl einen Stand, der dem von Running Wild ähnlich ist. Wir haben zwar auf der Tour sogar mehr Leute, aber wir haben auch ein sehr starkes Package. Ich habe mit beiden Bands sehr gerne getourt. Und ich bin froh, daß wir nun mit Stratovarius auch unsere Show in Deutschland präsentieren können. Das konnten wir früher nur in einigen Ländern. Da hatte Running Wild einen Vorsprung. Die haben nur mit Show gespielt. Sonst hätte Rolf nicht gespielt.
Untereinander ist es schon anders. Wir sind so oft zusammen und sind auch alle miteinander befreundet. Das war bei Running Wild nicht ganz so. Wenn die Shows vorbei waren hat man sich in alle Himmelsrichtungen verstreut. Außer ein paar Anrufen bestand kein größerer Kontakt. Bei Stratovarius sind wir halt einfach öfter zusammen. Wir stehen in permanenten Kontakt. Die Band ist mittlerweile weltweit so groß geworden, daß ständig Entscheidungen getroffen werden müssen. Der Mastermind am Ende vom Tag ist natürlich Timo Tolkki, aber trotzdem diskutieren wir über die Sachen in der Band. Es wäre ja auch vermessen so Leute wie Jens, Timo Kotipelto oder auch mich außen vor zu lassen. Wir machen ja alle das Geschäft schon sehr lange und sind auch alle sehr erfahren. Wäre ja Quatsch, wenn er uns nicht fragen würde. Aber so etwas hat es bei Running Wild nicht gegeben. Ich habe mir immer sehr gut mit dem Bodo (Bass) verstanden und mich auch ab und zu mit ihm getroffen. Aber sonst gab es das nicht. Auf Tour war es klasse. Da haben wir uns super verstanden. Auch mit Rolf hatte ich nie ein Problem. Es wird ja immer behauptet wie schwierig er sei, für mich ist das totaler Quatsch. Bei Stratovarius ist das natürlich anders. Da sind wir 3/4 des Jahres zusammen. Ob im Studio, auf Tour oder bei Proben.
Georg:
Das heißt, daß du aus Deutschland weggezogen bist?
Jörg:
Ne, ich wohne noch in Dortmund, aber ich bin nicht häufig dort.
Georg:
Wie ist das Verhältnis der Bands auf der Tour untereinander?
Jörg:
Also, wir fahren mit unserem eigenen Bus. Und jeder von uns hat ja auch noch ein privates Leben. Auf einer so langen Tour ist das einfach anders. Es ist nicht so, daß du einfach mal 3 Wochen abhaust und alles auf Standbye schaltest. Und dann kommste wieder und machst die Sachen dann.
Sonata und Rhapsody fahren mit ihrem eigenen Bus. Die Bands haben untereinander überhaupt keine Probleme. Es ist nicht so, daß wir jetzt jeden Abend uns zusammensetzen und einen trinken. Aber Probleme oder Streit gab es nicht. Stratovarius behandeln ihre Bands auf Tour auch immer sehr gut. Sie bekommen volles Licht, vollen Sound und vollen Soundcheck, das ist mehr als viele Headliner zugestehen. Von daher würde ich es auch nicht verstehen, wenn es zu Problemen käme.
Georg:
Wie seid ihr mit dem Erfolg von Infinite zufrieden?
Jörg:
Wie ich gerade schon gesagt habe, wir sind mit dem Erfolg der Tour sehr zufrieden, und das beruht ja auf dem Erfolg der Platte. Was sicherlich auch mit dem Wechsel der Plattenfirma zusammenhängt. Die eben nochmal ganz frisch und ganz motiviert an die Sache herangehen. Wir haben ja auch gesehen was Nuclear für Bands wie Hammerfall und Dimmu Borgir gemacht haben. Und so zufrieden wir mit Noise auch waren. Aber es ist nicht das gleiche. Es ist so, daß wir nach dem Erscheien der Infinite direkt da standen wo die Destiny aufgehört hat. Desteny war unsere bis dato erfolgreichste Platte. Wir sind einfach sehr glücklich.
Georg:
Wie siehst du eure Weiterentwickung während der letzten Alben, die ja doch in sehr kurzen Abständen aufeinander folgten. Es gibt ja schon Leute die sagen, daß die Weiterentwicklung ins Stocken gekommen ist.
Jörg:
Wenn ich sowas schon höre, das ist doch totaler Mist. Dann hör dir mal die neue Queensryche an, die haben sich toll weiterentwickelt und niemand will das hören. Ich bin einer der größten Fans der Band und ich find die letzen Platten Scheiße die die gemacht haben. Ich bin total enttäuscht. Und wenn die Leute sagen, eine Weiterentwicklung ist nicht zu sehen.. Wir schreiben die Songs die uns einfallen, besser sind wir nicht und besser können wir nicht sein. Was sollen wir noch machen. Eine Nummer wie Mother Gaia hat es vorher von Stratovarius noch nie gegeben. Es ist eine totale Progressivballade die über sieben / acht Minuten geht. Eine Nummer wie Infinite hat es vorher noch nicht gegeben. Die mit sovielen verschlungenen Parts in sich verschachtelt trotzdem total kompakt ist. Hunting High And Low kann man sicherlich mit SOS vergleichen. Aber was soll daran falsch sein? AC/DC bringen seit 20 Jahren die gleiche Platte raus und keiner beschwert sich darüber. Aber bei Running Wild und solchen Bands wir nachgehakt und immer gepusht. Ich weiß, daß das einige Leute sagen, ich weiß nicht was daran falsch sein soll. Wenn ich die letzte Judas Priest Platte höre kommt mir das Kotzen. Das haben Slayer und Panterra tausendmal besser gemacht - und zwar vorher. Ich bin total enttäuscht.
Ich sehe die Entwicklung unserer Platten unter einem ganz anderen Stern. Ich sehe die Entwicklung die wir an unseren Instrumenten und im Zusammenspiel miteinander gemacht haben. Timo Tollki und Jens Johannsen und Timo Kotipelto schreiben einfach solche Songs. Die waren so weder auf Visions noch auf Destiny drauf. Sicher kann man sagen, das Episode Album ist etwas härter und energiereicher. Destiny ist vielleicht insgesammt harmloser, also nicht so hart. Aber daß wir uns wiederholen ist doch totaler Quatsch. Sicher ist es gut, wenn man die neue Platte hört und gleich sagt: Das ist doch Stratovarius. Und wer meint, alles von Stratovarius zu kennen, muß sich ja auch nicht unsere neue Platte kaufen.
Ich finde auch, daß Rolf da total ungerecht behandelt wird. Es ist seine Art Musik zu schreiben. Auf der anderen Seite, wenn du mal die erste Platte mit der neuen vergleichst. Was er da mit Irischer und Schottischer Folklore macht. Die Keltischen und Russischen Melodien, die er da verarbeitet hat. Das hab ich noch nirgendwo gelesen. Wer hört sich denn die Platten vernünftig an. Die sagen einfach er wiederholt sich. Ich lass das einfach nicht gelten. Und ich möchte dazu auch endlich was sagen. Immer diese normalen Antworten: Jaja, wir versuchen uns da zu verbessern. Ich finde es nicht schlimm, wenn man sich an seine eigene Musik hält, das ist unsere Musik, das ist Stratovarius.
Georg:
Mit Visions habt ihr ja religiöse Themen verarbeitet, habt ihr in der Band einen Glauben.
Jörg:
Ich glaube überhaupt nicht. Ich bin totaler Atheist. Und auch in der Band ist keiner gläubig. Wir glauben eigentlich an uns selber und leider nicht mehr an die Menschheit. Das versuchen wir auch mit Infinite und dem Cover zu zeigen. Wie sich der Mensch zwischen spiritueller Welt und materieller Welt zugrunde richtet. Das ist jetzt nicht unbedingt ine Sache die keiner vor uns gesagt hat, aber wir weißen einfach auch nochmal darauf hin.
Georg:
Wie unterhaltet ihr euch in der Band. Englisch oder lernst du gerade Finnish.
Jörg:
Wir unterhalten uns in Englisch. Finnisch ist eine sehr sehr schwere Sprache. Jens lebt ja in New Your und auch Timo Tolkki und Timo Kotipelto sprechen sehr gut Englisch. Ich selber war 8 Jahre mit einer Engländerin zusammen und Jari kann sich inzwischen auch ganz gut artikulieren, aber er sagt eh nicht viel. Finnen sind auch sehr wortkark. Es würde nichts bringen, mein Finnisch ist zwar schon besser, aber ich werde es nie richtig sprechen können. Hast du Finnisch schonmal gehört? Da verstehst du kein Wort, das ist wirklich total anders. Die machen alles mit den Endungen. Es gibt 18 verschiedene Fälle und auch die Vokabeln sind total anders. Wo Schwedisch doch noch eine germanische Sprache ist und man noch Gemeinsamkeiten erkennt. Aber Finnisch ist komplett anders. Und da alle gut Englisch sprechen stellt sich die Frage gar nicht.
Georg:
Welches ist dein Lieblingsalbum von Stratovarius?
Jörg:
Mein Lieblingsalbum ist Episode, das erste Album das ich für die Band getrommelt habe. Als Jens und ich zu der Band kamen. Das hat mich damals einfach weggeblasen. Das war alles neu für mich. Und die Platte hat so eine ganz besondere Energie für uns. Was wir auch so nicht wieder hinbekommen haben, weil wir andere Songs gespielt haben, weil die Band auch älter geworden ist. Es war ein tolles Gefühl damals, wobei ich auch sagen muß, daß ich Infinity für den besten Song halte, den die Band je gemacht hat.
Georg:
Was denkst du über solche Sätze wie " Stratovarius und Hammerfall haben den Metal zurückgebracht"?
Jörg:
Naja, hab ich schon oft gehört. Die Presse hat damals versucht den Metal runterzuschreiben. Gerade der Hammer hat sich da auf so Grunge und so geschmissen, weil auch Nirvana so viele Platten in den USA verkauft haben. Ich habe in der ganzen Zeit immer bei Heavy Metal Bands gespielt und habe davon überhaupt nichts gemerkt. Die Bands haben nicht weniger verkauft. Nur die Bands, die die Qualität nicht hatten, sind natürlich nicht so angekommen. Aber die etablierten Bands hatten nicht weniger Zuspruch gehabt. Running Wild zum Beispiel, hatte nie großartige Einbrüche. Selbst in Zeiten in denen Lars Ullrich und Rob Halford sagten Metal sei tot, es sei total langweilig geworden. Insofern weiß ich nicht, was man da zurückbringen soll. Es war ja nie weg. Es ist sicher schön, daß jetzt wieder junge Bands durch den 80er Metal, dem New Wave Of British Metal beeinflusst werden. Wie z.B. Hammerfall. Stratovarius gibt es ja schon seit 82 und seit 84 ist Tolkki dabei. Stratovarius hat schon immer solche Musik gemacht und ist jetzt halt einfach berühmt geworden.
Georg:
Ihr habt eine sehr professionell gestaltete Homepage. Wie wichtig ist für euch das Internet?
Jörg:
Ich finde, daß es ein riesiges Medium ist. Es ist sicher auch einer der Gründe, warum Stratovarius berühmt geworden ist. Schon als ich in die Band kam war das schon sehr professionell organisiert. Da wußte ich noch nichtmal wie ich mich ins Internet einwählen kann. Die ganzen skandinavischen Länder sind da viel weiter als wir in Deutschland. Finnland z.B. ist das Land der Mobilphoner. Es gibt niemanden, der nicht ein Handy hat. Und jeder hat eine E-Mail Adresse. Das kommt in Deutschland ja erst noch. Du darfst nicht vergessen, daß ich schon seit 5 Jahren bei der Band bin. Das war vor 5 Jahren schon sehr professionell gemacht.
Wie haben jetzt auch ein Merchandise-Warenhaus eröffnet. Es gibt viele Länder, in denen wir gar nicht spielen können. Und diesen Leuten wollen wir die Möglichkeit bieten an die Sachen zu kommen. Wir haben oft diesen Wunsch geschrieben bekommen. Wir versuchen auch die Preise Fan-nah zu machen. Uns ist es lieber, wenn einer in Peru ein Stratovarius T-Shirt trägt, auch wenn wir daran nix verdienen, weil der Versand alles auffrisst. Aber so etwas lässt sich auch nicht ohne Internet machen. Und das ist für mich einer der Schlüssel des Erfolges. Wir versuchen sehr Fan-nah zu sein. Wir haben die Arbeit hinter der Musik auf viele Schultern verteilt und Mr. Tolkki hat so den Gesamtüberblick. Tero Tolkki (der Bruder von Timo) und Timo Kotipelto kümmern sich um die Homepage und ich finde die machen die Sache fantastisch. Tero arbeitet inzwischen richtig für die Band, weil das anders nicht mehr zu machen war.
Georg:
Ich habe gelesen, ihr hättet ein eigenes Studio?
Jörg:
Nein, das muß da falsch rübergekommen sein. Wir haben flying Equipment, das heißt wir könnnen überall ein eigenes Studio einrichten. Für die Aufnahmen von Infinite sind wir in auf eine einsame Hütte gegangen und haben dort alles außer den Drums aufgenommen. Für die Drums braucht man einfach zuviele Kanäle. Im Studio zahlste ja für jede Kaffeepause mit und so haben wir einfach die Möglichkeit auch mal zu sagen, wir machen jetzt erstmal nicht weiter, weil es halt grad nicht geht. Im Studio stehst du da viel mehr unter Druck.
Georg:
Vielen Dank für das Interview
- Redakteur:
- Georg Weihrauch