SUBWAY TO SALLY: Interview mit Bodenski

11.11.2006 | 21:42

Lange hat's gedauert, doch im Laufe dieses Jahres entschlossen sich SUBWAY TO SALLY dann doch eine Unplugged-Platte aufzunehmen. Die gibt es jetzt als CD oder DVD zu kaufen, und wer das Glück hatte die "Nackt"-Tour live mitzuerleben, weiß genau, was ihn auf der Scheibe zu erwarten hat. Bodenski, einer der Chefdenker der Band, stand mir zum "Nackt"-Thema und anderem Rede und Antwort...

Michael:
SUBWAY TO SALLY haben, obwohl durch ihre instrumentale Bandbreite quasi dazu prädestiniert, lange gezaudert eine Unplugged-Tour zu spielen. Woran lag's?

Bodenski:
Das akustische Element ist ja Teil des Konzeptes von SUBWAY TO SALLY, daher mussten wir uns schon mehr Gedanken machen. Es sollte nicht dieses Ding sein, wo man die Lieder zur Lagerfeuergitarre singt. Wir wollten von den Instrumenten über die Arrangements bis zur Optik etwas Besonderes machen. Ernsthaft angegangen sind wir die Idee erst, als uns klar war, dass wir nach dem Album "Nord Nord Ost" und der anschließenden Tour nicht gleich wieder ins Studio gehen würden. Wir wollen unseren Alltag einmal durchbrechen und so entschieden wir uns für eine solche Akustiktour.

Michael:
Wie gestaltete sich die Produktion der DVD für euch? Dass Konzerte mitgeschnitten wurden, dürfte wohl nicht das erste Mal für euch gewesen sein, aber dass ihr euch nun auch backstage präsentiert habt, ist neu. Wie war es jetzt, nun auch eure Rückzugsmöglichkeiten der Öffentlichkeit preiszugeben?

Bodenski:
Nun ja, alle Rückzugsmöglichkeiten wurden ja nicht preisgegeben. Die Kamera ist seit einiger Zeit immer mit dabei. Vor allem unser Drummer Simon Michael hat Spaß am filmen. Wir hatten bestimmt an die vier Stunden Material von der Tour, welches dann auf die knappe halbe Stunde zusammen geschnitten wurde. Es gibt einen ganz guten Einblick, dass wir auf Tour eine große Familie bilden, zu der auch unsere Crew und unsere Fans gehören.

Michael:
Nachdem eure Band sich in den letzten zwei Alben mehr auf musikalische Weiterentwicklung in neuen Gebieten und die Erschließung neuer Themen konzentriert hat, wirkt die Aufnahme einer Instrumental-Show schon fast wie eine Rückbesinnung. Wie seht ihr das Projekt im Zusammenhang mit euren letzten musikalischen Entwicklungen?

Bodenski:
Man sollte da nichts konstruieren. Auch wenn wir musikalisch immer wieder Neues ausprobiert haben, so ist doch SUBWAY TO SALLY, wenn man die Band mit großem Abstand betrachtet, ein sehr homogenes Gebilde, welches über die Jahre gereift ist. Wir sind uns in den Grundzügen immer treu geblieben und wir sind natürlich auch stolz auf die älteren Alben. Nach "Engelskrieger" und "Nord Nord Ost" hat es wieder einmal Spaß gemacht ältere Stücke rauszukramen.

Michael:
SUBWAY TO SALLY gelten unter anderen als Pioniere des Folk Rocks, mittlerweile scheint es quer durch Europa ein verstärktes Interesse für Musik eures Schlages zu geben, man hat das Gefühl die Bands dieses Genres haben sich in den letzten Jahren verdoppelt. Man kann fast meinen, dass die Zeit jenseits der Renaissance wieder in das Bewusstsein der Menschen dringt. Begrüßt ihr diese Entwicklung, oder steht ihr dem Ganzen eher skeptisch gegenüber?

Bodenski:
Wir hätten uns das nie träumen lassen, aber es ist in der Tat so, dass wir einen wichtigen Teil zur Entwicklung einer Szene beigetragen haben, die immer noch wächst. Inzwischen ist die Szene so riesig, dass wir gar nicht mehr alle Bands kennen können. Natürlich gibt es auch wirklich schlechte Bands und Trittbrettfahrer, aber das erkennen die Fans sowieso. Uns nervt zwar, dass immer wieder auf dem Mittelalter rumgeritten wird, obwohl das eigentlich auch nur ein Teil der ganzen Entwicklung ist, aber offensichtlich brauchen Einige einfache Formeln. Neulich fand ich einmal die Bezeichnung "Historie-Rock", vielleicht steckt da für die Szene betrachtet mehr Wahrheit drin.

Michael:
Eure Band hat sich nur zu Anfangszeiten der englischen Sprache hingegeben, mittlerweile ist der Umgang mit der deutschen Sprache zu einem eurer Markenzeichen geworden. Man kann in der Musikszene seit ein paar Jahren beobachten wie unsere Muttersprache wieder an Bedeutung gewinnt. Wie seht ihr diese Entwicklung, vor allem da ihr schon immer eine etwas kunstvollere Art der Sprache bevorzugt habt?

Bodenski:
Ohne die deutschen Texte hätten wir nie das erreicht, was wir geschaffen haben. Es gibt kein schöneres Gefühl als ein Saal voller Menschen, die einen Text singen, den man einmal im stillen Kämmerlein geschrieben hat. Der anfängliche Versuch englisch zu singen, hatte viel damit zu tun, dass wir im Osten schon Musik und deutsche Texte geschrieben hatten, die dann über Nacht keine Bedeutung mehr hatten. Wir sind dann aber sehr schnell wieder bei deutschen Texten gelandet, weil wir uns nur in der eigenen Sprache kunstvoll ausdrücken können. Ein Song hat ja durch seinen Text eine Ebene, die ihn zu mehr macht. Dass es in der Popmusik nun auch wieder verstärkt deutsche Texte gibt, ist sicher ein zyklisches Ereignis. Wenn morgen eine deutsche Band einen Hit in englischer Sprache landet, dann veröffentlichen alle Plattenfirmen zeitgleich den nächsten Trend.

Michael:
Mit eurem letzten Studioalbum scheint ihr eine leichte Kurskorrektur vorgenommen zu haben, was eure musikalische Ausrichtung nach der "Engelskrieger" angeht. Warum eigentlich?

Bodenski:
Ich mag das Wort Korrektur in diesem Zusammenhang nicht. "Nord Nord Ost" war kein absichtsvolles Zurückrudern in alte Gefilde. "Engelskrieger" ist eine wichtige Platte für uns, hinter der wir nach wie vor stehen. Etwas Ähnliches wie "Nord Nord Ost" hätten wir nach dem 11.September 2001, als die Arbeit an der "Engelskrieger" begann, nicht abliefern können. Wir standen unter dem Eindruck, dass die Welt sich über Nacht verändert hatte, dass wir in sehr düsteren Zeiten leben, und dass es wichtig sei, nicht die Augen vor all dem Jammer in der Welt zu verschließen. Uns war jedoch klar, dass wir so eine Platte nicht einfach wiederholen würden.

Michael:
Außerdem war der "Stilbruch" unter euren Fans heiß diskutiert. Wie seht ihr euer Streben nach musikalischer Weiterentwicklung in Bezug auf das, was die Fans von euch lieben gelernt haben, und dem, was sie von euch erwarten?

Bodenski:
Ich glaube, dass man auf die Dauer nur Erfolg haben kann, wenn man selber hinter dem steht, was man macht. Es ist uns nicht egal, was die Fans von uns denken und wie sie die Sachen aufnehmen, die wir fabrizieren. Aber wenn wir an einem Album oder auch nur an einem einzelnen Song arbeiten, tun wir das, was wir für richtig halten. So wie wir uns verändern, verändern sich auch die Blickwinkel und so verändert sich möglicherweise auch unsere Musik.

Michael:
Abseits aller Erwartungen, was für ein musikalisches Projekt würdest DU gerne mal realisieren, ohne dabei auf den Namen SUBWAY TO SALLY achten zu müssen?

Bodenski:
Ich würde gerne mal ein paar meiner Lieblingssongs covern.

Michael:
Im Moment wird im Dunstkreis diverser Universitäten und Schulen heiß darüber diskutiert, ob Latein als Sprache wirklich noch notwendig ist. Ihr habt diverse Songs mit Texten in der Sprache des römischen Reiches und der christlichen Kirche aufgenommen. Wie sieht eure heutige Beziehung zu dieser Sprache aus und was wäre euer Beitrag zu der Diskussion?

Bodenski:
Latein ist eine außerordentlich intelligente Sprache. Wer sich mit Kunst und Wissenschaft beschäftigt, mit Geschichte und abendländischer Kultur im Ganzen, der kommt daran nicht vorbei. Für mich waren meine Lateinstunden im Studium eine Offenbarung und ich wünschte, ich hätte diese Sprache schon in der Schule gelernt. Wenn ich was zu sagen hätte, würde ich Latein zum Pflichtfach machen.

Michael:
SUBWAY TO SALLY sind wie schon erwähnt eine Instanz in der deutschen Musikszene. Nach musikalischer Weiterentwicklung und Akustik-Album, was bleibt da eigentlich noch? Was schwirrt in euren Köpfen rum, wenn ihr an SUBWAY TO SALLY denkt und an das, was die Band noch erreichen kann?

Bodenski:
Wir würden gerne unseren Namen im Ausland bekannter machen und dort auch gern einmal touren. Das Wichtigste jedoch ist, dass wir das, was wir machen, noch möglichst lange machen können, das wäre schon eine große Sache.

Michael:
Eine Frage, die mir jedes Mal durch den Kopf schwirrt, wenn ich euch live sehe: Wie sehr geht euch eigentlich das quasi IMMER aufkommende "Blut, Blut, Räuber saufen Blut"-Gejohle der Menge auf die Nerven? Es scheint, eure Musik kann melodisch und eingängig wie nichts Vergleichbares sein, trotzdem scheint ein einziger Song sich unauslöschlich in die Geister eurer Fans gebrannt zu haben.

Bodenski:
Wir hatten eine Zeit, in der wir ernsthaft überlegt haben, das Lied zu streichen. Inzwischen haben wir aber unseren Frieden mit Julia gemacht. Ein Journalist schrieb einmal, dass dieses Lied in einem von uns ausgerufenen Land sicher die Nationalhymne werden würde. Das ist der Punkt: 'Julia und die Räuber' ist sozusagen der Schlachtruf, unter dem sich unsere Fans versammeln. Das ist doch etwas Wundervolles.

Redakteur:
Michael Kulueke

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