SYLVAN: Interview mit Kay Söhl

15.06.2006 | 17:17

SYLVAN lastet trotz ihres von fünf durchweg hochwertigen Prog-Rock-Scheiben geprägten siebenjährigen Schaffens immer noch der "Fluch des ewigen Geheimtipps" an. Das könnte sich mit "Posthumous Silence" vielleicht ändern, wird dieses Konzeptalbum doch von Fans und Presse mit guten Kritiken nur so überhäuft, so dass es sogar das bisher meistverkaufte SYLVAN-Album überhaupt darstellt. Eine weitere, auf den kommerziellen Markt ausgerichtete CD soll noch in diesem Jahr folgen. Gitarrist Kay Söhl nahm sich die Zeit, ausgiebigst über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft dieser völlig unterbewerteten Hamburger Formation zu sinnieren.

Elke:
Ihr wart auf POWERMETAL.de vor eurem aktuellen, insgesamt fünften Album "Posthumous Silence" leider noch überhaupt kein Thema. Von daher wäre es schön, wenn du uns zunächst etwas über SYLVAN erzählen könntest.

Kay:
Die Band wurde 1990/91 von Matthias (dr.), Volker (keys) und mir (git.) gegründet. Wir haben als klassische Schülerband angefangen und zu dritt im weitesten Sinne Punkmusik gespielt. Gesungen haben zu diesem Zeitpunkt noch Matthias und ich, soweit man das singen nennen möchte. Erst 1995 stieß Marco Glühmann als Sänger dazu. Unsere Bassisten haben sehr oft gewechselt, bis 2000 Sebastian dazu gekommen ist. Der Name SYLVAN ist erst 1998 in Vorbereitung unserer ersten CD "Deliverance" entstanden, und im Grunde genommen hat also die eigentliche Geschichte der Band erst dann richtig angefangen.

Elke:
Welchem Genre würdet ihr euch selbst zuordnen, oder anders herum gefragt: Sprecht ihr überhaupt ein Metal-Publikum an?

Kay:
Wir ordnen uns dem Progressive-Rock-Genre zu, wobei wir mit regem Interesse verfolgen, was es in diesem Bereich für Unterschubladen und Diskussionen darüber gibt, welcher davon man zugeordnet werden kann. Aber der Oberbegriff "Progressive Rock" ist eigentlich schon in Ordnung. Generell könnte man auch "experimentelle Rockmusik" oder "Art Rock" sagen. Natürlich sprechen wir auch das Metal-Publikum an, da wir auch härtere Parts haben. Am letzten Wochenende spielten wir ein Konzert in Reichenbach bei Zwickau. Dort waren auch ein paar klassische Metal-Fans im Publikum, die uns bisher nicht kannten und mir im Gespräch hinterher sagten, dass sie sonst wesentlich härtere Musik hörten, aber unsere Musik ihnen auch gefallen würde. Ob das nun daran liegt, dass unser Sound sehr abwechslungsreich ist, weiß ich nicht, aber ich denke schon, dass wir ein Metal-Publikum ansprechen.

Elke:
Ihr habt - nachdem ihr wie du sagtest als Schülerband angefangen habt - mit deinem Bruder Volker und Schlagzeuger Matthias heute zwei Berufsmusiker im Line-Up. Arbeitet man da als Band professioneller?

Kay:
Das hat sich einfach so ergeben, weil für jeden von uns Musik eine absolute Leidenschaft darstellt und demzufolge jeder von uns eigentlich das Ziel hatte, das als Haupt-Beschäftigung im Leben zu machen. Matthias und Volker haben ihren beruflichen Werdegang darauf ausgerichtet: Matthias arbeitet unter anderem im Bereich der Werbung als Komponist, mein Bruder Volker hat Musik studiert und ist ebenfalls als Komponist tätig. Wir anderen verdienen unsere Brötchen mit anderen Dingen, aber unser Bassist arbeitet im Medien-Bereich, was auch nicht so weit von der Musik entfernt ist. Das professionellere Arbeiten ist jedoch einfach mit der Zeit gekommen. Als wir 1999 die erste CD - damals noch mit Hilfe eines kleinen Labels - herausbrachten, merkten wir, dass es für unsere Musik einen Markt gibt, und da hat das professionellere Arbeiten eigentlich angefangen. Ohne das geht es auch nicht, gerade weil wir seit der dritten CD kein Label mehr haben und alles in Eigenregie machen.

Elke:
Ihr habt in eurem letzten Newsletter geschrieben, dass euch noch der "Fluch des ewigen Geheimtipps" anhaftet. Hängt das vielleicht gerade damit zusammen, dass ihr nicht bei einem Label unter Vertrag steht?

Kay:
Ja und nein. Wir haben unsere ersten beiden Alben über ein kleines Indie-Label veröffentlicht und uns irgendwann gedacht, was die können, was die an Zahlen erreichen, das können wir auch. Wir haben dann alles auf eine Karte gesetzt, selbst die Vertriebe angesprochen, und zum Teil die Verkaufszahlen sogar noch gesteigert. Wenn wir heute die Möglichkeit hätten, mit einem Label zusammen zu arbeiten, das ein größeres Publikum bedient, dann würde es sicher dazu führen, dass wir aus unserer "Geheimecke" wegdriften. Das müsste dann aber schon ein größeres Label sein.

Elke:
Das finanzielle Risiko einer CD tragt ihr durch diese Eigenständigkeit aber allein.

Kay:
Das stimmt, aber das war auch schon so, als wir noch einen Vertrag hatten. Das ist heutzutage generell der Fall, wenn man nicht gerade mit einem Majorlabel zusammen arbeitet. Die Produktion finanziert man in der Regel komplett selbst, und die kleinen Labels nehmen nur das fertige Produkt, machen also einen Bandübernahme-Vertrag, und beschreiten die Vertriebswege. Mittlerweile können wir das mindestens genauso gut.

Elke:
Ihr seid in der glücklichen Lage, dass Matthias ein eigenes Studio, The Sylvan Manor, hat. Das hilft sicher auch, die Kosten zu senken.

Kay:
Ja, natürlich. Wir arbeiten, was die CD-Produktion angeht, noch mit einem anderen Studio zusammen, aber die Vorbereitung, also die Programmierung und was noch so alles dazu kommt, machen wir bei Matthias, und das hilft sehr. Dadurch fällt die eigentliche Studiozeit erheblich kürzer aus, und dadurch sparen wir Kosten. Das wäre anders aber auch gar nicht möglich. Wenn man sich mit Bands unterhält, die es durchaus schon mal geschafft haben, in die Charts zu schnuppern, und erfährt, was da an Studiozeit angesetzt wird, davon können wir nur träumen, denn das wäre überhaupt nicht zu finanzieren. Deswegen ist es natürlich sehr, sehr gut, dass wir so viele Sachen schon in der Vorproduktion machen können.

Elke:
Eure Texte sollen bereits in der Vergangenheit inhaltlich einen gewissen Zusammenhang gehabt haben. Jetzt habt ihr euer erstes Konzeptalbum herausgebracht. Wie kommt man auf die Idee - setzt man sich irgendwann hin und beschließt "so, jetzt machen wir ein Konzeptalbum"?

Kay:
Im Grunde genommen ist es so. Wobei es nicht unser erstes richtiges Konzeptalbum ist. Unsere zweite CD "Encounters" setzte sich aus zwei einzelnen kurzen Stücken und einem 40-minütigen Track zusammen. Das war im Prinzip ein kleiner Versuch eines Konzeptalbums. Ein Konzeptalbum ist - wie du auch in deinem Review geschrieben hast - auf der einen Seite ein Fluch, auf der anderen Seite ein Segen für viele Bands, weil man daran leicht scheitern kann. Bei den Vorbereitungen für unser nunmehr fünftes Album war uns klar, dass wir etwas Besonderes machen wollten, und dann kam relativ schnell der Gedanke, ein Konzeptalbum zu schreiben. Natürlich auch aus der Idee heraus, weil wir immer - ob das nun bei "Artificial Paradise" oder bei "X-Rayed" war - konzeptionell gearbeitet haben.

Elke:
Ich habe mir "Posthumous Silence" anfangs ohne den Blick ins Booklet angehört und hatte rein musikalisch gesehen zunächst Probleme mit der Musik, weil sie über weite Strecken doch ziemlich getragen ist und zunächst nicht sehr viele Hits hervorstechen. In Verbindung mit den Texten sah die Sache plötzlich ganz anders aus, weil sich die Musik vor dem Hintergrund der Story viel besser erschließt. Verkauft sich ein derart zeitintensives, zumal über eine Spielzeit von 70 Minuten gehendes Album heutzutage überhaupt noch?

Kay:
Wie ich schon sagte - ein Konzeptalbum ist sowohl Fluch als auch Segen. Wir haben im Vorfeld überlegt, ob ein Album, was sowohl musikalisch anspruchsvoll ist - wobei die anderen Alben natürlich bereits einen gewissen Anspruch hatten, aber ich denke, hier haben wir noch einen draufgesetzt - als auch konzeptionell die Leute nicht überfordert. So wie du schon sagtest, bestand die Gefahr, dass sich viele das Album zwar anhören, aber denken "nee, das ist mir zu schwere Kost". Erstaunlicherweise durch die Erfahrungen der letzten zwei Monate seit der Veröffentlichung des Albums, verkauft es sich jedoch sehr gut und ist sogar bisher unser bestverkauftes Album innerhalb dieser Zeitspanne. Ich denke, das liegt auch daran, dass wir mit diesem Album ganz klar den Progressive-Rock-Bereich ansprechen - bei den normalen Charts- oder Radiohörern wäre das schon schwieriger. Wobei wir selbst da feststellen konnten, dass es Leute gibt, für die "Posthumous Silence" die erste Erfahrung im Progressive-Rock-Bereich darstellt, und selbst sie waren überzeugt. Viele haben vermutlich verstanden, dass man der CD einfach Zeit gebe muss. Es ist keine CD, die man wie Radio nebenbei hört, sondern man macht es sich eher zu Hause gemütlich, trinkt ein Glas Wein, setzt den Kopfhörer auf und hört die CD dann durch. Diejenigen, die sich darauf einlassen, werden feststellen, dass es sich lohnt.

Elke:
Die Storyline von "Posthumous Silence" erzählt eine sehr tragische Geschichte. Kannst du sie bitte kurz in deinen Worten zusammenfassen?

Kay:
Es geht um einen Vater, der das Tagebuch seiner Tochter findet, die zu dem Zeitpunkt verstorben ist. Dieser Mann beginnt, indem er das Tagebuch liest, die Gedanken seiner Tochter aufzunehmen und nach und nach zu verstehen, warum es dazu gekommen ist, dass die Tochter im Grunde genommen das Leben verlassen hat. Aufgeteilt ist die Geschichte in die Teile, in denen der Vater darüber sinniert und im Laufe der Zeit zu der Erkenntnis kommt, dass er für seine Tochter nicht da war und sie im Stich gelassen hat, und die einzelnen Einträge der Tochter, die verschiedene Ängste und andere Dinge, die sie bewältigen musste, beinhalten.

Elke:
Wir seid ihr auf diese Geschichte gekommen?

Kay:
Normalerweise schreibt unser Sänger Marco alle Texte und arbeitet auch deren Inhalte aus. Dieses Mal war es anders. Die Texte hat er zwar nach wie vor geschrieben, aber die Struktur haben wir uns gemeinsam über einen relativ langen Prozess überlegt. Uns war sehr schnell klar, dass es kein lustiges Thema werden sollte, weil wir der Meinung waren, dass für ein Konzeptalbum eher eine tragische Geschichte in Frage kommt. Das Tagebuch-Thema als Grundgerüst stand relativ schnell im Raum, und Marco hat nach und nach die Geschichte drum herum gebaut. Die Handlung, dass es um einen Vater geht, der das Tagebuch liest, ist - ohne zu viel zu verraten - nur vordergründig eine Geschichte. Das lässt sich viel weiter interpretieren. Im Forum auf unserer Homepage wird sehr viel darüber diskutiert, worum es in der Geschichte eigentlich geht, und es gibt sehr gute Ansätze und Gedanken.

Elke:
Am meisten beeindruckt hat mich der Gesang von Marco, der in seiner Interpretation der Texte stets die passende Emotionen vermittelt. Ich hatte am Ende einen richtigen Kloß im Hals, wie nach einem rührseligen Hollywood-Film. Eure Musik lebt schon sehr von seinem Gesang, oder?

Kay:
Ja, das stimmt. Wir haben mit Marco jemanden, der es super schafft, Inhalte und damit auch Gefühle zu transportieren. Schon bevor er 1995 zu uns gekommen ist, war er ein oder zwei Jahre lang unser Wunschkandidat. Er spielte damals in einer anderen Band, und als wir uns kennenlernten, wussten wir, das ist er, den müssten wir eigentlich haben. Dadurch dass Marco die Texte schreibt, die meistens sehr emotionale Inhalte haben, schafft er es auch, das gesanglich umzusetzen. Das passt zu einem Album wie "Posthumous Silence" fantastisch.

Elke:
Er klingt auch sehr "undeutsch". Ein Bekannter von mir war völlig überrascht, als ich ihm sagte, dass ihr aus Hamburg kommt.

Kay:
Marco ist ein Sprachtalent, spricht auch fließend Französisch, und es wurde uns schon öfter gesagt, dass er nur einen sehr geringfügigen deutschen Akzent besitzt.

Elke:
Je öfter ich mir das Album anhöre, umso mehr fällt mir auf, dass auch die instrumentale Umsetzung sehr stimmungsdienlich ist und teilweise sogar etwas von Filmmusik hat. Geht man auch beim Songwriting an ein solches Konzeptalbum anders heran?

Kay:
Das liegt natürlich daran, dass wir mit dieser Geschichte relativ schwere Kost transportieren wollten, weshalb der Sound etwas Episches mitbringen sollte. Deswegen auch diese orchestralen Kompositionen, nicht zuletzt ganz am Anfang die Chöre, die wir benutzen und die mein Bruder komponiert und arrangiert hat. Das ist einfach ein Stilmittel, auf das man zurückgreift, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Es ist natürlich auch eine Kostenfrage - wenn man das Geld hätte, würde man mit einem Symphonieorchester zusammenarbeiten, was uns leider nicht möglich war. Aber bei diesem Album sind wir zum ersten Mal einen Schritt in diese Richtung gegangen, auch durch den Auftritt der Cellistin, der zum einen das Hauptthema, aber auch die emotionalen Aspekte sehr gut transportiert.

Elke:
Ich habe mich am Ende der Geschichte gefragt, ob ihr nicht ein klein wenig das Thema "Selbstmord" verharmlost, so quasi "ich bin ein unzufriedener Jugendlicher, den seine Eltern nicht verstehen, also bringe ich mich um."

Kay:
Das könnte man natürlich so interpretieren. Ich sage jetzt einfach nur lapidar zu diesem Thema, das ist nur eine Interpretationsmöglichkeit, dass sie Selbstmord begangen hat, aber man kann das auch ganz anders sehen. Ich will nicht zu viel verraten, weil ich der Geschichte sonst etwas wegnehmen würde.

Elke:
Du hast schon erwähnt, dass "Posthumous Silence" euer bisher erfolgreichstes Album ist. Hat euch das überrascht?

Kay:
Ja, hat es. Wir haben parallel zu "Posthumous Silence" noch ein zweites Album mit dem Arbeitstitel "Presets" aufgenommen, was in eine ganz andere Richtung gehen soll. Das eine ist ein Konzeptalbum, das andere versucht, die kommerziellen Stärken von SYLVAN zu präsentieren, das heißt, Stücke zu kreieren, die eher radiotauglich sind. Von daher sind wir natürlich überrascht, dass "Posthumous Silence" sehr gut ankommt und sich das auch bei den Verkaufzahlen wiederspiegelt, gerade weil es so schwere Kost ist. Das zweite Album erscheint mit etwas Glück im Herbst, also Oktober/November, was aber auch davon abhängt, wen wir damit ansprechen können. Ehrlich gesagt wäre es unser größter Traum, damit vielleicht sogar ein Major Label zu erreichen. Ob das passiert oder überhaupt wahrscheinlich ist, steht auf einem anderen Blatt. Wir hatten in der Vergangenheit bereits kürzere Songs, von denen einige durchaus im Radio gespielt werden könnten, und "Presets" zielt in diese Richtung ab. Es sind schon typische SYLVAN-Stücke, die aber doch versuchen, in irgendeiner Form den kommerzielleren Hörer anzusprechen.

Elke:
Wie finanziert ihr als Band ohne Plattenvertrag zwei Alben in einem Jahr?

Kay:
Das ist eine gute Frage. Wir haben es aber ganz bewusst so gemacht. Im letzten Jahr haben wir sehr fleißig komponiert, was ein ziemlicher Kraftakt war. Beide Alben zusammen bringen es auf 120 Minuten Musik, geschrieben haben wir natürlich noch mehr. Statt zwei Mal hintereinander ins Studio zu gehen, haben wir versucht, beide Platten auf ein Mal aufzunehmen. Das waren zwar auf einen Schlag relativ hohe Kosten, im Nachhinein betrachtet hat es sich jedoch als sehr schlau erwiesen. Man hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, und wenn wir erst "Posthumous Silence" aufgenommen hätten und jetzt im Sommer nochmals ins Studio gegangen wären, wäre es sehr viel teurer geworden.

Elke:
Auf einer gerade abgelaufenen Minitour habt ihr meines Wissens das komplette "Posthumous Silence"-Album live gespielt.

Kay:
Bis auf zwei Ausnahmen haben wir es jedes Mal am Stück gespielt. Diese Ausnahmen waren Festival-Auftritte, einmal in England und einmal auf dem Eclipsed-Festival in Aschaffenburg, wo es aus Zeitgründen nicht möglich war. Schon zu "Encounters"-Zeiten haben wir dieses 40-Minuten-Stück im Live-Programm gehabt, und es war uns im Vorfeld schon klar, dass wenn wir eine Tour machen und dort vor einem typischen Prog-Publikum spielen, wir "Posthumous Silence" auch als Gesamt-Stück aufführen werden. Das war auch ein Wunsch von uns, und schon während wir die CD aufgenommen haben, haben wir uns sehr darauf gefreut, weil es schon sehr bewegend ist, das Album komplett aufzuführen. Und es kam auch dementsprechend an. Im Herbst planen einige weitere Auftritte, bei denen wir sicher schon etwas von "Presets" vorstellen, die aber hauptsächlich eine "Posthumous Silence"-Nachtour darstellen sollen.

Elke:
Live seid ihr sehr viel in Hamburg und sehr wenig anderswo anzutreffen. Woran liegt das?

Kay:
Wir spielen ein bis zwei Mal pro Jahr in Hamburg und versuchen ansonsten schon herumzukommen, aber es ist was die Besucherzahlen angeht nach wie vor eine sehr schwierige Situation und im Laufe der Zeit auch nicht besser geworden, sondern nach meinem Gefühl eher schwieriger. Die Veranstalter haben weniger Geld, weil vielleicht die Bereitschaft zu Konzerten zu gehen eher geringer geworden ist. Von daher ist es vor allem eine Kostenfrage. Eine dreiwöchige Tour mit nur kurzen Pausen zwischendurch ist kaum zu finanzieren.

Elke:
Ich nehme an, ihr müsst euch auch um das Live-Booking alleine kümmern.

Kay:
Sebastian organisiert derzeit den Live-Bereich. Wir haben das Glück, dass wir inzwischen einige Clubs kennen und dort nur kurz anfragen müssen, weil die sich freuen, wenn wir wiederkommen. Aber in Berlin zum Beispiel versuchen wir seit drei oder vier Jahren einen Auftritt zu organisieren. Entweder kennen uns die Leute nicht oder wollen das Risiko nicht auf sich nehmen. Und hinzu kommt natürlich, dass eine Stadt wie Berlin - das ist in Hamburg ähnlich - so viel kulturell zu bieten hat, dass es schwierig wird. Was schade ist, denn ich weiß, dass es einige Menschen in Berlin gibt, die zu unserem Konzert kommen würden. Auf der anderen Seite reisen die Leute jetzt von weit her zu unseren Konzerten. In Reichenbach, was fast bei Dresden liegt, waren Leute aus Bielefeld da. Dass sie diese Strecke auf sich nehmen, ist natürlich toll. Ideal wäre es natürlich, wenn man es schafft, die Konzerte regional gut zu verteilen, aber das ist kaum möglich. Und im Ausland können wir meist nur auf Festivals spielen.

Elke:
Euer Schlagzeuger Matthias ist außerdem mit seinem Nebenprojekt RAIN FOR A DAY aktiv. Das geht stilistisch aber eine völlig andere Richtung, oder?

Kay:
Die Musik ist kommerzieller, hat zwar durchaus Anleihen von Progressive Rock, ist aber weniger hart und poppiger. Das geht so in die Ecke von TORI AMOS oder KATE BUSH. Miriam Schell ist eine fantastische Sängerin und war auf unserer CD "Artificial Paradise" auch als Gastsängerin vertreten. Sie haben als Duo angefangen, wobei Matthias dort nicht als Schlagzeuger, sondern als Keyboarder tätig ist. Was die Verkaufszahlen betrifft, liegen sie aber hinter uns, was ich schade finde. Das ist die alte Frage: Warum ist so etwas nicht so erfolgreich wie der Mist, den man teilweise im Radio hört?

Elke:
Darüber darf man glaube ich nicht näher nachdenken. Irgendwer von euch soll außerdem noch bei einer Band namens KIND OF BLUE spielen.

Kay:
Das ist das Nebenprojekt unseres Bassisten. Er ist dort glaube ich vor ein oder zwei Jahren eingestiegen. Diese Band ist richtig im Pop-Bereich angesiedelt und hatte vor einigen Jahren eine gewisse Popularität wegen der Teilnahme an der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest, wo sie den dritten Platz machte. [Nach meinen Recherchen waren sie im Jahr 2000 mit dem Titel 'Bitter Blue' am Start - Anmerkung der Verfasserin] KIND OF BLUE waren eine Zeit lang sogar bei einem Major Label unter Vertrag und die Single hat sich ganz gut verkauft. Leider hat sie nach der Song Contest-Teilnahme das Schicksal vieler anderer Bands ereilt und sie sind wieder in der Versenkung verschwunden. Sie machen aber weiterhin ihr Ding.

Da können wir von SYLVAN uns nur auf die Schulter klopfen - wir machen zwar auch unser eigenes Ding, schaffen es aber kontinuierlich, doch recht gute Verkaufszahlen zu haben. Wie bereits erwähnt - der Schritt, zu einem Label zu gehen, müsste reiflich überlegt sein. Dann müssten wirklich sehr gute Angebote kommen. Aber wir hoffen natürlich, dass wir irgendwann den Stand erreichen, dass wir alle fünf von uns sagen können, wir sind hauptberuflich Musiker. Vom Gedanken, von der Leidenschaft her ist die Motivation auf jeden Fall da. Aber das umzusetzen ist wahnsinnig schwierig. Aber das, was wir in den sieben Jahren seit 1999 erreicht haben, da können wir schon verdammt stolz drauf sein. "Posthumous Silence" war eher als Geschenk an die Fans gedacht, und dass gerade das Album so erfolgreich ist, freut uns sehr. Wir sind gespannt, wie "Presets" ankommen wird - vielleicht beschert uns das ja den großen Durchbruch...

Redakteur:
Elke Huber

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