TANZWUT: Interview mit Teufel

28.08.2024 | 22:14

"Achtung Mensch!" klingt nicht nur nach einer eindeutigen Warnung, sondern ist auch Titel des neuen TANZWUT-Rundlings, der so voller Liebe, Leidenschaft und tollem Liedgut steckt – wie man es eben von den Mittelalter-Rockern um Frontmann Teufel gewohnt ist. Das neue Album steht der schillernden Diskografie der Mannen in nichts nach, sodass wir uns den Tanzwütigsten in ihren Reihen gleich schnappten und mit Teufel ein sehr schönes Gespräch führten.

Teufel, wie ist die Stimmung im Jahr 1 nach der silbernen Hochzeit?
Uns geht es gerade sehr gut. Bisher war unser Jahr etwas entspannter als im letzten Jahr. Da waren wir mit ca. 100 Konzerten sehr viel unterwegs. Aber im Herbst geht es ja wieder auf Tour und wir freuen uns schon auf die noch kommenden Shows zum neuen Album "Achtung Mensch!".

Es kam im vergangenen Jahr viel zusammen: Euer großes Jubiläum sowie die Chance, endlich wieder zu touren. Glaubt ihr, das Publikum war durch den doppelten Grund zur Freude noch ekstatischer, noch ausgelassener?
Das kann durchaus sein. Wir hatten wirklich wahnsinnig gute Konzerte mit einem Hammer Publikum. Und wir hatten das Gefühl, dass sich alles noch einmal euphorischer gestaltet hat und die Menschen einfach Lust darauf hatten wieder zu Konzerten zu gehen und mit uns auf die alten und neuen Zeiten anzustoßen.

Ihr habt ein neues Album am Start – "Achtung Mensch" ist Album Nummer 11. Geht man da schon mit einer gewissen Routine heran oder hattet ihr im Vorfeld bestimmte Zielsetzungen an das Album?
Es gibt eine gewisse Routine, was die Aufnahmen angeht. Da wir seit einigen Jahren immer mit den gleichen Leuten zusammenarbeiten und in den gleichen Studios aufnehmen, sind wir ein eingespieltes Team. Das erleichtert vieles und man hat ein Vertrauen entwickelt gegenüber Produzenten und Studiotechnikern. Manche Sachen, z. B. die Dudelsäcke, nehme ich auch immer selbst auf.
Das Schreiben der Songs ist natürlich keine Routine und immer wieder ein neues Abenteuer. Denn am Anfang eines Songs weiß man nie, wie das Endergebnis ist. Das ist der Reiz und das Schöne, wenn man eine neue CD schreibt. Unser Ziel ist es immer, Songs zu schreiben, in denen wir all unsere Emotionen und Gedanken einbringen, denn wir wollen, dass es die Menschen im Herzen und in der Seele berührt.

Als ich den Titel eures neuen Albums gelesen habe, musste ich an ein Zitat von Stromberg denken: Begegnet ein Wolf einem anderen Wolf im Wald, denkt der "Ach, sicher ein Wolf", begegnet ein Mensch jedoch einem anderen Menschen im Wald, denkt der "Ach, sicher ein Mörder!". Ist die Menschheit die größte Gefahr für die Menschheit?
Ich bin schon viele Menschen im Wald begegnet, die hoffentlich keine Mörder waren. Vielleicht waren es aber Pilzesammler, d.h. also dann waren es Pilzmörder oder so was.
Aber um auf Deine Frage einzugehen: Das menschliche Wesen ist gegenüber allen anderen Lebewesen auf dieser Welt sehr unberechenbar. Und es wiederholt sich ja jeglicher Wahnsinn in der Geschichte immer und immer wieder und man zweifelt schon daran, ob es wirklich eine menschliche Intelligenz gibt. Der Mensch will über allen Dingen stehen und bezeichnet sich als die Krone der Schöpfung, aber da ist, meiner Meinung nach, in der Evolution etwas falsch gelaufen. Wir stellen im Song 'Achtung Mensch!' den Menschen als eine Art Amokläufer dar, was in Anbetracht der aktuellen politischen Weltlage realer nicht sein kann.

Und Hand aufs Herz, hätte das Album eventuell einen anderen Titel getragen, wenn die letzten vier, fünf Jahre nicht im Zeichen der Pandemie gestanden hätten? Oder worin liegen die Ursprünge dieses aussagekräftigen Titels?
Dieser Titel hätte sich auch ohne Pandemie im Angesicht der Geschichte der Menschheit genauso entwickeln können. Die Pandemie hatte eher wenig mit dem Song zu tun.
Die Pandemie passt eher zur Geschichte der Tanzwut, d.h. zum Song 'Die Tanzwut kehrt zurück' vom letzten Studioalbum. Die Pest bricht aus und wir rufen die Tanzwut aus. Wobei ich den Text dieses Liedes schon vor der Pandemie geschrieben hatte.

Auf mich wirken vor allem die Texte noch ausdrucksstärker, die Musik noch entschlossener – worin liegen eurer Meinung nach die musikalischen Unterschiede zum 2021er Album "Die Tanzwut kehrt zurück"?
Vielleicht sind wir wirklich direkter geworden. Das wird allerdings ein ganz normaler Entwicklungsprozess sein, den wir haben das nicht bewusst forciert. Wir haben wie immer dieses Album aus unserem Herzen und unserem Bauch heraus geschrieben, spontane Texte und Melodien zu Themen, die uns gefallen oder in den Sinn kommen. Wir haben bei schon einigen Produktionen gemerkt, dass, wenn wir zu lange an einem Song arbeiten, wir uns meist verlaufen. Aber es ist schön zu hören, dass wir konkreter und direkter geworden sind.

Eines meiner Highlights ist das tolle 'Wenn du betrunken bist'. Wie sind denn die TANZWUT-Musiker drauf, wenn sie betrunken sind? Eher fröhlich, melancholisch, albern oder so wie eh und je?
Es heißt ja immer, wenn man betrunken ist, zeigt man sein wahres Gesicht oder seinen wahren Charakter. Oder es kommen Sachen zum Vorschein, die in einem schlummern. In dem Titel 'Ich mag dich nur wenn du betrunken bist' geht es eher darum. Wenn man die Hüllen fallen lässt, die Steifheit und das verlogene Ich hinter sich lässt und dann sein wahres Gesicht zeigt. Die Band ist, wie sie ist. Wir feiern unsere Partys und wenn wir am Wochenende unterwegs sind, freue ich mich, dass es immer ein wenig wie eine Klassenfahrt anmutet. Wir wollen als Musiker unterwegs sein und Spaß haben, auf der Bühne stehen und feiern. Also hoch die Tassen und lasst uns durchdrehen!

Auch 'Leichen im Keller' gefällt mir extrem gut – und die hat bekanntlich jeder von uns. Welche Leichen habt ihr denn im Keller?
Wenn wir  erzählen würden, welche Leichen wir im Keller haben, dann wären sie ja nicht mehr im Keller, hehe. In dem Song geht es aber eher darum, dass es Menschen gibt, die uns eine weiße Weste vorgaukeln und Wasser predigen, während sie Wein trinken. Und oft haben gerade diese Herrschaften, die mit ihren weißen Westen, die meisten Leichen im Keller.

Ihr habt zum Gassenhauer 'Loch in der Mauer' ein sehr schönes Video gedreht – eine kleine Zeitreise in die DDR, in der man vor lauter Hoffnung auf ein besseres Leben das Loch in der Mauer – ob nun real oder in der Phantasie – suchte. Eure persönliche Abrechnung mit den damaligen Autoritäten? Wie blickt ihr auf die damalige Zeit zurück?
Also ich bin ja in unsere Band der letzte Mohikaner, der das noch erlebt hat. Der Rest der Band ist da noch zu jung. Es geht dabei nicht um Abrechnung, sondern eher um Erinnerung an meine Kindheit und das was mich geprägt hat und mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Die Autoritäten von damals waren, auch wie die Autoritäten von heute, große Witzfiguren in meinen Augen. Deshalb sollte man dieses Video auch mit einem gewissen Augenzwinkern sehen. Ich habe das Drehbuch mit vielen wunderbaren spaßigen Sachen geschmückt und veredelt. Und mein Hauptdarsteller Wimsal, der in vielen TANZWUT-Videos mitspielt, hat bei 'Loch in der Mauer' die Rolle des Volkspolizisten übernommen. Er selbst hat auch seine speziellen Erfahrungen in der DDR gemacht. Ein wunderbarer Schauspieler, der meine Ideen immer perfekt umsetzt. Eine große Bereicherung in unseren Videos und ein guter Freund in meinem Leben. Ich schreibe mittlerweile die Drehbücher immer erst, wenn er mir eine Zusage gibt, dass er Zeit hat am Drehtag.
Mit meiner Geschichte und meiner Vergangenheit in der DDR könnte man wahrscheinlich ein komplettes Buch füllen. Aber das würde jetzt hier zu weit führen. Ich habe also noch viele Geschichten zu erzählen.

Im Oktober und November geht es mit FLORIAN GREY auf große Deutschlandtour. Endlich wieder TANZWUT live! Mein letztes Mal ist schon stolze neun Jahre her. Auf was darf ich mich bei den Gigs freuen? Wie fühlt es sich an, wieder mit einem regulären Studioalbum die Bretter dieser Republik zu beackern?
Wenn du neun Jahre nicht mehr TANZWUT gesehen hast, wird wahrscheinlich für dich alles neu sein. Die Band hat sich ja in den letzten Jahren komplett verändert. Sei es mit den Songs, dem Bühnenoutfit oder auch den Musikern. Wir freuen uns natürlich immer, wenn wir mit neuen Songs und einem neuen Studioalbum auf Tour gehen und all die verborgenen Schätze live spielen können. Und nach den "Silberne Hochzeit"-Tourneen, bei denen wir fast nur "alte" Songs aus unserer Bandgeschichte gespielt haben, wird es für uns auch toll sein, mit neuen Songs auf der Bühne zu stehen.

Ich persönlich habe euch 2003 mit "Ihr wolltet Spaß" kennengelernt, als euer zweites Album ziemlich groß im damaligen Metal Heart angekündigt wurde. Seitdem sind viele Jahre und noch mehr Alben ins Land gezogen. Wie hat sich seitdem, seit diesem großartigen, dritten Album, der Stil von TANZWUT geändert? Und welche Erinnerungen habt ihr an die Scheibe?
Bei uns kamen viele Erinnerungen hoch, als wir die Songs zur CD "Silberne Hochzeit" im Studio neu aufgenommen haben. Das müssen genau die Lieder gewesen sein, die du damals live gesehen hast. Schade, dass du nicht auf dieser Tour vorbeigeschaut hast. Dann wären sicher auch bei dir eine Menge Erinnerungen hochgekommen.
Seitdem hat sich natürlich einiges verändert. Die Band hat eine Entwicklung vollzogen, genauso wie ich, und so hat sich auch die Musik im Laufe der Jahre weiterentwickelt. An die Produktion von "Ihr wolltet Spaß" kann ich mich noch sehr gut erinnern. Es war 2003 unser erstes Album, welches wir mit unserem eigenen Label veröffentlicht haben. Und es lief ziemlich gut. Doch leider ging unser damaliger Vertrieb pleite und alles war verloren. So sind wir bis heute mit TANZWUT Berg und Tal gefahren. Rückblickend kann ich sagen, man muss schon zäh sein, um eine Band wie die unsere so lange am Leben zu halten. Da gab es schwere Zeiten und natürlich auch einen überwiegenden Teil an Glückseligkeit, der alles wieder gut gemacht hat.

Ich persönlich tue mich immer noch schwer mit der Genre-Bezeichnung des Mittelalter-Metals. Zumal ihr für mich ohnehin ein ganz eigenes Genre bekleidet. Wie steht ihr nach all den Jahren zum Mittelalter Metal? Wird er eurer Meinung nach gerecht?
Ich kenne ja nur die Bezeichnung Mittelalter-Rock, in Verbindung mit Metal kenne ich diesen Begriffe noch nicht. Aber Mittelalter-Rock war meines Erachtens eine Erfindung der Presse im Entstehen von IN EXTREMO und TANZWUT. Ganz am Anfang konnte niemand einordnen, was das einmal werden soll. Also brauchte man einen Namen fürs frisch geborene Kind. Heutzutage ist ja alles Mittelalter-Rock und meist hat es mit Mittelalter natürlich nichts zu tun. Die meisten Bands verwenden einfach Folkinstrumente und ein paar Folkmelodien. Nur wenn tatsächlich Songs aus dem Mittelalter gespielt werden, würde ich das auch so bezeichnen. Aber das alles korrekt zu benennen, ist mühselig. Daher ist es als Oberbegriff völlig ok.
Natürlich haben wir unseren eigenen Stil, den auch keiner so richtig einordnen kann. Durch unsere Dudelsäcke auf der Bühne und vielleicht auch durch unsere mittelalterliche Vergangenheit laufen wir einfach unter Mittelalter-Rock. Aber wir spielen ja tatsächlich auch immer noch auf Mittelaltermärkten pure Mittelaltermusik mit Dudelsäcken und Trommeln und ich fröne seit einiger Zeit wieder dem Marionettentheater. Ich baue selbst Marionetten und wir spielen in einem fünfköpfigen Ensemble wunderbare Märchen und erdachte Stücke. Also ganz in der Tradition der fahrenden Spielleute.

Mein lieber Teufel, damit wäre ich mit meinen Fragen am Ende und danke dir aus vollstem Herzen für Rede und Antwort. Ich wünsche euch mit "Achtung Mensch" alles erdenklich Gute und freue mich auf die nächsten Live-Sausen. Was möchtest du euren Fans und unseren Lesern noch mit auf den Weg geben?
Ebenfalls vielen Dank für die wunderbaren Fragen und das schöne Gespräch. Wir würden uns freuen, wenn ganz viele Leute auf unserer Tour erscheinen und mit uns feiern. Kauft CDs und alles was dazugehört. Bis bald, euer teuflischer Teufel

Fotocredits: Henning Schulz

Achtung Mensch!



https://www.youtube.com/watch?v=yZXTbf4hdV8


Redakteur:
Marcel Rapp

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