TANZWUT: Mittelalter-Show in Kaltenberg

29.07.2016 | 15:53

Pyros, fette Riffs und eine aufwändige Bühnenshows: Das ist TANZWUT. Dudelsack, englische Weisen und Marionettentheater: Auch das ist TANZWUT. Wir haben die Band mit den zwei Gesichtern auf dem Mittelalter-Markt in Kaltenberg besucht...

Um ehrlich zu sein: Das Schloss in Kaltenberg ist nicht unbedingt der Ort, an dem ich eine Band, die eine Woche zuvor noch auf dem ROCKHARZ gespielt hat, erwarten würde. Vierzig Kilometer von München entfernt, findet hier in jedem Jahr an drei Wochenenden das "Kaltenberger Ritterturnier statt - mit knapp 1.500 Mitwirkenden und einem riesigen Show-Programm auf vier Bühnen eine der größten Mittelalter-Veranstaltungen Deutschlands. Aber, um noch ehrlicher zu sein: Nach der epischen Rock-Show mit Liv Kristine auf dem Festival hätte ich auch einen solchen Auftritt von TANZWUT nicht erwartet. Natürlich, es sind die gleichen Jungs, die auf der Bühne stehen. Das gleiche Banner im Hintergrund, die unverkennbaren, roten Hörner von Teufel. "Ein mächtiges Handgeklapper für die Spielleute von TANZWUT!", verkündet er in der bunt gewandeten Menge. Ihr Ruf eilt den Mannen der Mittelalter-Rock-Band voraus: Eben noch ziemlich Ebbe vor der "Rabenbühne", ist es mittlerweile gut voll auf dem Marktplatz geworden - nach Festival-Maßstäben für einen Slot am frühen Nachmittag sogar beachtlich voll. Aber schon nach dem ersten Lied, einem reinen Instrumental-Stück, ist eigentlich klar: Diese Band auf der Bühne lässt sich mit der Mittelalter-Rock-Band TANZWUT überhaupt nicht vergleichen.

Das fängt schon bei den Instrumenten an: "Bei unseren Mittelalter-Shows sind, die ganzen Trommeln eingerechnet, bestimmt dreißig Instrumente auf der Bühne", erzählt Teufel. Und bei den Rock-Shows? Er überlegt kurz: "Vielleicht sechs Instrumente?" Mit vier Dudelsäcken auf der Bühne sieht das nicht nur ziemlich imposant aus, sondern hat auch musikalisch eine ganz schöne Klanggewalt. Ich, die die Band in dieser Form in Kaltenberg so zum ersten Mal sehe, bleibe da erst einmal mit offenem Mund stehen. Passenderweise eröffnen die Spielleute den ersten Auftritt an diesem Tag mit dem "Teufelsstampf" und spielen sich in der nächsten halben Stunde durch ein Potpourri an mittelalterlichen Liedern. Die Songs der neuen Scheibe "Schreib es mit Blut" gibt es dabei allerhöchstens auf CD am Merchandise-Stand. Denn die Spielleute TANZWUT, die hier auf dem Kaltenberger Ritterturnier das ganze Publikum zum Tanzen einer englischen Weise animieren, und die Band TANZWUT, die vor einer Woche mit Liv Kristine noch den Harz zum Beben brachte - das sind für Teufel zwei Paar Schuhe: "Das neue Album passt hier einfach nicht hin. Außerdem möchten wird das auch nicht vermischen: Auf Märkten spielen wir eben unsere Mittelalter-Lieder und die Songs vom neuen Album eben bei den Rock-Shows". Nur keine Routine aufkommen lassen, lautet die Devise bei Teufel und Co. Denn das gehe im Musik-Business ganz schnell: "Ich habe erst letzte Woche beim ROCKHARZ mit einem Kollegen gesprochen, dessen Band schon seit Jahren immer als Rausschmeißer auf Festivals spielt. Das geht denen natürlich auch auf die Nerven. Die würden ihr Set sogar am frühen Nachmittag spielen, nur um nicht immer das Gleiche machen zu müssen!"

Ihm selbst wird deren Schicksal vermutlich noch lange erspart bleiben: Denn neben den musikalischen Auftritten warten Teufel und die anderen Mitglieder von TANZWUT in Kaltenberg in diesem Jahr auch mit ihrem neuen Projekt auf. "Am dritten Wochenende sind wir mit dem THEATRUM DIABOLI hier", erzählt er. Das "Theater des Teufels" ist ein mittelalterliches Marionettentheater mit musikalischer Untermalung. "Das ganze Theater ist in Eigenarbeit entstanden", so Teufel weiter. Die Stücke sind selbst geschrieben, die Kulissen selbst gebaut und sogar die Puppen hat der Berliner selbst geschnitzt. Wenn man bedenkt, dass TANZWUT parallel an "Schreib es mit Blut" arbeitete, klingt das für mich nach ziemlich Stress. "Ach Quatsch", winkt Teufel ab. "Songs schreiben ist eine ziemliche Kopfsache. Da war es hin und wieder ganz schön, mal etwas zu machen, wobei man nicht nachdenken musste." Abwechslung eben. Und damit die auch bei den Aufführungen erhalten bleibt, zeigt das THEATRUM DIABOLI in Kaltenberg auch bei jedem Auftritt ein anderes Stück. Auch die hat Teufel, natürlich, selbst verfasst. Premiere hatte das "Theater des Teufels" bereits vor einigen Wochen auf der Burg Satzvey. "Da saß sogar Micha (IN EXTREMO) im Publikum", verrät Teufel. Bad Alzey, Micha und Teufel - das ist ohnehin eine ganz besondere Beziehung. Denn während der TANZWUT-Frontmann hier in Kaltenberg das Hotelbett dem Zelt vorzieht, lassen Micha und Teufel einmal im Jahr dort die alten Zeiten wieder aufleben: "Dort treten wir als Duo auf und lagern auch wie früher", erzählt er. Mit einem breiten Grinsen fügt er hinzu: "Ganz puristisch - da muss sich jeder seinen Schlafplatz selbst suchen."

Puristisch ist ein gutes Stichwort: Denn auch bei den Bühnenshows müssen die Jungs Abstriche machen. "Pyrotechnik ist da halt nicht", so Teufel. Haben sie aber auch gar nicht nötig. Stattdessen heizen die Spielleute dem Publikum auf andere Art und Weise an. "Und nun fasse ein jeder seinen Nachbarn zur Linken und zur Rechten an der Hand: Wir tanzen nun eine englische Weise!" Eine koordinative Meisterleistung der knapp zweihundert Menschen vor der Bühne - die jedoch alle anstandslos bei dem Klamauk mitmachen. "So lernt man Leute ohne Facebook kennen", witzelt der Spielmann, nachdem der letzte Ton verklungen ist. Eine solche Nummer wiederum, bei der das ganze Publikum kollektiv händchenhaltend mittanzt, wäre auf einem großen Rock-Festival wohl kaum möglich gewesen. Überhaupt: Hier auf dem Mittelaltermarkt sind nicht nur die Menschen nahbarer - auch die Künstler sind viel näher dran am Geschehen. "Bei einem Festival bist du ja recht abgeschirmt im Backstage-Bereich", fasst es Teufel in Worte. "Hier läufst du über dem Markt und wirst direkt von den Leuten angesprochen." Dreimal am Tag stehen die Spielleute mit einem ca. halbstündigen Set auf der Rabenbühne. Es versteht sich natürlich von selbst, dass die Setlist dabei keinmal genau die gleiche ist. Alles andere wäre ja schon wieder langweilig.

Redakteur:
Leoni Dowidat

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