TOMORROWS EVE: Interview mit Martin LeMar

15.06.2007 | 10:48

Nachdem der letzte TOMORROW'S EVE-Longplayer "Mirror Of Creation II" nicht nur unseren Gastautor Jörg Enke (seines Zeichens auch Keyboarder von SUNBLAZE) begeistern konnte, war klar, dass sich TOMORROW'S EVE ein paar Fragen von uns annehmen mussten. Gerne bereit dazu war der neue grandiose Sänger Martin LeMar. Leider gab es ein paar technische Probleme, was die Fertigstellung dieses Interviews verzögert hatte. Aber genug der Vorrede.

Jörg:
Ich beginne mit einer aktuellen Frage: Ihr seid gerade von der Tour mit CIRCLE II CIRCLE, SAVAGE CIRCUS und TEMPESTA zurück. Wie sind eure Eindrücke vom Touralltag? Was überwiegt: Spaß oder Anstrengung? Wie haben euch die Fans aufgenommen?

Martin:
Den Touralltag kannten die meisten von uns ja bereits. Was es etwas interessanter gestaltet hat, war zum Beispiel, dass wir einen Ersatzbassisten mitgenommen hatten, der zwei Wochen vor Beginn der Tour erst hinzugezogen wurde und somit kein "bekannter" bzw. "gewohnter" Teil der Band war. Wobei wir mit Benedict mehr als nur zufrieden waren. Er ist eigentlich Gitarrist und ein begnadeter dazu. Wir sind ihm wirklich dankbar für seinen Einsatz auf dieser Tour und kamen auch alle phantastisch miteinander aus. Auf Tour überwiegt eigentlich meistens der Spaß, aber gegen Ende wird es immer anstrengender. Besonders für die Sänger ist so eine Tour natürlich eine Belastung.
Aufgenommen wurden wir eigentlich überall gut. Natürlich sind nicht alle CIRCLE II CIRCLE-Fans begeisterungsfähig für unsere etwas progressivere Schiene gewesen, aber diejenigen, die wir erreichen konnten, feierten uns ab.

Jörg:
Wenn ihr euch eine Tour selbst zusammenstellen könntet, welche Bands wären dabei und welche Orte würdet ihr bereisen?

Martin:
Sowas ist immer schwer zu beantworten, weil jeder in der Band natürlich andere Vorlieben für andere Bands hat, wodurch die Liste vermutlich sehr lang werden würde. Natürlich wünscht sich jede Band einmal mit den ganz großen ihres Genres zu touren. Und die Orte sind einerlei, denn, ganz im Ernst, würden wir überall spielen. Da sind wir nicht festgelegt. Ich für meinen Teil würde gerne einmal in Mexiko oder Brasilien spielen, nur um etwas zu nennen...

Jörg:
Vor eurer aktuellen CD "Mirror Of Creation II" hattet ihr einige Besetzungswechsel. Die Positionen Schlagzeug, Bass und Gesang sind neu besetzt. Wie schafft ihr es trotzdem eine Kontinuität auf gleich bleibend hohem, bzw. noch weiter gestiegenem musikalischem Niveau zu halten?

Martin:
Ich denke mal, dass jeder Musiker in einer Band maßgeblich zur Qualität und zum Sound der Musik beiträgt. Bei TE schreibt nicht nur einer die Stücke, sondern jeder bringt seinen kreativen Input mit ein, was ich persönlich als sehr wichtig erachte, weil gerade das eine Band ausmacht. Wenn nur ein "Bandkopf" Songs schreibt, ohne den Einfluss der anderen, werden Musiker austauschbar ohne den Grundsound der Band zu verändern.
Das ist bei TOMORROW'S EVE nicht der Fall. Natürlich sind die Wurzeln durch Rainers dominante Gitarre und Olivers Keyboard-Spiel nicht zu überhören und natürlich haben sich die Jungs niemanden ins Boot einladen wollen, der nicht zu ihren Vorstellungen von TOMORROW'S EVE gepasst hätte. Solch ein Band-Findungs-Prozess dauert natürlich eine gewisse Zeit und führte wieder und wieder zu Besetzungswechseln. Diese Art der "Auswahl" diente natürlich dem Zweck das Niveau von TE nach dem Ausstieg der damaligen Mitmusiker zu halten und wenn möglich zu steigern.

Jörg:
Wie beurteilt ihr rückblickend die Reaktionen auf "Mirror Of Creation II" heute, da die CD schon eine Weile erhältlich ist? Seid ihr mit der Resonanz zufrieden?

Martin:
Jein, die Resonanz der Leute, die das Album gehört haben, ist umwerfend. Wir durften uns bisher über ausschließlich gute Kritiken freuen.
Der Wermutstropfen ist leider die Promotion bzw. der Vertrieb des Albums. In Deutschland ist das Album schwer, wenn überhaupt nur im Internet erhältlich. Und leider haben wir auch auf der Tour erfahren, dass es auch in anderen Ländern nicht besser aussieht. Von den großen Printmagazinen werden wir weitestgehend ignoriert oder in zwei Zeilen abgehandelt. Dabei können wir im Allgemeinen nicht über die Resonanzen klagen.

Jörg:
Wo trefft ihr euch, um an neuen Liedern zu arbeiten? Wohnt ihr alle in der Nähe oder habt ihr eine weite Anfahrt zur Probe?

Martin:
Nein, wir wohnen alle im Umkreis von 20 Kilometern von unserem Proberaum entfernt. Wir haben einen äußerst luxuriösen Proberaum, der anderen Bands, deren Proberaum ich kenne, die Tränen in die Augen treiben würde.

Jörg:
Für das textliche Konzept von "Mirror of Creation 1" war zu großen Teilen Stefanie Lenz verantwortlich, für Teil 2 war es Daniel Z. Klein. War es problemlos möglich, die Geschichte fortzuführen, auch wenn verschiedene Personen beteiligt waren? Wird auch in Zukunft viel Input von außen kommen, was die Texte angeht? Haben die Konzeptentwickler auch Einfluss auf die Musik?

Martin:
Stefanie hat die Texte für den vorigen Sänger von TE übernommen, weil dieser des Englischen nicht oder nur teilweise mächtig war. Als ich bei TE einstieg, stand das nie zur Diskussion, unter anderem, weil ich so gerne Lyrics schreibe.
Allerdings ist die Sache mit den Lyrics zu MOC II etwas komplexer. Mir hat das Grundkonzept von MOC zwar gefallen, aber ich fand die Moral am Ende doch etwas zu schwarz/weiß-malerisch. Deshalb wollte ich die Geschichte nur fortführen, wenn ich die Moral drehen konnte. Ich hatte das Konzept bereits in mehreren Versionen überarbeitet.
Während ich zu Beginn noch weiter in die Science Fiction abdriften wollte, wurde das Konzept am Ende immer bodenständiger und ernster. Als ich dann von der dunklen Seitengasse, über die Amnesie, der guten Eve, auch Market, bis hin zum Storytwist alles fertig hatte, traf ich mich dann mit Daniel Z. Klein.
Daniel hatte in einem Forum Kritik an meinen Lyrics auf "Oniric Metal" verübt. Diese Kritik war grob gesagt vernichtend und brachte mich ins Grübeln. Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die Kritik gerne annehmen, wenn sie berechtigt ist und zu meiner Schande war sie das in diesem Fall auch. Deshalb habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und Daniel mit hinzugezogen. Wir trafen uns auf einen Kaffee (in seinem Fall Tee) und ich überfuhr ihn erst einmal mit meiner Story. Daniel, der Anglistik studiert, arbeitet darauf hin, Schriftsteller in englischer Sprache zu werden und erkannte die Schwächen und Kanten in meinem Plot und von da an feilten wir ein paar Wochen an unausgegorenen Ideen, füllten Logiklücken und erschufen eine Storyline, die ich mit in die Proben zum Songwriting genommen habe. Den anderen habe ich dann erklärt, was in dem nun folgenden Stück geschehen würde und welches Feeling ich mir dabei wünsche. Manchmal hatte ich auch schon die ein oder andere Harmonie im Kopf, die ich mit in den Topf geworfen hatte. Es war für mich unglaublich anstrengend, weil ich mich ein wenig als Regisseur und Produzent gesehen habe und auch oft um die ein oder andere Stelle kämpfen musste.
Daniel hat dann Lyrics, die zum Teil schon von mir geschrieben wurden, überarbeitet und andere, wie zum Beispiel den unglaublich schönen Text von 'Market' komplett zu meinen Esperanto-Vocallines geschrieben.
Am Ende machte Daniel aus der Story eine Kurzgeschichte, welche man sich inzwischen auf unserer Webseite als PDF downloaden kann. Hier wird noch einiges erklärt, wenngleich einige weitere Details in den Lyrics versteckt sind, die bisher noch keinem aufgefallen sind.
Beim nächsten Album gehen wir ähnlich an die Sache heran. So ist zum Beispiel die Geschichte für 'Remember' komplett Daniels Idee gewesen, während 'The Tower' auf einem Traum basiert, den ich mal hatte. Aber auch hier wurde dann gemeinsam gefeilt bis wir ein sehr komplexes Bild gemalt hatten, welches man vermutlich ohne einen Hint oder visuellen Schlüssel nicht komplett verstehen können wird. Ich mag es inzwischen unglaublich gerne, so zu arbeiten, weil es auch den Songs unglaublich tiefe Strukturen verleiht. Das war jetzt glaube ich ziemlich viel Text, hehe.

Jörg:
Werden neue Lieder im Proberaum geschrieben oder kommt jemand mit einem kompletten Lied, das er zu Hause komponiert hat, zur Tür herein.

Martin:
Beides. Manchmal hat man halt eine Idee, die zu Hause entstanden ist. Aber genauso entstehen auch wahnsinnige Dinge direkt im Proberaum. Einen generellen Masterplan zum Schreiben von Songs gibt es einfach nicht.

Jörg:
Die nächste Frage geht eher an Drummer Tom Diener: Er spielt live mit Klick (Metronom). Welche Vorteile sieht er für sich oder die ganze Band?

Martin:
Hauptsächlich ist es generell von Vorteil einen Ansatzpunkt zu haben. Aber in unserem Fall kommen viele Backgroundvocals, Percussioneffekte und manchmal auch eine zusätzliche Keyboardfläche als Sample von Minidisc, was einfach ein genaues Timing erfordert, sonst klingt das unschön.

Jörg:
Hast du früher auch in Bands mit progressivem Einschlag gesungen oder ist es für dich eine neue Erfahrung bei TOMORROW'S EVE?

Martin:
Nein im Gegenteil. Ich habe bis auf meine ersten Bands ausschließlich in Progbands gesungen. Am Erwähnenswertesten ist das auf jeden Fall "Lalu – Oniric Metal", ein Projekt von Vivien Lalu, der auch auf MOCII ein Gastsolo zum Besten gibt.

Jörg:
Gibt es noch irgendwelche Sideprojects einzelner Bandmitglieder?

Martin:
Ich werde dieses Jahr noch das nächste LALU-Album einsingen, welches dieses Mal statt von Ryan van Poederooyen (DEVIN TOWNSEND BAND) von Tom Diener eingetrommelt wird. Tom spielt daneben noch bei EYES OF EDEN, einem Projekt von Waldemar Sorychta (GRIP INC.)
Chris spielt derzeit noch bei MEMENTO – im übrigen die Band von Benedikt, der bei der Tour Chris' Bassparts übernommen hatte. Das erklärt jetzt vermutlich auf den ersten Blick, warum. ;-)

Jörg:
Was sind eure nächsten Ziele mit TOMORROW'S EVE?

Martin:
Weltruhm und Platin als Platte und Barren. Nein, im Ernst: Wir werden zunächst einmal das neue Album aufnehmen und Ende des Jahres steht bereits die nächste Tour in Planung. Diesmal ein reines Prog-Package mit VANDEN PLAS und EYES OF EDEN.

Jörg:
Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch und gehen an die Leser von Powermetal.de.

Martin:
Danke für das Interview und ein fettes Danke an jene, die das Interview mit Interesse bis hierher gelesen haben. Wir leben in "interessanten Zeiten" und wer weiß, was noch alles auf uns zukommen wird. Passt auf euch auf und
Stay Metal! Wir sehen uns.

[Gastautor Jörg Enke]

Redakteur:
Tilmann Ruby

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