TOURNIQUET: Ein Überblick über das Gesamtwerk
17.02.2024 | 21:09TOURNIQUET - was für eine herausragende Band um den genialen und leider viel zu früh verstorbenen Schlagzeuger und Songwriter Ted Kirkpatrick. Es ist an der Zeit einen kleinen Überblick über diese Gruppe zu erstellen und eine Liste ihrer besten und unvergessenen Veröffentlichungen. Schließlich gibt es den ein oder anderen begeisterten Musikfan, der noch herausragende Metal-Musik entdecken möchte oder Old-School-Fans, die ihre Liste komplettieren oder darüber diskutieren möchten. Auf alle Fälle rotiert die Musik weiterhin auf dem Teller oder im Player - und bleibt verdientermaßen auch Gesprächsthema.
Alben, die man kennen sollte:
Stop The Bleeding (1990)
Psycho Surgery (1991)
Pathogenic Ocular Dissonance (1992)
Microscopic View Of A Telescopic Realm (2000)
Gazing At Medusa (2018)
Vanishing Lessons (1994)
Onward To Freedom (2014)
In der 30-jährigen Geschichte gibt es für Fans sicherlich über 60 nennenswerte Titel oder Hits.
Zumindest diese Songs sollte man kennen:
Psycho Surgery (1991)
Harlot Widow And The Bride (1990)
Ark Of Suffering (1990)
Pathogenic Ocular Dissonance (1992)
The Skeezix Dilemma (1992)
The Hand Trembler (1996)
Viento Borrascoso (Instrumental, 1991)
Tears Of Korah (1990)
The Test For Leprosy (1990)
Broken Chromosomes (1991)
The Tomb Of Gilgamesh (2000)
Gazing At Medusa (2018)
TOURNIQUET – eine großartige Heavy-Metal-Band
Ihren Ursprung hat die Band 1989 in Los Angeles, Kalifornien. Dort wurde sie von Ted Kirkpatrick (Schlagzeug), Guy Ritter (Gesang) und Gary Lenaire (Gitarre, Gesang) gegründet. Da Guy Ritter und Gary Lenaire bereits zuvor eine Band hatten (HOLY DANGER), stieß Ted zu den beiden hinzu. Von diesem entscheidenden Trio führte nach drei (bzw. vier) Studioalben Ted Kirkpatrick alleine das Banner weiter und das dann auch bis zuletzt, als TOURNIQUET schließlich in Florida beheimatet war.
Der Begriff "Tourniquet" kommt aus dem medizinischen Bereich und bedeutet in etwa "Druckpresse", womit Blutungen abgebunden werden. Die Band hatte für ihren Namen noch eine weitere Bedeutung auserkoren und zwar einen passenden Bibelspruch: "Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden" (Psalm 147,3). Dass sie um ihre christliche Gesinnung kein Geheimnis machte, könnte eine mögliche Erklärung dafür sein, warum die Band bei ihrer Qualität nicht wesentlich bekannter wurde. Da sie im frommen Sektor bei "Intense Records" startete, wurde sie womöglich von Anfang an in eine bestimmte Ecke gedrängt. Da bei TOURNIQUET stets die Musikalität im Vordergrund stand, sollte man sich zunächst auch damit auseinandersetzen. Sich des Weiteren mit den anspruchsvollen und nicht plakativen Texten zu befassen (sie sind oft in Metaphern, mit Begriffen aus der Medizin versehen oder handeln außerdem auch vom Tierwohl), sei jedem selbst überlassen. Im White-Metal-Sektor zählt TOURNIQUET nach STRYPER, MORTIFICATION und BLOODGOOD in jedem Fall zu den besten und bekanntesten Bands und hiermit belassen wir es bei diesem Schubladendenken. Schließlich landete TOURNIQUET dann auch bei Metal Blade Records (1993 wurde mit einem Jahr Verzögerung zunächst nochmal "Pathogenic Ocular Dissonance" veröffentlicht) und konnte so etwas mehr Aufmerksamkeit ergattern.
Am einfachsten beschreiben lässt sich die eigenständige Musik von TOURNIQUET als Mischung aus Härte und Melodie. Als Bandvergleiche oder auch Einflüsse dürften Größen wie MEGADETH, METALLICA und SLAYER herhalten. Beim Debüt kann man aufgrund des Gesanges noch KING DIAMOND nennen, beeinflusst wurden die Musiker nach eigener Aussage von ihm nicht, da sie erst durch diese Vergleiche auf ihn aufmerksam geworden sind. Über die Jahre hinweg sind immer mehr unterschiedliche Richtungen eingeflossen, wie vor allem klassische Elemente des Bach- und Beethoven-Fans Ted Kirkpatrick. Er war besonders kreativ und hat sich von unterschiedlichen Eindrücken inspirieren lassen, so unter anderem auch von Naturgeräuschen. Außergewöhnlich sind die eigenwilligen und überraschenden Wendungen in zahlreichen Kompositionen. TOURNIQUET war darin innovativ und vor allem so besonders, weil diese Überraschungsmomente im Regelfall schlüssig und stimmig umgesetzt wurden – "Hinhörer" zum Genießen. So steht TOURNIQUET für Tempowechsel, Melodiewechsel, Stilwechsel und den Einsatz von unerwarteten Instrumenten. Man sollte sich beim Hören hin und wieder in die Zeit der jeweiligen Veröffentlichungen zurückversetzen, denn heute mag so manches nicht mehr allzu außergewöhnlich klingen.
Besetzungswechsel in den ersten sechs Jahren
Besetzungswechsel und musikalische Veränderung können endlose Fan- oder Nerd-Diskussionen auslösen. TOURNIQUET hat sich oft gewandelt und nicht zuletzt wegen der Fluktuation an den Instrumenten unterschiedlich geklungen. Auf Konzerten ging das auch zulasten der Qualität und dies ist ein Kritikpunkt, den sich selbst eine ausgezeichnete Band wie TOURNIQUET gefallen lassen muss. Dies soll die Leistung der Künstler im Allgemeinen nicht schmälern, aber zumindest stand zeitweise keine eingespielte Formation auf den Brettern. Bedauerlicherweise wurde es uns Europäern verwehrt, die kultigen TOURNIQUET-Shows der ersten Jahre mit "Devino", dem Feuerspucker, und Guy Ritter am Gesang zu erleben. Erst Mitte der 90er kam es dann zur legendären ersten Übersee-Show auf der "Christmas Rock Night" in Ennepetal (in der Besetzung Ted Kirkpatrick, Gary Lenaire, Victor Macias, Aaron Guerra, Luke Easter). Obwohl man es letztlich bei der Geschmacks- und Stilfrage belassen sollte, hinsichtlich Ausstrahlung, Atmosphäre und Musikalität sind in erster Linie Ted Kirkpatrick, Gary Lenaire, Guy Ritter, Victor Macias und Eric Mendez zu nennen und zwar genau in dieser Reihenfolge. Die Pionierzeit ist für eine Band prägend und daran wird sie stets gemessen werden.
Ted, Guy und Gary vs. Ted, Luke und Aaron
Vielleicht können Diskussionen um eine Bandbesetzung deswegen so kontrovers ausfallen, weil man als Fan gewisse Vorstellungen von einer Gruppe hat und wie sie klingt oder gar für einen selbst klingen sollte. Lernt man die Formation zu einem späteren Zeitpunkt kennen, so können diese Vorstellungen eben anders ausfallen als für Fans der ersten Stunde. Die Auswirkungen und musikalische Wandlung nach den ersten drei TOURNIQUET-Alben waren wohl die größten in der TOURNIQUET-Geschichte und spätestens nach der Best-of-Scheibe "The Collected Works" (1996) hat sich der Stil der Gitarrensektion stark verändert, die Härte und Raffinesse des Duos Lenaire/Mendez hatte sich endgültig verabschiedet. Auch wenn in der Folgezeit versucht wurde, diese Gegebenheit mit Gastmusikern zu kompensieren, so hatte TOURNIQUET starke Charaktere verloren. Aaron Guerra konnte diese Lücke alleine nicht schließen. Als Bandformation hatte das Trio um Guy, Gary und Ted bereits ohne die beiden gewinnbringenden und akzentsetzenden Eric Mendez und Victor Macias mehr zu bieten als das Trio Ted, Aaron und Luke. Im Sinne der Stil- und Geschmacksfrage könnte man zwar entgegenhalten, dass die Genialität von Ted Kirkpatrick alleine für großartige Musik ausgereicht hat. Wie bereits erwähnt, führt diese Vorstellung jedoch spätestens beim Konzerterlebnis zu Abstrichen. Hier ging seit dem Abgang von Gary Lenaire einiges verloren, denn neben seinem variablen Gitarrenspiel kennzeichnet ihn auch eine ausdrucksstarke (zweite) Gesangsstimme mit Wiedererkennungswert. TOURNIQUET hat somit neben der personellen Ebene (zeitweise fünfköpfige Band, von zwei Gitarristen geprägt) außerdem an individueller Klasse eingebüßt. Im Allgemeinen kann man sagen, dass es live zuvor noch energiegeladener zugegangen ist. Ted äußerte einmal, dass Aaron seine Ideen besser umsetzen konnte und vermutlich ist man so im Studio schneller zum Ergebnis gekommen. Wenn man Aaron live erlebt hat, so kann man im Vergleich festhalten, dass er weniger Lässigkeit und Spielfreude rüberbringen konnte. Vergleicht man Guy Ritter und Luke Easter, so könnte man spekulieren, dass ein Guy Ritter mehr Versuche benötigt haben könnte, um die besonderen Tonlagen zu treffen. Somit gibt es Für und Wider, das Ur-Trio bietet jedoch mehr Facetten. Sie haben sich zudem als Gründungsmitglieder mehr in die Band eingebracht, was sich auch im kompositorischen Bereich ausgewirkt hat: Guy Ritter und Gary Lenaire haben selbst großartige Songs geschrieben (Aaron und Luke schrieben ebenfalls Songs, die jedoch zu den schwächeren Kompositionen zu zählen sind und zudem stilistisch weniger Metal). Das unwiderlegbare Argument für Ted, Gary und Guy ist, dass unter Beteiligung dieser drei Musiker ausschließlich herausragende Musik veröffentlicht wurde. Das wird auch im folgenden Alben-Überblick deutlich. Auf technischer Ebene hatte Ted selbst jederzeit am meisten zu bieten und das konnte er im Laufe der Geschichte auch herausstellen. Stilistisch kann man das Fazit ziehen, dass TOURNIQUET in den Anfangsjahren für Thrash und Speed Metal stand und danach eher für progressiven oder technischen Power Metal. Den größten Einfluss machte Ted Kirkpatrick stets geltend, eine Mischung aus viel Melodie und Härte – oder eben seinen selbst betitelten "Beethoven meets Frankenstein"-Stil.
Teds Tod und das Ende von TOURNIQUET
Am 19. August 2022 ist Ted Kirkpatrick gestorben und damit auch die Band. Vier Monate vor seinem Tod bekam er Schmerzen in der Brust und eine unübliche Kurzatmung. Bis dahin hatte er keinerlei gesundheitliche Probleme und außerdem zu keiner Zeit einen positiven Covid-Test. Es wurde die seltene und tödlich verlaufende Krankheit "Idiopathische Lungenfibrose" diagnostiziert. Ted war erst 62 Jahre alt und gerade im Prozess einer neuen TOURNIQUET-Veröffentlichung. Die letzte Verbeugung auf der Bühne fand in Schweden, am 6. Juli 2019, statt. Seine außergewöhnlich sympathische Art, sein steter Einsatz für die Tierwelt und die außerordentliche Kreativität bleiben unvergessen und lassen auch heute noch Wehmut aufkommen, wenn man TOURNIQUET hört. Einer der besten Schlagzeuger der Heavy-Metal-Geschichte ist von uns gegangen. Seine Frau Cristy hat auf Facebook seine letzten Worte für die Öffentlichkeit gepostet:
"My life has been so full of adventure and wonderment and for the past 30 years all of you have been a great source of joy as you shared your love for our music, my passion for animals, and my desire to share the love of God with all of you. I'm forever grateful for the unending loyalty so many have shown through the years and support of whatever talents the Lord gave me on this earth.
I leave behind so many wonderful friends, my wonderful family, the greatest family anyone could ask for, my brothers, Doug & Jim, my sister Sue, and my wife Cristy, my forever soul mate, my best friend and the most beautiful person I've ever known.
Thank you and I'll see you sometime on the other side. Love, Ted"
Stop The Bleeding (1990), Klassiker und volle Punktzahl
Wenn man sich für eine TOURNIQUET-Scheibe entscheiden muss, so ist es das Debüt "Stop The Bleeding". Die ausufernde spielerische Klasse der gesamten Besetzung ist auf keinem anderen Album dermaßen herausragend und überzeugend ausgefallen. "Psycho Surgery" und "Pathogenic Ocular Dissonance" liegen zwar verdammt nahe dran, punkten aber noch mehr durch Aggressivität und Finesse als mit der ausgetüftelten Komplexität von "Stop The Bleeding". Die Produktion tut ihr übrigens und somit gilt dieses Werk als unverzichtbar. Für eben diese Produktion zeichnete sich damals im Booklet ein gewisser "Gordon Shumway" aus, kein geringerer als Bill Metoyer, wie sich später herausstellte. Streitpunkt war der extrem hohe "Kreischgesang" von Guy Ritter, aber gerade diese Art des Ausdrucks macht das Album auch so besonders, zumal er variabel gestaltet ist. "Stop The Bleeding" schlug in der christlichen Heavy-Metal-Szene ein wie eine Bombe. Hätte die Band sogleich einen Vertrag bei Metal Blade Records und die entsprechende Unterstützung gehabt, so hätte es womöglich zu Welt-Ruhm führen können, aber das bleibt Spekulation. Das Zeug dazu hatte sie jedenfalls und das hat sie über 30 Jahre lang bewiesen. Ich kann mir nicht im Geringsten vorstellen, dass man als Heavy-Metal-Fan nicht in Verzückung gerät, wenn man 'Harlot Widow And The Bride' mit guten Kopfhörern in angemessener Lautstärke hört. Doch damit nicht genug, denn das Album bietet so viel mehr – insgesamt jede Menge Abwechslung und Highlights: den treibenden, thrashigen Opener 'The Test For Leprosy' mit einigen Tempowechseln, die Sirenen-Hymne 'Ready Or Not' und vor allem das Bandhighlight 'Ark Of Suffering'. Das TOURNIQUET-Debüt ist ein krachender Heavy-Metal-Klassiker in der klassischen Besetzung Ted Kirkpatrick (Schlagzeug), Guy Ritter (Gesang) und Gary Lenaire (Gitarre, Gesang). Auf dem Album zu hören sind außerdem die Gastmusiker Mark Lewis (Leadgitarre) und Erik Jan James (Bass). Interessant zu erwähnen ist das produzierte Video zu 'Ark Of Suffering'. In dem Video für Tierrechte werden Misshandlungen von Tieren gezeigt und MTV sendete es nur für kurze Zeit, da es dem Sender zu brutal war.
Psycho Surgery (1991), Klassiker
Die Begründung, warum "Psycho Surgery" ein Klassiker ist: die Vielfalt, musikalische Klasse und sagenhafte Produktion. Der Song 'Psycho Surgery' gehört zu den besten, die das Genre Thrash und Speed Metal hervorgebracht hat. 'A Dog's Breakfast' ist ein Thrash-Klassiker in bester MEGADETH-Manier und strotzt vor herausragender Gitarrenarbeit. 'Vitals Fading' und 'Dysfunctional Domicile' stehen diesem Titel nur etwas hintenan. 'Viento Borrascoso' ist für mich das beste Instrumentalstück, das dieser Sektor hervorgebracht hat: thrashig, auf die 12, mit sagenhafter Abwechslung und spielerischer Finesse. 'Spineless' wurde veröffentlicht, als Metal-Rap neuartig war und RAGE AGAINST THE MACHINE gerade durchstarten sollte. Das Lied beweist, wie TOURNIQUET als Band auf unterschiedlichen Ebenen überzeugen kann. 'Broken Chromosomes' ist ein genialer, ausdruckstarker Song, in dem Guy Ritter seine außerordentlichen Qualitäten als Sänger unter Beweis stellt und für Emotionen sorgt.
Pathogenic Ocular Dissonance (1992), Klassiker
Auch "Pathogenic Ocular Dissonance" wird von vielen Fans als Klassiker bezeichnet und sie diskutieren darüber, welche der ersten drei Veröffentlichungen die beste ist. TOURNIQUET in Reinkultur, energisches Songmaterial, Thrash Metal mit Melodien und Spielfreude versehen, herausragende Gitarrenarbeit, abwechslungsreiche Kompositionen veredelt einmal mehr mit einem Weltklassesound von Produzent Bill Metoyer. Was will man mehr?
Bereits das Intro und 'Pathogenic Ocular Dissonance' sind aus dem obersten Thrash-Metal-Regal. Herausragend ist außerdem das 10-minütige 'The Skeezix Dilemma'. Dazwischen gibt es ausschließlich starke Kompositionen, so dass das Album auch heute noch am Stück einen absoluten Genuss darstellt. Gesanglich trat Guy Ritter kürzer und Gary Lenaire hat diesbezüglich die Oberhand, das war der stilistischen Ausrichtung geschuldet und führte letzten Endes auch zum Ausstieg von Guy Ritter, der nicht mehr ganz so heavy unterwegs sein wollte.
Intense Live Series Vol. 2 (1993)
Die Plattenfirma "Intense Records" veröffentlichte eine Reihe von "Live im Studio"-Alben ihrer Bands. Als TOURNIQUET zum Zuge kam, war man gerade ohne Lead Sänger. Da Gary Lenaire ohnehin bei vielen Songs gesungen hatte (Victor Macias und Eric Mendez brüllten bzw. kreischten ebenfalls hie und da), konnten problemlos einige Titel eingespielt werden. Zudem wurde ihm kein geringerer als Les Carlsen (BLOODGOOD) zur Seite gestellt. Man darf darüber streiten, wie gut Les Carlsen zu TOURNIQUET passt. Auf alle Fälle hat diese Tatsache Kult-Charakter und Les hat der Band auch auf Konzerten ausgeholfen. Passenderweise beinhaltet diese Veröffentlichung auch den BLOODGOOD-Klassiker 'The Messiah' und zudem eine sehr starke Coverversion von 'The Tempter' (TROUBLE). Bei TROUBLE war Ted Kirkpatrick sogar für eine kurze Zeit als Schlagzeuger tätig und Bruce Franklin hat später auch Gitarrensoli zu TOURNIQUET-Veröffentlichungen beigesteuert.
Vanishing Lessons (1994), 8,5 Punkte
"Vanishing Lessons" stellt die erste größere Veränderung in der Bandgeschichte dar: Eric Mendez hatte die Band verlassen (er wollte sich mehr aufs Malen konzentrieren) und nach dem Ausstieg von Guy Ritter übernahm Luke Easter den Gesangsposten. Zudem wechselte man von der härteren Spielart des Thrash Metals in den Power-Metal-Bereich. Als TOURNIQUET-Fan wurde man zum ersten Mal auf die Probe gestellt. Jedoch fiel es leicht, den eingeschlagenen Pfad mitzugehen, denn "Vanishing Lessons" ist eine durchweg starke Scheibe, die auch heute noch überzeugt. Erstklassige, wenn auch keine Übersongs, ziehen sich komplett durch das Album. Hinzu kommt die Tatsache, dass Luke Easter mit Abstand seine beste Gesangsleistung abliefert. Dass Guy Ritter so gut ersetzt werden konnte, war nicht zu erwarten, aber auf diesem Album hat es einfach gepasst: Luke singt und schreit mit außerordentlicher Power, die es dem Metalfan leicht macht und fügt sich so auch sehr gut ins Gesamtbild ein. Vielleicht fühlt sich der ein oder andere an einen John Bush (ARMORED SAINT, ANTHRAX) erinnert. Zumindest ist das ein Vergleich, damit man eine etwaige Idee davon bekommen kann, wozu Luke Easter auf diesem Werk in der Lage war. Druckvolle Gitarren, diesmal vom Produzenten Jim Faraci in Szene gesetzt, knackige Drums, viel Groove, Abwechslung und Spielfreude machen "Vanishing Lessons" zu einer Produktion, die vielleicht nicht ganz zum Klassiker gereicht, zumindest jedoch ein Geheimtipp ist. Neben dem Hit 'Vanishing Lessons' sticht das Power-Monster 'Acid Head' hervor. 'Bearing Gruesome Cargo', 'Pecking Order' und 'Pushin' Broom' machen einfach nur Spaß und mit 'Sola Christus' wird ein rundes Album hervorragend abgeschlossen, das 8,5 Punkte locker verdient hat.
Carry The Wounded (EP, 1995)
Auf dieser EP wurde erstmalig Aaron Guerra an der zweiten Gitarre tätig. Mit Metal hat diese EP wenig zu tun, hier zeigt TOURNIQUET eine sanfte Art und vermutlich wollte man etwas auf der allgemein angesagten Unplugged-Welle mitschwimmen. TOURNIQUET überzeugt auch in ruhigeren Gefilden und die EP ist nicht nur für Fans eine nette Ergänzung in der Sammlung. Vor allem der Titeltrack sowie die gelungene FLEETWOOD MAC-Coverversion von 'Oh Well' sind bemerkenswert.
The Collected Works Of Tourniquet (1996)
Warum eine Best-of-Scheibe hier Beachtung findet, ist ganz einfach: Sie liefert einen gelungenen Überblick der Band von 1990 bis 1996. Zudem liefert sie mit den beiden neuen Titeln 'The Hand Trembler' und 'Perfect Night For A Hanging' zwei Höhepunkte in der TOURNIQUET-Geschichte. Vor allem stehen diese beiden Nummern auch für das Ende der Entwicklung, was den Härtegrad und typischen Stil der Band angeht. Hier wird nochmals die Mischung von Härte und Melodie ausgelotet und mit einem harten, kratzigen (Gitarren-)Sound garniert. Es klang damals wie die logische Fortsetzung des "Pathogenic..."-Albums. Als diese beiden Stücke herauskamen, war die Vorfreude auf ein weiteres Album immens, leider sollte es jedoch ganz anders kommen.
Übergangszeit Mitte der 90er Jahre
Gary Lenaire und Victor Macias verließen nach "The Collected Works Of Tourniquet" die Band. Der Prozess, der seit Beginn der 90er Jahre stattfand, erreichte schließlich auch TOURNIQUET: Heavy Metal war nicht mehr angesagt und die Szene im Wandel. Dies galt nun endgültig auch für die eigene Lieblingsband. Etablierte Musiker verließen die Formation und die Zukunft war ungewiss. Ein Schock.
Crawl To China (1997)
Zwiegespalten hielt man die neue TOURNIQUET-Veröffentlichung in den Händen und drückte mit leichten Bedenken, aber immer noch hoffnungsvoll die Abspieltaste. Was man anfangs zu verdrängen versuchte, wurde jetzt immer mehr Gewissheit: Die allgemeine Lage in der Musikwelt zeigte erneut ihre Fratze. Bestimmt kann man sich mit Abstand betrachtet manches erklären und es soll tatsächlich Leute geben, die Gefallen an dieser Produktion finden. Doch selbst wenn 'Crawl To China' in die damalige Zeit passt und 'Tire Kicking' später noch live funktioniert hat, kann ich mir dieses Album niemals schönhören. Vielleicht ist es musikalisch nicht ganz so schlecht und kann sich mit Veröffentlichungen der Mittneunziger messen, zweifellos ist auch Abwechslung bei den Songs geboten. Vielleicht haben sich die Musiker sogar wohl damit gefühlt. Für mich ist nun aber alles gesagt - ich finde diese Scheibe einfach nur grausam.
Acoustic Archives (1998)
Im Jahre 1998 erschien "Acoustic Archives". Man folgte einem weiteren damaligen Trend und veröffentlichte akustische Versionen von TOURNIQUET-Songs. Jeder entscheide selbst, ob er das braucht oder nicht. Mich konnte diese Veröffentlichung nicht überzeugen. Die Songs an sich sind für mich keine Highlights und die Umsetzung ist ebenfalls nicht herausragend. Plötzlich gab es aber einen Hoffnungsschimmer: Mit 'Trivializing The Momentous, Complicating The Obvious' steht am Ende ein Song im alten TOURNIQUET-Stil mit verzerrten Gitarren. Dazu trommelt Ted Kirkpatrick sich die Seele aus dem Leib und setzt ein dickes, fettes Ausrufezeichen! So als wolle er deutlich machen: Seht her, TOURNIQUET ist noch nicht fertig! Zu dieser Zeit spielte übrigens Vince Dennis einige Konzerte mit TOURNIQUET. Er war jahrelanger Bassist bei STEEL PROPHET und ist mittlerweile bei BODY COUNT aktiv.
Microscopic View Of A Telescopic Realm (2000), 9,5 Punkte
'Trivializing The Momentous, Complicating The Obvious' weckte Hoffnungen und war möglicherweise sogar der Ausschlag für einen weiteren Vertrag bei Metal Blade Records. Tatsächlich sollte sich TOURNIQUET wieder auf die eigenen Wurzeln besinnen und diese weiter gedeihen lassen. Man besann sich auf Härte und folgte nicht mehr allgemeinen Trends. Die Gitarrenfraktion glänzt auf dem 2000er Werk zwar nicht so sehr wie einst, dennoch bleiben kaum Wünsche offen, da die Qualität stimmt und weniger Soli auf diesem Album einfach passen. Insgesamt ist eine eindrucksvolle Rückkehr gelungen und diese Scheibe kratzt am Klassikerstatus! Begründung: "MVOATR" wurde mit der Veröffentlichung bereits viel Aufmerksamkeit zuteil und sehr gut angenommen. Rückblickend haben mich seit den 90er Jahren mit Ausnahme von GRIP INC. nur wenige Alben derart überzeugt wie dieses. GRIP INC. und TOURNIQUET haben Maßstäbe gesetzt und dabei eigenständig geklungen. Sie haben den Thrash Metal weiterentwickelt und die Wurzeln weitergetragen. TOURNIQUET hat dabei fast wahnwitzige Wege bestritten und Unmengen an Stilarten einfließen lassen. Dennoch ist das Album weder überladen noch überproduziert. Es klingt wie aus einem Guss und hat diese Lorbeeren absolut verdient.
Es mag herausfordernd sein und manche Songbrüche mögen grenzwertig oder gewöhnungsbedürftig sein, letztlich ist die Achterbahnfahrt auf "MVOATR" atemberaubend. Also – einsteigen und fallen lassen für ein hervorragendes Hörerlebnis!
Absolutes Highlight ist das thrashlastige 'The Tomb Of Gilgamesh', gefolgt vom herausragenden Opener 'Besprinkled In Scarlet Horror'. Einen großartigen Song wie 'The Skeezix Dilemma Pt. 2" schreiben nur außergewöhnliche Bands. Weiterhin überragend: 'Drinking From The Poisoned Well'. Technischer Power Metal der Extraklasse. Diese Veröffentlichung ist besonders jedem Schlagzeuger ans Herz zu legen - einfach nur Ted Kirkpatrick zu lauschen, ist die pure Freude! "MVOATR" lässt sich beschreiben als innovativ, progressiv, ultimativ oder einfach besonders anspruchsvoll und originell.
Dieses Album mag als Einstieg gut funktionieren, aber die Langzeitwirkung ist nicht völlig gegeben. Wie bei TOURNIQUET üblich, klingt eine Veröffentlichung nicht wie die vorige. Der Nachfolger des großartigen "Microscopic..."-Albums ist etwas schwermütiger und langsamer ausgefallen und hierzu trägt unmittelbar der besonders doomige und eigenständige Gitarrensound bei. Gesanglich liefert Luke Easter ordentliche Arbeit, wahrscheinlich sogar die beste seit "Vanishing Lessons". Insgesamt können die Songs jedoch nicht derart überzeugen wie auf dem Vorgängeralbum: Es ist nicht mehr das Ideenfeuerwerk, das rasch zündet und sich herausragend entwickelt. Dennoch wird dem Hörer sehr viel geboten und Abstriche können auch mit der stilistischen Anpassung zu tun haben. Einer ansprechenden Produktion und allgemein guten Songs mit herausragenden Lead-Gitarristen (Marty Friedman und Bruce Franklin als Gäste) stehen solide, aber technisch weniger aufregende Rhythmus-Gitarren gegenüber. Da Ted diese selbst eingespielt hat (Aaron Guerra hat familiär bedingt pausiert), gebührt ihm für diese Leistung großer Respekt. Außerdem hat er sämtliche Musik für "WMARD" geschrieben. Neben den Thrash-Elementen kommen umso mehr Teds Vorlieben für den Doom Metal zum Tragen. Den Bass hat übrigens Steve Andino gespielt, der die Band live für einige Jahre begleitet hat. An dieser Stelle sei auch das tolle Violinspiel von Dave Bullock erwähnt. "WMARD" glänzt mit Eingängigkeit und komplexem Schlagzeugspiel. Da hätten wir in erster Linie den Titeltrack, der daran kratzt, eine Hymne zu sein. Ein großartiger Hit mit Ohrwurmcharakter! 'Drawn And Quartered' strotzt mit einer Spielzeit von über 8 Minuten vor Abwechslung und Ideenreichtum. Ansonsten punkten in erster Linie 'Architeutis' und 'Healing Waters Of The Tigris'. Letzteres hat einen großartigen Refrain, lediglich der Instrumentalteil ist etwas ausufernd ausgefallen. Fazit: "WMARD" bietet die TOURNIQUET-Trademarks und überwiegend eine gefällige Leistung auf dem gewohnt achtenswerten Niveau, jedoch auch Phasen, die nur knapp über dem Durchschnitt liegen oder sogar etwas langatmig wirken können. Ein Reinhören empfiehlt sich in jedem Fall! Im Ganzen betrachtet, lohnen sich andere TOURNIQUET-Veröffentlichungen jedoch mehr.
An Ode To Roadkill (2010)
Teds erste Soloscheibe, die man nicht haben muss. Man sollte Fan von Stoner Rock/Metal und hypnotischer, sehr langsamer Musik sein. Außerdem lautet die Bandbesetzung "Ted" an allen Instrumenten und der "Gesang" wurde von Tieren übernommen. Besonders dürfte der Einsatz der alten Orange Gitarrenverstärker aus den 70ern und der Gitarrensound sein, ansonsten ist diese Produktion ein gewagtes Unterfangen. Aus Respekt vor den Tieren, gewidmet dem Tod der zahlreichen Straßenopfer, hat Ted diese Scheibe herausgebracht. Es kann mal interessant sein, brüllende Löwen zu dieser Art von Musik zu hören, alles in allem ist jedoch keine Musik entstanden, die man dauerhaft im Player haben möchte.
In The Shadow Of Masters (2010)
Eine weitere Soloscheibe. Diesmal trommelt Ted zu der Musik seiner Helden Bach, Mozart, Beethoven, Chopin und Paganini. Ähnliches hat Dave Lombardo sowie Ted selbst bereits zuvor dargeboten. Das technisch versierte Spiel von Ted Kirkpatrick hat sehr viel zu bieten und er versucht das Schlagzeug auch mehr als Instrument einzusetzen denn als Taktgeber. Ein interessanter Ansatz auf einem musikalisch sehr hohen Level, das Ganze. In meinen Ohren aber keine Musik, der ich in dieser Form dauerhaft lauschen möchte.
Ancient Christmas (2011)
Traditionelle Weihnachtslieder mit Gastsängerinnen sowie einem selbst geschriebenen Weihnachtssong 'The Night Innocent Beheld Innocence'. Ted spielt sämtliche Instrumente, ich persönlich bevorzuge die Weihnachtsalben von Rob Halford.
Antiseptic Bloodbath (2012), 7 Punkte
Nach langer Wartezeit wurde dieses Album heiß ersehnt und das Albumcover weckte Erwartungen für extreme Musik. Es wurde eigenständig unter "Pathogenic Records" veröffentlicht. Den TOURNIQUET-Stil findet man vor, Abwechslung und Ideenreichtum sind sowieso gegeben. Das komplette Album überzeugt mich jedoch nicht. Was sind die Gründe dafür? Ich vermisse etwas mehr Härte und Spielfreude bei den Rhythmus-Gitarren. Stilistisch können Ted und Aaron einfach nicht das transportieren, was im Thrash Metal für den entscheidenden Tick sorgt. Die Gitarrenriffs sind eher glatt und relativ simpel anstatt groovig und heavy. Vielleicht passt auch der doomige Gitarrensound nicht optimal. Zwar konnte Ted wieder mit unerwarteten Einflüssen zaubern, jedoch nicht komplett überzeugen. Cheerleader-Gesang im Heavy Metal ist dann doch grenzwertig. Das mag Jammern auf hohem Niveau sein (wie generell bei TOURNIQUET), bei einer derartigen Grundlage aber wollen manche Lieder einfach nicht zünden. Wahrscheinlich könnte das Hauptproblem von "Antiseptic Bloodbath" aber auch daran liegen, dass wieder einmal die große Last auf Teds Schultern liegt. Ein Gesang wie bei 'The Maiden Who Slept In The Glass Coffin' ist vielleicht technisch in Ordnung, aber setzt nun mal auch keine Akzente. Ob Ted selbst einst ebenfalls in diese Richtung dachte? Im Jahr 2019 erschien mit "The Epic Tracks" eine Zusammenstellung von TOURNIQUET-Songs längerer Spielzeit. Darauf wurde 'Fed By Ravens, Eaten By Vultures' mit dem Gesang von Tim "Ripper" Owens versehen. Der Unterschied ist deutlich ausgefallen! Er hat der Nummer ohne Zweifel mehr Ausdruck und Kanten verliehen. "Antiseptic Bloodbath" bietet herausragende Musik, wie das erwähnte 'Fed By Ravens...'. Dem Titeltrack fehlt erneut vor allem der gesangliche Ausdruck. Instrumental wird auf dem Album bemerkenswert abgeliefert, zumal erneut erstklassige Gastmusiker (wieder mal Bruce Franklin und Marty Friedman sowie Santiago Dobles und Pat Travers) am Werk sind und Erwartungen erfüllen. Warum es letztlich nicht mehr mitreißt, habe ich versucht darzustellen. In herausragender Form präsentiert sich TOURNIQUET bei 'Lost Language Of The Andamas', das erinnert an 'The Tomb Of Gilgamesh' und es ist schade, dass nicht mehr Nummern derart gelungen sind. Potential hätte das von Neal Kernon produzierte Album gehabt.
Onward To Freedom (2014), 8 Punkte
Diese Veröffentlichung wurde nicht als offizielles TOURNIQUET-Album angekündigt. Es ist ein Konzeptalbum für Tierrechte, gespickt mit Gastmusikern. Letztlich klingt es sehr nach TOURNIQUET und wurde mit der Zeit auch in die Band-Diskografie aufgenommen. Da es den Vergleich gegenüber der vorigen TOURNIQUET-Veröffentlichung "Antiseptic Bloodbath" gewinnt, nehme ich das auch gerne so an. Es ist ein besonderes, lohnendes Album und jeder kann seine Favoriten darauf selbst wählen. In jedem Fall sind sehr gelungene Kompositionen drauf, Ted Kirkpatrick stellt seine Liebe zur Tierwelt unter Beweis und man kann die Leidenschaft spüren. Der Titeltrack wurde von Michael Sweet (STRYPER) veredelt und ist eine Hymne geworden. Sie verbindet Teds Stil mit STRYPER-Trademarks, unterbrochen vom Breakdown mit Mattie Montgomery (FOR TODAY). Es folgt mit dem Stampfer 'The Slave Ring' eine klasse Nummer mit modernem Touch, den Gesangsposten teilen sich erneut Mattie Montgomery und der Metalcore-Sänger Nick Villars. Das Gitarrensolo wird von Chris Poland (ex-MEGADETH) beigesteuert. Die beste Nummer ist 'Let The Wild Just Be Wild'. Eine verdammt starke Komposition, veredelt von der sehr guten Sängerin Gabbie Rae und einem Gitarrensolo vom einzigartigen Rex Carrol (WHITECROSS). Über 'No Soul' dürfte der Hinweis ausreichen, dass Doug Pinnick (KING'S X) singt und Bruce Franklin (TROUBLE) das Gitarrensolo spielt. Es folgen zwei Nummern, die jeweils von den TOURNIQUET-Mitgliedern Aaron Guerra und Luke Easter begleitet werden. Ob es ein Zufall ist oder nicht - sie gehören klar zu den schwächeren Titeln auf "Onward To Freedom": 'If I Had To Do The Killing' kann immerhin durch eine ansprechende Gesangsleistung von Kevin Young (DISCIPLE) punkten. 'Stereotaxic Atrocities' ist ein TOURNIQUET-Klassiker, der in abgewandelter Form (andere Tonlage) dargeboten wird. Der Originalsong mit Guy Ritter ist deutlich besser und darum betätige ich an dieser Stelle die Skip-Taste. Das kann nicht mal das Gitarrensolo von Marty Friedman (ex-MEGADETH) verhindern. Zum Glück folgt mit 'Drowning In Air' noch ein weiterer Höhepunkt! Blake Suddath (YOUR MEMORIAL) und Nick Villars (THE GREAT AMERICAN BEAST) am Gesang sorgen erneut für frischen Wind, was zu TOURNIQUET passt und letztlich gelingt es, eine angenehme Mischung aus Härte und Melodie oder wenn man so möchte, alter und neuer Schule zu produzieren. Tony Palacios (GUARDIAN) steuert ein kurzes Gitarrensolo bei und rundet diese Nummer sehr gut ab! Letztlich ein Album, das vor allem wegen seiner Aussage zumindest in keiner TOURNIQUET-Sammlung fehlen sollte.
Letzte Bandphase ab 2015
Ende 2015 trennte sich die Band einvernehmlich vom langjährigen Sänger Luke Easter (seit 1993). Als Grund dafür wurde die musikalische Richtung angegeben. Fakt ist, dass Ted im gewohnten Stil weitermachte und Luke in seiner letzten Zeit als TOURNIQUET-Sänger mit weniger Power agierte. Somit waren die Hoffnungen groß, dass TOURNIQUET einen geeigneten Sänger finden würde und musikalisch konnte man sogar eher guter Dinge sein. Die Band bestand nun als Duo und man angelte sich für Aufnahmen Tim Ripper Owens als Gastsänger.
The Doom In Us All: A Tribute To Black Sabbath (2016)
Zunächst wollte ich dieses Coveralbum nicht in die Auflistung mit aufnehmen, es ist auch kein TOURNIQUET-Album, sondern wurde von Ted Kirkpatrick herausgebracht. Die hochwertige Besetzung und die beiden Tracks, welche später auch auf "The Slow Cosmic..." veröffentlicht wurden, haben mich dazu veranlasst, doch einige Zeilen zu tippen. Ted Kirkpatrick war von jeher ein großer Doom-Metal- und eben BLACK SABBATH-Fan. Als BLACK SABBATH zu der Zeit die letzte Tour spielte, war das für ihn der Ausschlag für diese Produktion. Doug Pinnick (KING'S X) am Bass und Eric Wagner (R.I.P. 2021, ex-TROUBLE), der zu 'Electric Funeral' seinen Gesang beisteuert, sind es alleine wert, dass man seine Lauscher aufsperrt. Trotz weiterer hochwertiger Gastmusiker bleibt die Frage, ob man ein Coveralbum benötigt. Das Haltbarkeitsdatum einer solchen Veröffentlichung ist in der Regel nicht von Dauer und an das Original kommt man sowieso nicht ran. Ich vermute aber mal, dass man dabei einfach Spaß an der Freude hatte! Immerhin versucht man nicht eins zu eins zu kopieren und vor allem der moderne, druckvolle Sound weicht von den Originalsongs ab. Geschmacksache, da zu dieser Zeit eher ein Wohnzimmersound passen würde, aber das war vermutlich nicht die Intention. Respekt für Ted, der als Schlagzeuger alle Rhythmusgitarren eingespielt hat. Etwas mehr Live- oder Proberaumatmosphäre hätte meines Erachtens zwar gut getan, aber dafür fehlten vermutlich einfach die Mittel bei den Aufnahmen und das kennt man ja. Weitere Gäste sind: Bruce Franklin (TROUBLE), Chris Jericho (FOZZY), Scott Hill (SKID ROW), Corey Glover (LIVING COLOUR), Karl Sanders (NILE) und Tim Ripper Owens (ex-JUDAS PRIEST). Insgesamt gesehen lohnt sich dann doch ein Reinhören, da man den Musikern die Freude abkauft, es muss ihnen einfach Spaß gemacht haben, diese Klassiker einzuspielen!
Gazing At Medusa (2018), 9 Punkte
Wie eingangs bereits angesprochen, sollte dieses Album leider das letzte von TOURNIQUET werden, da Ted seine Arbeiten am Nachfolger nicht mehr vollenden konnte. TOURNIQUET ist auf "Gazing At Medusa" neuerlich eine positive Wandlung gelungen. Die Band ist ihrem Markenzeichen treu geblieben und hat dabei einen leicht veränderten Sound und Stil präsentiert. Das Gesamtbild passt einmal mehr, ist unverkennbar und stilistisch etwa im progressiven Power-Metal-Bereich angesiedelt. Was bietet "Gazing At Medusa" konkreter? Da hätten wir natürlich die Basis, sehr gelungene, ausgearbeitete und abwechslungsreiche Kompositionen im TOURNIQUET-Stil. Da hätten wir weiterhin die hochwertige Gesangsleistung von Tim "Ripper" Owens. Nach dem Weggang von Luke Easter präsentiert sich endlich wieder ein passender Sänger, der die Songs angemessen darbietet. Luke Easter war zeitweise ein richtig guter Sänger, konnte dies jedoch nicht (mehr) stetig unter Beweis stellen. Man hatte ab und an den Eindruck, dass der volle Einsatz und die Leidenschaft für TOURNIQUET (oder Heavy Metal) abhandengekommen waren. Darum war der Sängertausch nachvollziehbar und für "Gazing At Medusa" gewinnbringend. Das Schlagzeugspiel ist wie üblich herausragend und mit dem Titeltrack hat man einen absoluten Hit am Start. Dieser wird gesanglich von Deen Castronovo veredelt. Zeitliche Verpflichtungen mit seiner Hauptband JOURNEY hielten den Schlagzeuger und Sänger davon ab, mehr Lieder zu singen. An der Sologitarre ist auf dem kompletten Album Chris Poland (ex-MEGADETH) zu hören. Das könnte ein weiterer Punkt sein, warum "Gazing At Medusa" insgesamt wieder mehr nach einer Band als einem Projekt klingt. Zudem ist die Leistung von Aaron Guerra an der Gitarre sowie am Gesang (aggressive Passagen) ansprechend. Eine Veröffentlichung, die sich gut in den Bandkatalog einfügt und vor allem mit 'Sinister Scherzo' und 'All Good Things Died Here' zwei weitere hervorstechende Songs hat. Durchweg liefert TOURNIQUET auf diesem Album astreine Arbeit! Diese kontinuierliche Qualität ist nicht selbstverständlich und so kann jeder selbst seine Favoriten herauspicken. Für mich stellt 'One Foot In Forever' einen weiteren Glanzpunkt dar und wenn die Gitarrenmelodie nach dem Intro etwas weniger aufdringlich ausgefallen wäre, so hätte die Nummer das Zeug zum Klassiker. Insgesamt fehlt dem Album nicht viel dazu, in jedem Fall ist es eine richtig starke und zeitlose Heavy-Metal-Produktion!
The Epic Tracks (2019)"The Epic Tracks" ist eine Zusammenstellung epischer, ausufernder TOURNIQUET-Kompositionen. Aaron Pace hat die Titel remastered und es handelt sich um eine erlesene Auswahl, die musikalisch weitestgehend repräsentiert, wofür die Band steht. Das krasse Cover stammt von Guang Yang. Einziger besonderer Titel für Langzeit-Fans ist 'Fed By Ravens, Eaten By Vultures', da er von Tim Ripper Owens neu eingesungen wurde (zuvor Luke Easter, "Antiseptic Bloodbath"-Album). Diese Version lohnt sich absolut - ansonsten sollte man alle Lieder sowieso bereits besitzen.
The Slow Cosmic Voyage To Wisdom (2020)
Die letzte Veröffentlichung von TOURNIQUET, die man nicht haben muss. Es handelt sich um eine 77-minütige Zusammenstellung von TOURNIQUET-Songs oder Coverversionen im Doom-Stil. Sie wurden von Rob Colwell remastered und mit einem passenden Cover von Derek Sheyer versehen. Wer den Stil mag (von Ted teilweise sehr doomig und zäh präsentiert) und die Songs nicht bereits besitzt, kann natürlich auch hier zugreifen. Erwähnenswert ist auf alle Fälle der einzige nicht zuvor veröffentlichte Titel 'Gethsemane' (Original aus dem Musical "Jesus Christ Superstar", 1970) in der Besetzung: Ted Kirkpatrick (Schlagzeug, Gitarre, Bass), Bruno Sa (Keyboards, Piano) und Tim Ripper Owens (erstklassige Gesangsleistung!). Als Coverversionen gibt es 'Electric Funeral' und 'Lord Of This World' von BLACK SABBATH.
Nachgesang
Ich vermisse Ted Kirkpatrick. TOURNIQUET-Konzerte zählten zu den regelmäßigen Highlights und das, obwohl man über die jeweilige Besetzung nicht immer glücklich war. Zuletzt war es ein zusammengewürfelter Haufen mit Ted Kirkpatrick, Aaron Guerra, CJ Grimmark (Gitarre, NARNIA), Andy Robbins (Bass, ex-HOLY SOLDIER) und Les Carlsen (Gesang, ex-BLOODGOOD). Besonders waren die Momente dennoch, es wurden Persönlichkeiten und starke Songs präsentiert. Zudem legte man wieder mehr Wert auf die Gitarrenarbeit mit zwei Gitarristen.
Ich werde den Moment nicht vergessen, als ich zum ersten Mal Gelegenheit hatte, direkt mit Ted Kirkpatrick über die Band zu sprechen. Er hat sich Zeit genommen und alle Fragen geduldig beantwortet. Diesen Eindruck hat er später im Interview für POWERMETAL.de bestätigt.
2024
Ted Kirkpatrick wird immer in sehr guter Erinnerung bleiben und seine geniale Musik uns weiterhin begleiten. Er hat die Heavy-Metal-Welt eindeutig bereichert. Wer sich für einen kompletten Überblick interessiert, der kann bei Bandcamp vorbeischauen. Aaron hat verlauten lassen, dass er TOURNIQUET nicht weiterführen wird, ehemalige Mitstreiter sind unter dem Namen "FLOOD" wieder aktiv: Gary Lenaire hat bereits ein (bis auf die Produktion) sehr starkes, thrashiges Album ("Polarized", 2022) mit Guy Ritter veröffentlicht. Es knüpft an die ersten drei Alben von TOURNIQUET an und Gary Lenaire beweist erneut, dass er neben Ted Kirkpatrick die entscheidende Person bei TOURNIQUET war: als Sänger, Songwriter und Gitarrist. 2024 möchte FLOOD einen Nachfolger präsentieren sowie auf einem Festival auftreten. Die Planungen dafür laufen und es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass es Gastauftritte von weiteren, ehemaligen TOURNIQUET-Mitgliedern geben wird.
Schließen möchte ich mit einem Textauszug von 'One Foot In Forever', vom letzten TOURNIQUET-Studio-Album aus dem Jahre 2018:
"Keep one foot in forever
Live in the moment with the other
Don't let the days slip silently by you - uninspired
Let love be your guide - don't hold it inside"
- Redakteur:
- Stefan Lang