TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA: Interview mit Jon Oliva

01.01.1970 | 01:00

Interview mit Jon Oliva

Das in den Staaten sehr erfolgreiche TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA, angeführt von Jon Oliva und Paul O'Neill (SAVATAGE), veröffentlicht in diesen Tagen nach fünf bzw. drei Jahren ihre ersten beiden Weihnachts-Alben "Christmas Eve And Other Stories" (von 1996) und "The Christmas Attic" (von 1998) erstmals offiziell in Deutschland. Grund genug, um die Gelegenheit beim Schopf zu packen und den Mountain King höchstpersönlich ein paar Fragen zu stellen. Dass es dabei auch um SAVATAGE ging, versteht sich ja von selbst.


Peter:
Hallo Jon. Schön, dass Du Dir die Zeit für powermetal.de nimmst.
Zuerst natürlich ein paar Fragen zum TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA. Wie kam es, dass es so lange gedauert hat, bis die TSO-Alben auch in Deutschland veröffentlicht wurden? Bisher waren sie ja hier nur als Import erhältlich.

Jon:
Der Grund dafür ist ganz einfach, dass wir keinen Deal in Europa für TSO hatten. Wir hatten bislang lediglich einen Deal in Amerika. Alles, was dann mit TSO geschah, ging sehr schnell und wir hatten gar keine Zeit uns auch um Europa zu kümmern. Aber jetzt haben wir ein Deal und man kann die Alben überall erwerben und das ist gut so.

Peter:
Wann wird das dritte Album, "Beethoven's Last Night", in Deutschland veröffentlicht?

Jon:
Wir haben noch keinen genauen Termin, aber es wird wohl im Frühling oder Frühsommer so weit sein. Zudem arbeiten wir noch an einem nächsten Weihnachts-Album, dass dann ebenfalls im nächsten Jahr bei Euch erscheinen wird.

Peter:
Werdet ihr mit TSO auch in Europa auf Tour gehen?

Jon:
Ja, das haben wir vor. Wir arbeiten gerade einen Plan aus. Es ist eine wirklich große Show mit vielen, vielen Leuten und da müssen wir genau planen, wie es ablaufen soll. In Amerika sind wir mit 4 Trucks und 6 Tourbussen unterwegs. Es sind viele Leute, viele Musiker, viele verschiedene Charaktere, die man da alle unter einen Hut bringen muss für eine wirklich aufwendige Performance. Es ist definitiv was völlig anderes als ein SAVATAGE-Konzert, da gibt es eine Menge Unterschiede.

Peter:
Hast Du schon eine Vorstellung, wer alles mit auf diese Tour geht? Und wird evtl. gar Zak Stevens (ex-SAVATAGE-Sänger) mit dabei sein?

Jon:
Nächste Woche wird TSO in den Staaten mit zwei Line-Ups auf Tour gehen, allerdings ohne Paul und mich, denn wir haben einfach zu viel zu tun. Dabei sind klassische Musiker aus der ganzen Welt und natürlich auch Bob (Kinkel – d. Verf.), die Jungs von SAVATAGE, Al Pitrelli von MEGADETH, Alex Skolnick (beides ex-SAVA-Gitarreros – d. Verf.) usw. Also wirklich gute Leute, die in den beiden Bands spielen. Das wir in den Staaten mit zwei Bands spielen, liegt natürlich daran, dass wir nur die Zeit zwischen Thanksgiving und Weihnachten haben, um in den ganzen Land zu spielen. Das klappt bei so vielen großen Städten natürlich nur mit zwei Bands. In Europa aber haben wir ja noch nie mit TSO gespielt und wir wollen dann schon etwas ganz besonderes bieten. Dort werden wir dann nur eine Band haben und natürlich nur die Besten mitbringen.

Peter:
Kannst Du Dir erklären, warum TSO in den USA so erfolgreich sind?

Jon:
Nein. (lacht)
Ich weiß es wirklich nicht genau und kann es auch nicht gut erklären. Wir haben schon eine Menge guter Songs gemacht und nie hat es beim Radio irgendwen interessiert. Da wurden SAVATAGE einfach nicht gespielt. Dann kam "Dead Winter Dead" und der Song "Christmas-Eve 12/24" bekam Airplay ohne das wir so wirklich was davon wussten und wurde auch sehr erfolgreich, aber immer noch gab es Sender, die ihn nicht spielten, weil es ein SAVATAGE-Song war. Also entschieden wir uns den Song unter einem anderen Namen zur nächsten Weihnacht noch mal zu veröffentlichen, eine Story zu basteln und weitere traditionelle Weihnachtssongs umzugestalten. So kam dann letztlich das erste TSO-Album zustande und es war ein Riesenerfolg. Sechs Wochen lang war TSO die Nummer 1 in den Charts. Und niemand hat wirklich realisiert, dass der Auslöser dafür eigentlich ein SAVATAGE-Song ist. Hätte man da irgendwem erzählt, dass der erste TSO-Song eigentlich eine SAVATAGE-Nummer ist, hätte man dich ausgelacht. Doch das ist es, was passiert ist. Daran sieht man auch den ganzen Mist, der in den USA abgeht. Mit dem Namen SAVATAGE werden wir einfach nicht gespielt, weil wir ja als Heavy-Metal-Band abgestempelt werden. Dann veröffentlichen wir den selben Song unter anderem Namen und er wird Nummer 1. Das ist schon strange. Aber das war die Situation in der TSO geboren wurde und als es so gut lief, haben wir es einfach am Laufen gehalten.
Dann entschieden wir uns auch für eine Tour vor Weihnachten und es war jede Show ausverkauft. Nach "The Christmas Attic" wollten so viele Leute dann Shows, dass wir zwei Bands auf Tour schickten und schauten, was passiert. Tja, wieder waren alle Shows ausverkauft. Dieses Jahr haben wir in der ersten Woche im Vorverkauf schon 60.000 Tickets für unsere Tournee verkauft, das ist schon unglaublich. Und gerade in dieser Zeit, wo die Welt sich verändert, ist es wichtig, dass die Leute immer noch zu solchen Veranstaltungen gehen.

Peter:
Hat sich der Erfolg von TSO denn auch positiv für SAVATAGE ausgewirkt??

Jon:
Ein bisschen, ja. Aber gar nicht so viel, denn in Amerika sind SAVATAGE nicht mehr als eine große Undergroundband. Wir haben sicherlich an Ansehen im Musikbusiness gewonnen durch TSO. Und in den USA geht es nun mal viel um Ansehen etc., aber mit SAVATAGE waren wir ja hier nie so die große Nummer.
In Deutschland ist es ja genau andersrum, da ist SAVATAGE doch schon recht bekannt und TSO kennt eigentlich keiner, aber ich denke, dass ihr TSO auch gut annehmen werdet.

Peter:
Klar. Viele SAVATAGE-Fans werden die Alben sowieso kaufen.

Jon:
Das hoffe ich. Aber es ist eine völlig andere Seite von Bob (Kinkel – d. Verf), Paul (O'Neill – d. Verf.) und mir. Und auch die ganzen SAVA-Jungs sind ja involviert in die Alben, was zeigt, dass es auch für sie wesentlich mehr gibt als nur Heavy-Metal-Songs. Zudem kriegen durch diese Ablenkung auch alle wieder die Köpfe frei für SAVATAGE. Immer, wenn wir nach TSO wieder zusammen treffen, um SAVATAGE fortzuführen, sind dann alle wirklich aufgeregt und freuen sich sehr endlich wieder für ihr Kind zu arbeiten.

Peter:
Du sagtest ja auch schon in anderen Interviews, dass Du jetzt TSO und SAVATAGE musikalisch deutlich stärker trennen willst und SAVATAGE in der Zukunft wieder härter werden.

Jon:
Ja, definitiv. Deutlich härter.
Wir müssen das tun, denn ich habe festgestellt, dass SAVATAGE in eine Art Trott verfallen sind. "Dead Winter Dead", "The Wake Of Magellan" und die beiden Weihnachtsalben von TSO waren sich doch zu ähnlich. Da fühlt man sich dann plötzlich, als ob man die selbe Platte immer und immer wieder macht. Gut, die Musik ist schon noch ziemlich unterschiedlich, aber der Prozess wie die Alben entstanden, war doch immer gleich. Bei "Poets & Madmen" brachen wir dann – und vor allem Chris Caffery – mit allen Regeln wie wir es in der jüngeren Vergangenheit gemacht haben. So einfache Sachen wie z.B., dass nicht mehr alle Songs auf dem Keyboard geschrieben wurden etc. Wir haben letztlich bei "Poets & Madmen" immer das komplette Gegenteil wie bei TSO gemacht. Einfach um deutlich zu machen, dass TSO und SAVATAGE zwei unterschiedliche Dinge sind. Sie wurden sich einfach zu ähnlich. Das nächste SAVATAGE-Album wird auch kein Konzeptalbum werden. Diese Stories passen besser zu TSO, wo sie in Zukunft weitergeführt werden. Da macht das viel mehr Sinn und ist mit dem Orchester auch viel leichtere umzusetzen. Mit SAVATAGE werden wir uns wieder auf geradlinige Heavy-Metal-Alben konzentrieren.

Peter:
Ich hab euch jetzt zweimal mit Daman (Jiniya, V. – d. Verf.) live gesehen. Ihr habt euch die Vocals bisher ziemlich stark geteilt, was können wir auf der kommenden SAVATAGE-Tour erwarten?

Jon:
Wir werden auch da eine Menge gemeinsam machen, aber er hat sich in der Zeit auch noch eine Menge Songs draufgepackt und wird noch mehr Frontmann sein. Bei der Tour mit PRIEST hatten wir ja nur eine stark limitierte Zeit, aber auf der Headliner-Tour werden wir eine Menge Zeug spielen, das wir seit Jahren nicht mehr gespielt haben. Ich denke, die Fans werden es lieben. Es gibt eine Menge großartiger, alter Songs, Medleys etc. Das wird ein großer Spaß.

Peter:
Huch.. jetzt bin ich schon ganz aufgeregt.

Jon:
Das ist gut. Ich werde im Augenblick eher nervös, wenn ich ein Flugzeug steigen muss, aber da hab ich wohl keine Wahl.

Peter:
Du könntest wie R.Kelly mit einem Schiff fahren, aber das ist auch nicht so eine tolle Idee.

Jon:
Ich werde mich einfach an Bord betrinken und wenn was passiert, dann krieg ich wenigstens nichts mit.

Peter:
Ja, die Welt hat sich sehr verändert in den letzten Monaten.

Jon:
Die Welt hat sich komplett verändert. Es war schrecklich und es betrifft wirklich jeden. Es hat ja auch SAVATAGE betroffen, denn wir haben die Europatour abgesagt, wo wir ja eigentlich im Oktober/November spielen wollten. Man konnte ja nicht mehr vorhersagen, was als nächstes geschieht. Wir wollten nicht in Europa sein, während etwas schreckliches in den USA passiert, getrennt von unseren Familien. Nachher werden die amerikanischen Grenzen geschlossen und man ist gefangen in Europa, so wie es JUDAS PRIEST passiert ist, die in Südamerika waren und nicht nach Hause kamen. Es ist eine schreckliche Geschichte und ich hoffe, dass in den nächsten Wochen endlich Ergebnisse erzielt werden, damit zu Weihnachten wieder so etwas wie Friede herrscht.

Peter:
Was hältst Du denn von den Schritten der Regierung bisher?

Jon:
Ich denke, die Regierung hatte keine wirkliche Alternative. Ich bin nicht für Krieg, aber wenn die Welt angegriffen wird auf eine solche Art und Weise, hat man das Recht sich zu verteidigen. Und meiner Meinung nach ist es ein Angriff auf die ganze Welt gewesen. Sie könnten ebenso gut ein Flugzeug in Berlin, Frankfurt oder sonst wo in ein wichtiges Hochhaus jagen. Ich denke, sie haben sich entschieden es in den USA zu tun, weil es hier die größte Wirkung hat. Von daher müssen die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden und ihre gerechte Strafe bekommen. Die Menschen, die in den Hochhäusern gestorben sind, haben niemanden weh getan und waren völlig unschuldig. Niemand hat das Recht nur aus Glaubensgründen heraus tausende von unschuldigen Menschen zu töten. Das ist völlig verrückt. Und wer so verrückt ist, so etwas zu tun, muss gefunden und bestraft werden.

Peter:
Wie groß ist deine Angst jetzt?

Jon:
Ich habe natürlich Angst, denn ich habe eine Familie, Kinder. Und die muss ich alleine lassen, wenn ich auf Tour bin. Man kann jetzt nicht mehr einfach auf die Bühne gehen und Leute unterhalten, denn man denkt im Hinterkopf immer daran, was wohl zu Hause passiert. Das ist wirklich schrecklich. Niemand sollte mit dieser ständigen Angst leben müssen. Unglücklicherweise, ist das aber ein Ziel der Terroristen; mit dieser Angst leben zu müssen.

Peter:
Beeinflusst das auch das Songwriting für das nächste SAVATAGE-Album? Werdet ihr dieses Thema verarbeiten?

Jon:
Ja, ziemlich sicher. Man sieht es fast täglich im TV und da hat man ja kaum eine andere Wahl als dieses Thema auch in einigen Lyrics aufzugreifen. Ich habe auch schon ein paar Sachen geschrieben, die auf dem nächsten Album landen können, die sich mit diesem Thema befassen.

Peter:
Kommen wir langsam wieder zurück zu schöneren Themen.
Arbeitet ihr eigentlich immer noch an der Oper "The Romanovs"?

Jon:
Ja, aber daraus machen wir wohl ein TSO-Album. Wir haben diese Idee jetzt seit Jahren in der Hinterhand und haben uns nun entschlossen, daraus ein TSO-Album zu machen. Es wird wohl das Nächste, nach dem nächsten Weihnachtsalbum.

Peter:
Klingt als hättet ihr schon Pläne für die nächsten Jahre.

Jon:
Ja, wir haben die nächsten Veröffentlichungen schon geplant. Es wird eine Live-DVD von SAVATAGE geben, dazu das nächste Studioalbum und ein nächstes TSO-Album. Die Arbeiten daran beginnen wir nach den Tourneen mit TSO und SAVATAGE im Januar.

Peter:
Und seid ihr schon im Songwritingprozess? Schon erste Ideen im Kopf?

Jon:
Ja, sehr viele Ideen sogar. Ich schreibe Songs seit September und habe schon eine ganze Menge fertig, da ich viel Zeit zu Hause verbracht habe. Ich arbeite hart. (lacht)

Peter:
Hat Daman schon seine ersten eigenen Einflüsse im Songwriting? Oder schreibt gar selbst Texte?

Jon:
Oh, das weiß ich so genau gar nicht. Das liegt alleine an Daman. Wenn wir uns alle zusammen setzen, kann jeder seine Idee vortragen. Ist etwas Gutes dabei, werden wir es natürlich gebrauchen. Das gilt für jedes Mitglied in unserer Familie.

Peter:
Wie waren die Reaktionen auf Daman auf den ersten Tourneen?

Jon:
Jeder liebt ihn. Und jeder unterstützt ihn auch wirklich. Er macht einen hervorragenden Job. Er singt Zak's Songs meiner Meinung nach genauso gut wie Zak selbst. Er ist auch gar nicht so weit weg von Zak. Ihre Gesangsstil ist ziemlich ähnlich, aber Daman kann auch das andere Spektrum, wo Zak immer kleine Probleme mit hatte. Dieser wirkliche heavy Kram, den schafft Daman ohne Probleme. Aber das ist auch schon der einzige Unterschied zwischen den Beiden. Bei Songs wie "Edge Of Thorns" könnte ich mit geschlossenen Augen nicht unterscheiden, wer denn da gerade singt. Daman kann aber eben auch einen Song wie "By The Grace Of The Witch" singen. Das konnte Zak nie. Daman kann eben nicht nur melodisch wie Zak singen, sondern auch richtig schön dreckig wie ich früher.

Peter:
Ja, seine Version von "Hall Of The Mountain King" in Balingen war superb.

Jon:
Stimmt, das war fantastisch. Ich kann den Song heute so nicht mehr singen und ich habe noch nie jemanden gehört, der den Song so hingekriegt hat. Ich habe schon eine Menge Leute gehört, die das versucht haben, aber Daman war ganz klar der Beste bis jetzt.

Peter:
Zum Abschluss noch eine Frage, die man bei den Weihnachtsalben von TSO einfach stellen muss. Wie wirst du Weihnachten feiern?

Jon:
Das ist wohl ziemlich normal im Kreise meiner Familie. Ich reise so viel und sehe meine Familie so wenig, dass ich froh bin meine Geschwister, Eltern usw. alle wenigstens an Weihnachten mal zu sehen. Und meine Eltern sind schon sehr alt, wer weiß, wie oft ich noch Gelegenheit habe mit ihnen zu feiern.
Es wird also nicht ein großes, rauschendes Fest, sondern eher besinnlich. Den Kindern Geschichten vorlesen, Geschenke verteilen und so. Das ist immer sehr schön.

Peter:
Jon, vielen Dank für das Interview. Frohes Fest und man sieht sich hoffentlich im Januar auf Tour.

Jon:
Ich habe zu danken. Man sieht sich auf Tour.



Redakteur:
Peter Kubaschk

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