Till Burgwächter packt aus: Securitate
02.10.2008 | 19:36Till Burgwächter schreibt über die Schattenwelt des Heavy Metal. Vollmundiger als Joey DeMaio, großkotziger als Ted Nugent und so erschreckend belanglos wie die letzten Alben von ICED EARTH. Exklusiv bei POWERMETAL.de.
Vorsicht: Dieser Text könnte bei Mitarbeitern von Plattenfirmen für Verspannungen im Großhirn sorgen.
Für einen Unbeteiligten mag die Mitarbeit bei einem Metal-Magazin (Print, online, in den Schnee gepinkelt) ja so etwas wie ein Traumjob sein, vergleichbar mit der Stelle eines Hausmeisters in einer Saunalandschaft. Die Wahrheit sieht, wie so oft, anders aus. Natürlich ist es eine feine Geschichte, seine Leidenschaft (da ist jetzt die Musik gemeint) zu einem Beruf oder zumindest zu einer Nebentätigkeit zu machen. Aber in den letzten Jahren hat sich doch so einiges verändert (Benzinpreise, Klima, Papst etc.).
Neben einem mickrigen Gehalt oder einer durchgehenden Nullrunde bis ans Lebensende waren die vielen schönen Alben, die es für lau gibt, natürlich ein großer Anreiz dafür, sich die freien Stunden um die Ohren zu schlagen. Doch der Durst der weltweiten Saugergemeinde hat dem ein Ende gesetzt. Wo es früher noch (zumeist) nett aufgemachte Promotion-Versionen für Journalisten gab, wird heute ein popeliger Link durchs Netz gejagt. Nach sieben Passwortabfragen und drei Pop-ups, die mit Kerkerhaft drohen, sollte auch nur ein Ton des geheiligte Werkes an unbefugte Ohren dringen (und sei es nur durch die papierenen Wände der Mietwohnung oder ein geöffnetes Fenster), ertönt beschissen komprimiertes Notenwerk. Wer nicht alle drei Minuten mit dem Mauszeiger wackelt und so Aufmerksamkeit vortäuscht, wird aus der Sitzung geschmissen und bekommt Köln-Kalk-Verbot. Logisch, dass die Zugänge zudem nur wenige Tage freigeschaltet sind und man die Stücke nicht öfter als dreimal hören darf. Noch geiler sind Promos, die mit Störgeräuschen, so genannten "Voice-Overs", versehen sind. Die Scheiben darf der geneigte Berichterstatter zwar höchst selbst in Händen halten und so oft hören, wie er mag, bekommt aber im 30-Sekunden-Takt dummes Geschwafel der Marke "Du hörst hier gerade das neue Album von RONJA RÄUBERTOCHTER UND IHREN SPIESSGESELLEN, und das ist total gut" um die Ohren gehauen. Natürlich immer schön in die Refrains und/oder atmosphärischen Parts hinein. Unschöner Nebeneffekt: Kauft man sich das Album nach Veröffentlichung, erwartet man eben dieses Gesabbel, weil es sich in Verbindung mit der Musik in die Hirnkruste eingegraben hat. Die Plattenfirma einer leidlich bekannten deutschen Band hatte eine noch bessere Idee: Pro Song wurden vier bis fünf Mal Töne eingespielt, die an ein analoges Radio auf Stationssuche erinnerten. Das Gefiepe war so unerträglich, dass sämtliche Hunde in der Nähe der Abspielstelle Wackersteine fraßen und sich mit einem Lächeln im Gesicht im nächsten See ertränkten.
Der neueste Spleen der Industrie erinnert an Agentenfilme aus Zeiten des Kalten Krieges. Bei kommerziell besonders wichtigen Veröffentlichungen oder total spannenden Newcomern wird ein Mitarbeiter der Plattenfirma mit einem Köfferchen und zwei Bodyguards losgeschickt, um das gute Stück in Redaktionen und bei Redakteuren zu Hause unter Aufsicht vorzuspielen. Erreicht der Datenträger das Ende seiner Spielzeit (sofern das siebenfach digital gesicherte Ding überhaupt zum Laufen gebracht werden kann), kommt er wieder ins Köfferchen, das wird verplombt, und das Trio springt mit einem Salto aus dem Fenster. Geil! Was kommt als nächstes? Wird den Redakteuren vorsorglich ins Bein geschossen, damit sie nicht auf die Straße rennen können, um der Welt von dem Wunder erzählen zu können? Zunge raus, Hände ab? Eine Farce! Da ist es zumindest beruhigend, dass bei geschriebenen Worten noch nicht so ein Aufstand gemacht wird.
PS: Dieser Text darf nur einmal gelesen werden. Bei zweimaligem Lesen explodiert automatisch Ihre Netzhaut.
PPS: Sollte dieser Text laut vorgelesen werden, fügen Sie bitte nach jedem dritten Wort laut und deutlich den Satz "Dies ist eine neue Glosse von Till Burgwächter." ein. Bei Nichtbeachtung drohen Führerscheinentzug und lebenslanger Ausschluss aus dem Buchclub.
PPPS: Wir wissen, wo Sie wohnen!
- Redakteur:
- Till Burgwächter