VNV NATION: Interview mit Ronan Harris
01.01.1970 | 01:00VNV NATION - eine der erfolgreichsten Futurepop-Bands überhaupt, haben vor wenigen Tagen ihr neues Album "Futureperfect" veröffentlicht, das sofort auf die obersten Plätze der Charts geschossen ist. Nach einer erfolgreichen Tour, der noch vier hinzugefügte Termine folgen werden, gab mir Ronan Harris bestens gelaunt und doch oft recht pathetisch Antwort auf meine Fragen am Telefon - und das, obwohl noch satte sieben Stunden vollgepackt mit Interviewterminen vor ihm lagen. Zu Beginn verlief das über 30minütige Gespräch dann auch merklich angespannt, was sich aber spätestens um Punkt ein Uhr änderte und letztendlich etwas anders endete, als ich es geplant hatte. Warum? Lest selbst.
Freya:
Vor einigen Wochen ist euer Album "Futureperfect" auf den Markt gekommen und hat sich in den Deutschen Alternative Charts gleich ganz weit oben platziert. Herzlichen Glückwunsch erst mal dazu. Was macht, deiner Meinung nach, das Album so erfolgreich?
Ronan:
Danke. Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass die Menschen nach den letzten beiden Alben einfach wieder etwas von VNV NATION erwartet haben. Ich weiß auch nicht, was das genau war, aber die Menschen konnten die Songs schon viele Monate vor der Veröffentlichung live hören und sie schienen es zu mögen, es schien etwas in ihnen getroffen zu haben. Das Album beinhaltet viel Fortschritt, die Texte gehen sehr viel tiefer und es gibt ein bisschen was für jeden. Ja, ich glaube, das macht das Album so erfolgreich... naja, hoffe ich jedenfalls.
Freya:
Im Jahr 2001 habt ihr bereits die Single "Genesis" veröffentlicht. Warum gab es davon zwei Versionen?
Ronan:
Hm, also wir hätten zwei Dinge machen können: Wir hätten eine EP rausbringen können oder eben eine Single. Ich mag es nicht, Singles mit drei Tracks drauf zu veröffentlichen, andererseits ist auf einer Single die Zeit auf 25 Minuten beschränkt. Außerdem kosten zwei Singles letztendlich genauso viel wie eine EP und um ehrlich zu sein gibt es
noch einen anderen Grund: Wenn die Fans sich entscheiden, nur eine Single zu kaufen, dann ist das okay. Wenn sie sich beide kaufen ist das natürlich auch super. So ist einfach mehr Material von uns verfügbar. Außerdem haben die beiden Singles uns auch Türen geöffnet, wenn ich ehrlich bin. "Genesis" ist in die Charts gekommen und eine Menge Leute außerhalb der Szene haben unsere Band vorher gehasst - sie wollten nichts mir uns zu tun haben. Sie vertraten die Meinung, dass alles, was aus der Szene kommt, nichts zu bieten hätte, keine Message rüberbringen würde und einfach nichts wäre. Und da haben wir Türen geöffnet. Für mich fühlt es sich an wie: Die kleine Band kämpft gegen die ganz Großen. Und das können wir tun und das halte ich für eine gute Sache. Ich will kein kommerzielles Produkt sein und es gab viele Leute, die "Genesis" nicht mochten und den Song für etwas zu fröhlich und kommerziell hielten. Vielleicht war es das für die Szene auch, aber die Radiostationen wollten es nicht spielen - und warum? Es ist zu düster. Wenn also ein Song wie "Genesis" zu düster für die Außenwelt ist, kannst du dir vorstellen, wogegen wir kämpfen.
Freya:
Ja, allerdings. Im März werdet ihr mit "Beloved" eine weitere Single veröffentlichen. Warum habt ihr diesen Song ausgesucht und was dürfen wir von der Single erwarten?
Ronan:
Also für mich sind unsere Songs sehr persönlich. Die Worte sind mein Herz und meine Seele. "Beloved" ist auf jeden Fall der beste Song, den ich bisher geschrieben habe. Er bedeutet mir am meisten und ich werde, jedes Mal wenn ich ihn höre, von ihm inspiriert. (Anm. d. Red.: In diesem Moment gongt hinter mir eine riesige Wanduhr, die ich sonst während Interviews natürlich immer ausstelle). Ähm... hmmm...war das jetzt eine Uhr? (lacht) Ich habe ja Glocken und Kirchen erwartet. Ich meine dieses Interview ist für Gothicparadise, ja? Also diese Uhr ist groß - das ist wirklich goth (lacht).
Freya:
Sei froh, dass es erst ein Uhr ist und das Ding nicht gleich zwölfmal gebimmelt hat.
Ronan:
(lacht immer noch) Ach nein. Ich mag ja elf am liebsten. Das ist das Feeling der elften Stunde (lacht). Aber egal jetzt - zurück zum Thema. "Beloved" vereint die besten Elemente von VNV NATION in einem Song - zum einen die Tiefe der Emotionen und zum anderen die
Musik, zu der man tanzen kann. Der Song beinhaltet alles, was ich an der Musik so liebe. Er hat das orchestrale, den Trance und daneben die Goth-Lyriks. Ich habe schon immer viele verschiedenen Bands gehört, die immer einen tieferen Sinn in ihren Texten hatten. In den frühen 80ern zum Beispiel habe ich viel JOY DIVISION gehört. Und auch sonst habe ich viele Bands gehört, die heute in der Goth-Szene gehört werden, obwohl sie selber niemals goth waren, aber ich mag Menschen, die solche Songs schreiben. Songs in denen all ihre Gefühle ausgedrückt werden. Und deshalb wollte ich eben auch, dass "Beloved" als Single veröffentlicht wird. Ich glaube, dass der Song perfekt ist. Für mich ist er das auf jeden Fall. Es tut mir leid, wenn ich jetzt arrogant klinge, aber ich kann den Song nicht mehr verändern. Und wenn jetzt jemand sagt: "Die Qualität könnte aber besser sein." Nein, es ist nicht die Qualität. Es ist das Gefühl, dass der Song rüberbringt und dieses Gefühl würde man zerstören, wenn man Remixes von dem Song aufnehmen wollte. Auf der Single sind einige Remixes
und sogar eine Radioversion. Ich hoffe, dass es jemand im Radio spielen wird - der Song hat so viele Leute aus verschiedenen Szenen erreicht und das ist ein Sieg für mich. Wir werden sehen, was mit der Single passiert. Aber zurück zu den Remixes: Auf der Single wird ein
Remix von DEINE LAKAIEN vorhanden sein, der auch klingt wie DEINE LAKAIEN. Er hat den Chorus ein wenig verändert, aber ich mag es so immer noch. Das ist wirklich einer der besten Remixes, den ich je gehört habe, weil er wirklich anders ist. Ich habe auch einen Remix für DEINE LAKAIEN gemacht, der nach VNV NATION klingt und ich hoffe, dass Mr. Veljanov mag, was ich gebastelt habe.
Freya:
Kannst du schon sagen, ob es noch eine Single-Veröffentlichung von dem Album geben wird?
Ronan:
Nein, auf keinen Fall. Das ist alles für dieses Album. Ich fühle mich immer nicht so ganz wohl mit den Singles. Da muss irgendwann ein Punkt gemacht werden und ich denke, dass "Beloved" die letzte Single sein sollte. Die einzige Sache, die ich jetzt noch machen könnte, wäre ein Remix-Album, wie ich es mit "Burning Empires" gemacht habe, aber das will ich auch nicht. Ich will mit etwas Neuem anfangen.
Freya:
Ihr wart in Deutschland und den USA auf "Futureperfect"-Tour. Welches Land hat die besten Fans?
Ronan:
Oh je… beide natürlich. Nein, im Ernst; wir haben viele Fans in den USA und natürlich auch in Deutschland. Wir haben zum Beispiel in Glauchau gespielt und da war die elektrisierendste Stimmung überhaupt. Das habe ich absolut nicht erwartet und so was habe ich auch noch nie erlebt. Ich wurde regelrecht umgehauen von diesem elektrisierenden Gefühl. Normalerweise sind da immer viele Jungs, die harte Musik hören wollen und die Mädchen wollen etwas anderes - wie heißt dieses schreckliche Wort?
Freya:
Weiberelectro?
Ronan:
Genau. Weiberelectro. Ich hasse dieses Wort - aber egal. Jedenfalls war auf allen Konzerten in Ostdeutschland dieses elektrisierende Gefühl. Naja, mal abgesehen von Dresden, da war's anders. Oder zum Beispiel in Bielefeld: Da konnte ich mich selbst nicht mehr hören, weil die Leute so laut mitgesungen haben und das bei jedem Song, als würde er alles für sie bedeuten. Das ist wirklich das größte Kompliment, das ein Publikum einem geben kann. Das ist wirklich ein tolles Gefühl für mich auf der Bühne. Selbst wenn ich Songs singe, die absolut nicht fröhlich sind, kann ich auf der Bühne lächeln, weil ich glücklich bin, dass das Publikum Spaß hat, dass es mitgeht und dass es ihnen etwas bedeutet. Da fühle ich mich wirklich
wirklich gut. Das ist der größte Unterschied zu den USA. Hier wird wirklich jeder Song mitgesungen und die Fans sind schon fast fanatisch - auf eine schöne Art und Weise. Einige folgen uns sogar auf unserer Tournee durch ganz Europa. Ich halte diese Menschen aber nicht für Idioten. In den USA fangen sie gleich an zu schreien und wollen einen fotografieren und das ist hier anders. Ich mag zwar sehr gerne in den USA auftreten, aber die Stimmung hier in Deutschland ist doch eine ganz andere. Hier kann man mit den Menschen nach einem Gig reden, in den USA ist das nicht wirklich machbar. Ich fühle mich hier zuhause und ich mag die Szene.
Freya:
Also sind Liveauftritte sehr wichtig für euch?
Ronan:
Haa! Was für eine Frage! Ja, das ist unsere Demonstration der Leidenschaft, die wir für die Musik empfinden. Wir wollen eine große Multimedia- und Drama- Show mit der ganzen Kraft und der ganzen Bedeutung unserer Musik zeigen. Ich will, dass die Leute Spaß haben und das ist der beste Weg um das zu erreichen. Ich will niemals ein großer Rockstar sein, der auf der Bühne steht und sich aufführt wie jemand, der was ganz Tolles und distanziert ist. Die Entfernung zwischen dem Publikum und dem Sänger mag ich nicht. Ich spreche immer mit dem Publikum, weil ich will, dass wir ein Teil von ihnen sind und dass sie auch ein Teil von uns sind. Wir sind keine Pin Ups - wir sind ganz normale Leute und so möchte ich sein und auch behandelt werden.
Freya:
Bei eurem Gig in Dortmund wurden ihr und das Publikum gefilmt. Wird es ein Live-Video geben?
Ronan:
Wir haben es filmen lassen, weil wir dachten, dass wir gutes Material kriegen würden. Wir werden es auf jeden Fall verwenden, aber für ein Live-Video wird es nicht reichen. Wir sind mit dem Material nicht wirklich zufrieden. Es ist für uns sehr schwer das Gefühl, das live rübergebracht wird, auf Video festzuhalten, aber irgendetwas will ich auf jeden Fall aus dem Material machen. Keine Sorge, irgendetwas wird es geben.
Freya:
Du musst momentan viel durch die Welt tingeln. Weißt du eigentlich immer, wo genau du dich aufhältst?
Ronan:
(lacht) Nein. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ein normales Leben ist. Ich bin im letzten Juni nach Hamburg gezogen und seitdem reise ich ohne Unterbrechung. Ich arbeite, reise, bin auf Tour. Ich weiß immer so ungefähr, wo ich demnächst sein werde, ich treffe ja die meisten Entscheidungen und lege die Termine für die Band. Alles, was ich weiß ist, dass ich Ende April zurück nach Hamburg kommen werde und dann muss ich entscheiden, was ich mit meinem Leben anstellen will. Ich werde eine normale Alltagsroutine haben und ich werde nicht mehr im Studio an einem Album arbeiten und auf keine Tour mehr warten.
Freya:
Kannst du schon sagen, wie lange das so sein wird?
Ronan:
Wir werden später im Jahr noch einmal auf Tour in vielen verschiedenen Ländern sein. Wir wollen zum Beispiel nach Griechenland, Italien, Spanien, Frankreich, Südafrika, Australien, Hawaii und Japan. Das ist wirklich aufregend. Ich werde all diese Länder sehen können. Leider ist das mit viel reisen und touring verbunden, so dass ich fast nichts von diesen schönen Ländern sehen werde. Ich würde so gerne Dinge dort sehen. Selbst in Deutschland, wo es so viele schöne Städte mit Geschichte gibt, habe ich bisher kaum etwas besichtigen
können und ich liebe Geschichte. Ich bin ja Ire, unsere Geschichte reicht zehntausend Jahre zurück und das befindet sich alles jeden Tag um uns herum. Ich liebe Geschichte einfach - all die Gebäude aus der Vergangenheit und die schönen Schlösser. Davon werde ich leider wenig sehen können und das finde ich sehr schade. Vielleicht werde ich im Mai eine Tour durch Deutschland machen und irgendwas Geschichtliches machen - ja das ist eine gute Idee (lacht). Vielleicht sollte ich darüber schreiben und jeden Monat etwas veröffentlichen. Vielleicht was Mittelalterliches.
Freya:
Im März wirst du auf DJ-Tour sein. Was wirst du auflegen?
Ronan:
Nur Banjo-Musik, ein bisschen Country und Western, WOLFGANG PETRY. Das Übliche eben (lacht). Nein, keine Angst.
Freya:
Och, warum nicht?
Ronan:
Ja, warum nicht (lacht). Wenn die Leute dazu tanzen würden, würde ich mir wirklich langsam Gedanken über sie machen. Ich will nicht unbedingt die Hits spielen, das macht jeder andere DJ auch. Ich werde sicherlich einige Hits spielen, aber ich möchte das DJing interessant machen. Ich werde Sachen spielen, die unsere Musik beeinflusst haben. Die Musik, die ich spiele, ist düster, manchmal aggressiv, manchmal auch nicht. Das hängt ein bisschen von meinem Geschmack ab, den ich grade habe. Wenn ich in London auflege, kann ich davon ausgehen, dass die Leute sehr offen allem gegenüber sind. Es tut mir leid, dass ich das so sagen muss, aber die Leute in London stehen vielem offener gegenüber als die Menschen hier. Im Slimelight zum Beispiel, das ist ein Club in London. Das ist wirklich ein Paradies. Auf einem Floor sind all die Cybergoths; dort ist alles sehr futuristisch und dennoch alternative. Nicht so wie diese idiotischen Hip Hop-Kids. Dort spielen sie elektronische Undergroundmusik und sie spielen gleichzeitig die EBM- Hits. Sie spielen einfach alles, was elektronisch und neu ist. Auf dem Goth- Floor spielen sie die Klassiker und gleichzeitig auch neue Sachen. Die Leute sind dort wirklich open-minded. Da kann man DEATH IN JUNE und KYLIE MINOGUE hintereinander auf dem Goth-Floor spielen und die Leute haben Spaß und tanzen dazu. Die haben dort einfach einen Sinn für Humor und wollen einfach Party machen. Sie wissen, dass sie die selben Sachen mögen. Goths sind nicht die betrunkenen Arschlöcher, die um jeden Preis Spaß haben wollen und aggressiv sind und genau das mag ich an ihnen - sie können Spaß haben und auch mal wieder kindisch sein.
Freya:
Eure Musik wird ja von vielen Leuten in der Gothic-Szene gehört. Einige Bands aus der Szene sind in letzter Zeit dazu übergegangen, sich nur noch in weiß zu präsentieren. Was, glaubst du, ist der Grund dafür?
Ronan:
Naja, für mich ist schwarz schon immer meine Lieblingsfarbe gewesen. Ich würde mich selbst nicht Goth nennen, trotzdem trage ich gerne schwarz. Da kann man nicht viel falsch machen (lacht). Ich erinnere mich, dass JIM MORRISON gefragt wurde, warum er immer schwarz trägt und er antwortete: "Weil es die Farbe meiner Seele ist." Das fand ich wirklich gut, aber ich glaube, dass er das nur gesagt hat, um etwas Cooles zu antworten. Wie dem auch sei, meine Lieblingsmusiker haben schon immer schwarz getragen und das hat mich einfach angezogen. Natürlich trage ich manchmal auch andere Farben, aber ich werde unser Image auf keinen Fall dahingehend ändern, dass wir nur noch weiß tragen. Ich denke aber, dass das, was DEINE LAKAIEN gemacht haben, ist wirklich schön. Das ist der absolute Gegensatz zu dem VELJANOV- Album und es hat das schönste Artwork, das ich jemals gesehen habe. Das ganze Image stimmt bis ins kleinste Detail - bis hin zu diesem bösen Ding, das er über seinen Augen hat - das ist wirklich schön. Was ich daran wirklich mag ist, dass die Farbe weiß künstlerisch eingesetzt wurde. Es wurde nicht ausgesucht, um Menschen zu verärgern oder um sich von der Szene zu distanzieren und so sollte es auch nicht gesehen werden, denke ich. Es sind auf jeden Fall wunderschöne Fotos.
Freya:
Ich habe gelesen, dass du einmal gesagt hast, dass jeder Mensch auf der Welt etwas verändern kann, wenn er will. Was veränderst du persönlich?
Ronan:
Puh, schwierig. Jeden Tag zu wissen, was ich will und versuchen, das zu bekommen - mit guten Absichten und einem guten Herzen. Ich kann Menschen nicht vorschreiben, wie sie sein sollen - ich kann niemanden verändern und niemandem befehlen. Was ich aber als Mindestes tun kann, ist ein Beispiel für andere Leute zu sein. Das Einzige, was ich wirklich gerne ändern würde, wenn ich die Kraft dazu hätte, wäre, dass Menschen nicht mehr so egoistisch und unhöflich wären. Ich glaube, dass Höflichkeit ein Element aus der Vergangenheit ist, das wir weggeworfen haben und das finde ich sehr sehr traurig. Ich mag nicht gerne in einer Gesellschaft leben, in denen die Menschen kalt und unfreundlich zueinander sind. Wenn ich zum Beispiel auf dem Tanzboden abtanze und dann kommt einer und läuft mich einfach um - und interessiert sich nicht einmal dafür. Dann stehe ich da und frage mich: "Warum? Habe ich einen Zettel auf dem Rücken kleben, auf dem steht, 'Durchfahren!'?" Ich verstehe das einfach nicht. Und so was gibt es nicht nur in unserer Szene sondern überall. Du weißt vielleicht,
dass ich Trancemusik mag und damit meine ich nicht diese Chartscheiße. Jedenfalls war ich auf einer Trancenacht in Schweden und ich habe wirklich geglaubt, dass ich einen Zettel auf dem Rücken habe, auf dem steht: "Bitte lauf mich um!" Ich bin richtig böse geworden. Ich hab mir gedacht, wie ich mein Leben und überhaupt irgendetwas genießen soll, wenn Menschen so sind. In England sind sicherlich auch viele Sachen falsch, aber es gibt auch viele gute Sachen. Was ich zum Beispiel sehr mag ist, dass die Menschen sich immer entschuldigen und das sogar in einem (Anm. d. Red.: Ich zitiere) "bloody punkclub". Sicherlich gibt es da auch Arschlöcher, aber die Mehrheit der Leute ist eben sehr höflich - halten sich die Tür auf und so was. Ich liebe das und ich vermisse es schrecklich. Aber ich glaube auch, dass die Ostdeutschen sehr viel höflicher sind.
Freya:
Naja, das möchte ich jetzt hier lieber nicht bestätigen.
Ronan:
Ich glaube, dass in der früheren DDR eine konservativere Lebensweise angesagt war und im Westen hatten sie Freiheit zu rebellieren und verrücktzuspielen. In den 60ern haben die Studenten dann ja gegen die Vergangenheit rebelliert und wurden sehr egoistisch. Sie haben das Establishment gehasst und immer nur noch "ich ich ich" gedacht. Ich habe darüber mal ein Buch von einem Soziologen gelesen - leider weiß ich seinen Namen nicht mehr. Naja, auf jeden Fall hat er bewiesen, dass es so war und dass in jedem Land die Jugendkultur alles so verändert hat, dass es jetzt so ist wie es ist. Und das finde ich traurig.
Freya:
Darüber könnten wir jetzt wahrscheinlich noch ewig diskutieren. Leider haben wir nur noch fünf Minuten. Sag mir noch schnell: Warum ist eure offizielle Homepage nicht zu erreichen?
Ronan:
Ah, du musst das www vor dem vnvnation.com weglassen. Wir haben gerade Ärger mit unserem Webspaceanbieter in den USA. Wir versuchen das aber so schnell wie möglich wieder hinzubekommen. Wir haben schon einen Rechtsanwalt eingeschaltet, weil der Anbieter unsere Domain seit Monaten einfach auf eine andere Adresse umleitet und es einfach nicht umstellt. Das ist eine von diesen Firmen, die gerne Geld von Leuten annehmen und dann nichts mehr tun. Aber wie gesagt, wenn du das www weglässt, kommst du direkt auf unsere Seite vnvnation.com und das ist wirklich eine schöne Seite mit Informationen über die Band und vor allem über die vier Konzerte in Deutschland, die wir im April spielen werden. Dabei fällt mir noch ein, dass ich auf Konzerten immer gerne sage, dass wir nicht schon tot sind, nur weil wir immer schwarz tragen und wenn man klatscht, wird das Make-Up nicht abbröckeln. Ich frage mich, warum wir unsere ganze Jugend lang kämpfen müssen, um das zu werden, was wir sind und um so zu denken, wie wir jetzt denken und letztendlich die Person zu sein, die wir sein wollen und eben nicht so zu sein, wie uns die Gesellschaft gerne
hätte und dann verbringt man den Rest seines Lebens damit, in einer Ecke eines Clubs rumzusitzen und sich zu überlegen, welche Art von PVC man trägt - das macht für mich absolut keinen Sinn. Zuerst bringt man so viel Energie auf, um ein freidenkendes Individuum zu werden. Wie dem auch sei, ich sehe grade, wir haben schon die Zeit überzogen, aber zwei Fragen kriegen wir vielleicht noch hin.
Freya:
Alles klar. Dann erzähl mir noch eben, was du für den heutigen Tag noch geplant hast. Stehen noch viele Interviews an?
Ronan:
(lacht) Japp. Ich muss heute neun Stunden lang Interviews geben und du bist gerade mal Nummer drei. Aber ich mag deinen Vornamen sehr.
Freya:
Ähm, ja danke.
Ronan:
Nein, es ist wirklich schön, den Namen einer Göttin zu tragen. Mein Name ist ja der eines Königs. Alle Namen im Irischen haben eine Bedeutung und jeder von ihnen kann übersetzt werden. Aber ich mag alle deutschen Namen. Ich habe zwar schon zu viele Heikos und Thorstens getroffen, aber die alten Namen mag ich wirklich gerne. Ach und dabei fällt mir ein: Weißt du, dass wir einen Song haben, der "Frika" heißt?
Freya:
Selbstverständlich.
Ronan:
Der ist jedenfalls über dieselbe Göttin. Aber jetzt muss ich dich doch mal fragen, wie man sich so fühlt, wenn man den Namen der Göttin der Fruchtbarkeit trägt.
Freya:
Ach naja, wie das so ist. Früher hat man sich gerne darüber lustig gemacht, aber jetzt in der Szene hätten natürlich viele gerne so einen Namen. Ich bin eigentlich ganz stolz darauf. Zu der Fruchtbarkeit sage ich jetzt mal lieber nix ;-)
Ronan:
Du bräuchtest noch einen Freund, der Odin oder Wotan heißt.
Freya:
Hmm, da hat es leider nur zu einem Thomas gereicht.
Ronan:
Dann sollte er sich auf jeden Fall umbenennen und die Kinder heißen dann Thor und so (lacht).
Freya:
Also ich hätte meine Eltern umgebracht, wenn sie mich Wotan oder Thor genannt hätten.
Ronan:
Ich finde es jedenfalls besser, als wenn alle nur Thorsten oder Stephan heißen und dann auch noch alle das gleiche Auto fahren - naja du weißt, was für Typen ich meine.
Freya:
Allerdings... aber erzähl noch schnell, was du für den Rest des Jahres geplant hast.
Ronan:
Oh, ich habe viele Pläne. Ich werde ein sehr interessantes Projekt für die Leute in unserer Szene machen. Ich kann jetzt noch nicht so viel dazu sagen, aber es wird ein Soundtrack werden und zwar ein fiktionaler Soundtrack zu einem Film, den es nicht gibt.
Freya:
Das klingt ja interessant. Ich bin gespannt. Nun möchte ich dich aber wirklich erlösen und mich für das Interview ganz herzlich bedanken.
Ronan:
Ja, ich möchte mich auch bei dir und den Lesern bedanken. Vielleicht können wir uns ja auf der DJ-Tour mal persönlich kennenlernen. Mach's gut.
Photo by Dirk Eusterbrock / Raumgleiter
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