VOMITORY: Interview mit Tobias Gustafsson
01.01.1970 | 01:00Aus Schweden kommen viele gute Death Metal Acts, und einer von ihnen heißt VOMITORY. Die haben soeben ihr superbes drittes Album "Revelation Nausea" veröffentlicht. Das zweite Highlight des Jahres für die Schweden war sicherlich der Auftritt auf den No Mercy-Festivals. Ich hatte die Gelegenheit, mit dem Trommler Tobias Gustafsson über das neue Album, das sich ständig drehende Besetzungskarussell und den Death Metal allgemein zu plaudern.
Leider hab ich mir die ersten zwei Minuten der Aufnahme versaut, sodaß ich die ersten drei Antworten nur sinngemäß wiedergeben kann.
Stephan:
Was erwartest du vom neuen Album?
Tobias:
Nun, es ist schwierig, Erwartungen zu formulieren. Nach den sehr guten Reaktionen auf "Redemption" (das Vorgängeralbum - d. Verf.), die wir in dieser Form nie erwartet hätten, hoffen wir natürlich, daß uns das mit "Revelation Nausea" auch gelingt, zumal ich es persönlich für besser halte als "Redemption". Wir hoffen, daß wir damit ein paar Leute auf VOMITORY aufmerksam machen können.
Stephan:
Was habt ihr gegenüber eurem Vorgänger "Redemption" verändert bzw. verbessert?
Tobias:
Ich glaube, die Songs an sich sind um einiges stärker geworden. Außerdem singt ja jetzt Eric (Rundqvist, vorher nur am Bass - d. Verf.), weil unser Ex-Sänger Jusse (Linna, kam erst 1996 zur Band - d. Verf.) die Band verlassen mußte. Eric ist ein wirklich guter Sänger und seine Stimme wertet die Songs zusätzlich auf.
Stephan:
Warum mußte Jusse gehen?
Tobias:
Es funktionierte einfach nicht mehr mit ihm. Er ist ein sehr schwieriger Charakter und wir kamen oft in Erklärungsnöte auf Grund seines Verhaltens. Irgendwann mußten wir etwas tun.
Wir haben ihm früher schon gesagt, daß er sich ändern müßte, aber er hat nichts dergleichen getan.
Stephan:
Es war also der letzte Ausweg, ihn zu feuern.
Tobias:
Ja, wir haben leider keine andere Möglichkeit mehr gesehen. Er war auch als Mensch total anders als der Rest in der Band. Es war sehr schwer, mit ihm zusammenzuarbeiten und mit ihm wurden VOMITORY eher zurückgeworfen als weitergebracht. Wir waren zum Schluß alle der Meinung, daß es keinen Sinn mehr mit ihm hätte.
Stephan:
Und was habt ihr auf dem neuen Album noch verbessert?
Tobias:
Ich denke, die Produktion und der Sound sind um einiges besser als auf "Redemption". Wir haben mit dem selben Producer im selben Studio gearbeitet. Es war das zweite Mal, daß wir mit Henrik Larsson ein Album aufgenommen haben und wir kannten ihn besser und er die Band besser als zuvor. Wir hatten genauere Vorstellungen von diesem Album und so haben wir eine sehr gute Produktion hingekriegt. Außerdem denke ich, daß wir stärkere und intensivere Songs als auf "Redemption" geschrieben haben. Und Erik's tiefere Stimme macht sie brutaler als die vom Vorgänger.
Stephan:
Gibt es irgendwas am neuen Album, das du im Nachhinein lieber anders gemacht hättest?
Tobias (lacht):
Natürlich gibt es das eine oder andere, was wir lieber etwas anders gemacht hätten. Ich denke, die Vocals kommen im Mix etwas zu schwach herrüber, aber davon mal abgesehen bin ich sehr zufrieden damit. Von den Drum-Parts hätte ich manches anders spielen können (er meint besser - d. Verf.), aber das weiß nur ich und damit ist das schon in Ordnung.
Stephan:
"Revelation Nausea" ist eure bisher härteste Platte. Wird die nächste noch brutaler sein, ist das überhaupt möglich?
Tobias:
Ich weiß nicht, ob sie noch brutaler wird, aber sie wird wenigstens genauso hart sein. Wir haben natürlich noch keine Songs für ein neues Album fertig, aber das Material, daß wir auf Lager haben, ist genauso brutal wie die Songs auf "Revelation Nausea". Wir werden auf jeden Fall keinen melodischen oder atmosphärischen Death Metal spielen.
Stephan:
Wie kommt ihr auf die Songtexte?
Tobias:
Es sind ja Erik und Ulf, die alle Texte schreiben. Von Erik weiß ich, daß er sich viele Videofilme anschaut, das ist sicherlich seine hauptsächliche Inspirationsquelle.
Stephan:
Und worum geht's bei den Lyrics allgemein?
Tobias:
Hauptsächlich geht's um Krieg, neben ein paar anderen Themen zwar, aber das ist das, wovon es immer wieder handelt. Ich denke, darüber kann man relativ einfach Texte verfassen und doch ist es sehr realitätsnah. Die Leute können damit etwas anfangen.
Stephan:
Habt ihr beim Gesang von Erik technisch nachgeholfen oder alles so gelassen?
Tobias:
Das ist genau so, wie Erik klingt, wir haben keinerlei Effekte benutzt.
Stephan:
Wie kommt Erik eigentlich mit dieser Doppelfunktion als Sänger und Bassist klar?
Tobias:
Er kriegt das eigentlich sehr gut hin. Erik ist ein sehr guter Musiker und es war nur am Anfang ein wenig schwierig für ihn. Aber wir proben es ja auch so und damit ist das kein Problem für ihn.
Stephan:
Ihr habt ja eine sehr gute Produktion auf dem neuen Album, aber es gibt ja auch Death Metal Bands die absichtlich einen sehr rohen und ungehobelten Sound machen, wie auf einem Demo-Tape. Was hälst du von solchen Bands?
Tobias:
Das hängt immer davon ab, welche Art von Death Metal man spielt. Zum Beispiel eine Band wie THE RAVENOUS, wo ja die Typen von AUTOPSY spielen, das ist so eine Art Hinterwäldler-Death Metal (Er hat das so gesagt, da kann ich nix für... - d. Verf.). Das ist sehr roh und primitiv, und ich finde es eigentlich ziemlich cool, diese Art von Sound zu machen. Aber ich denke, eine Band wie z.B. MORBID ANGEL braucht einfach einen gut produzierten Sound, da das alles gute Musiker sind, die technisch anspruchsvolle Musik spielen. Aber ich mag beides, sowohl gut produzierte Alben, als auch diesen sehr rohen Sound. Zum Beispiel ist das "Horrified"-Album von REPULSION eine meiner absoluten Lieblingsplatten.
Stephan:
Was stellt eigentlich das Cover genau dar?
Tobias:
Das ist eine Art Dämon, der eine Person ermeuchelt (Uaaah!!! - d. Verf.).
Stephan:
Bezieht sich der Song "The Corpsegrinder Experience" auf den Sänger von Cannibal Corpse (George "Corpsegrinder" Fisher - d. Verf.)?
Tobias (lacht):
Nein, eigentlich nicht. Er handelt von einer Person, die sich eine Armee von Zombies rekrutiert. Es hat also nichts mit George "Corpsegrinder" zu tun, allerdings hat er uns zu diesem Titel inspiriert.
Stephan:
Werdet ihr irgendwann mal mit Peter Tägtgren im "Abyss"-Studio aufnehmen?
Tobias:
Nein! Mit ziemlicher Sicherheit nicht.
Stephan:
Und ist die Musik VOMITORY's von HYPOCRISY beeinflußt?
Tobias:
Nein. Ich bin niemals ein großer Fan von HYPOCRISY gewesen. Sie sind zwar ziemlich gut, aber ich habe sie mir eigentlich nie angehört.
Stephan:
Für mich klingt ihr etwas nach den frühen SEPULTURA, z.B. auf dem "Morbid Visions"-Album. Würdet ihr euch diesen Schuh anziehen?
Tobias:
Warum nicht. Manches erinnert sicherlich ein bißchen an die alten SEPULTURA. Aber das ist dann zufällig so passiert.
Stephan:
Wie findest du SEPULTURA heute?
Tobias:
Das letzte Album, das ich von SEPULTURA gehört habe, war "Chaos A.D." und das hat mir nicht gefallen. Was ich dann noch an späteren Songs gehört habe, fand ich auch ziemlich scheiße (Der macht mir mein geliebtes SEPULTURA schlecht, buhuu... - d. Verf.). Welches mir am besten gefallen hat, ist "Beneath The Remains".
Stephan:
Wie steht die Presse in Schweden dem Heavy Metal gegenüber?
Tobias:
Also, da hat sich in letzter Zeit einiges gebessert. Noch vor ein paar Jahren hatte der Heavy Metal keinen Platz in der schwedischen Presse. Aber jetzt gibt es soviele schwedische Bands, die auch außerhalb von Schweden sehr beliebt sind, wie z.B. THE HAUNTED, HAMMERFALL oder IN FLAMES, sodaß die Presse dem Metal hier wieder mehr Beachtung schenkt, was ich sehr gut und wichtig finde.
Stephan:
Was sind deiner Meinung nach Unterschiede von Death Metal Bands aus Schweden bzw. Finnland?
Tobias:
Also, ich glaube, durchschnittlich sind die finnischen Bands etwas brutaler, so wie in den frühen neunziger Jahren. Aber sie haben zum Teil auch eine etwas melodischere Seite. So große Unterschiede gibt es da meiner Meinung nach aber eigentlich nicht.
Stephan:
Und gibt es da eine Art Rivalität?
Tobias:
Nein, auf keinen Fall!
Stephan:
Laß uns jetzt mal ein bißchen über die Bandgeschichte von VOMITORY reden.
Warum haben Ronnie (Olson, Vocals & Bass, später nur Vocals - d. Verf.) und Thomas (Bergqvist, Bass - d. Verf.) die Band nach der "Raped In Their Own Blood"-Debütscheibe verlassen?
Tobias:
Thomas verließ uns einen Monat bevor das Album erschien, da er nach Göteborg umzog. Er fing dort an zu studieren und fürchtete dann, das Studium und die Band nicht mehr unter einen Hut zu bekommen, weil er zu den Proben nicht ständig so weit fahren konnte und es zudem auch ziemlich teuer geworden wäre.
Stephan:
Und Ronnie?
Tobias:
Ronnie verließ uns nur ein paar Wochen später, da er auch bei GEHENNA Bass spielte. Zu der Zeit lief es sehr gut für GEHENNA, sie hatten ein neues Album draußen und machten eine Europatour und er sah mit ihnen einfach eine bessere Perspektive als mit VOMITORY. Außerdem gab es auch einige Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und uns, sodaß es sicherlich das Beste für beide Seiten war.
Stephan:
Warum hat es damals so lange gedauert, bis "Redemption" endlich in den Läden stand?
Tobias:
Wir hatten damals ein Problem mit dem Coverartwork. Es dauerte ziemlich lange, bis es fertig war und unseren Vorstellungen entsprach, auch auf Grund unserer üblichen Faulheit (lacht). Und soweit ich mich erinnern kann, gab es auch Probleme mit der Firma, die die CD's gepresst hat.
Stephan:
Erzähl mir doch mal was über die beiden Europatourneen, die ihr in den vergangenen zwei Jahren absolviert habt.
Tobias:
Ja, die erste war im November 1999 mit... äh... hmm... (...ja, wer war das doch gleich? - d. Verf.)
Stephan:
...mit DERANGED, DAWN OF DECAY und MANGLED. (Wenigstens auf einen ist hier Verlass - d. Verf.)
Tobias:
Ja, genau. Das war die dritte Tour mit DERANGED und das erste Mal mit den beiden anderen. Wir haben, glaube ich, etwa 12 Shows gespielt. Es war also nur eine kleine Tour, aber es hat viel Spaß gemacht, denn es sind alles gute Freunde von uns.
Stephan:
Soweit ich weiß, war das eure erste Europatour. Was für Eindrücke habt ihr da sammeln können?
Tobias:
Nun, es war nicht die erste Tour in Europa. Die erste Tour war Ende 1997 mit DERANGED. Wir haben festgestellt, daß die Death Metal Szene außerhalb Schwedens größer ist, als wir gedacht hätten, was eine schöne Erfahrung für uns war.
Stephan:
Und wie war es für euch, das No Mercy-Festival 2000 eröffnen zu dürfen (mit CANNIBAL CORPSE, DEICIDE, IMMORTAL, VADER, MARDUK, DARK FUNERAL und HATE ETERNAL, auch siehe Konzertberichte - d. Verf.)?
Tobias:
Also, das war wirklich Wahnsinn, einfach fantastisch. Zuerst haben wir eine Tour mit CANNIBAL CORPSE durchgezogen, und in all den Ländern gespielt, wo wir noch nie vorher gewesen waren. Das war eine Riesensache für uns und die Reaktionen des Publikums waren auch großartig. Dann spielten wir die No Mercy-Festivals und auch hier waren die Reaktionen auf uns großartig. Obwohl wir die erste Band waren, die aufgetreten ist, und zudem auch die am wenigsten bekannte, haben die Leute unsere Musik abgefeiert und das war absolut fantastisch für uns.
Stephan:
Waren die Auftritte mit CANNIBAL CORPSE so etwas wie Warm-up-Gigs für die No Mercy-Festivals?
Tobias:
Nein, das war eine richtige Tour. Wir haben insgesamt mit den No Mercy-Festivals etwa 25 Konzerte gehabt.
Stephan:
Denkst du, es ist jetzt an der Zeit für eine Headliner-Tour durch Europa?
Tobias:
Hmmm... (Er zögert ein Weilchen... - d. Verf.) Nein, eigentlich jetzt noch nicht.
Stephan:
Und wie sehen eure aktuellen Tour-Pläne für das neue Album aus?
Tobias:
Also, zur Zeit gibt es noch keine Pläne. Vielleicht Anfang nächsten Jahres, aber zur Zeit ist noch nichts gebucht, da kann ich im Moment nichts weiter dazu sagen.
Stephan:
Gibt es irgendeinen Punkt in der Bandgeschichte, an dem du dachtest, "Wow, kann denn das wirklich wahr sein?"
Tobias:
Ja, es hat sicherlich keiner erwartet, daß wir bei einem der größten Metallabel (MetalBlade - d. Verf.) unterkommen würden. Damit hatte keiner gerechnet. Und auch, daß wir mal außerhalb Schwedens Konzerte spielen würden, war sicherlich nicht vorauszusehen. Aber hier sind wir jetzt, und wir sind sehr glücklich damit. Wir glauben auch, daß wir uns den Erfolg in all den Jahren redlich verdient haben.
Stephan:
Was hörst du dir privat außer Death Metal noch so an?
Tobias:
Ich höre mir eigentlich hauptsächlich Heavy Metal und Hard Rock zu Hause an.
Stephan:
Welche Heldentaten kann man von euch in Zukunft noch erwarten?
Tobias:
Heldentaten??? Nun, wir hoffen, daß wir bald wieder in Europa auf Tour gehen können. Außerdem werden wir im nächsten Sommer einige Festivals spielen, eines davon wird mit ziemlicher Sicherheit das Wacken Open Air sein (YESSS!!! - d. Verf.). Das ist eigentlich das, was uns als nächstes so vorschwebt.
Stephan:
Vielen Dank für das Interview.
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer