WICCA: Interview mit Olymp zum Comeback
15.12.2009 | 11:40Die Südbadener, die 1989 einen leider ziemlich vergessenen Thrash-Underground-Hammer veröffentlichten, sind nach zwanzig Jahren mit Volldampf zurück.
Hallo Olymp, ich freue mich sehr, dass ihr wieder richtig aktiv seid und dass ihr uns für ein paar Fragen zur Verfügung steht. Zuerst einmal: Wie fühlt es sich an, wieder "zurück" zu sein, gute zwanzig Jahre nach eurem bisher einzigen Studioalbum "Splended Deed"?
Olymp:
Hi an alle Leser! Zunächst einmal danke, wir freuen uns auch. Wie es sich anfühlt? Ziemlich geil, würde ich sagen. Es ist einerseits wie damals, andererseits auch nicht. Obwohl uns die Vergangenheit eingeholt hat, tun wir das Ganze aber mit dem Blick nach vorne, anstatt in Erinnerungen zu versinken. Es fühlt sich zwar nicht an als wäre man ein Newcomer, dennoch sind wir uns bewusst, wie sehr sich die Szene verändert hat und wie hart es geworden ist, überhaupt noch ein paar Aufmerksamkeiten auf sich zu lenken. Aber wir haben großen Spaß an der Sache und nehmen diese auch gleichermaßen ernst.
Rüdiger:
Wie kam es dazu, dass ihr es nochmal versuchen wolltet? Stand das bereits vor dem Goldfisch-Re-Release des Debüts vor einigen Jahren fest, oder war das die Initialzündung?
Olymp:
Also der drei Jahre alte Goldfisch-Release war eigentlich kein wirklicher Release. Es war vielmehr ein auf CD-R gebrachtes Resultat eines kleinen Experiments. Wir dachten damals nicht ernsthaft daran, wieder zusammen zu kommen. Viel mehr hat es mich brennend interessiert, wie die untergegangene Debüt-Scheibe "Splended Deed" von 1989 wohl heutzutage ankommen würde. Da habe ich kurzer Hand Roberto damit belästigt, dass wir doch mal so aus Spaß ein Paar Exemplare diversen Mags zukommen lassen, mit der Bitte um ein Review. Als dann in den kommenden Wochen darauf tatsächlich diese Reviews auch erschienen sind, staunten wir nicht schlecht, da keiner von uns mit solchen positiven Resonanzen gerechnet hat. Wie wir dann ein halbes Jahr später vom koreanischen Label "Bleeding Chainsaw Records" das Angebot bekamen, die Scheibe als richtiges Re-Release mit einer Lizenz über 3.500 Exemplare herauszugeben, begannen dann so langsam die ersten Gespräche darüber, ob man es nochmals versuchen sollte. Gesagt, getan. Nicht zuletzt wegen der weltweiten Anfragen bezüglich Liveshows und neuem Material, trafen wir uns und bald darauf fanden die ersten Proben statt.
Rüdiger:
Wie schwierig war es, nach all den Jahren die fünf Originalmitglieder wieder in ein Boot zu bekommen?
Olymp:
Das war zum Glück die leichteste Übung. Wir alle leben hier in einem Radius von maximal 15 km voneinander entfernt. Also griff ich mal eben zum Telefon, erklärte was passiert war und musste wirklich keine große Überredungskunst walten lassen.
Rüdiger:
Seid ihr während der Zeit, als es WICCA nicht gab, in Kontakt geblieben, oder hattet ihr euch aus den Augen verloren?
Olymp:
Also die Freundschaft zwischen Roberto, dessen Bruder Mario und mir war eigentlich nie abgebrochen. All die Jahre haben wir uns auf irgendwelchen Partys gesehen oder sind zusammen auf Konzerte gefahren. Irgendwie easy und unproblematisch. Bei Angus und Martin hingegen war das schon anders. Der Kontakt hatte sich irgendwie verlaufen und wir hatten uns aus den Augen verloren.
Rüdiger:
Wart ihr in der Zwischenzeit musikalisch aktiv?
Olymp:
Ja. Nach dem wir uns 1990 getrennt hatten, teilte sich das Ganze in verschiedene Bands und Projekte auf, die mehr oder weniger "erfolgreich" aktiv waren. Da die stilistische Entwicklung des Metal in den 90ern dann immer weniger dem entsprach, was ich mir vorstellte, zog ich mich dann erst einmal musikalisch zurück, während die anderen aber wohl irgendwie weitermachten.
Rüdiger:
Dass ihr noch mal richtig durchstarten wollt, habt ihr meines Wissens 2007 beschlossen. Die Arbeiten am neuen Album haben demnach fast zwei Jahre gedauert, oder? Wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis?
Olymp:
2007 war das Jahr des Neustarts. Allerdings hatten wir damals längst nicht das Ziel vor Augen, ein neues Album aufzunehmen. Eigentlich wollten wir erstmal einfach wieder zusammen proben und Liveshows spielen, was wir auch gemacht haben. Ende 2008 wollten wir es schließlich doch wissen und konzentrierten uns auf ein neues Album. Somit begannen dann die Arbeiten für "Bloodrush" und im Januar 2009 fanden die ersten Aufnahmen statt. Mit dem Ergebnis sind wir alle sehr zufrieden. Es entspricht absolut unseren Vorstellungen.
Rüdiger:
Ich für meinen Teil bin ziemlich begeistert und finde, dass ihr hervorragend auf dem schmalen Grat zwischen traditionellem klassischem Thrash Metal und zeitgemäßer Produktion balanciert, ohne auf die Retro-Seite oder in die postmoderne Richtung zu kippen. Eben kein langweiliges Genre-Bedienen, sondern der Mut zur eigenen Stärke und zum eigenen Charakter. Ähnliches gilt für euren Stil, der wie früher schon Bay Area und den klassischen Südbaden-Thrash-Sound vereint. Kein offensichtliches Schielen gen Amiland, aber eben auch nicht die reine alte Teutonen-Keule. Könnt ihr euch mit dieser Beschreibung halbwegs identifizieren?
Olymp:
Mensch, Rüdiger. Das hast du aber schön gesagt. Als ob dir ein Engelchen auf die Zunge gepullert hätte. :-) Damit können wir echt sehr gut leben und es trifft das Ganze auf den Punkt. Wenn wir es selbst hätten beschreiben müssen, wären unsere Aussagen mit Sicherheit ähnlich ausgefallen. Ich stimme dir absolut zu, dass man uns nicht eindeutig zuordnen kann. Es ist die eigenständige Mischung, die es ausmacht.
Rüdiger:
Wie ist das Feedback von anderen Freunden, Fans und Schreibern, welche eure neuen Songs bereits gehört haben?
Olymp:
Oh je, leider waren wir zu spät. Die meisten, die es bisher gehört haben, sind auf der Stelle gestorben. So können wir leider nur ahnen, was geschah, haha. Nee, im Ernst: Die ersten Reaktionen sind durchweg sehr postitiv. Die Leute sind begeistert und hätten es nicht geahnt, dass wir alten Säcke nochmal so reinthrashen. Ich meine, sobald die Leute dann beginnen, irgendwelche Vergleiche zu ziehen mit den "üblichen Verdächtigen", den großen Bands eben, dann weiß man ja was läuft.
Rüdiger:
Erzähl uns ein bisschen was über das kommende Album "Bloodrush"! Was hat sich gegenüber "Splended Deed" geändert, was ist gleich geblieben, worum drehen sich die Songs thematisch, wer hat das coole Artwork erschaffen?
Olymp:
Nun, "Bloodrush" ist das zweite offizielle Studioalbum von WICCA und beinhaltet acht Songs. Ein Großteil des Materials wurde bereits nach Erscheinen des Debütalbums geschrieben. Der Titeltrack stammt sogar aus den frühen Achtzigern. Diese Songs wurden nie veröffentlicht, lediglich hatten wir die damals im Proberaum mit einem 4-Spur-Aufnahmegerät mal festgehalten, um uns an den Nachfolger von "Splended Deed" zu machen. Des Weiteren haben wir zwei Songs vom Debütalbum neu eingespielt, um diese mit der heutigen Intensität und der veränderten Persönlichkeit eines jeden Einzelnen von uns "neu" zu interpretieren. Nicht zuletzt deshalb, weil die Stücke auch live sehr gut rüberkommen.
Insgesamt ist "Bloodrush" eher wie ein gut gereifter Single Malt, der in einem Eichenfass zwanzig Jahre atmete und nun für die Metal-Feinschmecker abgefüllt wird.
Gegenüber "Splended Deed" sind die Songs sehr viel härter und direkter. Sie "ficken" einfach mehr, haha. Wenn wir auf die Produktion schauen, so ist das Album eine absolut "authentische" Dampfwalze. Parallelen zu "Splended Deed" sehe ich vielleicht darin, dass dies Songs ebenfalls eine Mischung aus dem Bay-Area-Style und dem Teutonen-Thrash darstellen. Wir finden auch, dass unser Produzent Connie Andreszka einen verdammt guten Job gemacht hat und dem Album wirklich das passende Sound-Gewand verliehen hat. Der Hauptmix ist dermaßen pur und true und kommt ohne Schnickschnack aus. Fette Röhrenamps, keine digitalen Maschinengewehr-Drums und kein langweilig geschönter Hifi-Sound ... a pure fistful of metal eben. Thematisch sind wir nicht weit gereist und haben Inhalte wie z.B. "soziale Missstände", "Beängstigung durch Nachrichten in den Medien" oder "Habgier" verarbeitet. Letztes musste dann auch als Thema für das Artwork herhalten, welches von mir persönlich erschaffen wurde.
Rüdiger:
Ihr sucht für "Bloodrush" ein geeignetes Label. Wie gestaltet sich die Suche bisher?
Olymp:
Das stimmt. Wir haben in den letzten drei Wochen an die 25 Labels bemustert. Bisher bekamen wir einige Antworten, in welchen man uns sagte, dass selbstverständlich auch die Musikindustrie regressive Umsätze verzeichnet und dass einige Labels im Moment keine neuen Bands signen. Manche beschränken sich sogar darauf, nur Re-Releases zu veröffentlichen. Die größeren Labels, welche zwar durchaus regelmäßig neue Bands signen, sind deshalb natürlich umso kritischer. Aber wie gesagt, es stehen noch einige Antworten aus. Gleichzeitig haben wir aber schon Angebote für mögliche Kooperationen erhalten.
Rüdiger:
Um nochmal auf die Südbaden-Connection zurück zu kommen: Eine zumindest gewisse stilistische Nähe zu DESTRUCTION und NECRONOMICON lässt sich nicht weg leugnen. Ihr habt zwar auch deutlich hörbare andere Einflüsse, aber hin und wieder finde ich, dass man die geographische Ecke raus hört, aus der ihr kommt. Wie seht ihr das, und wie steht ihr zu den beiden genannten Bands?
Olymp:
Hmm, was sind das für Bands? Nie gehört... (lacht) Also ich finde das eine interessante Frage und ich bilde mir ein, dass ich es manchmal auch heraushören kann, wo eine Band herkommt. Komischer Weise haben wir uns damals überwiegend mit US-Mucke zugeknallt, warum auch immer. Gleichzeitig haben wir aber auch ständig auf Konzerten abgehangen, wo all die deutschen Thrash-Bands mitgemischt haben.
Also ganz klar: Wir ziehen vor denen den Hut und die haben absolut unseren vollen Respekt. Schließlich haben sie sich nicht unterkriegen lassen und selbst in Zeiten, wo Thrash ja völlig von der Bildfläche verschwunden war, eisern weitergemacht und den Erfolg haben sich beide Bands 100 Prozent verdient. In diesem Sinne von Roberto einen Gruß an Erna, Jogi und Freddy von NECRONOMICON. Weshalb du trotzdem Einflüsse wahrnimmst? Es wird wohl am Rheinwasser liegen oder an den badischen Schupfnudeln. :-)
Rüdiger:
Und ich dachte immer, die Schupfnudeln wären unser schwäbisches nationales Kulturgut... Wie wär's mal mit einer gemeinsamen Tour?
Olymp:
Klar, wenn uns jemand die Kohle dafür gibt, dass wir uns als Support einkaufen können, sehr gerne. (lacht)
Rüdiger:
Was steht sonst so an, als Nächstes?
Olymp:
"Bloodrush" wird definitiv in Kürze erscheinen. Entweder mit einem schlagkräftigen Label im Rücken oder als Eigenproduktion, verbunden mit einem guten Vertriebs-Deal. Daher bereiten wir uns derzeit für alle Eventualitäten vor, damit wir in eine der Richtungen reagieren können. Gleichzeitig arbeiten wir bereits an neuem Material und haben auch schon bestätigte Live-Shows für 2010 in Deutschland und der angrenzenden Schweiz.
Rüdiger:
Dann erstmal danke dafür, dass ihr euch die Zeit für unser Magazin genommen habt. Viel Glück bei der Labelsuche!
Olymp:
Wir haben zu danken ... ein fetten Gruß an alle Thrash Maniacs.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle