WUCAN: Francis Tobolsky über Innovation und Bewährtes

28.08.2025 | 13:19

Wer die bisherigen drei Alben mochte, wird "Axioms" lieben! Mit ihrem vierten Album haben die Heavy-Rocker von WUCAN ihren Sound nicht nur verfeinert, sondern auch weiterentwickelt und veröffentlichen eine Scheibe, die spannend und vielfältig ist. Der Band um Frontfrau Francis Tobolsky gelingt ein herrlicher Spagat zwischen Bewährtem und Innovativem. Die Hintergründe zum neuen Album, welche Einflüsse WUCAN noch immer beschäftigen und wie gut es sich anfühlt, einen Schritt zurück zu gehen, um zwei vorwärts machen zu können, erfahren wir von Francis persönlich.

Francis, wie geht es dir, wie ist die Lage?

Hey Marcel, danke für dein Interesse an unserer Musik. Wir sind die letzten Wochen ziemlich gestresst gewesen, da der Release dem Team, aber in erster Linie uns Musikern sehr viel Fokus abverlangt. Es ist die spannendste Zeit in so einem Zyklus - die ersten Meinungen kommen rein und man schaut, wie die Stimmen so sind… aber man muss eben ziemlich hart pushen, damit alles glatt geht. Da liegen die Nerven blank.

Das glaube ich dir. Ihr habt eine dreijährige Schaffenspause eingelegt. Woher kam die Entscheidung und wie hat sich diese Pause auf euch und euer Gemüt ausgewirkt?

Das war keine Entscheidung, sondern eine Notwendigkeit. Wir sind keine Maschinen und glauben nicht daran, Musik zu veröffentlichen, die unter unseren Standards liegt, nur um im Spiel zu bleiben. Das sind wir uns, aber auch den Fans schuldig und glücklicherweise gibt es ja auch kleine Hebel und Knöpfe, die man betätigen kann, um etwas Zeit für ein volles Album zu gewinnen.

Ehrlicherweise habt ihr allerdings nichts an Magie einbüßen müssen. Im Gegenteil, diese Mischung aus Hard Rock, Funk, Jazz und elektronischen Elementen ist noch immer sehr faszinierend. Habe ich einen Einfluss vergessen? Woher kommt dieses Genre-Allerlei eurer Meinung nach?

Danke. Das ist alles, was zählt. Wir wollen mit jedem Album einen draufsetzen - das ist alles. Wir lieben Musik, nicht einzelne Genres. So, wie es uns immer wieder gespiegelt wird, scheint uns das ja von anderen Bands zu unterscheiden…

"Axioms" ist also ein tolles, vielfältiges und spannendes Album – mit welcher Zielsetzung seid ihr an die neue Platte gegangen? Oder kam alles spontan und automatisch?

Unser Ziel ist es immer, die "Fehler" und Schwachstellen vom Vorgänger auszubessern und in irgendeiner Form einen draufzusetzen. Wir haben uns alle auf den Hosenboden gesetzt und unser Handwerk studiert und waren offen für neue Ideen. Ich hoffe, das merkt man.

Absolut! Ein Grundsatz oder eine Aussage, die keiner weiteren Beweisführung bedarf – eine passendere Umschreibung eures Albumtitels habe ich nicht gefunden. Welchen Grundsatz schreibt "Axioms" denn, in welcher Verbindung stehen Albumtitel und Songs?

Vermutlich am ehesten die Liebe zur Musik. Das ist unser Axiom in diesem Fall. Die Band ist ein fester Bestandteil eines jeden von uns. Unsere Werte, Grundsätze und Denkweisen bestimmen unsere Handlungen und damit unser Leben. Jeder Song beleuchtet Aspekte dieser Idee auf andere Weise.

Mir fällt es schwer, aufgrund der Vielfalt das neue Album mit "Heretic Tongues" zu vergleichen, doch wenn ich es müsste, würde ich sagen, dass "Axioms" noch mehr über den Tellerrand schaut. Wie würdet ihr beide Alben miteinander vergleichen?

Ich finde es sehr interessant, wie oft gesagt wird, dass wir es hier mit einer Stil-Mischpoke zu tun haben. Ich finde, seit "Sow The Wind" sind all unsere Einflüsse erkennbar. Wir haben auch damals eigentlich im Kern nichts anderes gemacht als heute, mal abgesehen von den kleinen Beeps und Boops vom Synthesizer. Für uns ist "Axioms" eine logische und ganz natürliche Fortsetzung von "Heretic Tongues". Ich bearbeite sogar ähnliche Themen. Letztlich haben wir aber über den Output nicht viel Kontrolle. Unser Songwritingprozess ist sehr Jam-orientiert und wir wissen oft selbst nicht, wohin die Reise mit einzelnen Songs geht. Wenn sich etwas gut anfühlt, machen wir weiter. Wenn es kacke klingt, fliegt es raus.

Verständlicherweise. Vor allem der Opener 'Spectres Of Fear' hat es mir angetan. Welche Spektren kennt die Angst denn und wovor habt ihr persönlich eigentlich Angst?

Danke, den Song finde ich auch spitze. Es ist ein Song über Rache und die Idee des Karmas, um es mal ganz kurz zu fassen. Es geht also nicht um unsere Angst per se, sondern darum, dass das lyrische Ich als Racheengel ein warnendes Wort an den Sünder spricht, der offenbar nicht weiß, welche Konsequenzen sein Handeln hat. "Spectre" heißt ja Gespenst. Und davon kann man geplagt sein. Und zwar so richtig.

'Holz auf Holz' hat eine wahnsinnig tolle Melodie, die eine sehr interessante Entstehungsgeschichte hat, nicht wahr? Worum genau geht es in diesem gesellschaftskritischen Song?

Vielen Dank. Auch den Song finde ich gut gelungen. Das war einer derjenigen, die sich wie von selbst schrieben. Ruck zuck war das Ding im Kasten. Die Melodie fiel mir während eines kleinen Kerzenrituals ein. Ich brauche das manchmal, um klarzukommen, sonst würde ich vor Stress am Rad drehen. In diesem Song geht es prinzipiell um das Gleiche wie in 'Fette Deutsche' vom "Heretic Tongues"-Album. Allerdings diesmal eher als Appell an die Menschlichkeit: Bitte entzieht euch der Gehirnwäsche durch die Rechten und öffnet euer Herz.

Ich finde es großartig, dass Bands wie eben WUCAN locker in die Fußstapfen solcher Legenden wie JETHRO TULL oder KANSAS treten und dabei ihre eigene Duftmarke versprühen können. Orientiert man sich nach drei, vier Alben überhaupt noch an solchen Bands oder spielt man seinen eigenen Stiefel souverän herunter?

Alle reden immer von JETHRO TULL. Ich kenne diese Band leider nicht. Aber KANSAS ist definitiv ein riesiger Einfluss. Natürlich würden wir uns niemals in der Tradition ihrer sehen, weil sie einfach unerreichbar sind. Bestes Songwriting ever. Sound: unglaublich! Wir orientieren uns aber bei gewissen Sachen immer an anderen Bands, klar. Aber dann geht es eher um Details oder große, übergreifende Konzepte, statt konkreter Ideen. Das wäre auch bisschen billig. Wir brauchen keine zweiten RAINBOW - gab es ja schon. Dann halt lieber unverwechselbar sein, als ständig an irgendwem gemessen zu werden.

Gerade aus deutschem Lande kommen mit euch, aber auch KADAVAR, ZODIAC oder SAMSARA BLUES EXPERIMENT Bands, die einen sehr charmanten Retro-Charme versprühen. Woher kommt das eurer Meinung nach?

Ich vermisse SAMSARA BLUES EXPERIMENT. Gibt es die noch? Ich hab ewig nichts mehr von denen gehört, vielleicht bin ich aus dem Algorithmus gefallen. Der sogenannte Retrorock (Was auch immer das ist, ich hasse den Begriff. Aber man kann ja trotzdem immer was damit anfangen.) hat ja weltweit Tradition, daher glaube ich nicht, dass das ein deutsches Phänomen ist. Vielleicht münzen wir das daher einfach auf die Generation, statt auf das Land um. Mit Sicherheit schwingt eine Sehnsucht nach einer Zeit mit, die wir selbst nicht erlebt haben. Ich glaube, die Leidenschaft und die hohe Kunstfertigkeit zeichnen die Bands von früher aus. Ich persönlich stehe ja auch total auf Underground-70's-Rock, der echt schäbig aufgenommen wurde. Die Selbstermächtigung und künstlerische Ausdruckskraft fasziniert mich total.

Das ist auch ein sehr spannendes Thema. Francis, vielen Dank und euch alles Gute mit dem neuen Album!


Fotocredit: Joe Dilworth

Redakteur:
Marcel Rapp

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