AC/DC und THE PRETTY RECKLESS - Berlin

04.07.2025 | 13:45

30.06.2025, Olympiastadion

Es geht nach Berlin, um mir den recht neuen Geheimtipp AC/DC anzuschauen. Mal schauen, was die älteren Herrschaften live noch so drauf haben!

Die Sonne brennt von oben als ich aussteige und die ersten Schritte in die Wildnis mache. Um mich herum sehe ich vereinzelte Tiere - sie alle suchen den Weg zur großen Herde. Hier kann man sie noch beobachten, die Dinosaurier in großer Zahl. Dazwischen auch vereinzelte Jungtiere...

Ja ok, ich geb's ja zu, gestern Abend hab ich mir den neusten Jurassic World Film im Kino angesehen. Aber am Montag hab ich mich auf den Weg nach Berlin gemacht und mir den Auftritt von AC/DC angesehen. Als Unterstützung haben die Australier THE PRETTY RECKLESS bei ihrer PWR⚡️UP-Tour dabei. Altersmässig sind die hier genauso fehl am Platz wie ich, aber Rockmusik ist ja bekanntlich großartig im Zusammenführen von Generationen. Und schon John Hammond hat 1993 Dinos aus den verschiedensten Zeitaltern in seinem ersten Park zusammengebracht.

Da ich mit der Deutschen Bahn anreise, hab ich natürlich einen entsprechend großen Puffer eingeplant und bin schon kurz vor dem offiziellen Einlass vor Ort, wo sich eine überschaubare Traube an den Einlasstoren versammelt hat. Deutlich mehr Menschen finden sich in den überschatteten Biergärten rund um das Berliner Olympiastadion. Bei einem zweistündigen Einlassfenster und Temperaturen, die an den 30 Grad kratzen, besteht schließlich auch kein Grund zur Eile beim – so ehrlich müssen wir sein – etwas in die Jahre gekommenen Publikum.

Wer dann einmal die Einlasskontrolle passiert hat, hat die Qual der Wahl, wie ein paar Euros angelegt werden können. Die Auswahl an Fressständen muss sich vor keinem Festival verstecken. Ob klassische Bratwurst oder Pizza, indische oder chinesische Küche – alle sind hier vertreten. Und zum Nachtisch gibt es dann Eis, Slushy oder ein Crêpe. Da bei den Temperaturen die Hydration kein unwesentlicher Faktor ist, gibt es auch reichlich Bier- und Cocktailstände, welche natürlich auch Softdrinks und Wasser anbieten – ein Umstand, den nicht wenige hier heute wohl eher ignorieren werden. 

Da THE PRETTY RECKLESS ihren Start spontan um 30 Minuten nach hinten verschieben, bleibt sogar noch ausreichend Zeit, sich an den Merchständen umzusehen – vorausgesetzt, die Bank hat vorher noch einen Kredit bewilligt, denn 50 € für ein T-Shirt, 60 € für ein Poster oder gar 260 € für eine bestickte Collegejacke lassen mich schlucken. Ich vermute mal, dass man die Stadionmiete alleine mit den kleinen leuchtenden Teufelshörnchen begleichen könnte, welche trotz der 20 € weggehen wie warme Semmeln.

Dann geht endlich los, wofür wir alle hier sind. Und mit "alle" meine ich einen Teil der Zuschauer, denn als THE PRETTY RECKLESS mit Sängerin Taylor Momsen loslegt, ist das Stadion noch recht spärlich gefüllt. Da ich vorhin im Biergarten von anderen Konzertbesuchern gefragt wurde, wer denn eigentlich die Vorband sei, ist dies leider auch nicht weiter verwunderlich. Die Amerikaner legen dann sogleich mit 'Death By Rock And Roll' vom gleichnamigen Album recht gemächlich los, bevor es dann mit 'Since You’re Gone' etwas wilder wird. Momsen ist im roten Satinkleid Aktivposten und Eyecatcher in Personalunion auf der Bühne. Gitarrist Ben Philips und Bassist Mark Damon bleiben indes so statisch wie Drummer Jamie Perkins. Zumindest letzterem kann man das aber ob seines Jobs nachsehen.

Weniger Nachsicht hab ich mit dem Sound, der zumindest bei den ersten drei Songs im Bühnengraben noch recht flach und leise rüberkommt. Da wir Fotografen das Olympiastation nach diesen drei Songs leider wieder komplett verlassen müssen (ist ja nicht so, als ob das Stadion nicht eine Pressetribüne hätte), kann ich leider nichts darüber sagen, ob das ein Problem der vordersten Reihen, oder im kompletten Stadion gegeben ist. Zumindest außerhalb des Stadions klingt der Sound dann auf jeden Fall voller – soweit dies aufgrund der Umstände vernehmbar ist. Ein abschließendes Urteil kann ich mir deswegen in diesem Fall nicht erlauben und berichte lieber, dass die zweite Hälfte der Setliste dann die bekannteren Songs der Band enthält, bevor mit 'Take Me Down' nach einer knappen Stunde Schluss ist.

Ich hoffe sehr, dass THE PRETTY RECKLESS demnächst auf eine Headliner-Tour in unsere Gefilde kommt, denn ich würde mir die Band gerne mal in einem intimeren Rahmen in Gänze anschauen, da ich die Musik durchaus mag und sie für mich ein mitentscheidender Faktor war, mir das Konzert heute anzusehen.

Setliste THE PRETTY RECKLESS: Death By Rock And Roll; Since You're Gone; Follow Me Down; Only Love Can Save Me Now; Witches Burn; Make Me Wanna Die; Going To Hell; Heaven Knows; Take Me Down

Dass, im Gegensatz zu mir, die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer aber nicht wegen THE PRETTY RECKLESS, sondern wegen der einen Ticken bekannteren AC/DC in den Westen Berlins gekommen sind, sehe ich, als wir wieder zurück ins Stadion geführt werden. Dieses hat sich nun merklich gefüllt und nach einem halbstündigen Changeover (zum Glück wird hier nicht die halbstündige Verspätung vom Start durchgezogen) löst das Intro einen Jubelsturm aus.

Zuerst erscheint Matt Laug durch einen Vorhang hinter seinem Schlagzeug, bevor sich Stevie Young an der Gitarre und Bassist Chris Chaney an seine Seiten gesellen. Positionen, welche sie während der gesamten Show nie wirklich verlassen werden. Dies ist allerdings nicht weiter schlimm, denn für die Unterhaltung bei AC/DC sind schließlich zwei andere Herren zuständig – und zu den ersten Klängen von 'If You Want Blood (You've Got It)' betreten dann auch Brian Johnson und Angus Young die Bühne.

Die mangelnde Lautstärke von THE PRETTY RECKLESS ist zu diesem Zeitpunkt schon längst vergessen, denn bereits beim Intro dröhnen die Bässe so laut im Bühnengraben, dass ich mir den Hörschutz nochmal tiefer in den Hörkanal drücke. Weiter geht es mit 'Back In Black' und bereits jetzt bin ich beeindruckt, mit welcher Energie die beiden älteren Herren über die geräumige Bühne hetzen. Vor allem Young nutzt dabei auch den Steg um seine patentierten Moves zur Schau zu stellen während Johnson das Publikum animiert.

Nach 'Demon Fire' heißt es für mich dann erstmal raus aus dem Graben und raus aus dem Stadion. Denn bevor ich wieder zurück in den Golden Circle kann, von wo aus ich mir den Rest der Show anschauen darf, muss ich erstmal meine Kameras abgeben. In diesem Fall heißt das, Ticket abholen, Rucksack zum Garderobencontainer bringen, zum Haupteingang laufen, Treppen rauf und dann genau gegenüber der Bühne wieder ins Stadion zurückkehren. Dieser ganze Prozess dauert eine Weile und führt dazu, dass eine Reihe Songs verpasst werden – ärgerlich. Während 'Hells Bells' bin ich dann wieder im Stadion und muss feststellen, dass die Lautstärke auch ganz hinten noch beeindruckend ist. Meine Ohrstöpsel habe ich dummerweise am Kameragurt gelassen – zum Glück hab ich meine In-Ears aber noch in der Hosentasche, diese erfüllen den Zweck auch.

Es dauert dann noch bis 'Stiff Upper Lip', bis ich mich durch alle Zuschauerblöcke wieder zurück in den Golden Circle gekämpft habe. Mein Handy misst hier 110 dB, was schon mächtig laut ist, vor allem, wenn man bedenkt, dass das hier alles draußen stattfindet. Die Frage, ob so viel Lautstärke denn aber wirklich notwendig ist, stellen sich außer mir aber anscheinend wenige hier. Ohne die Kopfhörer in den Ohren würde ich die Show auf jeden Fall nicht durchstehen – gut, dass vor der Arena gratis Ohropax verteilt werden.

Die Show ist indes souverän und macht gut Stimmung, ohne auf große Gimmicks angewiesen zu sein. Gut, bei 'Highway To Hell' teilt sich das große LED-Backdrop in drei Teile und es gibt Feuer auf der Bühne, aber das darf man heutzutage ja auch durchaus erwarten. Von hier vorne schaue ich mir noch ein paar Songs an, die Setliste lässt dahingehend ja nichts zu wünschen übrig – auch wenn ich zugegebenermaßen nicht alle Songs auf Anhieb kenne. Zu 'High Voltage' muss ich mich dann wieder durch die Menschenmassen zurück zum Haupteingang kämpfen, denn Toilettenbesuche sind für Golden Circle-Zuschauer anscheinend nicht wirklich im Showkonzept vorgesehen. In diesem Fall ist dies allerdings nicht weiter wild, denn die Deutsche Bahn wartet auch nicht und ich hab ja noch einen Zug zu erwischen. 

Nach bis hierhin rund 100 Minuten AC/DC reicht mir das aber auch, selbst wenn noch ein paar Hits ausstehen. Und gemeinsam mit mir scheinen auch noch reichlich andere Besucher dem späteren Ansturm auf die S-Bahnen vorbeugen zu wollen. Am Ende wird AC/DC solide 140 Minuten gespielt haben, da kann keiner meckern. Dank der Lautstärke kann ich aber auch auf dem Weg zur Bahnstation noch ein paar Lieder mitnehmen – da verstehe ich auch die paar hundert Fans, die es sich vor dem Stadion mit Bierchen und Klappstuhl gemütlich gemacht haben. Komplett ausverkauft war die Show nicht, in diesen Fällen waren wohl eher die Ticketpreise ausschlaggebend.

Ich steige jedenfalls zufrieden, erschöpft und nassgeschwitzt in die Bahn, öffne meine Streaming-App und fahre in den Feierabend. Auf die Ohren gibt es jetzt erstmal eine Runde Jurassic Park Soundtrack.

Setliste AC/DC: Intro; If You Want Blood (You've Got It); Back In Black; Demon Fire; Shot Down In Flames; Thunderstruck; Have A Drink On Me; Hells Bells; Shot In The Dark; Stiff Upper Lip; Highway To Hell; Shoot To Thrill; Sin City; Rock 'n' Roll Train; Dirty Deeds Done Dirt Cheap; High Voltage; Riff Raff; You Shook Me All Night Long; Whole Lotta Rosie; Let There Be Rock; Zugaben: T.N.T.; For Those About to Rock (We Salute You)


Text und Fotocredit: Chris Schantzen

Redakteur:
Chris Schantzen

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