ARTILLERY, TOXIC HAZARD und THRASHING PUMPGUNS - Hamburg
10.12.2025 | 22:0814.11.2025, Logo
Dreimal schön auf die Zwölf!

Kennt Ihr das auch? Ihr habt bereits seit langer Zeit das entsprechende Konzertticket, aber just am Stichtag will sich partout nicht die dafür erforderliche Vorfreude einstellen? Es ist Freitag, der sich seltsamerweise allerdings wie ein klassischer Sonntag anfühlt. Das Wetter grau-trübe, der Regen endlos, und auch sonst steht mir der Sinn heute nach vielem (Tee, Lesen, Couch, Schlafen...), Thrash Metal steht da allerdings leider nicht ganz oben auf der Liste. Damit ich aber ein wenig in Stimmung komme, erledige ich kurzerhand ein paar offene Review-Arbeiten und lasse dazu ein paar Capricci von Paganini im Hintergrund laufen.
Wenn mir schon selbst zuhause nicht der Sinn nach Metal steht (und das kommt so besonders häufig nun wirklich nicht vor), so muss es dann eben der italienische "Teufelsgeiger" richten und sein Bestmöglichstes tun, um mich hier langsam in Wallung für den Abend zu bringen. So verstreicht die Zeit, und als die Dunkelheit bereits lange eingebrochen ist, werfe ich mich in schwermetallische Schale und schlurfe nur geringfügig euphorischer zum Bus, der mich Richtung Venue im netten Hamburger Studentenviertel kutschiert.
Dort eingetroffen erschrecke ich mich doch kurz über die anwesende Schar an Leuten, denn die Anzahl beläuft sich wohl auf nicht mehr als fünfzig, sechzig Nasen roundabout. Dafür, dass hier heute eine der edelsten und langlebigsten Power Thrash-Bands aufspielt und on top noch zwei perfekt passende Support-Acts mit im Schlepptau hat, ist das nach meinem Dafürhalten doch viel zu wenig. Kannste aber machen nix, und so besorge ich mir schnell ein kühles Flaschenbier und stelle mich entspannt dorthin, wo für gewöhnlich der Moshpit tobt.
Denn die Hamburger Lokalmatadore THRASHING PUMPGUNS stehen zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Bühne. Allerdings lungern neben mir nur eine Handvoll Leute, der Rest vom Schützenfest hat es sich schüchtern eher im hinteren Bereich oder auf einem der zahlreichen Barhocker bequem gemacht. Von den gerade musizierenden Herren habe ich bis dato allerdings noch nie etwas gehört, und ich frage mich ernsthaft nach dem Grund hierfür, schaffen es die Mucker doch, den tagsüber doch sehr phlegmatischen Schreiber dieser Zeilen in nullkommanix auf Hochtouren zu bringen. Wer hätte das für möglich gehalten?
Selbst verortet sich die Band, wie ich später erfahre, im "New Wave Of Metal Punk". Kann man so stehen lassen, denn verdammt schnell und schnoddrig kann die Kombo da oben auf den Brettern aus dem sprichwörtlichen FF. Es sind aggressive und vor allem sehr kurze Nummern, die man uns hier eine nach der anderen um die Ohren ballert. Fans von alten SLIME und WIZO, aber auch RUMBLE MILITIA und EXPLOITED kommen hier also vollumfänglich auf ihre Kosten.
Sänger Rolf erinnert vom Habitus her ein wenig an ROSE TATTOO-Frontröhre Angry Anderson und schafft es, glaube ich, fast den gesamten Auftritt über mit einer Buddel Becks in der Kralle zu absolvieren. Und das war nicht immer dieselbe Flasche. Aber auch die anderen Musikanten haben, mit oder ohne Bölkstoff, hier ordentlich Spaß in den Backen und lassen sich eventuellen Frust über die karge Anzahl an bang- und tanzwütigen Nasen vor der Bühne nicht anmerken. Schlagzeuger Viktor entpuppt sich darüber hinaus als technisch verdammt versierter Handwerker, bei dem ich mich im Lauf des Auftritts nicht nur einmal frage, ob der gute Mann mit den Rasta-Haaren mal irgendwann einen Drumkurs bei Mr. Gene Hoglan himself belegt hat.
Nach einer knappen halben Stunde ist der Spaß vorbei, und Sänger Rolf, zwischen den Songs weder um einen flotten, sportlichen Spruch noch um den einen oder anderen zünftigen Rülps direkt ins Mikro verlegen, beendet den Gig dann auf einmal schon fast förmlich mit den Worten: "Viel Spaß mit den nachfolgenden Bands." Amtlicher Abriss, Freunde. Euch habe ich von nun an auf dem Schirm, allerdings in allerbestem und positivem Sinne.
Mit TOXIC HAZARD gibt sich nun gleich die zweite Band aus der schönen Hansestadt an der Elbe die Ehre. Hier habe ich immerhin schon mal den Namen gehört. Sänger Michael "Warp Michi" Baranowski kommt mir allerdings sehr bekannt vor. Da ich die Band aber vorher ebenfalls noch nie live gesehen habe, muss er mir wohl das eine oder andere Mal bei einem Konzert über den Weg gelaufen sein, who knows...
Die Kombo existiert bereits seit fünf Jahren, hat aber erst dieses Jahr ihr Debütalbum "Divisions Of Hate" auf den Markt gebracht, welches definitiv auch noch den Weg in die heimische Tonträgersammlung finden wird, denn: Auch dem Fünfer ist es relativ wurscht, dass heute leider viel zu wenig Kopfschüttler und andere Thrash-Maniacs den Weg ins Logo gefunden haben und liefert daher einfach gnadenlos ab, als ob der Laden hier kurz vorm Überkochen ist. Genau so muss das, liebe Freunde der gepflegten Stromgitarrenmusik.
Augenscheinlich hat die Band aber ihren eigenen feucht-fröhlichen und gut gelaunten Fanclub mitgebracht. Ein paar versprengte Getreue lassen ihrer prächtigen Laune in Form von Hool-Gesängen nämlich freien Lauf. Live-Club oder Fußballstadion? Egal, Hauptsache laut. Musikalisch erinnert mich das Ganze hier an Bands wie GAMA BOMB, MUNICIPAL WASTE oder auch die Halbnamensvetter TOXIC HOLOCAUST. "Hier kommt nun was Melodisches für Fallschirmjäger. Ihr könnt jetzt also gerne moshen!" Mich holen solche Ansagen selbst an so drögen Tagen wie heute enorm ab, so dass ich mit gutem Beispiel vorangehe und meiner Nackenmuskulatur mal ein wenig was abverlange. Dieselbe Idee haben nun auch ein paar Leutchen neben mir im Pit. Na also, geht doch.
Im weiteren Songverlauf wird nun dezent der Slaytanic Wehrmacht gedacht, denn Warp Michi stülpt sich kurzweg einen stattlichen Stahl- beziehungsweise Gefechtshelm in Camouflage-Farben, sowie eine respektable Porno-Sonnenbrille über, während die beiden Axtmänner zur linken und rechten ihre Gitarren malträtieren, die mehr Thrash nicht sein könnten: Gibson Explorer und Jackson Randy Rhoads, wenn mein Halbwissen mir hier keinen Streich spielt. Richtung Ende bietet man der Meute mit 'King Of The Pit' noch eine Krone aus Pappe(?) an, die der- oder diejenige mit den besten Bangerqualitäten am Ende des Songs ihr/sein Eigen nennen darf.
Wer die glückliche Person am Ende ist, entzieht sich leider meiner Kenntnis, da ich dringend einmal kurz Bier wegbringen muss, auf dem Weg zur Toilette aber von der Bühne noch irgendwas mit "Armdrücken" und "Kneipenschlägerei" mitbekomme. Humor haben die Herren da oben auf jeden Fall alle. Auch der Rest der Songs kann mich auf ganzer Linie überzeugen, so dass ich allen Old School-Thrashern da draußen nur dringlichst zum Kauf des Albums "Divisions Of Hate" raten kann, auch wenn ich auf Anhieb im Netz gar keine Kaufmöglichkeit von physischen Tonträgern ausfindig machen konnte. Aber vielleicht mag die Band uns ja mal einen Tipp geben, wenn wir den netten Abend hier auf den hiesigen sozialen Netzwerken verlinken.
Setliste: Sniper; Cold Death; Paratroopers; Divisions Of Hate; Toxic Hazard; King Of The Pit; Switchblade Blues; Pub Brawl Ball; Eaten Alive
Für den dritten Akt des heutigen Abends schnappe ich nun einmal ein wenig frische Luft draußen, bevor der Staffelstab dann erstmals an eine Nicht-Hamburger Band übergeben wird, wobei der dänische Heimatort von ARTILLERY von Hamburg nun auch keine Weltreise weit entfernt ist.
Die Dänen sind und bleiben neben den Holländern eines meiner europäischen Lieblingsvölkchen. Warum das so ist? Der Hauptroadie der Dänen ist hier heute mega chillig unterwegs und schleppt das Equipment mit stoischer Ruhe und in Flip-Flops an den Füßen von A nach B. Welch eine Augenweide.
Währenddessen spricht mich ein bekanntes Gesicht an, welches ich gelegentlich mal bei Konzerten erspähe. "Echt schade für die Band, so wenig Leute hier", raunzt er mir ins Ohr. "Isso", entgegne ich trocken. "Müssen wir hier halt umso mehr Gas geben".
Und genau so ist es eben auch, wenn wir die Hamburger Version von '40 Jahren "Fear Of Tomorrow"' trotz mauer Zuschauerzahl zu einem unvergesslichen Event machen wollen.
Denn genau so lange ist es her, dass die Dänen ihr sagenhaftes Debüt in die Welt schickten und seitdem bis zum heutigen Tage noch das eine oder andere sehr famose Album aufnehmen sollten.
Folgerichtig eröffnet man auch gleich mit zwei Killer-Tracks von besagtem Album. Auch die Band um Mastermind und dem einzig verbliebenen Gründungsmitglied Michael Stützer an der (ersten) Gitarre präsentiert sich heute von ihrer besten Seite.
Sänger Martin Steene, der 2023 den langjährigen Shouter Michael Bastholm Dahl ersetzt hat, springt hier nonstop von einer Bühnenseite zur anderen.
Es ist gar nicht so einfach, den guten Mann mit der langen, blonden Mähne fotografisch festzuhalten. Das gilt im Übrigen auch für den Rest der Mannschaft, die im Laufe des Auftritts gerne mal ihren anberaumten Stammplatz verlässt.
Lediglich Stützer hat keine Lust auf große Standortwechsel und verlässt seinen Platz, genau vor meiner Linse stehend, nicht ein einziges Mal, der Fotograf in mir findet das allerdings gar nicht so schlecht.
In vierzig Jahren Bandgeschichte hat man es darüber hinaus auf runde zehn Alben geschafft. Wenn man dann noch registriert, dass die größte Dichte an Alben in den letzten ca. fünfzehn Jahren stattgefunden hat, kann man sehr guter Dinge sein, dass da in den nächsten Jahren wohl noch das eine oder andere gute Album auf uns zukommen wird.
Drei Songs stammen übrigens vom 90er Werk "By Inheritance", welches wohl nicht nur ich hier zu meinen persönlichen Lieblingsalben der Gruppe zählen dürfte. Dass der heimliche Band-Hit 'Khomaniac' hier natürlich die meisten positiven Resonanzen hervorruft, stellt da natürlich keine große Überraschung dar.
Auch ansonsten lässt die Setliste keine großen Wünsche offen, außer dass ich mir vom letzten grandiosen Werk "X" statt 'Turn Up The Rage' lieber die Hymne 'In Thrash We Trust' gewünscht hätte, aber das ist dann natürlich das berühmt-berüchtigte Jammern auf hohem Niveau.
Denn abgesehen von drei Alben ("B.A.C.K.", "My Blood" und "Penalty By Perception") wird hier immerhin jede Platte mit mindestens einem Song bedacht. Die Zeit vergeht wie im sprichwörtlichen Flug, denn auf einmal ist die Band nach der vierten "Fear"-Dreingabe 'The Almighty' auch schon wieder verschwunden.
Aber natürlich gibt es noch zünftigen Nachschlag, und zwar in Form von 'Terror Squad' vom gleichnamigen zweiten Album aus dem Jahr 1987. Besser und nackenbrecherischer kann man die kleine Jubiläumsparty dann wohl auch nicht beenden. Verdammt schöner, geschmeidiger und bündiger Abriss war das!
Und die Moral von der G'schicht: Es lohnt immer wieder, den mal mehr oder weniger faulen Arsch von der Couch wegzubewegen Richtung Moshpit und lärmende PAs. Aber das wisst ihr natürlich selbst alle am besten, oder?
THRASH TIL' DEATH, MANIACS!
Setliste: Into The Universe; The Eternal War; By Inheritance; Turn Up The Rage; The Face Of Fear; Bombfood; Deeds Of Darkness; 10.000 Devils; Khomaniac; Legions; The Almighty; Zugabe: Terror Squad
Text und Photo Credit: Stephan Lenze
- Redakteur:
- Stephan Lenze







