AVANTASIA - Oberhausen
08.05.2023 | 22:1024.04.2023, Turbinenhalle II
Fantastisch, im wahrsten Sinne des Wortes
Bevor AVANTASIA zur Südamerika-Tour aufbricht und Mastermind und Spaßbacke Tobias Sammet unter anderem in Brasilien, Argentinien und Chile sein musikalisches Unwesen treibt, darf sich im Herzen des Ruhrgebiets die Turbinenhalle freuen, als Generalprobe für die anstehenden Ereignisse herzuhalten. Sprich: Das AVANTAStische Starensemble spielt die einzige Deutschlandshow am 24. April in Oberhausen, um sich für Südamerika einzustimmen. Und wir waren selbstverständlich für euch dabei.
Richtig, es ist Montag und verregnet. Trotzdem könnte die Laune spätestens nach Feierabend nicht besser sein, als es von Grevenbroich aus Richtung Oberhausen geht, um die wohl sehr gut bekannte Strecke Richtung Turbinenhalle zu fahren. A46, A57 und irgendwann sind wir in Oberhausen-Mitte angekommen, suchen uns auf dem Acker vor der Halle einen geeigneten Parkplatz, frieren auf dem kurzen Weg Richtung Hintereingang.
Dies ist aber der direkte Weg zur Turbinenhalle II, dem nur marginal kleineren Bruder der eigentlichen Turbinenhalle, die schon vor Beginn der deutschlandexklusiven Show sehr gut gefüllt ist. Nach und nach wird es voller, die Luft wärmer, die Vorfreude größer. Richtig, nicht nur aus Deutschland sind die AVANTASIA-Fans heute nach Oberhausen gestürmt, um auch den einen oder anderen Gassenhauer der aktuellen "A Paranormal Evening With The Moonflower Society"-Scheibe zu bewundern, mit alten Schmökern zu träumen, sich von illustren Gästen verzaubern zu lassen und Herrn Tobias Sammet aus der Hand zu fressen. Es ist angerichtet.
Das Intro ertönt, 'You Shook Me All Night Long' wird lautstark mitgesungen, hier und da quetschen sich die letzten Zuschauerreihen nochmal zusammen, um bei 'Twisted Mind' und dem Beginn des heutigen Spektakels mittendrin zu sein. Das Raunen im Publikum wird laut, wenn es die kunterbunte Leinwand, die vielen versteckten Gimmicks und das Bühnenaufgebot des heutigen Abends sieht. Die Stimmung könnte sowohl vor als auch auf der Bühne nicht besser sein, weiß ein blendend aufgelegter Tobi charmant und mit diesem schelmischen Grinsen jeden Anwesenden zu verzücken. Der Sound ist eine Wucht, die Lichteffekte verpassen der Bühne einen gewissen mystischen Touch und AVANTASIA – und da dürfen auch Sascha Paeth, Miro Rodenberg, Felix Bohnke oder auch ein Herbie Langhans als Backgroundsänger nicht fehlen – ist vom Fleck weg auf Betriebstemperatur.
Nach einer sehr herzlichen Begrüßung reisen wir mit dem ersten Gastbeitrag durch die Zeit, strecken uns Richtung Licht und bemerken, dass nicht nur 'The Wicked', sondern auch PRIMAL FEAR-Koloss Ralf Scheepers mit 'Rule The Night' die Nacht fest im Griff haben – und zwar richtig! Im Duett mit Grinsekatze Sammet kommt Scheepers kraftvoller Gesang sehr gut rüber. Und je weiter die Spielminuten voranschreiten, desto mehr bemerke ich mein eigenes Grinsen auf den Lippen, eine Art Home-Coming-Gefühl, für das auch Eric Martin von MR. BIG verantwortlich ist.
Mit seinem obligatorischen Schal und Stimmvolumen gerüstet, merkt man auch Tobi immer wieder an, wie gern er mit ihm die Bühne teilt. Eric Martin ist halt kein Hampelpampel, sondern eben Eric Martin. Gut erkannt, lieber Tobi. Mit 'What's Left Of Me' und vor allem 'Dying For An Angel' hauen die beiden zwei exzellente Ohrwürmer in die Turbinenhalle, die durch die bereits angesprochenen Licht- und Leinwandeffekte noch viel mehr Volumen bekommen.
Weiter im Text geht es mit einem "The Mystery Of Time"-Klassiker, bei dem sich Ronnie Atkins hier und heute in "Unterhausen" die Ehre gibt. 'Invoke The Machine' und 'Book Of Shallows', das der PRETTY MAIDS-Blondschopf gemeinsam mit Adrienne Cowan zum Besten gibt, sitzen wie eine Eins und meine Herren, was kommt die Stimme der SEVEN SPIRES-Frontfrau doch druckvoll rüber. Hier und da stürmt Tobi auf die Bühne, macht nicht nur Gebrauch von seinen Entertainment-, sondern vor allem seinen gesanglichen Fähigkeiten und lächelt über beide Ohren, als MAGNUM-Oberhaupt Bob Catley die Bühne betritt. Auch hier darf es an weiblichem Glanz nicht fehlen und so darf sich Chiara Tricarico von RAVENWORLD an seiner Seite auszeichnen.
Dass nach 'The Story Ain't Over' auch der Titeltrack der Moonflower-Gesellschaft nicht fehlen darf, ist ebenso klar, doch dann folgt eine große Überraschung, die AVANTASIA aus dem Ärmel schüttelt. Denn als Ralf Scheepers nochmal die Bühne betritt und mit 'Angel Of Babylon' einen zuvor noch nie gespielten Track zum Besten gibt, ist die Freude beim Publikum mindestens genauso groß wie darauffolgend, als mit 'Kill The Pain Away', wieder mit Adrienne am Gesang, Oberhausen ein weiteres Live-Debüt vor den Latz geknallt bekommt. Das Publikum ist ohnehin Feuer und Flamme bei den Stücken, tanzt, singt, feiert, was das Zeug hält, und zeigt sich auch bei 'The Scarecrow' äußerst textsicher, das dank Ronnie Atkins erneut einen enormen Push erhält. Puh.
Leute, dies ist keine Generalprobe, dies ist ein Feuerwerk an guter Laune, wunderbaren Fantasiehymnen, einem Staraufgebot, das seinem Namen alle Ehre macht und einem charismatischen Strippenzieher, der mit AVANTASIA schlichtweg etwas Großes geschaffen hat. Gemeinsam mit Eric Martin darf sich nun auch der gute Herbie (u.a. FIREWIND) auszeichnen und 'Promised Land' seinen eigenen Stempel aufdrücken, ehe mit 'Let The Storm Descend Upon You' die Ghostlights erleuchten.
Es ist eine wunderbare, sehr intime und fantastische Atmosphäre, die das gesamte AVANTASIA-Konstrukt zuvor, bei diesem Song sowie bei den folgenden, unsterblichen Gassenhauern 'Avantasia' mit Eric und 'Farewell' mit Adrienne beherrscht. Dieser gesamte Auftritt ist schlichtweg großartig.
Als Trio singt es sich am besten, ehe wieder die Leinwand in vollem Glanz erstrahlt und Herbie, Ralf und Bob gemeinsam 'Shelter From The Rain' dem Publikum zu Fraß vorwerfen. Dieses wie auch Tobi selbst kommen ob dieser grandiosen Stimmung, dieser – man kann es jetzt schon sagen – durch und durch gelungenen Generalprobe aus dem Grinsen kaum heraus. Anschließend bleibt Catley auch direkt auf der Bühne, um mit seiner Ausnahmestimme 'Mystery Of A Blood Red Rose' zu kredenzen. Ein Hit-Bombardement vom Allerfeinsten.
Doch auch der tollste Konzertabend endet irgendwann, aber Tobi schickt uns nach einer kurzen Verschnaufpause nicht ohne 'Lost In Space' und Chiara nach Hause, ist auch sichtlich glücklich ob des geglückten Abends und bittet mit dem finalen "The Metal Opera"-Doppeldecker 'Sign Of The Cross'/'The Seven Angels' all seine Wegbegleiter auf einmal auf die Bühne. So eng der Bühnenplatz nun zu sein scheint, so groß und leuchtend erstrahlen doch auch die Augen der Zuschauer, all ihre Lieblinge gleichermaßen auf der Bühne zu sehen.
Setliste: Twisted Mind, Reach Out For The Light, The Wicked, Rule The Night, What's Left Of Me, Dying For An Angel, Invoke The Machine, Book Of Shallows, The Story Ain't Over, The Moonflower Society, Angel Of Babylon, Kill The Pain Away, The Scarecrow, Promised Land, Let The Storm Descend Upon You, Avantasia, Farewell, Shelter From The Rain, Mystery Of A Blood Red Rose, Lost In Space, Sign Of The Cross/The Seven Angels
Und so macht AVANTASIA in all der Kompakt- und Gesamtheit letztendlich damit den Deckel auf eine Show der Superlative, die einerseits voller Bombast und Extravaganz keine Wünsche offen ließ, andererseits aber auch ob des Turbinenhalle II-Umfelds doch auch Platz für Intimität und sehr viel Persönlichkeit ließ.
Unter tosendem Applaus verabschiedet sich das gesamte Arsenal an Gesangs- und Instrumentalkönnern von der Bühne und so muss auch ich mich ein paar Minuten setzen, um das gesehene Spektakel, diesen durch und durch wahnsinnig tollen Auftritt zu verdauen. Wir treten die Rückreise an und im Spiegel betrachtet sehe ich doch den einen oder anderen zusätzlichen Funken in meinen Augen. Mit allerlei Ohrwürmern und reichlich Fantasie im Kopf beschenkt, bleibt mir die AVANTASIA-Generalprobe am heutigen Montag auch künftig in wunderbarer Erinnerung.
- Redakteur:
- Marcel Rapp