Ad Vesperum - München

27.05.2008 | 15:44

16.05.2008, Neuland

Wer hätte das gedacht? Da denkt man sich, man geht lediglich auf ein nettes Konzert, lässt sich seinen Freitag Abend nach einer anstrengenden Woche versüßen, trifft ein paar Leute ... und wird gebeten, einen Bericht über genau jene Veranstaltung zu schreiben. Da habe ich natürlich nicht lange gefackelt und kann Euch so von ein paar tollen - mehr oder weniger bekannten - Bands aus München und Umland berichten.

Die Rolle des Openers haben heute SAECULUM OBSCURUM inne, welche ihren ersten Auftritt vor versammelter Meute haben werden. Apropos versammelte Meute: Normalerweise muss ich mich an irgendeiner Stelle in den Konzertberichten über Münchener Veranstaltungen über die mangelnden Zuschauerzahlen und die Ignoranz der Metalfans gegenüber jungen Nachwuchsbands aufregen. Ganz anders heute: Der kleine Saal im Neuland (der mir bis dato unbekannt war) ist gut gefüllt und aus sicherer Veranstalter-Quelle weiß ich zu berichten, dass das Soll für eine erfolgreiche Veranstaltung von 60 Besuchern locker erfüllt wurde. Grob geschätzt würde ich sagen, dass vielleicht knapp 100 Leute da waren. Auf jeden Fall brummt der Laden und die Anzahl der Zuschauer passt gut zur Größe der kleinen Halle.

Und so kommt es, dass sich SAECULUM OBSCURUM pünktlich um zwanzig vor Neun einer amtlichen Menge sabbernder und neugieriger Metall-Sommeliers gegenüber sehen. Das hält sie allerdings keinesfalls davon ab, ordentlich Gas zu geben und uns zu Beginn zwar noch recht statisch ihren Mix aus Death und Thrash, aus alten PANTERA- und SLAYER-Riffs, immer gewürzt mit einer ordentlichen Menge Melodie, um die schlackernden Ohren zu feuern. Ein erklärter Hingucker ist der 7-Saitige Bass, der mit außerordentlicher Hingabe auch in Bass-untypische Regionen malträtiert wird und dem Sound des Quintetts eine interessante Note zu verleihen weiß. Mit der Zeit taut auch die Band auf, der Sänger, Thorsten mit Namen, bereichert das Gesamtbild durch seine ganz eigene, wirklich abgefahrene Art zu bangen und mag auf diesem Weg auch die Bewegungsfaulheit der anderen ein wenig ausgleichen. Aber hey, das ist das erste Konzert der Band und da kann man getrost das ein oder andere Auge zudrücken, denn musikalisch gibt es überhaupt nix zu meckern. Über den Soundbrei, der uns aus den Boxen entgegen schallt, gibt es allerdings außerordentlich viel zu meckern. Was der Mischer dort fabriziert, ist weitab jeglicher mischerischer Kompetenz zu werten. Junge, Junge, da kann die Band noch so gut sein, diesen auditiven Mist kann niemand auf der Bühne kompensieren. Traurigerweise bleibt der Sound auch bei der nächsten Band beschissen und wird im Laufe des Abends zwar noch besser, richtig gut aber keinesfalls.

Nach dem letzten Song, eingeleitet durch ein ein nettes Bass-Intro, bleibt festzuhalten, dass SAECULUM OBSCURUM eine Fülle an guten Ideen, viel davon gezeigt und noch mehr Potential haben. Ich bin gespannt auf das nächste Konzert, dann sollten die Herren auch die unnötige Unsicherheit abgelegt haben; die ist nämlich völlig Fehl am Platz, wenn ich mir das frenetische Feedback und die mehrstimmigen Zugaberufe anhöre.

Setlist:
From The Shadows
The Great Mortality
The Endless Journey
Hiba Kusha
Decay Of Humanity
Dark Infection
Eon's End - The Prince Of Tyrus

Um 21.40 wird es Zeit für IZO. Lediglich der Drummer von SAECULUM OBSCURUM bleibt gleich, ansonsten ändert sich eigentlich alles. Die Besetzung, die Musik, ... bis auf den Sound; wie mir die Beteiligten gesteckt haben, ist auch der Sound der Monitorboxen, gelinde gesagt, beschissen, was dazu führt, dass die einzelnen Instrumente beim IZO-Gig zum Teil ein wenig auseinander laufen. Das ist aber nicht sonderlich schwerwiegend und fällt nur zu Beginn auf. Denn im Anschluss gehen alle gut mit, der Melodic Death mit Thrash-Einflüssen kann mitreißen und wir haben alle viel Spaß. Leider ist wie oben erwähnt der Sound immer noch Mist und der Gesang viel zu leise. Deshalb ist mir zu Anfang überhaupt nicht klar, dass sowohl Michael am Bass als auch Hulrik an den Drums singen.

Auch bei IZO gibt es eine kleine Premiere, denn an der zweiten Gitarre gibt Max sein Debüt. Dafür, dass die Jungs lediglich vier Wochen Zeit hatten, ihr Programm mit dem neuen Gitarristen einzustudieren, klappt das Ganze aber ausgezeichnet. Respekt! Mit der Übernummer 'Tranqulity' bedanken sich die Jungs artig beim Publikum und verlassen damit die Bühne mit meinem persönlichen Highlight der IZO-Setlist.

Setlist:
Last Rites
Nothing But Different
Hatred Arise
Life Has Changed
Tranquility

Nach einer Fülle technischer Probleme scheint das Konzert der Prog-Deather von NOUMENON unter keinem guten Stern zu stehen. Scheint ... denn tatsächlich treten die Jungs um Manu (Gesang und Git.) ordentlich Podex, nachdem die Probleme endgültig gefixt sind. Allein der Gesang ist viel zu leise. Anscheinend auch auf der Bühne, denn der ein oder andere geträllerte Ton der Jungs klingt ein wenig schief. Trotz allem ziehen sie das Set anständig durch und können definitiv begeistern. Gerade Richy an der Lead-Gitarre packt ein Solo nach dem anderen aus und bekommt von Beginn des Sets bis zum Schluss seinen Kopf gar nicht mehr unter Kontrolle. Klasse Junge (vor allem der kleine "Ich erkläre dir Welt"-Exkurs nach dem Konzert war sehr nett und hat mir die Augen geöffnet)! Der Sound der sympathischen Youngsters wird zum Ende des Auftritts immer besser, womit alle Beteiligten sehr gut leben können. Wahrscheinlich ist auch das der Grund, warum der Mischer nach dem Konzertabend nicht höflich zum Harakiri angestiftet wird. Mir gefällt die Musik, das Auftreten und das Songwriting auf jeden Fall sehr gut und so beschließe ich, mir die EP der Jungs zu besorgen (die es im übrigens kostenlos zum Downloaden gibt). Nicht zuletzt mit dem NEVERMORE-Cover 'The River Dragon Has Come' zeigen die Jungs ihr Potential. Deshalb: Merkt Euch den Namen!

Setlist:
Lack Of Reason
The River Dragon Has Come (NEVERMORE-Cover)
Torn Asunder
Expired World
In Vapor Mind

Bis OVER YOUR THRESHOLD die Bühne entern bleibt ein wenig Zeit, sich das Publikum zu betrachten. Erwähnenswert ist vor allem, dass sowohl die Akteure auf der Bühne als auch die zahlende Meute im Durchschnitt relativ jung sind. Von den alten Haudegen haben es tatsächlich nur wenige ins Neuland geschafft. Schade eigentlich, denn hier tritt der Nachwuchs auf. Fähig, heiß und mit viel Spaß bei der Sache. Aber ich hatte mir ja vorgenommen, nicht über das mangelnde Publikum zu nörgeln, weshalb wir den Blick schnell auf die Bühne lenken.

Dort versammeln sich Leo, Lukas, Thomas und Julian, zusammengefasst unter dem Namen OVER YOUR THRESHOLD. Nachdem wir in der Vergangenheit schon das ein oder andere Mal die Bühne geteilt hatten, gilt es für mich nichts Neues zu erwarten. Das klingt allerdings viel negativer als es tatsächlich ist. Denn bei unseren gemeinsamen Auftritten habe ich den Sound der Jungs zu schätzen gelernt. Auch heute fabrizieren die Jungs ein ausgezeichnetes Knüppel-Fest, bei dem jeder Song zu zünden weiß. Sei es 'Schizophrenia' gleich zu Beginn, das alle Talente vereinende 'Bootless Recreation' oder das prügelnde 'Burry My Daskside'. Der Mix aus modernem Death und klassischen Thrash/Heavy-Elementen macht nicht nur mir Spaß, sondern auch den anwesenden Nacken-Extrem-Sportlern, weshalb der Auftritt zu einem fröhlichen Massaker mutiert. Leider hört auch der größte Spaß irgendwann auf - allerdings heißt es ja auch: "Aufhören, wenn's am schönsten ist." Streng nach diesem Motto wird kurz vor halb Eins das letzte mal die "Persönliche Schwelle" übertreten. Wunderbarer Auftritt, mein Nacken dankt es mir immer noch.

Setlist:
Schizophrenia
The Abyss Between
Bootless Recreation
A Dreadful Blast Of Reality
Burry My Darkside
(noch) ohne Namen
Lie Infected

Wer mitgezählt hat, weiß, dass jetzt nur noch der Auftritt der Latinophilen AD VESPERUM aussteht. Diese in mehrfacher Hinsicht blutjunge Formation aus München hat in letzter Zeit ja ganz schön für Furore gesorgt. Selbst gestandene Musiker bekommen ein Glitzern in den Augen, wenn sie von den Fähigkeiten der Exil-Skandinavier (musikalisch versteht sich) schwärmen. Gut, ähnlich hoch sind dann auch meine Erwartungen vor Beginn des Auftritts. Allerdings wird meine Aufmerksamkeit zuallererst nicht auf die Musik, die Band oder sonst etwas AUF der Bühne gelenkt, sondern auf die Demographie vor der Bühne: Die erste Reihe besteht im wesentlichen aus Frauen. "Okay", denke ich mir, "musst du halt nochmal genauer hingucken, es könnten ja auch hermaphrodite IN-FLAMES-Nachwuchs-Metaller sein." Aber nein, sie lassen sich eindeutig als weiblich klassifizieren. Aber die viel interessantere Frage ist doch: Was haben die Jungs (und das Mädel - wobei das in diesem Fall wohl eher nicht von Belang ist) an sich, was die erhöhte Menge Weiblichkeit rechtfertigt? Ein Blick auf die Bühne lässt es erahnen: Felix, der Sänger, steht da in bester TYR-Manier mit entblößtem Oberkörper und entbietet seinen Astralkörper (?) der geifernden Menge. Wem's gefällt, nicht wahr? Aber hey, "Sex sells". Um auch etwas über die Musik zu schreiben: Ja, technisch großartig. Aber spätestens beim dritten Song fällt zumindest mir die ehöhte Gleichförmigkeit im Songwriting auf. Und spätestens beim vierten Song sind die Melody-Hook-Lines nicht mehr unterscheidbar. Möglicherweise liegt das aber auch an der fortgeschrittenen Stunde und dem damit erreichten Maximum persönlicher Aufnahmefähigkeit meinerseits. Den Leuten gefällts und so werden AD VESPERUM (für alle nicht-Latinophonen: "Bei Einbruch der Dunkelheit" oder besser: "Abends") gehörig abgefeiert und verbreiten noch ein letztes Mal Spaß und Laune.

Setlist:
The Beginning
Coma
The Traitors Calamnity
The Last Archetype
The Way Of Violence
Wet Grave
'Till Death
Excelled Eyes See No Victory
The Week Stop To Breath

Mit den letzten Tönen werden wir mit einem zufriedenen Lächeln nach Hause und damit auf die spezielle Münchener-MVV-Odyssee geschickt. Bleibt festzuhalten, dass die richtige Kombination junger Leute auf der Bühne die quantitativ richtige Kombination junger Leute vor der Bühne bedingen. Ein Erfolg für alle Beteiligten. Das ist schön zu hören und macht hoffentlich Mut für mehr Veranstaltungen dieser Art in München.

Redakteur:
Julian Rohrer

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