Amorphis - München
26.11.2007 | 11:3721.11.2007, Metropolis
AMORPHIS, SWALLOW THE SUN, INSOMNIUM
Dunkelheit. Nebel über der Stadt. Ich mache mich auf den Weg. Schatten begleiten mich durch die Straßen. Die Laternen beleuchten meinen Weg, weichen vor dem Schwarz der Nacht doch immer mehr zurück. Die Schatten flüstern mir zu und bringen mich auf die richtige Spur. Die feuchte Luft benetzt meine dunkle Kleidung, ein oder zwei Tropfen perlen von meiner schwarzen Lederjacke. Über mir schreit eine Krähe. Dieser ätzende Ton beschleunigt meine Schritte, lässt mich schneller laufen. Mein Ziel habe ich schon seit Monaten vor Augen. Ich habe mich darauf vorbereitet. Alles was ich brauche, um zu erreichen, wonach mir schon seit dem ersten Zusammentreffen gelüstet, ist bei mir. Es liegt mehr in der Luft als der späte Herbst. Heute wird es passieren. Heute werden sie mir nicht entkommen. Heute ist der Abend der Abende. Heute spielt AMORPHIS in München. Endlich.
Pünktlich um Acht sind wir vor Ort und finden eine recht amtliche Schlange vor dem Metropolis in München vor. Doch diese bewegt sich zügig und ist nach der gefühlten Zeit einer getrunkenen Halben auch schon überstanden. Das Metropolis ist gemütlich gefüllt, wir haben genug Platz, um unser Hauptquartier für diesen Abend auf dem Generalhügel zu beziehen. Der rasche Blick auf den Merchandise-Stand zeigt, dass die Preise recht human sind (18€ für das Tourshirt, 35€ für einen Sweater), der längere Blick auf die Preisliste der Bar stimmt weniger freundlich, muss man doch 3,50€ für ein Bierchen (0,5 l) berappen. Naja, aber auch daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt - und viel Zeit, um sich darüber aufzuregen, bleibt sowieso nicht, da pünktlich um halb neun INSOMNIUM die Bühne entern.
Habe ich eingangs erwähnt, dass ich mich auf diesen Abend vorbereitet habe, so gilt das nur für AMORPHIS. INSOMNIUM habe ich bis jetzt ebenso wie SWALLOW THE SUN geflissentlich ignoriert bzw. einfach nicht auf dem Schirm gehabt. Mit den Klängen eines Sonars beginnt dann das Intro der fünf Jungs, welches sich als Titelmelodie aus "Das Boot" entpuppt und, irgendwie stimmig, Lust auf mehr macht. Wasserbomben können wir nicht erwarten, Druck machen die Jungs dennoch von der ersten Note an und können über die Länge ihrer Spielzeit dem Münchner Publikum ordentlich einheizen. Die Jungs spielen einen grundsoliden Melodic Death Metal und haben mich mit der Erklärung, dass sie aus Finnland kommen, nicht sonderlich überrascht. Genau so hört sich der Sound von INSOMNIUM an. Lustigerweise haben die Jungs wohl erst auf späteren Alben einen Keyboarder eingesetzt, was dafür sorgte, dass der junge Mann bei den Nummern ohne Keys von der Bühne muss. Wir gehen davon aus, dass er wohl nach Minuten bezahlt wird und Rationalisierung auch in unsere Branche Einzug gehalten hat. Tatsache ist aber wohl, dass er von SWALLOW THE SUN ausgeliehen wurde, da er bei den Jungs wiederum mit auf der Bühne stand. Insgesamt machen INSOMNIUM einen sehr professionellen Eindruck. Das Stageacting ist vorhanden, vor allem die beiden Gitarristen bekommen für ihr Ganz-Körper-Bangen sieben von acht Aerobic-Bambis. Der Sound ist gut, lediglich der Gesang ist zu leise, was aber auch mit einer möglichen Heiserkeit/Krankheit des Sängers zusammenhängen könnte. Das ist schade, da die melodischen Teile des Gesangs im Wabern der restlichen Instrumente völlig untergehen. Dennoch ist der Spaß an der Musik sowohl auf, als auch vor der Bühne definitiv vorhanden. Im Überblick zeigt sich, dass sich das oft verschrieene Münchner Publikum nicht lumpen lässt und ordentlich Gas gibt. Dazu tragen sicher auch die Deutschen Ansagen der Sängers bei, der netterweise auch gleich noch Werbung für den eigenen Merchandise macht. Japp, das ist wirtschaftlich. Nach exakt 40 Minuten ist der ganze Spuk dann schon vorbei. Die Jungs hätten von der Reaktionen der Fans her locker noch länger spielen können und werden somit ordentlich abgefeiert. Am meisten Spaß gemacht haben mir 'The Killjoy' und 'Change Of Hearts'.
Tja, pünktlich wie die Maurer legen dann die Schnarchnasen von SWALLOW THE SUN nach einer zehn minütigen Umbaupause um viertel nach Neun einen dermaßen langweiligen Gig auf die Bretter, die die Welt bedeuten, dass wir statt Bier eigentlich nach Kissen und Schlafsack verlangen sollten. Aber gut, der Reihe nach: Eigentlich machen die Jungs wohl eine Art "sphärischen Rock" oder so etwas. Nach der druckvollen Einlage von INSOMNIUM bleibt aber nur wenig hängen: Tolle Intros (durchaus mal mit Doublebass) gehen über in langweilig melancholische Emocore-Songs, der Gesang ist völlig langweilig und uninspiriert, Stageacting ist schlichtweg nicht vorhanden, wird aber noch durch einen völlig apathischen Gitarristen getoppt (auf Drogen?) und die Reaktionen der Fans oder derer, die es nicht rechtzeitig vor dem Wegdösen an die Bar geschafft haben, sind dementsprechend. Nach kurzer Überlegung werden SWALLOW THE SUN für uns die "Kings of Bore Metal". Sorry an die Fans, aber ich kann nur hoffen, dass die auf Platte mehr hermachen. Mehr lässt sich über diese Band nicht sagen, außer dass der Schmerz nach wiederum 40 Minuten nachlässt. Die Jungs werden müde abgeklatscht, die Menge wacht so langsam wieder aus dem viel zu frühen Winterschlaf auf und macht sich bereit für die Offenbarung des Abends.
Exakt um Viertel vor Elf beginnt dann das Intro von AMORPHIS. Was nun folgt lässt sich schwer in Worte fassen: Von Anfang an geht die mit 350 Personen gut gefüllte Halle voll mit der Musik von AMORPHIS mit. Ich sehe die Jungs zum ersten Mal und bin von der ersten Minute an hin und weg von dieser Energie, dieser Leidenschaft und dieser Power. Selbst die ruhigen Parts, nein, gerade die ruhigen Parts, werden mit einer solchen Epik und Kraft vorgetragen, dass es einem schier die Tränen in die Augen treibt. Ja, die Jungs sind auf Platte genial, ihre wahre Macht entfalten sie jedoch live. Dazu trägt bei, dass AMORPHIS definitiv den besten Sound des Abends haben. Selbst der Gesang ist gut zu hören und macht diesen Abend zu etwas ganz besonderem. Apropos Sänger: Tomi Joutsen mag mit seinen ultralangen Dreads für den Satan-Normal-Kuttenträger vielleicht ein wenig befremdlich wirken, ist mit seiner Quirligkeit und seinem charismatischen Auftritt aber eine unglaubliche Bereicherung und schon jetzt der beste Frontmann des Abends. Auf jeden Fall jedoch steckt der gute Mann zum Mitmachen an - für uns gibt es kein Halten mehr. Zu 'Drowned Made' kommt dann nochmal der Sänger von SWALLOW THE SUN (ganz kurz, Junge: So eine Skatermütze hat auf einem Metalgig aber wirklich nichts zu suchen!) auf die Bühne und macht deutlich, wie weit die Unterschiede zwischen einem Sänger und einem guten Sänger auseinander liegen können. Für mich völlig unverständlich, dass dieser Hanswurst auf die Bühne gelassen wird, aber gut, man versteht sich wohl untereinander. Habe ich schon erwähnt, dass AMORPHIS eine Offenbarung sind? Wahrscheinlich schon. Hervorzuheben ist vielleicht noch, dass man an dieser Stelle auch dem Menschen am Licht ein großes Lob aussprechen sollte, da die Beleuchtung die Stimmung der Musik wirklich sehr gut umgesetzt hat. Nach knapp achtzig Minuten Spielzeit, einem vom Publikum getragenen Chorus zum Schluss und drei Zugaben werden wir dann in die kühle Münchner Nacht entlassen und können immer noch kaum glauben, was wir da eben erlebt haben. AMORPHIS waren einfach unglaublich.
Setlist:
Perkele
Leaves Scar
Servant
The Smoke
On Rich And Poor
Drowned Maid
Her Alone
Against Widows
Silent Waters
Sign From The North Side
Alone
My Kantele
The Castaway
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Towards And Against
House Of Sleep
Black Winter Day
- Redakteur:
- Julian Rohrer