Apocalyptica - Stuttgart

20.03.2003 | 05:53

15.03.2003, Theaterhaus

Nach der Veröffentlichung ihres Neuwerkes „Reflections“ war es klar, dass eine Tour zur Promotion des Albums auf den Fuß folgen würde. Selbige führte die Jungs von APOCALYPTICA neben vielen unzähligen Terminen auch nach Stuttgart, und zwar ins Theaterhaus im Stadtteil Wangen, welches normalerweise primär die Plattform für Theaterstücke und rein-klassische Konzerte bietet. OK, Perttu Kivilaakso, Eicca Toppinen und Paavo Lotjonen spielen zwar Cello, aber, wie so ziemlich jeder in den vergangenen Jahren mitbekommen haben müsste, auf eine brachialere Art und Weise als Mozart oder Händel.
Mit Kollege Thomas im Gepäck galt es gut eine halbe Stunde vor Auftrittsanfang der Streich-Metaller, der chaotischen Parkplatzsituation Herr zu werden, denn scheinbar hatte sich halb Stuttgart nach Wangen aufgemacht, um das Trio livehaftig zu erleben. Glücklicherweise schafften wir es kurz vor Beginn, erfolgreich Plätze in der Halle zu ergattern, die bereits bis zum Bersten mit Zuschauern angefüllt war – da hatte sich wirklich die halbe Stadt eingefunden... .

Mit „For Whom The Bell Tolls“ legten die vier Finnen schließlich um ca. 20.15 Uhr mit ihrem Programm los. Vier? Ja, richtig gelesen, neben dem eigentlichen Dreiergespann half Ex-Mitglied Antro Manninen wie schon auf einigen Touren der Prä-„Reflections“-Zeit am vierten Cello aus – angetan mit Anzug und Sonnenbrille hob er sich vom rockiger aufgestylten Rest der Gruppe ab und „erinnerte“, um einen Freund zu zitieren, „ein wenig an Marius Müller-Westernhagen“. Was aber natürlich nicht das Zusammenspiel der Truppe beeinträchtige, Manninen hatte absolut nichts aus den alten Zeiten verlernt und harmonierte perfekt mit seinen Ex-Kollegen. Und die ließen von Anfang an gehörig die Sau raus, bearbeiteten ihre Celli mit der gewohnten Mischung aus Härte und Einfühlungsvermögen und hatten binnen kürzester Zeit sämtliche Zuschauer in ihren Bann gezogen – heizten Songs wie „Romance“ und „Pray“ noch Gefühle und Gemüter auf, sangen zum anschließenden METALLICA-Klassiker „One“ Hunderte von Kehlen mit und die ersten Reihen vor der Bühne verwandelten sich in ein Durcheinander aus wirbelnden Haaren. A propos wirbelnde Haare: Eicca und Perttu ließen es sich gewohntermaßen nicht nehmen, eifrig zu den Songs mitzubangen und zu gröhlen, was zum SEPULTURA-Cover „Refuse/Resist“ mit einem quer über die Bühne laufenden und dabei weiterhin bogenschwingenden Perttu, dazu noch oben ohne (lecker! ;-) ), eine weitere Steigerung fand.
Eine kleine Pause läutete das Ende des ersten Showteils - der allein mit Songs früherer Alben aufgewartet hatte - ein, in deren Verlauf der Bühnenhintergrund in Form des „Reflection“-Covers beiseite geräumt wurde und den Blick auf ein dort positioniertes Schlagzeug freigab. Das konnte nur eins bedeuten: Jetzt kommt Stoff der neuen Platte! „Heat“ machte seinem Namen gleich alle Ehre und steigerte die Temperatur des Theaterhauses mit seinen schnellen Rhythmen, flinken Melodien und der sauberen Drumunterstützung um einige Grad; hinter den Fellen hatte zwar nicht Dave Lombardo platz genommen, aber an den Künsten des stattdessen agierenden Micca gab es beileibe nichts zu meckern, vielmehr zeigte er sich technisch absolut auf der Höhe und mit viel Dynamik bei der Sache. Durch den offensichtlich getriggerten Drumsound kam auch nie die Gefahr der Überdominierung der Celli auf, so dass sich der instrumentale Gesamtoutput sehr harmonisch und transparent präsentierte - das klang größtenteils sogar besser als die auf Silberling gebannten Studiofassungen.
Nachdem mit „Faraway“ ruhig-balladeske Töne angeschlagen bzw. angestrichen wurden, kehrte mit u.A. „Resurrection“, „Somewhere Around Nothing“ und „Cohkka“ das Tempo zurück, bis man nach einem kleinen Drumsolo von Micca (und somit Verschnaufpause für den Rest) „Nothing Else Matters“, untermalt von über Bühne und erste Reihen wehendem Kunstschnee und Trockeneis-Bodennebel, anstimmte. Gänsehautfeeling erster Güte und wiederum andächtig mitsingendes Publikum machten diese Darbietung zu einem der Highlights des Abends.
Zu „Inquisition Symphony“, als letzter Song des regulären Sets angekündigt, zogen APOCALYPTICA noch mal alle Register, Eicca und Perttu – zu Anfang noch auf Podesten rechts und links von der Bühne positioniert – spielten ihre Instrumente mit einem atemberaubendem Tempo in allen erdenklichen Positionen an stets wechselnden Plätzen, hämmerten mit auf das Schlagzeug ein und feuerten zusammen mit Paavo die Fans in den ersten Reihen an, Hammer! Einzig Antro blieb wie schon den ganzen Abend ruhig und allein auf seine Fingerarbeit konzentriert.
Keine Frage, so ein Abend durfte nicht ohne Zugaben bleiben: Die mit Drums untermalt gleich noch mehr fetzenden Nummern „Enter Sandman“ und „Path“ und als krönender Abschluss Griegs grandioses „Hall Of The Mountain King“ machten den Abend mehr als rund. Schweißtriefend und völlig KO, aber angesichts des überschäumenden Applauses über sämtliche Backen grinsend verließ die Band plus Ersatzmann und Percussionist nach mehreren schwungvollen Verbeugungen die Szenerie, nicht ohne sich vorher noch von Anhängern in der ersten Reihe Rosen als Dank für den gelungenen Gig abzuholen.

Verglichen mit dem guten APOCALYPTICA-Konzert, das ich mir 2001 in Tuttlingen angesehen hatte, übertrafen sich die Jungs in Stuttgart noch mal um ganze 100 Prozent.
Astreiner Sound, sympathische Protagonisten (können Ansagen finnischer sein als die von Herrn Toppinen?), die alles gaben, und dazu eine wunderbare Lightshow mit exzellent auf das Bühnenprogramm abgestimmten Farbspielen machten den Auftritt zum perfekten Erlebnis für Auge und Ohr. Schade nur, dass nach 90 Minuten schon alles vorbei war... .

Redakteur:
Kathy Schütte

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