BANG YOUR HEAD - Balingen
27.07.2017 | 22:4013.07.2017, Messegelände
Die zweiundzwanzigste Auflage des Rocktreffens im Süden!
Auf zum Endspurt. Nachdem uns der Headliner gestern ein eher zwiespältiges Vergnügen bereitet hatte, geht der Samstag völlig anders los. Kollege Walter Scheurer ist schon ganz früh dabei und lässt sich mal gehörig den Nacken massieren.
Auch wenn die Ruhrpott-Urgesteine an sich erst nach dem Ausfall von PARADOX ins Line-Up gerutscht sind, kann bei ASSASSIN keine Rede von "Aushilfskräften" sein. Viel zu ambitioniert legt die Formation am dritten Festival-Tag los und weiß von Beginn an für Stimmung zu sorgen. Thrash Metal zum Frühstück oder Frühschoppen funktioniert bekanntermaßen in Balingen immer und von daher überrascht es nicht wirklich, dass sich im Verlauf der Spielzeit der Platz vor der Bühne ordentlich füllt. Mit einem ausgewogenen Mix aus Klassikern und aktuellen, vom letzten Studio-Album "Combat Cathedral" aus dem Vorjahr stammenden Tracks, sorgt der Fünfer für Nackenmassage der gepflegten Art und knallt damit wohl selbst die letzten "Müdigkeits-Restbestände“ aus so manchem, inzwischen einigermaßen mitgenommenen und von drei Tagen Festival ausgelaugten Körper. Zwar ist die Stimme von Frontmann Ingo Bajonczak immer noch nicht jedermanns Sache, seine giftig-bissige Art, sein derber Charme und nicht zuletzt seine hingebungsvolle Performance lassen aber nicht nur aufhorchen, den Publikumsreaktionen nach zu schließen, hat Ingo sehr wohl auch neue Fans hier und heute gewinnen können. Generell lässt sich festhalten, dass der Auftritt von einer unglaublich intensiven Darbietung geprägt ist und ASSASSIN mühevolle Arbeit verrichtet um das Publikum zu erreichen. Das gelingt im Endeffekt ganz gut, denn beim Finale, der Band-Hymne 'Assassin' klappt das Mitsingspiel nach einigen eher zurückhaltenden Versuchen dann doch noch. Cooler Einstieg in den Tag, der mit einem Arbeitssieg für ASSASSIN endet.
Was für ein Kontrastprogramm. Erst prügelt mir ASSASSIN die letzten Vince-Neil-Gespenster aus dem Kopf, dann ist Partyzeit mit VAIN. Die Kalifornier durften schon vor drei Jahren auf der Hauptbühne ihren Glam- und Sleaze-Rock über das Messegelände blasen, jetzt sind Davy Vain und seine Hintermannschaft sogar mit einem neuen Album ("Rolling With The Punches") im Gepäck zurück. Weiterhin rockt ihr Sound, der irgendwo zwischen MÖTLEY CÜE, RATT und CINDERELLA anzusiedeln ist, sehr angenehm und Wirbelwind Davy reißt erneut barfuß viele Meter auf der Bühne ab. Neben dem Bandoberhaupt entpuppt sich vor allem der androgyn wirkende Gitarrist mit seinem leuchtorangenfarbenen Arbeitsgerät als "Eye-Catcher", während der Rest der Mannschaft zwar solide rockt, aber eher unauffällig bleibt. Immer wieder sucht der Sänger den Kontakt zum Publikum und animiert die noch etwas müden Frühaufsteher am laufenden Band. Auch er selbst sieht die Tageszeit eigentlich als viel zu früh für Rock ’n’ Roll an, nicht aber um diverse Anekdoten zwischen den Songs von sich zu geben. So siniert er etwa über die holde Weiblichkeit und ob es den nun besser wäre eine "Nice Pussy" als Freundin zu wissen, oder doch eine "Crazy Pussy". Das Publikum jedenfalls fühlt sich durchaus unterhalten, spendet fleißig Applaus und freut sich über ein paar coole, mitsingbare Melodien zum Mittagstisch. Das ist äußerst sympathisch und durchaus unterhaltsam. Diese Art von Musik funktioniert in Balingen halt irgendwie immer, ohne jedoch richtige Begeisterungsstürme zu entfachen. Als Aufwärmprogramm für den letzten Festivaltag passen die Jungs aus San Francisco aber perfekt, zumal auch Songs wie 'Secrets', 'No Respect' und '1000 Degrees' einfach stark sind. Als ganz besonders unterhaltsam erweisen sich das mit eher tollpatschig wirkenden, tänzelnden Bewegungen des Chefs dargebotene 'Love Drug' sowie die als Rausschmiss intonierte Granate 'Bite The Bullet'. Ich bin jedoch immer noch der Meinung, dass VAIN eher in einen kleinen, stickigen Klub gehören. Auf der großen Festivalbühne wirken sie manchmal noch immer etwas verloren. Trotzdem nett.
[Walter Scheurer] und [Chris Staubach]
Egal wann und wo die Gallagher-Brüder eine Bühne betreten, wenn RAVEN zum athletischen Rocken aufspielt, dann ist Action und eine feine NWoBHM-Party angesagt. Doch heute ist zunächst einmal etwas anders. Der lange dünne Veteran hinter den Kesseln fehlt! Leider hatte Joe Hasselvander vor kurzem eine Herzattacke und ist deswegen im Krankenstand, weswegen wir alle gute Genesungswünsche an den D.C.-Drummentor und Doomvater senden. Vertreten wird Joey bei den aktuellen Dates von Dave Chedrick und der junge Mann macht seine Sache als Veteranenantreiber richtig gut. Wobei die Veteranen an sich keinen Antreiber nötig haben, denn wer Mark und John Gallagher kennt, der weiß, dass die Herrschaften auch noch nach sage und schreibe 43 Jahren im Business noch Hummeln im Hintern haben. So toben die scheinbar nie erwachsen werdenden Brüder auch heute wie die Wilden über die Bretter, Blondschopf Mark malträtiert seine Klampfe, entlockt ihr die berühmten hektischen, speedigen Riffs und Leads und dreht ihr beim Gniedeln seiner unnachahmlichen Soli schier den Kragen ab. Dazu schneidet er natürlich Grimassen im Sekundentakt, während er von links nach rechts und wieder zurück fegt. Dabei muss er immer aufpassen, nicht mit seinem gegenläufig herumtobenden, den Bass verprügelnden und in sein Headset schrille Screams schreienden Bruder John zu kollidieren, was natürlich nie passiert. Gallaghers verstehen sich nach all den gemeinsamen Jahren auf der Bühne eben musikalisch wie athletisch blind, auch ohne Choreographie. Songs? Ja, die gibt's natürlich auch. Keine großen Überraschungen, würde ich sagen, aber dafür einfach tolle Hymnen am Fließband. Los geht's mit dem akuellen Stück 'Destroy All Monsters', bevor gleich vier große Klassiker am Stück serviert werden. Danach gibt's noch einen Song von "ExTermination", nur um dann Schlag auf Schlag nochmal die Hitparade zu spielen. Den meisten Jubel ernten dabei natürlich 'All For One', 'On And On' und die obligatorische Zugabe 'Break The Chain'. Doch damit ist heute nicht Schluss, denn fürs Finale haben sich die Raben heute das STEPPENWOLF-Cover 'Born To Be Wild' aufgehoben, das Udo Dirkscheider einst im Duett mit John Gallagher für eine RAVEN-Single eingesungen hat. Das passt dann auch besonders gut nach Balingen, denn bekanntlich ist Udo hier einer der größten Publikumslieblinge. Schade, dass er nicht für ein spontanes Duett zugegen ist, aber auch so geht die Meute begeistert ab, zu der alten Bikerhymne, in der erstmals die Worte "Heavy Metal" im musikalischen Kontext wirklich präsent waren.
Setliste: Destroy All Monsters; Hell Patrol; All For One; Hung, Drawn & Quartered; Rock Until You Drop; Tank Treads (The Blood Runs Red); Faster Than The Speed Of Light; On And On; Break The Chain; Born To Be Wild (STEPPENWOLF-Cover).
Als größte Überraschung des Festivals entpuppt sich der Auftritt der NWOBHM-Legende DIAMOND HEAD. Im Vergleich zu ihrem letzten Gastspiel beim Bang Your Head 2012 muss man der Formation nämlich attestieren, zu einer unglaublich fitten, blendend aufeinander eingestellten Einheit zusammengewachsen zu sein. Der Großteil der Songs funktioniert zwar schon seit verdammt langer Zeit, dermaßen frisch, unverbraucht und begeisternd klangen Songs wie der flotte Einstieg 'Wild On The Streets' oder 'Borrowed Time' jedoch lange nicht mehr. Nicht zuletzt durch die mitreißende Performance von Sänger Rasmus Bom Andersen, der sich zu einer echten Rampensau vor dem Herrn gemausert hat, kommen aber auch die vom brandaktuellen Dreher stammenden Nummern 'Bones' und 'Diamonds' verdammt gut an. Wenig verwunderlich daher, dass die Summe aus hingebungsvoller Bühnen-Präsentation (auch Brian Tatler hat einen überaus aktiven Tag, während sein Kollege Andy Abberley die Songs mit jeder Faser seines Körpers vorträgt, was für eine mitreißende Vorstellung!) und klassischem NWOBHM-Liedgut eine explosive Mischung ergibt. 'Lightning To The Nations', 'The Prince' und 'Heat Of The Night' machen den diesbezüglichen Anfang und lassen das Publikum nahezu völlig ausrasten, aber auch die Herren auf den Brettern wirken noch ein wenig motivierter und geben noch mehr Gas. Rasmus tobt wie von der Tarantel gestochen über die Bretter, nutzt jeden freien Zentimeter des Laufstegs, liefert dabei aber eine zu jeder Sekunde über jeden Zweifel erhabene, astreine Gesangs-Vorstellung! Respekt! Was in etwa vor der Bühne los ist, als es mit 'Shoot Out The Lights' und 'It’s Electric' in die Zielgrade der (leider nur) 50 Minuten Spielzeit ansteht, kann man sich nach den vorherigen Zeilen wohl vorstellen. Es ist jedoch sogar noch ein wenig lauter, denn die Klasse der Vorstellung lockt im Laufe der letzten Viertelstunde offenbar auch noch diverse Skeptiker in den Raum vor der Bühne um DIAMOND HEAD lautstark zu würdigen. Gemeinsam mit (zumindest wenn man die Lautstärke des "Gesangs“ im Publikum im vordersten Bereich als Maßstab nimmt) ALLEN Anwesenden bestreitet DIAMOND HEAD mit 'Am I Evil' das Finale der Show, die vielen Fans als unvergessliches Erlebnis lange in Erinnerung bleiben wird!
Die folgende Band VICIOUS RUMORS ist für mich eine zwiespältige Angelegenheit, und zwar aus mehreren Gründen. Da ist zum Ersten das sich ständig drehende Besetzungskarussell. Erst kürzlich hat Bandkopf Geoff Thorpe mal wieder seinen Sänger und seinen Gitarristen ausgetauscht. Immerhin, der Neue am Mikrophon ist ein Alter, sodass es ohne Thorpe selbst bei neun verschiedenen Sängern bleibt, von denen immerhin sieben auf Studioalben zu hören sind. Das führt mich zu meinem zweiten Kritikpunkt, nämlich dass die Setliste seit geraumer Zeit nahezu identisch ist und sich hauptsächlich auf die ersten vier Alben konzentriert. Klar, das sind schon mächtige Metalwerke, aber so schlecht sind die Songs der späteren 16 Bandjahre auch nicht. Und ich sage es mal ganz blasphemisch: So sehr viel besser ist "Digital Dictator" auch nicht, kam eben nur recht früh. Jedenfalls entert Geoff Thorpe mit seiner Mannschaft, von der Drummer Larry Howe aufgrund seiner langen Zugehörigkeit ebenfalls als relative Konstante besonders erwähnt werden sollte, die Bühne und spielt – genau, etwas von "Digital Dictator". Erst 'Worlds And Machines', dann den Titelsong, dann 'Out Of The Shadows'. Ja, gute Lieder, keine Frage. Habe ich nur eben schon häufig gesehen und gehört. Und komme mir jetzt kein Witzbold mit "sind doch immer andere Musiker". Davon abgesehen gibt es allerdings nichts zu mosern, tatsächlich rocken die Jungs sehr ordentlich. Instrumental ausgesprochen gut und Brian Allen am Mikrophon macht einen ziemlich perfekten Job. Was ich als "Coverband + Thorpe" bereits einer gewissen Vorverurteilung unterzogen habe, entpuppt sich als ausgeprochen unterhaltsame metallische Vollbedienung. Zumal VICIOUS RUMORS tatsächlich auch zwei Lieder von "Razorback Killers" auspackt, dem 2011er Album, das Brian Allen eingesungen hatte. Und wie damals folgt mit 'Dust To Dust' ein nur selten in der Setliste vertretener Song aus der Ära mit Carl Albert. Natürlich endet der Gig mit zwei absoluten Klassikern, und das ist auch angemessen, denn 'Soldiers Of The Night' und 'Don't Wait For Me' sind Mitsing-Meisterstücke, die so einem Festival angemessen sind. Nach einer knappen Stunde bin ich sehr angetan von diesem Auftritt und hoffe, dass Allen und am besten auch der neue Gitarrist langfristig dabei bleiben und ein stabiles Line-Up entsteht, sodass die Band auch mal Abwechslung in die Setliste bringen kann. Ich bin sicher, Allen kann auch Lieder der Alben singen, an denen er nicht beteiligt war. Wenn VICIOUS RUMORS mal aus ihrem ganzen Fundus schöpfen und das Ganze mit einer handvoll Klassiker anreichern würde, könnten die Auftritte spannender sein und es würde sich mehr lohnen, die Jungs regelmäßig zu sehen, denn die Chance gibt es ja mittlerweile jedes Jahr.
Setliste: Worlds and Machines, Digital Dictator, Out of the Shadows, Hellraiser, Let the Garden Burn, Murderball, Down to the Temple, Dust to Dust, Soldiers of the Night, Don't Wait for Me
Und schon steht die nächste Achterbahnfahrt der Gefühle an. Ich bin durchaus ein DOKKEN-Fan, doch die Gesangsleistungen von Namensgeber Don Dokken in den letzten Jahren sind unbestritten als gruselig zu bezeichnen. Und um es vorweg zu nehmen, nein, Gitarrist George Lynch ist nicht mit am Start. Die Reunion war wohl tatsächlich eine einmalige Sache für die japanischen Fans und des schnöden Mammons wegen. Die aktuelle Hintermannschaft kann sich aber ebenfalls mehr als sehen (und hören) lassen: An der Klampfe zockt John Levin, den Bass zupft Chris McCarvill und am Schlagzeug sitzt natürlich "Wild" Mick Brown. Und ganz ehrlich, was ist das denn für eine geile Old-School-Setlist, die uns die Herrschaften da spendieren? Fast ausschließlich nur Kracher der Frühphase, die den Frontmann zwar gesanglich vor noch größere Herausforderungen stellen, aber zumindest der Fanseele schmeichelt. Die Kalifornier verfügen über einen solch immensen Backkatalog, so dass einige Songwünsche automatisch nicht berücksichtigt werden können ('Unchain The Night'!). Doch das ist angesichts solcher Perlen wie 'Into The Fire', 'The Hunter', 'In My Dreams', 'Breaking The Chains', 'Alone Again', 'Dream Warriors', 'Tooth And Nail' oder 'Kiss Of Death' Jammern auf allerhöchstem Niveau. Hier wird deutlich, warum die Amerikaner vor allem Mitte bis Ende der Achtziger zu den absoluten Superstars des melodischen Hardrocks in den USA zählten und zu Recht einen Eintrag in die rockigen Geschichtsbücher bekommen haben. Und doch ist und bleibt Don der große Streitfall. Der 64-jährige schreitet eher schwerfällig und teilnahmslos über die Bühne und ist mehr Beiwerk als Mittelpunkt (ganz anders zum Beispiel als ein sogar noch leicht älterer Biff Byford am Donnerstagabend). Dons Gesangslinien sind überwiegend mindestens eine Oktave tiefer angesiedelt und versprühen daher leider nicht mehr den eigentlichen Charme. Nimmt man darauf alters- und evolutionsbedingt Rücksicht, ist der DOKKEN-Auftritt immerhin solide und durchaus kurzweilig. Ich fühle mich auf jeden Fall sechzig Minuten lang gut unterhalten.
Setliste: Don’t Close Your Eyes, The Hunter, Kiss Of Death, Into The Fire, Breaking The Chains, Dream Warriors, Alone Again, Maddest Hatter, Too High To Fly, In My Dreams, Tooth And Nail
Mir gefällt es in Balingen immer ganz gut, wenn ab und an ein härterer Farbtupfer eingestreut wird. An dem scheiden sich zwar oft die Geister, aber für mich sind diese Auftritte meist eine willkommene musikalische Abwechslung. Ich bin kein ausgewiesener Fan der Kanadier KATAKLYSM, aber ihr brutaler Death Metal hat mich vor ein paar Jahren auf dem Rock Hard Festival fast aus dem Amphitheater geblasen. Gespannt erwarte ich nichts weniger als ein Schlachtfest im Hochgeschwindigkeitsrausch. 'Breaching The Asylum' und 'The Black Sheep' geben auch direkt die Richtung vor, doch irgendwie will es heute nicht ganz so gewaltig sein. Bin ich zu alt? Keine Ahnung, die Klampfen sägen, der mächtige Wirbelwind Oli Beaudoin lässt die Arme wie gewohnt kreisen und überholt sich mit seinen Füßen fast selbst und Brüllwürfel Maurizio Iacono frisst das Mikrofon fast. Alles wie gehabt also. Doch vielleicht passt das Quartett dann doch nicht so richtig hierher? Vielleicht ist der musikalische Bruch zwischen DOKKEN und Michael Schenker selbst für mich zu viel? Ich weiß es nicht genau, jedoch wird der Vortrag, trotz guter Songs wie 'Thy Serpents Tongue', 'Crippled & Broken', 'As I Slither' oder 'Taking The World By Storm', mit fortlaufender Spielzeit etwas eintönig. Die Liebhaber der etwas härteren Gangart haben aber sichtlich ihren Spaß in den ersten Reihen und auch die Moshpits sind mehr als amtlich. Ich hole mir trotzdem dann lieber noch schnell ein Bier und genieße das Ende der Show aus sicherer Entferung bei langsam untergehender Sonne. Weitermachen.
Zu einem "FEST" der besonderen Art lädt am Samstagabend Gitarren-Held Michael Schenker, der sich in Balingen zum einzigen Mal in dieser Saison im deutschsprachigen Raum auf einer Festival-Bühne die Ehre gibt. Bei schlicht traumhaften Sound-Verhältnissen in allen Bereichen des Geländes, zeigt der topfit wirkende Michael zunächst seine unumstrittene Fingerfertigkeit an seinem Arbeitsgerät, ehe er zum ersten Mal an diesem Abend auch die Moderation der Show übernimmt und mit Gary Barden den ersten seiner Gäste präsentiert. Der zeigt sich in der feinen Darbietung von 'Let Sleeping Dogs Lie' als stimmlich überaus fit, wirkt jedoch irgendwie "hibbelig". Dennoch, den Grundstein für einen ausnahmslos bejubelten Auftritt kann die Formation - zu der übrigens auch die alten MSG-Recken Chris Glen, Ted McKenna und Steve Mann zählen - damit legen. Es folgen 'Attack Of The Mad Axeman' und 'Armed And Ready', wobei sich Gary deutlich gelöster zeigt und seine offensichtliche, anfängliche Nervosität ablegt. Sein Bühnen-Gebaren fällt zwar später noch einmal eher eigentümlich auf, an seiner Gesangs-Performance dagegen gibt es nichts zu Meckern.
Mit dem nächsten Instrumental 'Coast To Coast' leitet Michael elegant in den nächsten Show-Block über und begrüßt Graham Bonnet auf den Brettern. Der erweist sich einmal mehr als Dressman der besonderen Art und setzt mit seinem rosafarbenen Jackett einen selbst aus weiter Entfernung erkennbaren farblichen Kontrast zu den vorherrschenden dunklen Bekleidungsfarben. Als "auffällig" muss seine Vorstellung generell bezeichnet werden, leider jedoch nicht unbedingt positiv. Leider liegt er nämlich nicht nur in seiner ersten Nummer 'Desert Song' einigermaßen neben der Spur, auch 'Dancer' und 'Assault Attack' hat man von ihm schon eindrucksvoller gesungen gehört, auch wenn sich Graham gegen Ende doch einigermaßen treffsicherer erweist. Doch das ist der einzige Kritikpunkt an der Show, der auch schon bald kompensiert werden kann. Überaus positiv überrascht nämlich danach Robin McAuley, den Michael nach 'Captain Nemo' zu sich auf die Bühne bittet. Der gute Mann ist nicht nur als Performer auf der Bühne gereift und erweist sich als die "Rampensau" schlechthin, auch seiner Stimme hat die langjährige Szene-Absenz nichts anhaben können. Daher klingen 'Bad Boys' und 'Save Yourself' nicht nur einwandfrei und frisch, seine kraftvolle Darbietung lässt die Nummern im Endeffekt sogar erheblich knackiger klingen als die seinerzeit doch einigermaßen auf MTV und Radio getrimmten Originale. Das trifft an sich auch auf 'Love Is Not A Game' zu, das von Michael zusätzlich mit einem langen, melodischen Solo-Part angereichert wird. Dem Chef auf den Brettern merkt man generell seine Spielfreude an, weshalb die ebenso von McAuley gesungene Version des alten UFO-Klassikers 'Rock Bottom' zu einem wahren Feinschmecker-Menü für Gitarren-Freaks und SCHENKER-Fans im Speziellen gedeiht. Durch einen eleganten "Alleingang" in der Mitte auf gefühlte zehn Minuten gedehnt, erweist sich die Version als perfekte Hommage an die die legendäre UFO-Live-Scheibe "Strangers In The Night" und dürfte nicht wenigen Fans im Publikum die Freudentränen in die Augen getrieben haben.
Doch selbst bei unkontrollierbarer Euphorie hätte hier nichts passieren können, schließlich steht zum Abschluss der wohl berühmteste Rock-Medikus aller Zeiten auf der Bühne und wird von der Band und allen drei Sängern (Robin McAuley überzeugt erneut in allen Belangen, Graham Bonnet ist interessanterweise verhältnismäßig selten zu hören, Gary Barden indes scheint irgendwie völlig überdreht zu sein und versucht offenbar eher seinen Bewegungsdrang auf den Bretter auszuleben als zu singen) auf mitreißende Manier dem Publikum vorgestellt. Schade zwar, dass nach 'Doctor, Doctor' tatsächlich Schluss ist, dennoch muss festgehalten werden, dass sich Michael SCHENKER mit diesem "FEST" einen Gefallen getan hat, denn das Publikum zeigt sich wirklich begeistert und mehrfach sind Stimmen zu vernehmen, die MSG in ähnlicher Form und Verfassung als absolut Headliner-würdig betrachten. Hammer-Auftritt, Super-Setlist – Danke!
Die Schweden sind ein Beispiel der neuen Headlinergeneration, von denen es so beklagenswert wenige gibt. Noch immer müssen die üblichen Verdächtigen ran wie auch hier beim Bang Your Head wie SAXON, aber HAMMERFALL hat es geschafft und ist ein neuer, würdiger Vertreter, der auch Leute zieht. Ich persönlich bin jetzt nicht der ganz große Fan, auch wenn ich das Debüt "Glory To The Brave" vor zwanzig Jahren wirklich gerne gehört habe. Danach gab es bessere Alben und schwächere, aber niemals Totalausfälle. Das bedeutet zumindest eines: Nach zehn Alben können die Hector-Jünger aus dem Vollen schöpfen. Das erste, was auffällt, ist der großartige, glasklare Sound. Ich stehe etwas weiter hinten und genieße das Spektakel, das hauptsächlich aus großen Bannern und viel Licht besteht, ansonsten lässt HAMMERFALL die Musik sprechen, und bin ganz hin und weg. Ja, das ist der beste Sound des Festivals. Dadurch kommen die Gitarrenriffs natürlich noch einmal besser an und Sänger Joacim ist auch ganz offensichtlich gut in Form. Die zahlreichen hochgereckten Hände, die ich wie ein Meer vor der Bühne sehe, sprechen eine deutliche Sprache. Und war ich vorher noch ein wenig skeptisch, blasen die Skandinavier meine Bedenken schwermetallisch vom Areal.
Die Setliste sollte eine besondere sein, wurde angekündigt, eben wegen oben bereits erwähnten Jubiläums. Um das angemessen würdigen zu können, müsste ich die Band sicher besser kennen, aber war ich höre, ist eine mitreißende Aneinanderreihung von Power Metal Hymnen, eingängig und mitsinggeeignet, die es der Menge leicht machen, die Band abzufeiern. Natürlich gibt es auch einige Songs aus dem Debütalbum, neben einigen Ausschnitten vor allem die Kracher 'Dragon Lies Bleeding', der lange mein absoluter Lieblingssong war – danke, HAMMERFALL! – und das Titelstück. Da bleibt keine Kehle stumm! Dass es dann für mich bei den Zugaben nur bergab gehen kann, ist klar, aber damit stehe ich wohl ziemlich allein. Auch der Rest ist eine ziemliche Vollbedienung und HAMMERFALL erweist sich als guter Headliner auch für ein großes Festival. Die musikalische Leistung ist makellos und auch das Stageacting ist eines Headliners würdig. Klar, es passiert eigentlich sonst nicht viel, aber wir wollen ja auch Musik und nicht irgendwelchen Firlefanz. Und diesbezüglich hat HAMMERFALL geliefert und beendet das diesjährige Bang Your Head mit einem Höhepunkt.
Setliste: Riders of the Storm, Blood Bound, Any Means Necessary, Renegade, Dethrone and Defy, Last Man Standing, Let the Hammer Fall, Built to Last, Between Two Worlds, I Believe, The Dragon Lies Bleeding, Glory to the Brave, Zugabe: Hammer High, Bushido, Hearts on Fire
Samstag, 15. Juli - Halle
Der Andrang in der Halle lässt erkennen, dass die Show der erst vor wenigen Monaten gegründeten norddeutschen Formation THE UNITY mit Spannung erwartet wird. Die Band besteht bekanntermaßen aus den beiden GAMMA RAY-Recken Henjo Richter und Michael Ehré sowie den bis vor kurzer Zeit unter dem Banner LOVE.MIGHT.KILL aktiven Herren Stefan Ellerhorst (G), Jogi Sweers (B), Sascha Onnen (K) und Gianbattista Manenti am Mikro und nicht zuletzt auf Grund der Routine der Herren ist die Erwartungshaltung entsprechend hoch. Der wird das Sextett aber locker gerecht, zumal es sich von einer sehr spielfreudigen Seite zeigt und mit Vollgas loslegt. Speziell Gianbattista zieht von Beginn an die Blicke auf sich, da er nicht nur für astreinen Gesang sorgt, sondern vor allem in seiner Funktion als "Frontmann" vollends aufgeht. Man mag durchaus ironisch darauf verweisen, dieses Talent würde einzig durch seine italienische Herkunft begründet sein, was natürlich Quatsch ist. Viel mehr liegt es am Umstand, dass Gianbattista ein gewitzter Entertainer ist, der das Publikum nicht nur zum Mitmachen zu animieren versteht, sondern die Meute von Anfang an auch begeistert mitreißt. Mimik und Gestik passen generell, denn auch die beiden ihn flankierenden Gitarristen lassen erkennen, dass wir bei THE UNITY einer Gruppe von Vollprofis bei der Arbeit zusehen dürfen. Selbst in den technisch anspruchsvolleren Passagen suchen Henjo und Stefan immer den Augenkontakt mit dem Publikum und wissen durch große Posen ihren Sänger zu unterstützen. Tadellose Leistung! Das trifft selbstredend auch für ihre eher im Hintergrund agierenden weiteren Mitstreiter und ebenso für die satt aus den Boxen kommenden Background-Vocals zu. Die werden vom Publikum immer wieder lautstark unterstützt, weshalb die Show zu einer für alle Beteiligten unterhaltsamen und erfolgreichen wird. Kurzum, eine überaus gelungene Vorstellung der Nordlichter, die mit 'No More Lies' zudem einen mehr als nur potentiellen Chartbreaker im Talon haben. Gut möglich, dass die Bang Your Head-Premiere von THE UNITY eine Fortsetzung findet, schließlich passt das melodische Songmaterial perfekt ins Programm und zudem findet die Band auf Anhieb Anklang beim Publikum. Was will man mehr?
Während der Großteil der Fans nach dem überaus gelungenen SCHENKER-Fest mit Spannung den eigentlichen Headliner HAMMERFALL erwartet, zieht es die Speed Metal-Fanatiker hurtigen Schenkels in die Halle um sich zum Abschluss des Festivals ein letztes Mal amtlich die Rübe abzuschrauben. Dafür eignet sich der Sound des belgischen Quartetts EVIL INVADERS ganz hervorragend und von daher hat es die Band von Anfang an mit einer zwar überschaubaren, dafür jedoch mehr als nur interessierten Meute zu tun. Der Vierer gibt sich auch von Beginn an keine Blöße und legt eine schier unfassbare Energie an den Tag. Mindestens ebenso imposant wie die wilde Performance, die man durchaus der jugendlichen Unbekümmertheit der vier Burschen zuschreiben kann, ist selbstredend auch ihre Kompetenz an den Instrumenten. Schließlich wirkt das Material selbst in den obersten Geschwindigkeitsbereichen durchweg nachvollziehbar und angenehm rumpelfrei. Dadurch kommen die vom gefeierten Erstlingswerk "Pulses Of Pleasure" stammenden Tracks wie etwa 'Stairway To Insanity', das in gewisser Weise als Programm von EVIL INVADERS zu betrachtende, weil die Spielweise der Formation auf den Punkt bringende 'Fast, Loud 'n' Rude' und der Titeltrack einwandfrei zur Geltung. Aber auch die Ausblicke auf das im September erscheinende Zweitlingsalbum "Feed Me Violence“ stehen dem Material in dieser Hinsicht in nichts nach. Das von wahnwitzigen zweistimmigen Lead-Gitarren geprägte 'Mental Penitentiary' etwa kommt live verdammt gut rüber und lässt wahrlich Großes erwarten! Dennoch muss man den Belgiern wohl noch einen Tipp für die Zukunft geben: Für die Verwendung einer Nebelmaschine sollte man sich den Rat eines Experten sichern, denn das in meiner Heimat gerne gebrauchte Zitat "Vüü hüft vüü" (zu Deutsch: "viel hilft viel") ist in erster Linie ironisch gemeint... Es macht einfach viel mehr Sinn, dezent mit einem solchen Gerät umzugehen und mit Nebel für Atmosphäre zu sorgen als – wie das während der geschätzten ersten Hälfe des Sets der Fall ist – für dermaßen intensive Vernebelung zu sorgen, dass von den Musikern (wie auch von interessanten Details, wie dem zentral positionierten Mikroständer, der selbst Blackie Lawless neidig hätte werden lassen) optisch - selbst von der Frontrow aus - maximal schemenhafte Umrisse zu sehen sind. Da darüber hinaus auch nahezu der gesamte vordere Teil der Messehalle vernebelt wird, darf sich der Vierer nicht wundern, wenn die Band fortan als EVIL EINNEBLERS bezeichnet wird.
Und da ist es vorbei, das zweiundzwanzigste Bang Your Head Festival. Was im Vorfeld im Vergleich zu so einigen anderen Billings recht unspektakulär ausgesehen hatte, entpuppte sich als unterhaltsame Drei-Tage-Party mit einigen unerwartete Highlights. Abräumer waren, jeweils zumindest für den einen oder anderen von uns, ECLIPSE, SAXON, SATYRICON, VENOM, SEPULTURA, KROKUS, LEE AARON, MAGNUM, ROSE TATTOO, HAMMERFALL, VICIOUS RUMORS, DIAMOND HEAD und das MICHAEL SCHENKER FEST. Dem gegenüber stehen nur wenige Ausfälle. Als solche müssen leider die Leistungen von Vince Neil und DOKKEN bezeichnet werden. Sehr schade, vor allem bei letzterem, der in den Neunzigern live eine echte Bank war.
Für nächstes Jahr ist noch keine Band bekannt gegeben, aber ich bin sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird. Erste Gerüchte über einen Headliner machten natürlich vor Ort bereits die Runde, aber selbiger wird sicherlich erst nächstes Jahr bekannt gegeben werden, aus nachvollziehbaren Gründen. Deswegen halten wir natürlich auch dicht und sagen nur: Es war klasse. Und 2018 wird es bestimmt auch. Wie immer bei diesem schönen, altmodischen Festival mit einer Hauptbühne. Mehr brauche ich echt nicht.
- Redakteur:
- Frank Jaeger