BANG YOUR HEAD 2019 - Balingen

21.07.2019 | 16:10

11.07.2019, Messegelände

Drei Tage Metal im Schwabenländle!

Balingen, zweites Wochenende im Juli, Zeit für "bang das fucking Kopf, Mann!", wie es Messiah Marcolin vor einigen Jahren mal so treffend ausdrückte. In diesem Jahr ist uns das Wetter nicht ganz so hold, zwar ist es mal ganz schön, keine Angst vor Sonnenbrand habe zu müssen, aber im Nieselregen ist das Festival auch nicht optimal. Auf der Fahrt runzeln Kollege Rüdiger und ich ein wenig die Stirn, obwohl er im Zweifel lieber 15 Grad und Regen 30 Grad drückender Hitze vorzieht. Aber egal, ab jetzt ist Rock angesagt und wir freuen uns, auch noch Walter, Tommy, Thomas und Nives zu sehen. Leider musste unser Stammfotograf Frank Hameister, der sonst immer so großartige Bilder für unseren Bericht geschossen hat, kurzfristig aus privaten Gründen absagen und Nives und ich taten unser Bestes, ihn zu vertreten. Ich denke, 2020 wird er wieder am Start sein. Am Festivalgelände geht alles zügig und perfekt organisiert vonstatten und so sind wir schon während SORCERER auf dem Gelände und freuen uns auf das 24. BANG YOUR HEAD-Festival!

[Frank Jaeger]

 

Den Hamburgern STORMWARRIOR gebührt dieses Jahr die Ehre das Bang Your Head 2019 zu eröffnen. Erfreulicherweise hat sich um 11:30 Uhr schon ein ordentliche Anzahl an Headbangern vor der Bühne versammelt. Ich denke, nicht wenige der Anwesenden freuen sich auf die im Vorfeld angekündigte Old-School-Setliste. Neben dem nach zehn Jahren zurückgekehrten Schlagzeuger Falko Reshöft ist ebenfalls der 2017 mal kurz ausgestiegene Bassist Yenz Leonhardt mit von der Partie, was von den Fans mit großem Applaus bedacht wird, als Sänger und Gitarrist Lars Ramcke die Rückkehrer nochmal offiziell begrüßt. Ergänzt wird das aktuelle Line-Up von Björn Daigger an der Gitarre. Was ich am BANG YOUR HEAD schön finde, ist, dass bereits der Opener eine anständige Spielzeit bekommt. 50 Minuten hauen uns die vier Hanseaten ihren teutonischen Heavy Metal mit unbändiger Spielfreude um die Ohren. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mit dem Songmaterial leider nicht ganz so vertraut bin, aber nach diesem fulminanten Auftritt habe ich mir auf jeden Fall vorgenommen, diese Lücke zu schließen. Es hat sich mal wieder gelohnt, einer alten Tradition zu folgen und die Eröffnungsband auf dem BANG YOUR HEAD keinesfalls verpassen zu dürfen, egal ob man sie kennt oder nicht. Ich wurde so gut wie nie enttäuscht, so auch diesmal nicht.

Setliste: Signe Of The Warlorde; Sons Of Steel; The Axewielder; Lindisfarne; Heavy Metal Fire; Defenders Of Metal; Odinn's Warriors; Heading Northe; Iron Prayers

[Tommy Schmelz]

Die Vorfreude auf den SORCERER-Gig hat schon Monate zuvor meine Fantasie beflügelt. Die Band hat für mich mit "The Crowning Of The Fire King" einen Quantensprung gemacht und ich stelle mir vor, wie die Schweden-Doomer ihre anbetungswürdigen Hymnen gen Himmel senden, Strahlen der untergehenden Sonne mein Gesicht erwärmen, und ich Arm in Arm mit anderen Fans inbrünstig mitsinge, wenn die Feuerkönige gekrönt werden. Die Realität ist: es ist Mittag, es schifft, kaum einer scheint die Band zu kennen und noch dazu juckt mein infizierter Mückenstich wie Sau. Egal. Es ist SORCERER und besonders Anders Engbergs Vocals sind auch unter diesen Umständen ergreifend, allen voran beim mitreißenden 'Ship Of Doom' oder dem Titeltrack des aktuellen Albums. Allerdings bestätigt sich mein Eindruck, dass das ältere Material nicht ganz ebenbürtig ist und die eine oder andere Minute des Gigs deshalb ein wenig zäh verläuft. Ein voller Sound, filigrane Gitarrensoli und wie schon erwähnt eine großartige Sangesperformance gleichen dieses kleine Minus aber mehr als aus. So scheint nach dem Gig zumindest in meinem Herzen die Sonne.

Setliste: Sirens, The Dark Tower of the Sorcerer, Ship of Doom, Exorcise the Demon, The Crowning of the Fire King, The Sorcerer


Was kann ich zu AUDREY HORNE noch sagen? Ich habe schon ein paarmal von den phänomenalen Livequalitäten der Band berichtet und ich kenne Menschen, die nur wegen AUDREY HORNE auf dieses Festival gehen. Sie haben damit nicht unrecht, denn die Band ist schon wieder höchst engagiert, zeigt, dass die auch nach Jahren ungetrübten Spaß an ihrer Arbeit hat, und ist somit einfach mal wieder total super. Und die Norweger haben nun auch mal Hymnen: 'This Is War'! 'Audrevolution'! 'Pretty Little Sunshine'! 'Redemption Blues'! Oder der Partykracher 'Waiting For The Night'! Wer sie nicht kennt, sollte dies schleunigst ändern und AUDREY HORNE vor allem live erleben. Man wird dort feststellen, dass die Band alle Aspekte eines mitreißenden Stageactings inclusive auch optisch fulminanter Gitarrenduelle beherrscht, ohne dass es gestellt wirkt. Diese Norweger sind somit absolut würdig, eine prominentere Position im Billing einzunehmen, und würden dann auch total abräumen. Wetten, dass? [Zumal 'This Ends Here' von mir sehr vermisst wurde! - Frank]

Setliste: This Is War, Audrevolution, Blackout, Youngblood, Pretty Little Sunshine, Waiting For The Night, Blaze Of Ashes, Redemption Blues

[Thomas Becker]

 

Der erste Tag, die vierte Band, der, ja, dritte Höhepunkt, muss ich schon sagen. Aber für mich der größte, denn die Lokalmatadoren BRAINSTORM entern nun die Bühne. Die Band ist für mich auf ewig mit dem BANG YOUR HEAD verbunden, denn noch bevor ich überhaupt eine Scheibe der Süddeutschen hatte, hatte ich sie schon zweimal auf diesem Festival live erlebt, was mich dazu brachte, mir "Metus Mortis" zuzulegen. Seitdem bin ich ein echter Fan der Buben, die sich mit nahezu jedem Album noch steigerten und mit Andy B. Franck meinen Lieblingssänger aus deutschen Landen in den Reihen haben. Da kann also eigentlich nichts schief gehen, zumal Kollege Tommyund ich die Jungs Ende letzten Jahres bei der CD-release-Party erlebt haben und wissen, dass sie live einfach eine Granate sind. Heute treten sie als monochrome Freunde auf: weiße Hemden, schwarze Hosen. Na gut, eine Moderevolution ist das jetzt nicht gerade, aber die sollen ja auch Metal machen und nicht Fashion. Sieht aber ganz gut aus. Wie sagt der Schwabe? Passt schon.

Das aktuelle Album ist ein absoluter Hammer und davon ist man wohl im BRAINSTORM-Camp ebenfalls überzeugt und bestreitet gleich die halbe Setliste mit "Midnight Ghost"-Stücken. Und macht damit alles richtig! Die Lieder sind alle absolute Hymnen und dass zwischendurch mal eben in die Trickkiste in Form von 'Shiva's Tears' von "Soul Temptation" gegriffen wird, ist ein Fest für die langjährigen Fans. Dazu einmal 'Firesoul' und zwei Lieder vom großartigen "Liquid Monster" und das war es dann leider auch bereits. Der Regen hat nachgelassen, es tröpfelt nur noch ein wenig, das Publikum ist auf Betriebstemperatur, aber die 55 Minuten Spielzeit sind rum. Gefeierte 55 Minuten, wohlgemerkt.

Das Problem der teuren Headliner ist sicher nur eines, wenn man auf die immer gleichen, großen Bands schaut. Das BANG YOUR HEAD 2019 zeigt am heutigen Donnerstag schon einmal, dass man viel interessantere Acts engagieren kann. Wie wäre es denn mal mit diesem Lokalmatadoren als Headliner? Ich würde sie 120 Minuten lang abfeiern, versprochen, und ich glaube, viele würden es mir gleich tun. Also 2020 wieder im Billing, nur viel weiter oben, okay? Und dann aber auch mit etwas dicker aufgetragenen Effekten. Die junge Deko-Dame, die bei 'Jeanne Boulet (1764)' auf die Bühne kommt und eher wie bestellt, aber nicht abgeholt denn theatralisch vor dem Drumriser rumsteht und die Arme ausbreitet, war mehr Schwabengeiz als Show. Da geht noch was! Ansonsten ist BRAINSTORM tatsächlich mein Tagessieger!

Setliste: Devil's Eye; Worlds Are Comin' Through; Shiva's Tears; Revealing the Darkness; Jeanne Boulet (1764); All Those Words; The Pyre; Firesoul; Ravenous Minds


[Frank Jaeger]



Auf die Schweden um SOILWORK-Sänger Björn Strid hatte ich mich bereits im Vorfeld gefreut wie ein Schneekönig. Und auch wenn die Mucke mit Heavy Metal so rein gar nichts zu tun hat und mit Hard Rock vielleicht nur in Ansätzen, scheine ich nicht der Einzige zu sein, dem es so geht. Vor der Bühne ist es gut voll und auch ich begebe mich mitten hinein unter das partywütige Volk. Denn für nichts Anderes als geile Partystimmung sorgt das NIGHT FLIGHT ORCHESTRA. Für manchen gestandenen Headbanger mag es eventuell etwas befremdlich wirken, was da sowohl auf als auch vor der Bühne abgeht. Blickfang sind hierbei eindeutig die beiden in Pink gekleideten Backgroundsängerinnen mit fast schon hypnotischen Bewegungen und einem Dauergrinsen, dem man sich fast nicht entziehen kann. Mit Hits wie 'Sometimes The Word Ain‘t Enough', 'Satellite' und 'West Ruth Ave' verwandeln die Schweden das Festivalgelände in eine riesiges Partyareal, zumindest im vorderen Bereich, in dem auch ich mich befinde. Was weiter hinten abgeht, kann ich daher nicht beurteilen, aber vor der Bühne herrscht Partystimmung pur. Diese erreicht ihren Höhepunkt in einer Polonaise (!). Da kann sich auch Björn Strid das Grinsen nicht verkneifen. Selbst die Wolken haben hier keine Chance und zum ersten Mal an diesem Tage kommt die Sonne durch. Das NIGHT FLIGHT ORCHESTER zählt für mich zu den Gewinnern und absoluten Highlights des diesjährigen BANG YOUR HEAD-Festivals. Es sind gerade immer wieder die Bands, die auf den ersten Blick nicht so ganz ins Billing passen mögen, welche für die ganz besonderen Momente sorgen, für die ich dieses Festival so liebe. Wie wäre es nächstes Jahr mit ROYAL REPUBLIC Horst?

[Tommy Schmelz]

 

DREAM EVIL ist ein sehr gutes Album und ein guter Song. Wer sich danach benennt, muss also auch sehr gut sein. Oder? Ich verfolge die besagte Band bereits seit Jahren und muss leider sagen, dass es bei mir nie richtig gezündet hat. Doch heute kommt die große Gelegenheit! HARDCORE SUPERSTAR muss den Platz mit DREAM EVIL tauschen und mit einem Mal sind die schwedischen Vollblut-Metaller auf der Hauptbühne! Da machen sie gar keine schlechte Figur und bewegen sich mehr, als manche Band, die mit so großen Bühnen besser vertraut sind. Kleine Mankos sind das eher lustige Backdrop, dass etwas verloren wirkt auf der großen Rückwand, und das Schlendern des Sängers Niklas Isfeldt, das wahrscheinlich cool wirken soll, aber irgendwie unbeteiligt wirkt. Musikalisch ist das Ganze eben typischer, traditioneller Heavy Metal, den man in drei Qualitätskategorien einordnen kann. Sänger Isfeldt ist absolut großartig, die Songs sind gut, aber die Texte sind fortgeschrittenes Metalphrasen-würfeln. Hört mal: "Thunder! Lighting! Fighting! Heavy Metal in the night! Monsters! Dying! By axes! Bleeding in the burning light!". Und bei 'Chasing The Dragon' muss ich laut lachen, das geht tatsächlich so: "We were chasing the the dragon, We were searching everywhere". Als mein Kollege auf den Boden guckt und "put put put" macht, um den Drachen anzulocken, ist es mit jeder Ernsthaftigkeit vorbei. Fazit: ordentlich, aber leider auch mitzunehmender Dauer ermüdend. Hat also mal wieder nicht gezündet und dass ich zwischendurch mal in der Halle mitrocke und es mich da mehr mitreißt, macht es auch nicht besser.



Den Auftakt für die Hallensaison macht I'LL BE DAMNED. Von den Dänen hatte ich bis heute noch nichts gehört außer einem Video im Internet bei der Vorbereitung auf das Festival. Was zuerst auffällt ist der Sänger, der wie ein echter Hardrocker aussieht. In den Videos der Band schaut der aber ganz anders aus! Ist das wirklich der gleiche? Nein, ein bisschen Recherche bringt es an dern Tag: Anders ist nicht dabei, Mathias springt ein. Passt aber ganz ausgezeichnet, zumal er echt eine Rockröhre hat, die dem Sound der nordischen Nachbarn einen Kick in rauere Gefilde verpasst. Bei dem heutigen Wetter ist die Halle sowieso eine echte Wucht und die Temperaturen eher sommerlich. Dass es den Wechsel auf der Hauptbühne gegeben hat, dürfte I'LL BE DAMNED zugute kommen, denn man hat deutlich mehr mit den Superstars zu tun, als dass man schlecht träumt. Zwar scheint kaum jemand mit dem Material der Band vertraut zu sein, aber dafür hören viele sehr wohlwollend den modernen Hard Rock der Jungs, die sich sicher ein paar neue Freunde gemacht haben. Ich höre leider nur ein paar Songs, weil ich durch die Umstellung jetzt auch auf die Hauptbühne spicken muss. Im direkten Vergleich gewinnt hier aber die Halle.

[Frank Jaeger]



Das überaus rege Interesse an SOULFLY überrascht ein wenig, schließlich kredenzt Max Cavalera mit diesem Unternehmen nun nicht gerade zwingend jene Klänge, die der BANG YOUR HEAD-Festivalbesucher üblicherweise zum Frühstück zu sich nimmt. Doch wir wissen ja, wie das so ist mit typischen "Festival-Bands", und von daher ist es durchaus möglich, dass sich ein Großteil der Zuseher vor der Bühne einfach nur aus Interesse SOULFLY zu Gemüte führt.

Mit den Verführungskünsten des brasilianischen Haudegens hat man jedoch nicht gerechnet, dem gelingt es nämlich recht rasch, nicht nur die Neugierde des Publikums auf sich zu ziehen, sondern dieses auch zum Mitmachen zu animieren. So ist es zwar während der ersten Tracks noch verhältnismäßig ruhig im Pulk vor der Bühne, doch offensichtlich hat der Sound des Quartetts etwas Hypnotisches an sich und es gelingt dem Vierer binnen kurzer Zeit, zumindest die im vordersten Bereich positionierten Zuseher zum Mitmachen zu animieren. Dabei gibt es durchaus auch etwas zu sehen auf der Bühne. Das riesige Backdrop etwa mit dem Artwork des aktuellen Drehers "Ritual", das überlebensgroß hinter dem ganz offensichtlich bestens gelaunten Max platziert ist. Sofort ins Auge springen einem auch die brasilianischen Flaggen, die sowohl einen Verstärker zieren, als auch die Drums. Und dann wär' da noch die Frisur des Meisters. Ich bin da zwar wahrlich kein Experte, einen derart mächtigen Rasta-Zopf habe ich aber in der Tat noch nie gesehen. Von hinten sieht der gute Mann aus, als hätte er eine Trappermütze auf. [Oder als ob ein großes Pelztier auf seinem Schädel verendet wäre... Frank]

Das alles bekommt man aber nicht mit, wenn man erst einmal so richtig in die Klänge der vier Musiker eintaucht und mit der Kollegenschaft rund herum zum "Gummiball-Kollektiv" wird. Ganz ehrlich, ein derartiges Herumgehopse im Auditorium wie das bei 'Prophecy' oder 'Back To The Primitive' der Fall ist, hat Balingen wohl nur selten zuvor gesehen! Die Stimmung ist durchwegs bestens, das Publikum am Feiern und Tanzen. Das weiß der Brasilianer bestens zu nutzen, unter anderem als er in trauter Stadion-Manier 'Ole, Ole, Ole, Soulfly, Soulfly' anstimmt und einen zumindest zweitligatauglichen Publikumschor erntet. Man darf sogar behaupten, das Publikum frisst ihm heute regelrecht aus der Hand, denn selbst als der zottelige Sympath zwischenzeitlich mit seinem Berimbau als Einleitung zu 'Tribe' für eher ruhigere, folkloristische Töne sorgt, gibt es Begeisterungsbekundungen wie auch beim doch etwas zu ausgedehnten Solo von Marc Rizzo am Ende von 'No Hope = No Fear' .

Was es heißt sein Publikum im Griff zu haben, stellt der Recke vor dem Finale' Jumpdafuckup' (in das auch noch der Opener des ersten SOULFLY-Albums 'Eye For An Eye' eingebunden ist) unter Beweis. Er braucht keine halbe Minute, um das Publikum für seine Aufforderung zu gewinnen, sich hinzusetzen. Warum? Weil er es kann - und sicher auch, um den Titel in die Tat umzusetzen und diesem vollends gerecht zu werden. Respekt!

Setliste: The Summoning; Under Rapture; Fire; Porrada; Bleed; Plata O Plomo; Prophecy; Babylon; No Hope = No Fear; Tribe; Ritual; Back To The Primitive; Jumpdafuckup; Eye For An Eye

[Walter Scheurer]



Nachdem mir die Mittagszeit heute ein fettes Pfund an Leckerbissen serviert hatte, kehrte am Nachmittag dann ein wenig Ruhe ein, die etwas Zeit zum Verschnaufen ließ. Doch jetzt, gegen halb Sieben am Abend, zieht es mich in die Halle, wo als nächstes die erste schwarzmetallische Attacke des Wochenendes gefahren wird. KEEP OF KALESSIN aus Trondheim steht auf dem Programm und die Band ist nach ursprünglich eher traditionellen Black-Metal-Klängen spätestens seit ihrem Drittwerk "Armada" bekannt für ihren kompromisslos harten, brachialen, meist rasend schnellen, dabei aber durchaus melodischen und orchestralen Sound, der auch hin und wieder effektive Breaks in langsamere Gefilde zu bieten hat, wie etwa beim tollen 'Dark Divinity' vom aktuellen Album "Epistemology", das heute einen Schwerpunkt der Setlist bildet, ebenso wie Songs von "Reptilian" und "Armada". Das Frühwerk wird im Wesentlichen ausgespart, woran deutlich zu merken ist, dass auch die Band selbst mit "Armada" eine neue Tradition begründet sieht. In der Balinger Halle werden die drei Norweger und Wanja "Nechtan" Gröger, ihr neuer Drummer aus deutschen Landen, durchaus wohlwollend aufgenommen und vom Publikum auch nach Kräften unterstützt. Ein Stück weit leidet der Auftritt jedoch unter einem etwas undifferenzierten Sound, der so manchen Anwesenden gerade in den schnellen Momenten mit ihren massiven Doublebass-Attacken und Blastbeats doch ein wenig überfordert und die melodischen Aspekte der Truppe um Frontmann und Bandgründer Arnt "Obsidian Claw" Grønbech und die sehr starken Backing Vocals seiner Sidekicks ein wenig zu sehr in den Hintergrund rücken lässt. Dennoch zünden Stücke wie 'Kolossus' oder 'Crown Of The Kings' oder auch 'Introspection' vom aktuellen Werk eben doch und so ist der Nidaros-Kombo am Ende ordentlicher Applaus des Publikums sicher.

[Rüdiger Stehle]



An sich hat das Veranstalter-Team bei der Zusammenstellung der Running Order geplant, die ausgelassene Party-Stimmung am Gelände nach THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA mit den schwedischen Sleaze-Helden HARDCORE SUPERSTAR beizubehalten oder sogar noch zu steigern. Keine schlechte Idee an sich, doch leider kann die Band zur vereinbarten Beginnzeit nicht auf der Open-Air-Bühne stehen. Da es offenbar Probleme beim Transport des Equipments gegeben hat, steht HARDCORE SUPERSTAR nämlich nicht nur sprichwörtlich mit leeren Händen da. Kurzfristig fällt die Entscheidung, mit DREAM EVIL die Plätze im Billing zu tauschen, weshalb Fredrik Nordström und seine Kollegen um 17:20 auf der großen Bühne antreten dürfen. HARDCORE SUPERSTAR dagegen wartet leider auch weiterhin vergeblich auf das von der Airlinie offenbar verschluderte Equipment und versucht, so gut es geht das für einen Auftritt nötige Zeug von diversen Musikerkollegen zu leihen. Zwar gelingt es der Truppe überraschenderweise doch noch zur an sich für DREAM EVIL vorgesehenen Zeit in der "Volksbank Messehalle" loszulegen, doch zu einem wirklichen Konzert kommt es heute nicht mehr. So sehr sich die Truppe auch bemüht, es ist ganz einfach nicht ihr Tag. Nach drei Tracks und einem defekten Elektronik-Teil an einem der Schlagzeug-Mikros müssen die Schweden nämlich schlussendlich endgültig aufgeben.

Schade, denn wenn man sieht, mit welcher Hingabe die Truppe versucht, aus quasi Nichts einen Gig zu machen, kann einem die Band echt leid tun. Allein der Versuch von Sänger Jocke Berg mit "Ole, Ole, Ole, HARDCORE, HARDCORE"-Gesängen in bester Stadion-Tradition für Stimmung zu sorgen, wäre ein Stimmungsgarant für jede Show gewesen und wer mangels eines Backdrops nicht auf ein solches verzichten will, muss eben improvisieren und pinnt mal eben ein Shirt an den Vorhang. Im Nachhinein zu diskutieren, aus welchen Gründen auch immer es zu diesem Ausfall gekommen ist, können wir uns sparen. Tatsache ist nämlich, dass HARDCORE SUPERSTAR vom Veranstalter-Team noch während des Festivals für die Jubiläums-Sause im nächsten Jahr verpflichtet worden ist.

[Walter Scheurer]



Der heutige Headliner ist ein echtes Fest! Okay, kleiner Scherz: MICHAEL SCHENKER FEST ist im Prinzip die Weiterführung seines TEMPLE OF ROCK, mit dem er auch schon hier zu Gast war. Die Voraussetzungen könnten besser nicht sein: ein brillanter Gitarrist, Chris Glen und Steve Mann, die bereits jahrzehntelang immer wieder für den blonden Saitenartisten tätig waren, und dazu gleich vier Sänger, einer besser als der andere. Was kann da schief gehen? Stimmt, wenig, aber perfekt ist es dann doch nicht. Es beginnt schon mit einer großen Überraschung. Zuerst einmal gedenkt Michael der Verblichenen, ja, die Zeit macht auch vor Rockern nicht Halt, dann erzählt er uns, was er alles gemacht hat und wie seine Band hießen und heißen. Wäre nicht erstmal ein wenig Musik gut zum Auftakt? Kommt dann auch, aber Michael muss zuerst klarstellen, dass er maßgeblich beteiligt war und nie wirklich die Lorbeeren hat ernten dürfen. Die Rede ist von SCORPIONS "Lovedrive" und so folgt 'Holiday', dass der Blonde selbst singt. Klingt gut, aber der Rahmen ist eher befremdlich. Michael, das hast du doch gar nicht nötig.

Jetzt aber geht es richtig los. Zuerst kommt Gary Barden und darf nach UFOs 'Doctor Doctor' ein paar Klassiker der MICHAEL SCHENKER GROUP von 1980 und 1981 schmettern, die die Klasse der Komponisten zeigen. Barden klingt stark und sauber, hat einen merkwürdigen Hut auf und ist sonst absolut souverän. Aus dieser Phase hätte man noch viel mehr bringen können, dass "Built To Destroy'' gerade einmal mit dem Instrumental 'Captain Nemo' bedacht wird, ist eigentlich schon frech. Aber wie soll man auch alle großen Lieder Schenkers in nur 150 Minuten unterbringen?

Als nächster darf Robin McAuley solieren. Mit der umbenannten MCAULEY SCHENKER GROUP wurden ebenfalls drei Alben veröffentlicht, von denen das Stück 'Save Yourself' für mich immer das beste war. Und mit dem beginnt der Reigen! Auch McAuley ist gut bei Stimme und röhrt kraftvoll durch vier Lieder. Dabei fallen zwei Dinge auf: Michael hat eine Mütze der Marke "3-Kilo-Bärenpopo" auf dem Kopf, die er immer mal wieder zurechtrücken muss, sonst sieht er nichts mehr. Dafür aber mit Sonnenbrille. Ich hoffe, das wird nie Mode. Zum anderen, dass die beiden Sänger, die gerade nicht solieren, zumeist als Begleitsänger fungieren und die Herren sich auch gerne mal Lieder teilen. Das wirkt total harmonisch und entspannt, die drei Frontmänner scheinen sich großartig zu verstehen.

Moment mal, wieso drei? Bisher habe ich Graham Bonnet noch nicht erwähnt, der aber auch dabei ist und nun als dritter im Bunde einige Lieder des Albums "Assault Attack" schmettern darf. 'Dancer', 'Assault Attack', 'Desert Song', das ist die nahezu perfekte Auswahl (okay, 'Samurai' fehlt). Allerdings wird die Freude dadurch etwas getrübt, dass Bonnet deutlich dritter Sieger im Wettbewerb des Trios ist. Okay, Graham ist 73 Jahre alt, da sieht man ihm einiges nach, aber an seinen recht vehementen Gesangsstil der früheren Jahre kann er bei den fetzigeren Songs nicht mehr heranreichen. 'Desert Song' geht weitgehend. Schon bei den letzten Auftritten, bei denen ich ihn gesehen habe, war die Leistung nicht immer makellos, aber beim heutigen direkten Vergleich macht er keine so gute Figur. Auch wenn er stimmtechnische Unterstützung der Kollegen bekommt. Zwischendurch macht Michael nochmal klar, wie stark es ihn immer noch wurmt, dass die SCORPIONS ohne ihn so erfolgreich geworden sind, als er erneut erwähnt, dass er auf "Lovedrive" mehr gemacht hat, als er in den Credits zugestanden bekommen hat, und wirft seinem Bruder Rudolf vor, seine Kompositionen und sein Gitarrendesign für sich genutzt zu haben. Mensch, Michael, jetzt komm doch mal drüber hinweg. Diese Schmutzkampagne auf der Bühne ist deiner nicht würdig.

Dann kommen wir zum aktuellen Teil und der beste Sänger des Auftritts erscheint, denn mit Doogie White ist noch ein vierter Vokalakrobat dabei, der die drei anderen auf die Plätze verweist. Auch wenn Doogie eher als Wanderpokal von Band zu Band hoppste und damit wenig Kontinuität in seine Karriere bringen konnte, veredelt er mit seinem Organ jede Scheibe, auf der er mitmachen darf. Und live steht er dem in Nichts nach! Großartig und dabei auch noch ein starker Frontmann, der das Publikum mehr mitzureißen vermag als die anderen drei. Was uns hier am Mikrophon geboten wird, ist aber auch inflationär stark.
Als Headliner darf Michael heute aus dem Vollen schöpfen. Er hat noch eine halbe Stunde und kehrt noch einmal zu seiner UFO-Zeit zurück. Eine ausgedehnte Version von 'Rock Bottom', dessen Gitarrensolo aber auch mal eben um fünf bis zehn Minuten kürzer hätte ausfallen und vielleicht stattdessen Platz für 'Rock Will Never Die' und 'Lost Horizons' geben können, sowie 'Lights Out' beschließen einen tollen Auftritt, der eines Headliners absolut würdig war.

[Frank Jaeger]



Ja, da spielt auf der Hauptbühne der Headliner, und was macht der Chronist? Er verdrückt sich in die Halle. Warum, fragt ihr? Nun ganz einfach: Der Herr Schenker und seine Sangeskunstarmada mag zwar der absolute Kracher sein und die illustre Rasselbande weiß auch mich direkt zum Einstieg mit 'Doctor, Doctor' zu überzeugen, doch mein einzig wahrer Gitarrenheld des späten Abends ist dann halt doch ein anderer, namentlich der "Grandmaster of Hades" höchstselbst: Mantas! So lasse ich dann den Michael Schenker einen guten Mann sein und desselben Fest ohne mich steigen, denn es ruft VENOM INC., die Band um den besagten VENOM-Gründer Jeff "Mantas" Dunn, um seinen langjährigen Freund und Sänger Tony "Demolition Man" Dolan und beider neuen Drummer Jeramie Kling. Dass sich das Trio Infernale anschickt, die Halle abzureißen, muss ich nicht extra betonen, denn die zerstörerischen Qualitäten der Truppe sollten hinlänglich bekannt sein. So servieren uns die Herren aus Newcastle Upon Tyne also zum Einstieg mit dem programmatisch gut gewählten 'Metal We Bleed' erst einmal einen der besten Songs vom aktuellen Album "Avé", bevor uns mit 'Rip Ride' ein selten gespielter "At War With Satan"-Smasher um die Ohren gepfeffert wird, der das Stimmungslevel direkt nochmals anhebt. Die Band gibt sich jedoch auch in Sachen neuen Materials sehr selbstbewusst und reicht mit 'Time To Die' und 'Forged In Hell', sowie später im Set mit 'War' und 'The Evil Dead', ganze vier weitere aktuelle Songs nach, welche die Meute gut anheizen, aber noch nicht komplett zum Austicken bringen. Das bewerkstelligt jedoch in spielender Manier die phänomenale Klassikerparade, die natürlich einige absolute VENOM-Klassiker der Frühphase bereit hält, wie etwa 'The Seven Gates Of Hell', 'Warhead' und 'In League With Satan', aber - und das ist das Besondere an diesem tollen Auftritt - eben auch nicht mit selten gespielten Raritäten geizt, die ansonsten gerne mal übersehen werden, so wie etwa 'Lady Lust', 'Don't Burn The Witch' oder 'Live Like An Angel, Die Like A Devil'. Die Abschlusssalve mit 'Witching Hour', 'Black Metal', 'Bloodlust' und dem grandiosen Hinausschmeißer 'Countess Bathory' lässt dann kein Auge trocken, kein Stimmband unbeschädigt und kein Gesicht in der Halle ohne breites Grinsen, so dass am Ende die obligatorische Frage nach den Songs der Under-One-Flag-Ära (1989-1992) nicht allzu schwer ins Gewicht fällt. Frontmann Tony Dolan gibt mir im Anschluss an den Gig hierzu die Auskunft, dass man gerne noch 'Parasite' und 'Prime Evil' gespielt hätte, die Spielzeit dies jedoch leider nicht mehr hergegeben habe, weil der Umbau für die folgende Orchester-Performance von VISIONS OF ATLANTIS ein wenig umfangreicher gewesen sei. Ja, dann bleibt uns nur, uns auf die nächste Tour zu freuen und uns erneut von der Songauswahl überraschen und begeistern zu lassen, denn heute hat sich VENOM INC. einmal mehr mit einem bärenstarken Auftritt auch für die ganz großen Bühnen empfohlen.

Setliste: Metal We Bleed, Rip Ride, Time To Die, Forged In Hell, Warhead, Live Like An Angel, Don’t Burn The Witch, War, The Evil Dead, Lady Lust, Seven Gates Of Hell, In League With Satan, Black Metal, Witching Hour, Bloodlust, Countess Bathory

[Rüdiger Stehle]



Der Tag war lang, und nach der tollen, zweieinhalbstündigen Headlinershow von MICHAEL SCHENKER FEST sind die Ohren schon ziemlich angeschlagen. Das ist sehr schade, denn die österreichischen Symphonic Metaller von VISIONS OF ATLANTIS fahren heute voll auf und versammeln das gesamte Bohemian Symphony Orchestra Prague (BSOP) auf der kleinen Bühne. Ich muss sagen, dass mich VISIONS OF ATLANTIS bislang noch nie so richtig überzeugt hat, denn auf CD klingen die meisten Lieder einfach zu harmlos. Allerdings mag ich die Stimme von Clémentine Delauney, die mir vor allem bei SERENITY sehr gut gefallen hat und die ich dort etwas vermisse. Ich gebe zu, es ist schon sehr beeindruckend, was die Band heute Abend vom Stapel lässt. Feuerbälle steigen in die Höhe, herausgeputzte Musiker geben ihr Bestes, das Duett zwischen Clémentine und Michele Guaitoli funktioniert hervorragend und live haben die Lieder auch ein wenig mehr Kick. So verlasse ich nach vier Songs mit einem etwas weinenden Auge die Halle, doch die Ohren und Beine aller Beteiligten stoßen an ihre Grenzen. Schön ist in dieser Hinsicht natürlich, dass es vom heutigen Auftritt eine DVD geben wird. Diese werde ich mir auf jeden Fall anschauen. Und ich stoße beim Schreiben auch noch auf eine schöne Geschichte im Nachgang, denn einige Musiker vom MICHAEL SCHENKER FEST haben nach ihrem Auftritt noch bei VISIONS OF ATLANTIS vorbei geschaut, und die Österreicher auf ihrer Facebook-Seite in höchsten Tönen für den Auftritt waren gelobt.

[Thomas Becker]


Hier geht es zum Freitag...

Redakteur:
Frank Jaeger

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