BEHEMOTH - Köln
23.10.2016 | 10:0520.10.2016, Essigfabrik
Nergal und Co laden zur schwarzen Messe in der Domstadt.
Die großen Weltreligionen und die Metalszene sind ja nicht unbedingt die besten Freunde und auch ich stehe dem atheistischen Weltbild deutlich näher als jedem Glauben an einen übermenschlichen Weltenerschaffer. Ab und an muss ein Kirchenbesuch aber doch sein, zumindestens dann, wenn BEHEMOTH wieder einmal zur düsteren und okkulten "Messe Noir" in der Kölner Essigfabrik lädt. Die Polen befinden sich inzwischen seit gut zwei Jahren praktisch durchgehend auf Tour, um ihr aktuelles Album "The Satanist" der eigenen Anhängerschaft zu präsentieren. Die Scheibe kann dabei wohl mit Fug und Recht als erfolgreichstes Album der Bandgeschichte bezeichnet werden und hat es dementsprechend sogar als jüngste Veröffentlichung in die "Essentials"-Reihe unserer Redaktion geschafft. Da ist es natürlich kein Wunder, dass wir uns die einzige Deutschland-Show der "Europa Blasfemia"-Tour nicht entgehen lassen können.
Unser Abend beginnt allerdings mit ein wenig Verspätung, denn der übliche Verkehrsinfarkt um die Domstadt herum sorgt leider dafür, dass wir einen Großteil der Show des Openers DAWN OF DISEASE verpassen. Daher kommt an dieser Stelle mein Kollege Oliver Paßgang zu Wort, der ebenfalls vor Ort ist.
Ein Beginn um 18:30 ist unter der Woche für die meisten Menschen schon eine Herausforderung, als ich jedoch - ebenfalls nicht ganz pünktlich - die Essigfabrik betrete, ist das Publikum aus Köln und Umland schon zahlreich vertreten. Das freut mich insbesondere für die sehr sympathische Band, die da gerade mit viel Freude ein wenig Death Metal zelebriert: DAWN OF DISEASE. Mit Blick auf das, was heute Abend noch alles folgen sollte, sind die fünf Herren aus Osnabrück ja fast so etwas wie die Sunnyboys des Billings. Die Menge vor der Bühne sperrt sich aber keineswegs gegen den zwar nicht unglaublich spektakulären, aber doch absolut kurzweiligen Auftritt und groovt und hackt sich mit der Band für die Finsterattacken der späteren Truppen ein. Das Auftreten DAWN OF DISEASEs ist angenehm ungekünstelt, gar frisch-naiv, und hinterlässt durch die "fünf Freunde haben einfach Bock auf Metal"-Attitüde einen mehr als positiven Eindruck als Anheizer eines Abends, der von einer ansonsten eigenartig ernsten, seriösen Aura durchzogen scheint.
[Oliver Paßgang]
Im Anschluss folgt dann mit den Polen MGLA die Band, die indirekt dafür gesorgt hat, dass die eröffnende Show der "Europa Blasfemia"-Tour heute Abend in Köln stattfindet. Ursprünglich war als Austragungsort nämlich der Schlachthof in Wiesbaden vorgesehen, doch die dortigen Veranstalter luden den Vierer kurzerhand wieder aus, nachdem sie auf die Verbindungen zum Label Northern Heritage und deren höchst fragwürdigen Bandkatalog, der auch einige NSBM-Vertreter umfasst, aufmerksam gemacht wurden. Der folgende Aufruhr in den sozialen Medien führte dann schlussendlich zur Absage des kompletten Konzerts und der Verlegung in die Essigfabrik. An dieser Stelle möchte ich mich auch nicht weiter über die politische Ausrichtung der Band äußern, fest steht aber, dass sich die Polen durch ihren Mangel an Abgrenzung in einer Grauzone befinden und damit auch heute Abend zumindestens eine Handvoll fragwürdiger Gestalten in ebenso fragwürdigen Bandshirts nach Köln gelockt haben. Rein musikalisch betrachtet ist der Auftritt der Jungs dabei handwerklich vollkommen solide, wird aber bei weitem nicht dem großen Hype um die Band gerecht, der seit dem Release des aktuellen Langspielers "Exercises in Futility" aufgekommen ist. Stattdessen gibt es recht monotonen Black Metal zu hören, der fast schon störrisch aus den Boxen dröhnt und zumindestens mich dazu veranlasst, vor den letzten beiden Bands des Abends noch einmal frische Luft zu schnappen. Mit meinem Eindruck scheine ich dabei allerdings die Ausnahme zu sein, denn der Großteil der Zuhörer lauscht dem Schwarzmetall der Polen mit großer Aufmerksamkeit und bejubelt die Band dementsprechend frenetisch nach ihrem gut 45-minütigen Set.
Dass eine letzte Prise Frischluft durchaus eine gute Idee war, zeigt sich, als die Osnabrücker SECRETS OF THE MOON im Anschluss die Bühnen entern. Der Vierer hüllt sich nämlich in eine dichte Wolke aus Nebel und dem Rauch der Räucherstäbchen, die am vorderen Bühnenrand befestigt sind. So ist der Vierer dann auch nur schemenhaft im indirekten Scheinwerferlicht zu erahnen, während die Jungs mit einer mitreißenden Version von 'Hole' in ihren Gig starten. Musikalisch liefern Fronter SG und seine Mitstreiter dabei heute eine nahezu perfekte Performance ab und zelebrieren auch dank eines sehr guten Sounds ihre epischen Longtracks in vollem Glanz. Leider wirkt das Quartett aber zwischen den einzelnen Songs nicht annährend so souverän. Da werden die Gitarren immer wieder gestimmt, Schlagzeuger Erebor scheint auch mit seinem Setup nicht ganz zufrieden zu sein, wodurch die Pausen zwischen den einzelnen Tracks auffällig lang ausfallen. Schade eigentlich, denn damit wird teilweise die wunderbar düstere Stimmung zunichte gemacht, die der Vierer während der einzelnen Kompositionen kreiert. Spätestens beim finalen Kracher 'Lucifer Speaks' werfen die Niedersachen dann aber noch einmal all ihr musikalisches Geschick in die Waagschale und sorgen so für ein versöhnliches Ende eines zwischenzeitlich doch eher durchwachsenen Gigs. Ohne die technischen Schwierigkeiten wäre hier noch deutlich mehr drin gewesen, denn SECRETS OF THE MOON zählt nicht umsonst zu den beeinduckendsten Vertretern der deutschen Black-Metal-Szene.
Setliste SECRETS OF THE MOON: Hole, Dirty Black, Seven Bells, Here Lies The Sun, Man Behind The Sun, Lucifer Speaks
Während anschließend auf der Bühne alles für den Headliner BEHEMOTH vorbereitet wird, verrät ein kurzer Blick über die Menschenmenge hinweg, dass die Show heute Abend wieder einmal zurecht das Prädikat ausverkauft verdient. Vielleicht haben die Veranstalter im Eifer des Gefechts sogar zu viele Karten verkauft, denn teilweise drängen sich die Zuhörer dicht an dicht bis hin zum Merchandise-Stand und sogar in den Eingang der Garderobe hinein. Perfekte Voraussetzungen also für die "Messe Noir", die Nergal und seine Mitstreiter standesgemäß mit dem Opener 'Blow Your Trumpets Gabriel' vom aktuellen Silberling "The Satanist" und einer dazu passenden Feuershow des Frontmanns eröffnen. Von der ersten Sekunde an hat die Band dabei ihre Zuhörer fest im Griff und angestachelt von Nergal und Basser Orion wird der Refrain von der Anhängerschaft lauthals mitgebrüllt. Konsequenterweise nutzen die Polen im Anschluss diesen Startpunkt dazu, ihre aktuelle Scheibe in ihrer Gesamtheit aufzuführen. Dabei wird schnell klar, warum es die Platte im Jahr 2013 auf so viele Bestenlisten geschafft hat, denn mit dem famosen Titeltrack 'The Satanist', dem düsteren 'Amen' oder dem rasanten 'Ora Pro Nobis Lucifer' hat die Scheibe eine ganze Reihe von Klassikern hervorgebracht. Über allem thront dabei aber auch in der Live-Version des Langspielers das einmalige Epos 'O Father O Satan O Sun', dessen mantraartiges Outro schlussendlich nach guten 40 Minuten den ersten Teil dieses durch und durch imposanten Konzertes beendet.
Wobei der Begriff "Konzert" hier eigentlich fehl am Platze ist, denn das, was BEHEMOTH hier heute Abend auf die Bühne zaubert, ist weit mehr als eine einfach Liveshow. Fast erinnert das Geschehen eher an eine Messe oder ein satanischen Ritual, wobei Nergal hinter seinem ausladenden Mikrofron-Ständer als eindrucksvoller und mitreißender Zeremonienmeister fungiert. Gleichzeitig funktioniert die Band nach zwei Jahren des konstanten Tourens auch auf allen anderen Ebenen wie ein Uhrwerk. Inferno feuert von seinem bombastischen Drumkit aus einen präzisen Blastbeat nach dem anderen ab, während Orion und Seth mit ihrer messerscharfen Rhythmus-Arbeit das Fundament liefern, auf dem sich Nergal mit seinen Growls und Gitarren-Soli austoben kann. Selbst die Bewegungen der Musiker sind inzwischen so perfekt aufeinander abgestimmt, dass fast der Eindruck eines choreographierten Auftritts aufkommen könnte. Bei den Anwesenden, die vornehmlich für die Vorgruppen gekommen sind, sorgt dies auch für einige kritische Stimmen, während das Ganze für mich einfach der Inbegriff eines perfekt durchdachten und konzpierten Gesamterlebnisses ist.
Mit der Aufführung des aktuellen Albums ist die Show damit aber noch lange nicht vorbei, denn es gibt im Backkatalog der Polen inzwischen einfach zu viele Klassiker. Mit dem epischen 'Ov Fire And The Void' und der rasanten Abrissbirne 'Conquer All' gibt es nach einer kurzen Pause dann direkt auch zwei dieser unverzichtbaren Tracks, die bei keiner BEHEMOTH-Show fehlen dürfen. Doch auch seine Frühphase hat der Vierer nicht vergessen und so folgt mit dem rasanten 'Pure Evil And Hate' ein Track von der allerersten EP "And The Forests Dream Eternally" aus dem Jahr 1994, bevor der Langspieler "The Apostasy" mit der stampfenden Hymne 'At The Left Hand Of God' zum Zuge kommt. Schlussendlich beenden 'Slaves Shall Serve' und die insgeheime Bandhymne 'Chant For Eschaton 2000' inklusive des unvermeindlichen Kunstblut-Einsatzes nach rund 90 Minuten eine rundum perfekte Show, mit der sich das Quartett mit Leichtigkeit eine Platzierung in meinen persönlichen Top-5-Konzerten des Jahres erspielt hat.
Setliste BEHEMOTH: Blow Your Trumpets Gabrie, Furore Divinus, Messe Noire, Ora Pro Nobis Lucifer, Amen, The Satanist, Ben Sahar, In The Abscence Ov Light, O Father O Satan O Sun, Ov Fire And The Void, Conquer All, Pure Evil And Hate, At The Left Hand Of God, Slaves Shall Serve, Chant For Eschaton 2000
Insgesamt kann damit am Ende dieses Abends nur die Erkenntnis stehen, dass der Job als Support-Band bei BEHEMOTH ein recht undankbarer ist, immerhin haben die Polen ihre heutigen Mistreiter mit einer bewundernswerten Leichtigkeit an die Wand gespielt. Die überzeugende Wirkung des Auftritts verdeutlicht auch der gigantische Andrang am Merchandise-Stand, wo sich die BEHEMOTH-Jünger noch schnell mit einigen Andenken und Shirts eindecken, bevor sie in den herbstlich kalten Abend entschwinden.
- Redakteur:
- Tobias Dahs