BRAINSTORM, RAGE, VANISH: Das war ein geiler Abend für euch! - Memmingen
18.04.2023 | 21:5514.04.2023, Kaminwerk
Eine tolle Mischung aus guter Laune, Power Metal und Faxen, denn wenn zwei der besten Power-Metal-Bands zusammen auf Tour gehen, muss man einfach dabei sein!
Zumal man, als ob die beiden Hauptacts nicht reichen würden, sogar noch einen Opener mitgebracht hat, der in diesem Fall auf den Namen VANISH hört. Leider bin ich mit den neueren Werken der Stuttgarter nicht vertraut, was ich sofort bereue, als die Fünf losrocken. Und erkenne, dass ich auch das 2014er Werk "Come To Wither", das als einziges in meinem Schrank steht, zu lange nicht mehr habe rotieren lassen. Zwar ist der Sound anfangs etwas regelungsbedürftig, aber das legt sich ab dem zweiten Lied und mit fortschreitender Spielzeit taut auch das Memminger Publikum auf und zollt den Schwaben Anerkennung, was sich auch sichtlich auf die Musiker auswirkt, die lockerer werden und aus dem Ärmel ein paar echte Granaten zaubern. Stageacting und Performance sind tadellos, wenn hier nicht noch zwei Topacts folgen würden, müsste man fürchten, dass die Auftaktband den Headlinern vielleicht sogar Konkurrenz machen könnte. Ein tadelloser Auftritt, der 45 Minuten locker füllt und Spaß macht. Dazu noch die selbstsichere und wahre Ansage: "So coole Riffs haben wir uns da ausgedacht!" Volle Zustimmung, habt ihr, und auch sonst macht ihr hier alles richtig.
In der kurzen Umbaupause schaue ich mich ein wenig um. Das Kaminwerk ist ordentlich gefüllt, aber eine Hundertschaft Metaller hätte schon noch mehr kommen dürfen. Ich meine, mal ehrlich, besser als dieses Package wird es im deutschen Metal nicht mehr. Denn nach nur einer kurzen Unterbrechung folgt RAGE, Herne's Finest. Zuerst kommt Gitarrist Stefan Weber und setzt sich auf einen Stuhl. Dann folgt Peavy Wagner mit dem Rest der Truppe und legt los mit 'Resurrection Day' vom aktuellen Album. Die Erklärung für die sitzende Position des Saitenstreichlers folgt dann in einer Pause zwischen den Liedern, als Peavy sagt, dass er verletzt sei. Frage: "Was hast du noch?" Stefan antwortet: "Bänderriss." "Na ja, jedenfalls kann er nicht laufen!" muss er ein wenig Spott über sich ergehen lassen, meistert den Abend jedoch ohne Probleme und wird sogar gelegentlich von seinen Bandkameraden aufgesucht, auch wenn das Posen natürlich deutlich zahmer ausfällt.
Die Ruhrpottmetaller spielen einen tollen Mix aus ihrer mittlerweiler 25 Alben umfassenden Karriere, der älteste Song ist wie häufig 'Don't Fear The Winter', aber auch Kracher wie 'From The Cradle To The Grave' oder 'End Of All Days' bringen Stimmung ins Kaminwerk. In 75 Minuten schafft man immerhin dreizehn Lieder, in denen die gute Stimmung auf der Bühne mit der im Publikum konkurriert, denn die Musiker haben sichtlich Spaß daran, wieder das Haus zu rocken. Peavy ist gut bei Stimme und gibt den frühen Songs durch seiner tiefere Stimmfarbe mehr Substanz, diesbezüglich ist es positiv, dass die jugendliche Sirene schon seit geraumer Zeit abgeschaltet worden ist. Zwar ist auf der Bühne recht wenig los, wenn ein Musiker meist am Mikrophon steht und einer der beiden Gitarristen seinen Stuhl nicht verlassen kann, aber das ist den Anwesenden herzlich egal. RAGE wird gefeiert und hätte auch gerne noch die Lieder vierzehn bis zwanzig spielen dürfen.
Doch leider ist auch hier irgendwann Schluss, obwohl der Fundus der Truppe noch viele umwerfende Stücke hergeben würde. Peavy, der sich extra ein paar Perlen in den Bart geflochten hatte, die er mit seinen Basssaiten aber schon bald wieder herausgerissen hat, worüber er sich selbst am meisten amüsiert, hat eine tolle Truppe zusammen mit seinen beiden Gitarristen Stefan Weber und Jean Bormann, die ganz deutlich Lust auf diesen Auftritt haben. Auch der bereits langjährig dazugehörende Schlagzeuger Vassilios Maniatoloulos soll erwähnt werden, der erhöht sitzend schön zu sehen ist und seine Felle kräftig verdrischt. Es ist offensichtlich: RAGE unter zwei Stunden ist einfach zu wenig.
Setliste: Resurrection Day; Let Them Rest In Peace; Great Old Ones; My Way; Shadow Out Of Time; A New Land; Empty Hollow; End Of All Days; Back In Time; From The Cradle To The Grave; Don't Fear The Winter; Straight To Hell; Higher Than The Sky
Wieder nur eine kurze Umbaupause später kommt der zweite Headliner, der hier beim Heimspiel natürlich den späteren Slot innehat. BRAINSTORM teilt sich den Bassisten mit VANISH, sodass Andreas Armbruster noch einen zweiten Gig heute abend tieftönen muss, aber von Erschöpfung ist keine Spur zu sehen. Zusammen mit Schlagzeuger Dieter Bernert treibt er die Band und die beiden Saitenflitzer, "Blackie" Thorsten Ihlenfeld und "Blondie" Milan Loncaric, unermüdlich nach vorne. Vorne? Genau, denn vorne steht Andy B. Franck und intoniert die mit geradezu unglaublichen Melodien bestückten Power-Metal-Hymnen der Süddeutschen mitreißend.
Von Anfang an ist klar: Das hier wird ein Kantersieg. Hier in Memmingen dominiert das BRAINSTORM-Publikum, obwohl zwischen den beiden Co-Headlinern kein qualitativer Unterschied zu erkennen ist, und macht den Auftritt zu einem Triumphzug. Dabei ist es egal, ob die Band neue Stücke vom aktuellen Longplayer "Wall Of Skulls" spielt oder in der Historie kramt. Der früheste Song ist 'Shiva's Tears' von "Soul Temptation", das immerhin auch schon zwanzig Jahre auf dem Buckel hat, ansonsten wird viel von "Midnight Ghost" dargeboten. Wie man die Band und ihren Frontmann kennt, gibt es zwischendurch wieder einige lustige Ansagen, auch wenn Franck sich selbst gelegentlich stoppt, bevor er zuviel Zeit verplappert. Doch den besten lapsus linguae lässt er in der zweiten Hälfte des Auftritts los, als er bei der Danksagung an die anwesenden Fans bemerkt, das wäre "ein geiler Abend für sie" gewesen, nur um sich zu verbessern: "Ich meine, für uns. Für euch aber auch!" Mal sehen, vielleicht kommt der Spruch ja ins Standardrepertoire des sympathischen Schwaben. Heute Abend sorgt er jedenfalls für lautes Gelächter.
Einen kleinen Downer muss ich aber auch über mich ergehen lassen, bin ich doch kein großer Fan von Soloeinlagen im Allgemeinen und Bass- und Schlagzeugsoli im Besonderen. Beide Rhythmusmusiker dürfen aber heute Abend mal ran, glücklicherweise nicht allzu ausufernd, aber überzeugen, mir so etwas bei Auftritten zu wünschen, können sie mich nicht. Dann folgen noch fünf weitere Stücke, darunter natürlich die "und jetzt alle"-Zwangs-Chor-Komposition 'All Those Words'. Ja, ohne geht es einfach nicht. Mittlerweile wandert der Song aber munter durch die Setliste, auf dem Summer Breeze war er schon mal ganz früh dran, heute im letzten Viertel; schön zu sehen, dass die Band ihre Liederzusammenstellung variiert.
Das merkt man auch vor allem daran, was heute alles fehlt. Eigentlich sollte man ja keinen BRAINSTORM-Gig ohne 'Fire Walk With Me', 'Blind Suffering' und 'Spiral Falling Down' erlauben, aber heute muss ich leider auf alle drei verzichten. Das ist aber nicht nur schlecht, denn ich finde es ausgezeichnet, wenn eine Band auf ihren Touren die Stücke durchwechselt. Vielleicht könnte man auch mal wieder mehr Augenmerk auf die Phase von 2011 bis 2016 setzen, die drei Alben aus dieser Zeit sind nämlich auch echte Kracher.
Setliste: Where Ravens Fly; Worlds Are Comin' Through; Devil's Eye; Shiva's Tears; Glory Disappears; Highs Without Lows; The Pyre; Jeanne Boulet (1764); Escape The Silence; Turn Off The Light; All Those Words; Ravenous Minds; End In Sorrow
Mal sehen, ob ich bei der nächsten Tour davon etwas zu hören bekommen werde, denn ich bin sicher, mir geht es wie jedem anderen an diesem Abend: Das möchte ich gerne nochmal erleben. "Brainrage" ist eine Kombination, die man wahrlich nicht besser hätte zusammenbasteln können. Sagt mal, ihr Buben, wollt ihr dieses Paket nicht regelmäßig auf die Bretter bringen?
- Redakteur:
- Frank Jaeger