BULLET FOR MY VALENTINE - Hamburg

02.07.2010 | 12:02

22.06.2010, Markthalle

Wales gegen Deutschland!


Es ist 14.30 Uhr an einem sonnenverwöhnten Dienstag, als ich in Hamburg ankomme. Und ein Blick aus dem Autofenster verrät, dass die ersten Fans sich bereits vor der Markthalle versammelt haben. Ehrlich gesagt macht mich das schon etwas fassungslos. Die Überflieger BULLET FOR MY VALENTINE haben sich mit der aktuellen Platte “Fever“ nach Festivals der Sorte Rock am Ring, Rock im Park, Sonisphere oder Download Festival für zwei coole Konzerte nach Deutschland auf Headlinertour begeben.

Nach einem wollüstigen Tag in der Hafencity, auf der Reeperbahn und im Portugiesenviertel treffe ich mit Fotomaus Tine gegen 20.30 Uhr zum großen Finale in der Markthalle ein. Auf in den Kampf. Da ich diese Location bisher nur aus Sicht eines Partygängers, aber nicht aus der eines Konzertbesuchers kenne, staune ich erst einmal über den Konzertsaal, welcher vom Prinzip her wie ein Amphitheater aufgebaut ist. Vorteil: Auch die kleineren unter uns (von denen heute viele da sind) haben von fast jedem Ort aus einen guten Blick auf die Bühne. Nachteil: Anscheinend hat man vergessen, eine Lüftung einzubauen (besonders angenehm bei einem Sold-out-Konzert), so dass bereits nach zehn Minuten sämtliche Klamotten und Haare am Körper festzukleben scheinen. Eklig!

Kommen wir zum musikalischen Geschehen: Nachdem um 21.10 Uhr das Publikum in hysterische Klatschorgien ausbricht und Gitarren gestimmt werden, die denen von Matthew und Padge zum Verwechseln ähnlich sehen, wird mir schließlich klar, dass der angekündigte Special Guest (wer das letztendlich sein sollte, konnte ich nicht in Erfahrung bringen) nur eine Fata Morgana war und hier und heute nicht erscheinen wird. Na prima! Was die Fans natürlich toll finden, verschafft meiner Stimmung ehrlich gesagt keine Extrapunkte.

Dann bricht die erwartete Schreiorgie aus. Ein maschinengewehrartiges Riff setzt ein, das Licht schaltet auf Strobo, den Mädchen fliegt der Schlüpfer weg - 1:0 für Wales gegen Deutschland. Beim Opener 'Your Betrayal' setzt ein Massenphänomen ein, was man so nur von Rockkonzerten und Fußball kennt: Das einzelne Individuum versackt total im Strom aus Euphorie und Ekstase. Bedeutet hier, dass der gesamte Mittelteil der Markthalle in einen Moshpit ausbricht, der Rest bangt mit dem Teufel um seine Seele. Hier gibt es keine dicken Sitzmetaller, sondern nur energiegeladene Kids, die einfach nur tierisch Bock auf Party haben.

Beim Titeltrack der aktuellen Scheibe "Fever" habe ich bereits das Gefühl, dass die Anzahl meiner Schweißdrüsen sich potenziert hat. Während Matthew das Publikum vor lauter Wales-Flaggen suchen muss, entschuldigt er sich für den spontanen Ausfall der Vorband. Die Meute kratzt das aber so gar nicht. Bei dem Nackenbrecher 'Waking The Demon' wird die Mitte der Location auf Kommando zur Hüpfgemeinschaft und die ersten Crowdsurfer gehen auf Kurs. Ein Tornado der Adrenalinzufuhr!

Matt fordert die Menge zum Circle Pit auf und gießt Öl ins Feuer. Währenddessen entdecke ich die wertvollen Funktionen von Augenbrauen und wische mir die Schweißperlen aus dem Auge. Aber ich bin nicht die Einzige, die unter dem Höllenfeuer leidet. Auch bei Leadgitarrist Padge haben sich mittlerweile schon Schweißdreads gebildet, und die Suppe tropft nur aus allen Poren. Wir reiten weiter auf den teuflisch heißen Flammen mit Leckerbissen wie 'All These Things I Hate (Revolve Around Me)' und dem Kultsong der Mädels, 'Tears Don’t Fall'. Die aktuelle Single 'Last Fight' lässt das Stimmungsbarometer, das das Quecksilber schon auf gesundheitsschädigende Weise verströmt, weiter steigen und treibt uns den Kampfschweiß ins Gesicht.

Interessanter- und fast traurigerweise muss ich feststellen, dass der Thrash-Kracher schlechthin, 'Scream Aim Fire', weniger zündet als die Songs des aktuellen Albums, auch wenn es sich hier um einen Vergleich von Extremwerten handelt. Auch bei 'Say Goodnight', der besten Ballade aus der Feder von BULLET FOR MY VALENTINE, könnte mehr drin sein.

Festzuhalten bleibt, dass die Jungs heute auf jeden Fall in Höchstform sind, uns mit ihrer Metalkeule verhauen wollen und man nicht mal einen stimmlichen Patzer Matthews wahrnimmt. Ein weiterer positiver Aspekt: Einige Songs der aktuellen Scheibe, die auf Platte nur wenig begeistern können (wie 'Fever' oder 'Pleasure And Pain'), zünden live erstaunlicherweise gut. Das simple Muster der Stücke und die aufgedrehten Amps machen sie sehr zugänglich und daher durchaus geeignet für Liveshows.

Weiterhin bietet die Setlist heute wieder eine erstklassige Kombination aus Songs von "The Poison", welche fast in Emocore abdriften, "Scream Aim Fire", welche mit ausgefeilten Hooklines, saftigen Shouts und einer deftigen Portion Thrash das Köpfchen rotieren lassen, und "Fever", welche teilweise viel zu poppig sind und den Thrash und den Rotz einfach im Gewürzregal stehen gelassen haben. Doch glücklicherweise orientiert man sich weniger an diesen letztgenannten Stücken, so dass nur überzeugende Stücke mit rohen Riffs, gewaltigen Soli, mitreißenden Beats und ganz ohne Kaugummigesänge an die hungrige Meute verfüttert werden. Nach fünfzig Minuten ist allerdings das reguläre Set auch schon vorbei, was natürlich Entsetzen und wildes Geschreie bei den Fans auslöst.

Mit einem der besten Tracks von "Fever", 'Begging For Mercy', laden die Bullets ihre Waffen noch einmal neu, und hinter mir platzt eine Schweißbombe. Na großartig!

Letzten Samstag erst vor METALLICA aus den Boxen geströmt, drischt und scheppert 'Hand Of Blood' heute live und in Farbe aus den Amps. Der Höllentanz nähert sich dem großen Finale, welches er in 'Alone' erreicht, einem der schlechtesten Songs der neuen Platte. Warum diese Wahl getroffen wurde, kann wohl keiner nachvollziehen. Noch mehr wundere ich mich aber darüber, warum 'Hearts Burst Into Fire' von der Setlist gestrichen wurde? Ist es zu viel verlangt, dass wenigstens die komplette Liste gespielt wird, wenn schon der Support ausfällt? Vielleicht haben die Bullets vergessen, dass es in Deutschland keine Sperrstunde gibt und wollen deswegen zeitig Feierabend machen.

Ohne große Verabschiedung verschwinden die Jungs von der Bühne, und sogar die Eltern im Vorraum wundern sich, was das denn für ein kurzes Vergnügen war. Doch es kommt noch schlimmer: Nach sechzig Minuten vollständiger Konzertlänge falle ich um 22.15 Uhr aus der Markthalle. Und es ist hell!

Auch wenn die Jungs sechzig Minuten Vollgas gegeben haben - quantitativ gesehen ist es eine Frechheit, dass ein Konzert einer Headlinertour dieselbe Spiellänge wie ein Gig auf einem Festival hat. Abgesehen davon ist mir bewusst geworden, wie wichtig doch Supports für die Stimmung sind – eben zum Anheizen und Biertrinken. Auch wenn es der Gesamtstimmung keinen Abbruch getan hat - die zusammenfassenden Kommentare der Fans zeigen, dass sich schon etwas Enttäuschung breitmacht. An diesem Aspekt sollten BULLET FOR MY VALENTINE vielleicht einmal arbeiten.


Selist:
Intro
Your Betrayal
Fever
Waking The Demon
All These Things I Hate (Revolve Around Me)
Tears Don't Fall
Pleasure And Pain
4 Words (To Choke Upon)
The Last Fight
Say Goodnight
Scream Aim Fire
----
Begging For Mercy
Hand Of Blood
Alone

Redakteur:
Nadine Ahlig

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