Bang Your Head 2014 - Balingen
20.07.2014 | 21:4511.07.2014, Messegelände
Wir präsentieren das Traditionsfestival mit den Wetterextremen.
Mit großer Freude dürfen wir euch dieses Jahr endlich wieder das "Bang Your Head"-Festival in Balingen präsentieren. Im schwäbischen Südwesten der Republik gelegen, vereint das Festival seit vielen Jahren stählerne Tradition mit gemütlicher, friedlicher Atmosphäre und Wetterextremen der besonderen Art. So steht auch dieses Jahr wieder die ganze Bandbreite auf dem Programm: An der musikalischen Front geht es vom klassischen Hardrock über den Schwerpunkt im traditionellen Metal bis hin zum Thrash und Death Metal, während die Wetterfront wieder allerlei Kapriolen zu bieten hat. Gibt im Vorfeld der Wetterbericht mit 80% Regenwahrscheinlichkeit hinreichend Anlass, Regenzeug und Wechselklamotten einzupacken, so begegnet uns realiter am Freitag eher eine Sonnenbrandwahrscheinlichkeit von 90% [Jau, ich Experte habe das geglaubt und meine Sonnenmilch daheim gelassen. Jetzt pellt der Nacken. Schöner Mist. FJ] und in der Nacht sowie am Samstag gegen Abend die obligatorische BYH-Unwetterwarnung. Zum Glück bleibt letztlich doch noch alles im grünen Bereich, die Hagelfront verfehlt das Messegelände knapp und der drohende Festivalabbruch kann vermieden werden, so dass wir uns in der nun folgenden Nachschau in aller Ruhe dem musikalischen Programm widmen können, welches wie gewohnt schon in aller Herrgottsfrühe - also morgens um halb Zehn beginnt - allerdings nicht wie angekündigt mit den Düsseldorfer Speed-Metal-Veteranen von WARRANT, doch darüber soll euch nun der Kollege Frank erzählen:
Die Jungs von TRAITOR stammen aus Balingen und sind mal eben rasch als Opener eingesprungen, als leider WARRANT wegen einer Verletzung des Schlagzeugers kurzfristig absagen musste. Ich denke mir: Hey, die klingen ja ganz gut, das ist gewiss kein schwacher Ersatz. Ich kenne das Cover ihres Albums "Thrash Command", aber hatte noch kein Tönchen gehört. Immerhin, das kann ich jetzt ändern. Zwar nicht besonders gut, denn ich stehe noch draußen an der Bändchenausgabe, weil leider die Technik nicht mitspielt. Der Computer funktioniert nicht, also gibt es kein Bändchen. Deswegen macht der Thrash der Lokalmatadoren zwar Spaß, aber das hätte ich gerne richtig gesehen und gehört. Trotzdem, das klingt cool, da werde ich in Zukunft mal ein Ohr riskieren müssen. Zumal ich gesehen habe, dass wir die Scheibe noch nicht einmal besprochen haben, so dass ich auch nicht auf das Review verweisen kann. Dabei hatte ich gedacht, dass die auch auf einem Label rausgekommen sind. Muss wohl eines sein, das uns nicht bemustert hat. Blöd. Klingt trotzdem gut. Fetter Thrash mit einem häufig klaren Sänger. Und ich stehe hier an. Schade, aber das ist dann wohl ein klassischer Fall von Pech. Wenn das aber auf dem Gelände so gut klang wie hier draußen, würde ich mich nicht wundern, wenn die Buben ein paar Fans dazugewonnen haben sollten. Ich stehe immerhin auch kurz davor.
Ja, Frank, das was meine jungen Landsleute hier vom Stapel lassen, das ist auch aus unmittelbarer Nähe ein Hinhorcher und Hingucker, denn außer den im Akkreditierungsstau gefangenen Kollegen befindet sich schon eine ganz stattliche Anzahl von Leuten auf dem Gelände. Die typischen frühen Vögel des Balinger Events, denen es weniger auf die bewährten, aber auch oft gesehenen Headliner ankommt, als vielmehr auf die Entdeckungsreise am Vormittag. Etwas, das dieses Festival seit jeher auszeichnet und auch nach all den Jahren ein schönes Erkennungsmerkmal geblieben ist. Am Morgen gibt es entweder selten gesehene Untergrund-Perlen, oder eben ein paar junge, hungrige Bands aus der Region. Eine schöne Sache, wie ich finde, und eine Chance, welche TRAITOR zu nutzen weiß. Denn der klassische, eingängige und dennoch brachiale Thrash mit Hymnen wie 'Thrash Command' weckt mindestens so gut wie ein starker Pott Kaffee.
[Rüdiger Stehle]
Landeanflug auf Balingen. Mein GPS streikt. Jetzt fahre ich schon seit über zehn Jahren nach Balingen und kenne den Weg immer noch nicht auswendig. Orientierungslegastheniker. Geisel der modernen Technik. Doch anscheinend ist der Metalgott mit mir, denn pünktlich zum Beginn des Siegener Quartetts ACCU§ER stehe ich vor der Bühne, in Erwartung einer mächtigen Thrashwalze zum ersten Festivalkaffee.
Das weite Rund ist noch spärlich besucht zu dieser frühen Morgenstund, als Gitarrist und Sänger Frank Thomas und seine Mannen mit 'Rotting From Within' in das gut 45minütige Set einsteigen. Zu Beginn haben die Jungs noch mit ein paar kleinen Nervositäts- und Timingproblemen zu kämpfen, mit fortlaufender Spielzeit wächst die Musik zu einem wahren Thrashgewitter an. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Frühphase der Band Ende der Achtziger bewziehungsweise Anfang der Neunziger, als man mit Alben wie "Who Dominates Who" und "Repent" zu den hoffnungsvollsten deutschen Vertretern der angesagten Tech-Thrash-Bewegung zählte. Nach zwanzig Jahren schrauben die Songs noch immer mächtig an der Rübe, die Gitarristen Thomas und Rybakowski überzeugen mit teils zweistimmiger Soloarbeit und wenn sie dann doch mal den Fuß vom Gaspedal nehmen, groovt die Chose wie Hölle. Im Mittelpunkt steht natürlich Frank Thomas, der in den tiefen Gesangslagen ab und an wie Chuck Billy klingt und einen überaus sympathischen Eindruck hinterlässt.
Und doch fehlt mir insgesamt ein wenig die Abwechslung, die eine oder andere Melodie. Es wirkt gelegentlich sogar etwas (zu) hektisch und auch die Bühnenaktivitäten sind in Zukunft durchaus ausbaufähig. Getreu dem Motto: Wenn das Publikum schon nicht zum Künstler kommt, muss der Künstler eben zu ihm kommen. Den bereits anwesenden Fans gefällt es zumindest (selbst wenn sich viele Leute eher im Hintergrund aufhalten, füllt sich das Rund so langsam) und auch mir fegen Songs wie 'Who Dominates Who', 'Cannibal Insanity' (coole Tribaldrums), 'Symbol Of Hate' oder 'Who Pulls The Wire' angenehm den Anreisestress aus den Knochen. Ach ja, neben dem guten Sound hat auch das trübe Wetter einen positiven Nebeneffekt: ACCU§ER kommt schon um diese Uhrzeit in den Genuss einer ordentlich Lichtshow. Alles in allem ein guter Auftritt.
Setlist: Rotting From Within, Who Dominates Who, Cannibal Insanity, Symbol Of Hate, Sadistic Terror, Who Pulls The Trigger, Unite/Divide, Torn To Pieces
Ich muss erstmal beichten: Ich bin ja ein alter WARLORD-Fan, aber schon an der "Rising Out Of The Ashes"-Scheibe hatte ich keinen Spaß, und mit "The Holy Empire" haben die Burschen bei mir auch keinen Freudensprung ausgelöst. So stehe ich mit gemischten Gefühlen vor der Bühne und hoffe darauf, dass ich etwas Positives werde schreiben können. Das erste Erfreuliche ist, dass die Band gleich in die Vollen geht. 'Lucifer's Hammer' als Opener, ja, das geht. Wie immer bin ich auf den Sänger gespannt, denn das ist ja, mal wieder, ein neuer. Nicholas Leptos, jemand, einigen sicher bekannt von ARRAYAN PATH, wo er bereits epischen Metal fabriziert hatte. Ein Grieche? Beinahe, ein griechischer Zypriot. Irgendwie logisch, ich habe das Gefühl, die Fans haben die Band eh auf den Peleponnes eingemeindet. Graeco honoris causa.
Besonders metallisch sieht Herr Leptos nicht aus, aber seine Gesangsleistung ist tadellos. Nahe genug, um zu gefallen, weit genug weg vom Original, um nicht zu sehr zu kopieren. Live gefällt er mir besser als Giles Lavery, der noch auf dem "Keep It True"-Festival am Mikro gestanden hatte [dabei war Giles damals einfach nur umwerfend! R.S.]. Da für mich Bands mit der Leistung des Sängers häufig stehen oder fallen, ist das schon mal die halbe Miete. Trotzdem liegt ein besonderes Augenmerk auf den beiden Urmitgliedern, die sich unterschiedlich aus der Affäre ziehen. Bill Tsamis an der Gitarre ist eher ruhig und introvertiert, spielt häufig mit geschlossenen Augen und geht auch keinen Schritt zuviel. In einem kleinen Club sicher intensiv, auf der großen "Bang Your Head"-Bühne dagegen nicht gerade eine Stimmungskanone. Mark Zonder an den Drums ist dagegen natürlich von ganz anderem Kaliber. Ihm zuzusehen wäre es schon wert, WARLORD auf das Billing zu hieven. Wahnsinn, was der da zusammentrommelt.
Gleich im Anschluss gibt es mit 'Child Of The Damned' den absoluten Überhit der Band. Zumindest meiner Ansicht nach. Eine Ansicht, welche die Band offensichtlich nicht teilt, da sie den Song regelmäßig früh verwurstet. Sänger Nicholas ist sehr aktiv und mitreißend und macht eine schöne, metallische Show. Da auch im Folgenden vorerst nur alte Songs gespielt werden, darunter das nur auf der gerade wiederveröffentlichten "Deliver Us" EP veröffentlichte 'Winter Tears', bin ich ziemlich angetan von dem Gig. Im letzten Drittel gibt es dann aber 'Wings Of Thor' und 'Kill Zone', so dass die beiden Alben diesseits der Jahrtausendgrenze schließlich doch noch geehrt werden. Zugegeben, zwei der besten Songs und nicht negativ auffallend. Vielleicht liegt es ja an mir, wenn ich die alten Sachen so viel stärker finde. Warum? Egal, dieser geht bis elf. Das muss als Erklärung reichen.
Jetzt beginnen die Stunden des Glam- und Partyrocks. Den Anfang machen die Kalifornier von VAIN, die sich mit ihrem Debütalbum "No Respect" im Jahre 1989 fast auf Augenhöhe mit Kollegen wie MÖTLEY CRÜE, RATT und POISON wähnten, ohne jedoch den kommerziellen Durchbruch zu schaffen. Immerhin fast in Originalbesetzung (nur Schlagzeuger Tom Rickard wollte nicht mehr mitmachen) dürfen Sänger Davy Vain und seine Mannen nun die Zeit zurückdrehen und für eine mächtige Prise Glamzauber auf dem Messegelände sorgen. Doch ganz so einfach ist die Zeitreise nicht.
Die Sonne hat ein Schlupfloch in der Sonnendecke gefunden und brennt gnadenlos auf Balingen darnieder. Da passt es zwar, dass Davy barfuß über die große Bühne hüpft (Fußpilzalarm!) und diese auch durchaus auszufüllen weiß, doch jegliche Art von Lichtshow verpufft in der gleißenden Mittagssonne. Da ist es natürlich auch nicht förderlich, dass sich die komplette Hintermannschaft fast wie angewurzelt im Hintergrund aufhält und auf der Festivalbühne sogar ein wenig verloren wirkt. Das hat mit einer agilen und schweißtreibenden Performance wenig zu tun.
Dass auch noch das Mikrofon beim Eröffnungsstück 'Secrets' einige Aussetzer hat, trägt nicht zum perfekten Einstieg in den Festivalauftritt bei. Und doch kämpft sich das Quartett mit Songs wie 'Icy', 'No Respect', 'Greener', 'Triple X' oder 'Love Drug' zurück in die Spur und kann sich teils mehr als Höflichkeitsapplaus erarbeiten. Neben einigen sich bewegenden weiblichen Hüften kann man auch völlig durchdrehende Leutchen beobachten, die wahrhaft leidenschaftlich jedes Wort mitsingen. Richtige Ekstase oder gar Partyatmosphäre möchte jedoch im weiten Rund nicht aufkommen. VAIN gehört definitiv eher in einen kleinen, stickigen Club.
Doch der größte Fauxpas unterläuft den Mannen aus San Francisco gegen Ende des Sets. Mussten die Herrschaften ihre Show aufgrund einer etwas längeren Umbaupause schon fünf Minuten später als geplant beginnen, verabschiedet sich die Band sogar zehn Minuten zu früh wieder. Dass es sich dabei um kein zeitliches Missverständnis handelt, beweist die Tatsache, dass die beiden Gitarristen Jamie Scott und Danny West auf der Bühne bleiben, um ihre Klampfen zu stimmen. Wir haben es hier also mit einem peinlichen Zugabengehabe zu tun, denn natürlich folgt mit 'Beat The Bullet' der große Hit und obligatorische Abschlusssong. Das hätte man sich getrost schenken können und stattdessen lieber noch ein bis zwei Songs mehr zocken dürfen. Insgesamt nett, aber viel zu wenig Rotz und Glamour.
[Chris Staubach]
Nur halb so alt, dafür aber mit einem deutlich höheren Energielevel: KISSIN’ DYNAMITE nimmt den Ball der amerikanischen Vorgänger auf und erhöht den Spaßfaktor deutlich. Ein paar kräftigere Klampfen und schon rockt und groovt das amtlich. Natürlich kann man sich über Hannes und seine Jungs genüsslich streiten, denn vieles wirkt zu kalkuliert, viele Posen sind einstudiert und die Musik ist eben typisch schwäbischer Power-Glam-Rock. Trotzdem macht das Quintett bei seinem Heimspiel fast alles richtig. Man merkt ihm die zahlreichen Live-Shows an, alles wirkt professionell und routiniert.
Das Hauptaugenmerk liegt auf dem (noch) aktuellen, hochgelobten Album "Money, Sex And Power", von dem die Band gleich sechs Stücke präsentiert. Das funktioniert prächtig und ist sicherlich ein guter Schachzug. Die Reihen vor der Bühne füllen sich merklich, wenn auch die Stimmung noch immer nicht am Überkochen ist. Das hält die Schwaben aber nicht von Mitsingspielchen in 'Love Me, Hate Me' und 'Welcome To The Jungle' ab, die zwar um diese Uhrzeit nur bedingt funktionieren wollen, aber zu keiner Zeit peinlich wirken. Jetzt nimmt die Show aber so richtig Fahrt auf. Gitarrist Jim Müller reitet auf den Schultern eines Roadies an den Bühnenrand und zockt sein Solo während 'Jungle' in luftiger Höhe, Hannes trägt seine gewohnte Königsrobe in 'I Will Be King' und zum Abschluss präsentiert man noch die SCORPIONS-Pyramide. Das ist zwar nicht alles neu und auf allerhöchstem Niveau, dafür aber durchaus unterhaltsam und kurzweilig. Mit 'D.N.A.' stellt KISSIN’ DYNAMITE sogar noch einen Song des im September erscheinenden neuen Albums "Megalomania" vor, der bei den anwesenden Fans die Vorfreude mit ein paar Extrabrickets nährt.
Das Quintett darf den Auftritt durchaus auf der Habenseite verbuchen. Ein solider und jederzeit kraftvoller Festivalbeitrag, dessen Qualität viele später folgende Kollegen sich auch gewünscht hätten. Außerdem liefert Hannes mit mehrmaligen Ansagen der Marke "jetzt gibt es aber mal so richtig was auf die Fresse!" noch unfreiwillig den inoffiziellen Wahlspruch des Festivalwochenendes ab. Ist schon komisch, worüber man sich nach ein paar Bierchen so alles amüsieren kann.
Setlist: Sleaze Deluxe, Sex Is War, She’s A Killer, Love Me Hate Me, Welcome To The Jungle, I Will Be King, Operation Supernova, D.N.A., Money, Sex And Power
RIOT V - ein seltsamer Name, nicht wahr? Aber ja, unter diesem Banner segelt die Band, die sich aus Respekt vor ihrem verstorbenen zentralen Musiker Mark Reale ein wenig umbenannt hat. Natürlich ist es ansonsten weiterhin RIOT, eine Band, die auf nicht weniger als vierzehn Studioalben zurück blicken kann und von Hard Rock über Melodic Rock bis fast schon Speed Metal gemischt mit Progressive Metal und schließlich Power Metal zahlreiche stilistische Stationen abgearbeitet hat. Da kann doch eigentlich nichts schief gehen, oder?
Erwartet wird von vielen ein "Thundersteel"-Gig. Ich persönlich bin ja vor allem ein Freund der "The Privilege Of Power"-Scheibe, die zeitlich an besagten Donnerstahl anschließt. Dass als Test kurz vor dem Gig eine nur zu gut bekannte Sirene erklingt, lässt mir das Herz hüpfen. Das war doch die Sirene, die auf dem Album 'Storming The Gates Of Hell' einleitet! Das wäre ja toll! Doch zu Beginn wird nach einem Intro tatsächlich zweimal "Thundersteel" gehuldigt. Das ist natürlich super, zumal die Band tight und spielfreudig wirkt. Der Enthusiasmus ist ansteckend, da kann man gar nicht stehen bleiben. Todd Michael Hall ist super bei Stimme und klingt kräftig. Das Publikum ist begeistert, ich auch.
Aber es wird natürlich nicht nur in der Mottenkiste gewühlt. Geschwindigkeit dominiert, also wird mit 'Wings Are For Angels' einer der Nackenbrecher des aktuellen Albums "Immortal Soul" in die Meute gedroschen. Ich bin schon beinahe ein bisschen nackenlahm, doch ich ahne, dass die Burschen ihre fünfzig Minuten wohl stramm und heftig durchziehen werden. Also, konzentrieren und durchhalten. Auch wenn mit Gitarrist Mike Flyntz und Basser Don van Stavern zwei kreative Anker des Line-ups der Scheiben "Thundersteel", "Privilege Of Power" und "Immortal Soul" an Bord sind, und die Band sich auch speziell in dieser Tradition sieht, ehrt es sie, dass sie eben nicht alle anderen Veröffentlichungen ignorieren. So folgt mit 'Angel Eyes' ein Kracher von "Inishmore", im Original von Mike DiMeo eingeträllert. Todd macht aber auch hier eine sehr gute Figur. Ich beginne zu hoffen, vielleicht noch mehr DiMeo-Gassenhauer dieses Kalibers zu hören zu bekommen. Vielleicht 'Turn The Tables' oder gar 'Turning The Hands Of Time'? 'Glory Calling' oder 'Sons Of Society'?
Na ja, so weit geht die Liebe dann aber doch nicht. Schnell geht es wieder zurück zu "Thundersteel", das mit fünf von zehn Songs das Rückgrat des Gigs bildet. Da die Fans dieses Album über alles lieben, macht RIOT damit natürlich alles richtig. Auch die hardrockigen Ausflüge in die frühe Phase mit 'Swords And Tequila', das lautstark mitgesungen wird, und 'Warrior' werden begeistert aufgenommen und bringen etwas Abwechslung in den bis dato ziemlich rasanten Auftritt. Sogar ein neuer Song vom kommenden Album "Unleash The Fire" wird gespielt, der mit dem unglaublich einfallsreichen Titel 'Metal Warrior' aufwarten kann. Klischees haben sie schon immer gedroschen, und was Songtitel angeht, genügt es ja wohl, zu sagen, dass es RIOT immerhin als einzige mir bekannte Band geschafft hat, zwei verschiedene Lieder mit dem gleichen Namen zu versehen (wer es wissen will: 'Run For Your Life' auf "Thundersteel" und auf "Fire Down Under"). Da wundert man sich über nichts mehr.
Aber musikalisch läuft auch der Song gut rein, wenn er auch in die Klischeefalle tappt. Egal, weiter geht es, und als es mit dem Titeltrack ihres 1988er Albums ausklingt, sind alle sich einig, dass die Jungs abgeräumt haben. Natürlich habe ich dennoch etwas zu meckern, muss man als Journalist auch, sonst glauben die Leser noch, man wäre Fan und zum Vergnügen auf diesem Festival. Also: Wo war mein 'Storming The Gates Of Hell'? Das gibt ja wohl Abzüge in der B-Note! Kein einziger Song von der "The Privilege Of Power"? Irgendwie fällt es mir schwer, ob des starken Auftrittes richtig sauer zu sein, aber ich arbeite daran!
Setlist: Fight or Fall, Johnny's Back, Wings Are for Angels, Angel Eyes, Flight of the Warrior, Bloodstreets, Metal Warrior, Swords and Tequila, Warrior, Thundersteel
Zetro ist zurück. Mehr muss man gar nicht sagen. Wie, das reicht euch noch nicht? Okay, dann eben die ganze Tirade: Mit dem Weggang von Steve 'Zetro' Souza, den ich nicht weiter aufwärmen möchte, obwohl ich mich zu erinnern meine, dass Zetro damals nicht gerade die glücklichste Figur gemacht hat, begann die schwächste Phase von EXODUS. So schwach, dass ich den Jungs tatsächlich den Rücken gekehrt habe. Einer meiner ewigen Lieblingsbands! Weil nämlich Rob Dukes ein unerträglicher Brüllaffe ist, der alle Songs der Band kaputtgeschrien hat und obendrein eine Erscheinung ist, wie man sie in den USA mit wenig schmeichelhaften Bezeichnungen belegt, die ich einfach nicht wiederholen will. Kurz gesagt: eine kleine, artikulatorisch nicht aushaltbare Sängerkatastrophe. Ich habe nicht mal mehr das letzte Album gekauft!
Zetro ist zurück. Das ist die Quintessenz des Ganzen, und der Grund, warum die Jungs heute wahrscheinlich ein "Best of Karel Gott" auf dem Kamm blasen könnten und trotzdem meinen Applaus einheimsen würden. Aber soweit kommt es nicht, denn sie wissen, was sie tun. War ja nicht immer so, siehe oben mit Herrn Dukes. Aber was kann man falsch machen, wenn man auf die Bühne kommt und das Riff zu 'Bonded By Blood' in die Meute feuert und weiß, dass man nicht gegen seinen Sänger anspielen muss? Zetro ist im mittleren Bereich etwas runder geworden, aber sonst ganz der Alte. Und definitiv besser als bei HATRIOT, wobei er da auch nicht der Schwachpunkt war. Brachial kommt sie rüber, diese messerscharfe Riffattacke von Gary Holt und Lee Altus, die wilde Frühachtziger-Aggression, und dann setzen die mit 'Scar Spangled Banner' sogar noch einen drauf! Ein Gitarrenlauf zum Niederknien, dazu die bösen Lyrics von Souza und ein guter, detaillierter Sound. Ich bin begeistert.
Im Folgenden werden die frühen Baloff-Alben und fast alles, was sie mit Zetro gemacht haben, berücksichtigt. Große Hymnen wie 'And Then There Were None' oder 'Toxic Waltz', Nackenbrecher wie 'A Lesson In Violence' oder 'War Is My Shepherd', alles dabei. 'Blacklist' gibt eine kleine Verschnaufpause, aber die ist von kurzer Dauer. Die Musiker verströmen echten Metal und blicken böse, feuern das Publikum an, der Sänger interagiert und fühlt sich offensichtlich pudelwohl. Überhaupt scheint die Stimmung bestens zu sein, nicht nur im Publikum, auch in der Band. Zumindest kommt das Gefühl bei mir an. Ich könnte noch, aber die Zeit ist nach einer Dreiviertelstunde leider um. Ohne 'Last Act Of Defiance', 'No Love', 'Sealed With A Fist' und, und, und. Im Herbst kommt das neue Album namens "Blood In, Blood Out", wie Zetro ankündigt. Dann hoffe ich auf eine Headliner-Tour und da freue ich mich auf hoffentlich die doppelte Spielzeit, denn das hier ist eines der unsterblichen Thrash-Monumente. Die beste Thrashband der Welt? Mit Zetro ja. Trotz seiner merkwürdigen Fisch-Ansage zu 'Piranha'.
Setlist: Bonded By Blood, Scar Spangled Banner, And Then There Were None, A Lesson In Violence, Blacklist, Piranha, Brain Dead, War Is My Shepherd, Toxic Waltz, Strike Of The Beast
[Frank Jaeger]
Michael Schenker, das ist für mich Nostalgie pur. Denn die MICHAEL SCHENKER GROUP war die erste Band, die ich jemals live gesehen habe. Das ist ein Stellenwert, den man sich erst einmal verspielen muss. Okay, Michael hat das durchaus probiert, aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal. Jedenfalls ist der Ausnahmegitarrist mit seinem TEMPLE OF ROCK zu Gast und darf dazu aus dem Vollen schöpfen. Das ist nämlich tatsächlich Programm bei der aktuellen Besetzung, viele der mittelmäßigen Alben, die seinen Weg spicken, werden einfach ausgelassen. Statt dessen blickt er zurück auf alles, was er mal gemacht hat, und baut ein, worauf er Lust hat.
Und wer hat, der hat. 'Doctor Doctor' als Opener. Aus seiner Zeit bei UFO. Besser kann man nicht anfangen. Natürlich sind alle sofort Feuer und Flamme, auch wenn Michael mit seiner seltsamen Kopfbedeckung ein wenig gewöhnungsbedürftig aussieht. Aber was er an der Gitarre macht, ist absolute klasse. Dabei stellt er sich aber in den Dienst der Songs, erst später post er und macht den Rockerboy.
Ein neues Album hat er mit seinem Projekt auch, und so gibt es 'Where The Wild Wind Blows' vom aktuellen Album. Guter Song, und Sänger Doogie White macht seine Sache ganz ausgezeichnet. Er ist ein Könner, egal, ob ich ihn mit RAINBOW, CORNERSTONE oder TANK gesehen habe, er war bisher immer toll. Heute ebenfalls, auch wenn er bei 'Assault Attack' hörbar an seine Grenzen kommt. Graham Bonnets Stimmlage ist dann doch nicht seine. Aber vorher gibt es erstmal die SCORPIONS. 'Lovedrive' und 'Another Piece Of Meat' bedeuten Heimspiel und Jubel. Ja, da hat Michael Schenker Leadgitarre gespielt. Mit einigen MSG-Songs und etwas mehr TEMPLE OF ROCK-Material neigt sich der Gig schon dem Ende zu. Sehr schade, denn der Meister macht gehörig Spaß. Zwar nervt mich ein wenig der viel zu laute Bass, der die Feinheiten der Sechsaiter oft zupumpt, aber ich habe meine Freude.
Zum Ende gibt es dann nochmal SCORPIONS, nämlich 'Rock You Like A Hurricane'. Nein, in der Tat, da hat Michael nicht mitgespielt, aber zwei andere. Denn Bass spielt Francis Buchholz, den ich im Leben nicht wiedererkannt hätte, und am Schlagzeug rührt Herman Rarebell herum, der im Mitsing-Animationsteil deutlich beweist, dass er keinen Zentimeter singen kann. Muss er ja auch nicht. Ganz zum Ende folgt dann noch eine lange Version von UFOs 'Rock Bottom', bei der Michael mal richtig die Saiten glühen lässt. Sehr gelungen, Herr Schenker, bei mir gerne wieder!
Setlist: Doctor Doctor, Where the Wild Wind Blows, Lovedrive, Another Piece of Meat, Assault Attack, Armed & Ready, Into The Arena, Before the Devil Knows You're Dead, Horizons, Rock You Like a Hurricane, Rock Bottom
Irgendwer muss mir mal erklären, warum SEBASTIAN BACH so hoch auf dem Billing ist. Nach MICHAEL SCHENKER? Im Ernst? Weswegen? Wegen zweier guter und einem überflüssigen SKID ROW Album oder wegen seiner drei mittelmäßigen Soloplatten? Na ja, denke ich mir, dann lassen wir uns mal überraschen. Was der gute Mann dann auch tut. Gleich zu Beginn haut er uns mit 'Slave To The Grind' den besten Song des Gigs um die Ohren. Das freut mich, ist ja wirklich ein fetter Gassenhauer. Auch wenn ich mich frage, wie er das noch toppen will und mir selbst gleich die Antwort gebe: "gar nicht". Was sich im weiteren Verlauf bewahrheiten soll.
Dass er anfangs technische Probleme hat und sich erstmal ein funktionierendes Mikrophon suchen muss, überspielt Bach gekonnt mit einem Scherz auf den Lippen. Sehr sympathisch und souverän. Der groß gewachsene Sänger ist ganz deutlich der Mittelpunkt der Show und steht kaum still, er zieht die Blicke auf sich und überzeugt auf ganzer Linie mit seiner Erscheinung. Ein weiterer Höhepunkt ist '18 And Life' und natürlich ganz am Ende noch 'Youth Gone Wild', die zweite Hitsingle des SKID ROW Debütalbums.
Soweit, so gut. Aber was Sebastian Bach auch beweist, ist, dass er offensichtlich nicht der beste Livesänger ist. Oder zumindest heute nicht, obwohl ich ihn auf den Studioscheiben durchaus als erträglichen bis guten Vokalisten schätze. Was er heute bringt, ist allerdings ein teilweise nervendes Gekreische zu einem insgesamt musikalisch doch ziemlich langweiligen Auftritt. Obwohl er in seiner Setlist eigentlich alle Kracher verwurstet, ist das einfach nicht mitreißend. Mit beiden Füßen im Midtempo, nach dem immer gleichen Strickmuster, und darüber das Gekrächze des Herrn Bach. Die Lichtshow ist nett, aber ich flüchte mich dennoch zum Bierstand. Da ist es voll, und es verlassen auch so einige das Gelände. Ich habe keinen Vergleich, vielleicht ist es ja bei jeder Band so, aber subjektiv spielt Sebastian wohl eher das Festival zunehmend leer.
Hier wäre sicher mehr Michael Schenker oder von mir aus auch mehr von irgendeiner der anderen Bands heute besser gewesen. Außer vielleicht der hierauf folgenden, doch das ist jetzt mal nebensächlich, liegt nicht an der Musik und außerdem: dazu kommen wir gleich. Aber wenn man schon die Wahl hat zwischen einen Act, der auf fünf Alben mit spielbaren Songs, darunter drei Hits, zurückblickt, oder einer vierzigjährigen Historie voller Gassenhauer berühmter Bands, da wäre mir sicher eingefallen, wer diese zusätzlichen zwanzig Minuten bekommen hätte. Jedenfalls ist es gut, als es vorbei ist, und ich sehe um mich herum auch eher zurückhaltende Begeisterung.
Setlist: Slave to the Grind, Temptation, The Threat, Big Guns, Piece of Me, 18 and Life, American Metalhead, Taking Back Tomorrow, Monkey Business, I Remember You, All My Friends Are Dead, Youth Gone Wild
[Frank Jaeger]
Die Entscheidung der Veranstalter, seit einigen Jahren in der Volksbank-Halle eine zweite Bühne mit Alternativprogramm anzubieten, fand ich ja von Anfang an etwas zwiespältig, denn zwar werden so noch mehr Bands präsentiert, die Auswahl wird größer, aber auf der anderen Seite geht der Fokus verloren. Egal wie sehr man sich auch mühen mag, die beiden gleichzeitig spielenden Bands stilistisch möglichst weit auseinander zu halten, so wird es doch immer wieder den Fall geben, dass man sich als Besucher des Festivals für eine von zwei Bands entscheiden muss, die man beide sehr gerne gesehen hätte.
Das hat früher Balingen als Festival mit nur einer Bühne positiv von zahlreichen anderen Events abgehoben und für eine besondere Gemütlichkeit gesorgt, die nun ein Stück weit verloren ist, weil man eben beispielsweies gezwungen ist, dem Herrn Bach vorzeitig den Rücken zu kehren, um EVOCATION in der Halle bewundern zu können, nur um danach deutlich zu spät zum Anfang von AXEL RUDI PELL aus der Halle heraus zu kommen. Nun, das ist sehr schade und erhöht den Stressfaktor ein wenig, doch der Veranstalter will es so haben. Dementsprechend ist die Halle bei schönem Wetter zum Erklingen des Intros mit der "Das Boot"-Titelmelodie auch noch eher spärlich gefüllt, und die Schweden haben eine gewisse Mühe, das etwas müde wirkende Publikum anzuheizen. Ob eine von der Bühne in Richtung Publikum fliegende und Flügel verleihende Dose dafür das richtige Energetikum ist? Man weiß es nicht!
Dabei ist der dynamisch dahinwalzende Stil durchaus fein dargeboten, die Kombination ist knackig und das Quintett aus Borås gibt sich alle Mühe, seine Mischung aus klassischem schwedischem Death Metal der alten Schule und zeitgemäßerem Melodic Death an den Mann zu bringen. Nachdem die Skandinavier ihre Sache aber gut machen, geht das Publikum auch zunehmend mit, und da offenbar der Herr Bach draußen in der Sonne nicht alle voll und ganz überzeugen kann, füllt sich die Halle auch zunehmend, so dass Sänger Tjompe - sehr klassisch in ein KING-DIAMOND-Shirt gewandet - sichtlich seine Freude hat und sich gerne vom Publikum zu Hymnen wie 'Divide And Conquer' oder 'Feed The Fire' anfeuern lässt. Die Neumitglieder Simon Exner (Gitarre) und Conny Pettersson (Drums) fügen sich gut ein, und so brennt auch bei 'Illusions Of Grandour', 'Psychosis Warfare' oder 'Tomorrow Has No Sunrise' nichts an. Mir persönlich sagt EVOCATIONs Art des schwedischen Death Metals mit den relativ melodischen, dabei aber gelegentlich doch auch eher schematischen Riffs und dem sehr brülligen, verzerrten Gesang zwar nicht ganz so zu, doch die Band macht als erste richtig derbe Truppe des Festivals ihre Sache durchaus gut, auch wenn natürlich noch Luft nach oben ist auf der Hallenbühne.
[Rüdiger Stehle]
Die große Axel-Sause beginnt. Angekündigt als Anniversary-Party mit STEELER-Reunion weckt der Headlinerauftritt im Vorfeld einige Erwartungen. Seit 25 Jahren steht der Wattenscheider Axel Rudi Pell mittlerweile unter seinem eigenen Namen auf der Bühne, das erste selbst betitelte Album mit STEELER hat sogar schon 30 Jahre auf dem Buckel. Drei Stunden Party sind eingeplant und Axel soll einige Freunde und Gäste eingeladen haben. Man durfte durchaus gespannt sein. Jetzt schnell gute Plätze sichern und die Zeitmaschine anwerfen. Bevor es jedoch losgeht, begrüßt Thomas "Harry" Weinkauf das Publikum und stellt sich als Moderator des Abends vor. Dieser ist bundesweit bekannt durch die Sat1-Reportage "24 Stunden Harry & Toto - Die Zwei vom Polizeirevier". Harry ist ein guter Freund des Hauptprotagonisten, begrüßt die jeweiligen neuen Musiker auf der Bühne, macht ansonsten ein paar lockere Sprüche und scheint Schwierigkeiten mit der Aussprache von Johnnys Nachnamen zu haben ("Korrekt!"). Ich hätte mir Axel persönlich als Zeremonienmeister gewünscht, viele Besucher finden den Polizisten jedoch lustig. Ist letztendlich nicht spielentscheidend, würde ich sagen.
Los geht es ganz chronologisch mit STEELER, einer Band, die Mitte bis Ende der Achtziger vier gute Hardrockscheiben veröffentlichte. Besonders freuen sich viele Besucher auf die Rückkehr von Sänger Peter Burtz, der auch gleich über die große Bühne fegt und mit den Fans auf seine rotzig freche Art Späßchen macht. Sehr nett. Die anderen Musiker haben sichtlich Freude, wenn auch eher untereinander. Einzig Mr. Pell wirkt noch verhaltener als sonst und hat im gesamten ersten Teil der Show mehr mit sich selbst und dem Monitoring zu kämpfen, als sich an einer perfekt nostalgischen Reise in die Vergangenheit zu erfreuen. Auch wenn die vier Songs für den einen oder anderen Kindheitserinnerungen wecken, können sie rein qualitativ mit dem später Dargebotenen nicht mithalten. Lustig und interessant ist es trotzdem.
Weiter geht es mit den Frühwerken seiner Solophase. Nach einer den Fluss der Veranstaltung störenden Umbaupause sitzt nun neben der ansonsten aktuellen Besetzung Jörg Michael am Schlagzeug. Dazu bittet der blonde Gitarrist die Herren Rob Rock und Jeff Scott Soto nacheinander auf die Bühne. Zunächst singt sich Rob durch den Titelsong 'Nasty Reputation' von 1991 und setzt eine mehr als markante Sängerduftmarke. Mr. Rock, der am nächsten Tag noch eine volle Soloperformance vor sich hat, hinterlässt aufgrund seiner tadellosen Leistung ausnahmslos staunende Gesichter. Im Anschluss sorgt Jeff Scott Soto mit 'Warrior' und vor allem 'Fool Fool' für die ersten Songhöhepunkte des Abends. Soto hat eine noch größere Bühnenpräsenz, ist noch agiler, zieht aber gegenüber seinem Vorgänger gesanglich ganz leicht den Kürzeren. Wir jammern hier jedoch auf ganz hohem Niveau. Es ist auf jeden Fall sehr schade, dass Rob Rock nur einen Song zum Besten geben durfte.
Und nun wieder eine quälend lange Umbaupause. Jetzt ist die aktuelle Besetzung mit Sänger Johnny Gioeli, Bassist Volker Krawczak, Keyboarder Ferdy Doernberg und Schlagzeuger Bobby Rondinelli an der Reihe. Damit kommt die Sicherheit zurück. "The Pellinator" (O-Ton Gioeli) wirkt sichtlich souveräner und zeigt deutlich mehr Präsenz. Johnny ist ständig unterwegs, grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd, neckt gelegentlich seine Mitstreiter und liefert darüber hinaus gesanglich eine Topleistung ab. Das honoriert auch das Publikum, das von Song zu Song mehr auftaut. Beim Eröffnungsstück 'Burning Chains' kommen massenhaft Feuersäulen und Pyros zum Einsatz, was wohl allen Anwesenden deutlich zeigen soll, jetzt geht die Show erst richtig los. Und ich muss sagen, dieser Teil ist auch wirklich amtlich. Das groovt und ist richtig gut in Szene gesetzt. Mit 'Strong As A Rock', 'Long Way To Go', 'Casbah', dem Doppel 'Too Late / Eternal Prisoner' und 'Rock The Nation' kann die Band auch wenig falsch machen. Gänsehaut stellt sich bei 'Hey Hey, My My' und 'The Masquerade Ball' ein, denn Johnny "Korrekt!" Gioeli singt sich in einen Rausch und geht jedem noch so harten Rocker unter die Haut. Einer der Festivalhöhepunkte. Einzig der etwas langatmige Mittelteil mit Pells Solo während 'Mystica' und Doernbergs Alleingang vor 'Into The Storm' schleppt sich ein wenig. Hier wäre ein Song mehr cooler gewesen. Alles in allem ist der Showmittelteil gelungen und eines Headliners würdig.
Jetzt kommt der Gnadenstoss. Erneut wird umgebaut. Zwei Schlagzeuge werden im vorderen Bereich positioniert, denn es folgt ein "Drum-Battle". Bobby Rondinelli vs. Vinnie Appice. Wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, dass beide Jungs großartige Könner ihres Faches sind, aber diese Showeinlage ist vor Langeweile nicht zu überbieten. Beide Schlagwerker haben ja auch noch den gleichen musikalischen Background und ähneln sich im Stil, da fehlt einfach der Kontrast und der Sinn erschließt sich mir nicht . Dieses uninspirierte Geplänkel ist völlig daneben und kostet die Band zahlreiche Besucher, denn die Reihen lichten sich spürbar.
Nach einer erneuten Umbaupause lädt Mr. Pell in der letzten Stunde einige Freunde und Gäste auf die Bühne, um mit ihnen eine große Coverparty zu feiern. Wir begrüßen PRETTY MAIDS-Frontmann Ronnie Atkins zu 'Black Night' (DEEP PURPLE), sowie URIAH-HEEP-Sirene John Lawton zu 'Sympathy' (URIAH HEEP) und 'Tush' (ZZ TOP) auf der Bühne. Weiter geht es mit der großen RAINBOW-Show: Es kommen die ehemaligen RAINBOW-Musiker Tony Carey (Keys) und Doogie White (Vocals), die gemeinsam mit Johnny Gioeli 'Mistreated' intonieren, während anschließend mit Graham Bonnet, ganz lässig in einen silbernen Anzug gekleidet und stets einer Hand in der Hosentasche, ein weiterer RAINBOW-Sänger die Songs 'Since You’ve Been Gone' (im Hintergrund Michael Voss von MAD MAX) und 'Long Live Rock'n'Roll' (im Duett mit Jeff Scott Soto) in großartiger Manier vorträgt. Während des Songs setzt dann auch noch pathetisch und wie abgesprochen der Regen ein. Doch wer dachte, jetzt ist Schluss, es reicht und der Dio gewidmete Song wäre ein passender Abschluss, liegt falsch. Es finden sich noch einmal (fast) alle anwesenden Musiker auf der Bühne ein, um mit 'Smoke On The Water' (DEEP PURPLE) ein völlig überflüssiges Finale anzustimmen.
Ihr merkt, allein die Fakten aufzuzählen sprengt den Rahmen, aber macht das auch eine gute Show aus? Nein! Das erste Drittel der ARP-Anniversary-Party war nostalgisch vertretbar, der Mittelteil in aktueller Besetzung top, das Ende als Coverband völlig langweilig. Für Axel sicherlich eine große Sause und ein riesiges Erlebnis, mit seinen Helden die Bühne teilen zu dürfen. Keine Frage, und es freut mich für Axel auch. Für die Fans ist das aber eher bedingt interessant. Ein mehr als umstrittener Auftritt, der nicht nur am Abend beim Feierabendbier, in der Halle bei der Knüppelnacht und am folgenden Tag an den diversen Getränkeständen eifrig diskutiert wurde.
Setlist: Call Her Princess, Night After Night, Rockin’ In The City, Undercover Animal (/w STEELER), Nasty Raputation (/w Rob Rock), Warrior, Fool Fool (w/ Jeff Scott Soto), Burning Chains, Strong As A Rock, Long Way To Go, Hey Hey, My My, Mystica, Key Solo/ Into The Storm, Too Late/ Eternal Prisoner, The Masquerade Ball/ Casbah, Rock The Nation, Black Night (w/ Ronnie Atkins), Sympathy (w/ John Lawton), Tush (w/ John Lawton), Mistreated (w/ Doogie White), Since You’ve Been Gone (w/ Graham Bonnet), Long Live Rock’n’Roll (w/ Graham Bonnet & Jeff Scott Soto), Smoke On The Water
Und natürlich sind es EVOCATIONs Landsleute, Ola Lindgren und seine Mannen, welche die Meßlatte für die Härtnerfraktion beim heurigen "Bang Your Head" nun ganz nach oben hieven. Wenn es anno 2014 noch eine große Band gibt, welche den unverfälschten schwedischen Todesstahl der ganz alten Schule zelebriert wie einst im Mai, dann ist das ja wohl GRAVE, und - keine Frage - auch hier in Balingen triumphiert das alte Schlachtross und legt die Halle in Flammen. Der Gitarrensound ist apokalyptisch, zermalmend, die Riffs sind modrig und zerstörerisch, gerade in den immer wieder extrem effektiven langsamen, doomigen Passagen fast auf gespenstische Weise erschütternd, und Olas makabres Röcheln sorgt für einen Death-Metal-Trip der ganz besonderen Art.
Die Band, die schon mehr als ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat, ist einfach eine absolute Referenz ihres Stils, und selbst diejenigen, die eher zart besaitete Gemüter haben, können nicht umhin, dem Quartett zu attestieren, dass das Gebotene doch ziemlich eindrucksvoll vor dem inneren Auge Szenen aus Zombiefilmen und apokalyptischen Geschichten heraufbeschwören kann. Wo vor einer Stunde mit EVOCATION noch Aggession und Angriffslust im Vordergrund standen, da regieren bei GRAVE Pein, Marter und Elend. Manchmal lässt ein Song die meist gut mitgehende Meute nur noch mit offenen Mündern zurück, was Ola dann süffisant mit "Are we really that bad?" kommentiert, nur um die erhoffte und an sich auch logische Reaktion zu ernten, nämlich laut auftosenden Applaus. Die Setlist überrascht nicht sonderlich, aber was will man auch erwarten, wenn eine Band mit dieser Geschichte mit einer Dreiviertelstunde auskommen muss: Eben, es kommen einfach die Klassiker am laufenden Band und der eine oder andere neue Song wie eben 'Winds Of Chains' oder 'Morbid Ascent' von den beiden letzten Releases. Doch gefeiert werden natürlich in erster Linie solch monumentale Death-Metal-Hymnen wie 'You'll Never See', 'Christi(ns)anity', das aus unzähligen Kehlen mitgebrüllte 'And Here I Die' oder der obligatorische Hinausschmeißer 'Into The Grave'. Es bleibt einmal mehr nur die Feststellung, dass GRAVE nach wie vor eine der besten Death-Metal-Bands ist, und dass eben diese Feststellung durch den Balinger Gig vor durchaus genreskeptischem Publikum ordentlich zementiert werden kann.
Nobody expects the Canadian inquisition! Dass die Halle nicht nur für skandinavische Knüppelkommandos vorbehalten ist, das zeigt als nächstes nämlich der Auftritt der kanadischen Inquisition bzw. des stählernen Generalinquisitors Gord Kirchin, auch (THE EXALTED) PILEDRIVER genannt. Der unzweifelhaft schrägste Lustkoloss der Metalszene, mit seiner fein benagelten, oder besser berattenschwänzten, SM-Kapuze, in Lederriemen gespannt, und stets lüstern seine eigene Leibesfülle streichelnd, haut zusammen mit seinen Mitstreitern einen primitiven und dabei doch so wunderbar mitreißenden Metal-Gassenhauer nach dem anderen ins fröhlich, ausgelassen und teils durchaus auch etwas ungläubig schmunzelnd feiernde Publikum. Die Rudi-Völler-Befreiungsnase ist ebenso des Pfählers Markenzeichen wie die angedeutete Kopulation mit von der Meute zugeworfenen Damen-Gummistiefeln oder wehrlosen Monitorboxen. Der massige Hüne feiert sich selbst, lässt sich von seinen "Minions of the Metal Inquisition" feiern, und ja, er feiert natürlich auch seine Minions.
Was Gord und seine Zombie-Sidekicks hier abziehen, das ist natürlich grotesk, und natürlich nimmt es sich selbst nicht besonders ernst. Dass dabei aber trotzdem großartige Hymnen am Fließband von der Bühne prasseln und wir uns nicht nur an der Freakshow, sondern auch an Songs erfreuen, die frenetisch mitgesungen und gefeiert werden, das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. Doch mal ehrlich, wer die Refrains und teils völlig behämmerten Texte zu 'Sex With Satan', 'Piledriver' oder 'Unsuck My Cock' nicht mit einem breiten Grinsen im Gesicht mitsingen will (so er sie denn kennt), bei dem läuft irgend etwas falsch! Folgerichtig wird der Meister auch zweimal zur Zugabe gebeten, die es natürlich auch gibt, nämlich in Form des obligatorischen Übersongs 'Metal Inquisition' und des nicht minder genialen 'The Executioner' - das es natürlich nur noch oben drauf gibt, weil das Balinger Publikum "so fuckin' awesome" war. Eh klar, ebenso, wie die Tatsache, dass sich Gord zum Abschied noch einmal selbst feiern lässt - "Thank me!" - aber dann zum Schluss doch zeigt, wie sehr er sein Publikum schätzt: Denn selten wirkt ein "Thank you!" zum Abschied eines Musikers so herzlich und ehrlich wie jetzt im Moment, als der PILEDRIVER die Bühne verlässt. Verständlich: Denn welcher komplette Freak im Untergrund kann denn sonst noch gut dreißig Jahre lang so treue Fans um sich scharen? Eben! Dafür lieben wir den Heavy Metal, und dafür lieben wir Herrn Kirchin.
Setlist: Alien Rape, The Fire God, Piledriver, I'm The One, Metal Manifesto, Sex With Satan, Witch Hunt, Unsuck My Cock, Lord Of Abominations, Metal Inquisition, The Executioner
[Rüdiger Stehle]
So, an dieser Stelle bleibt mir nurmehr eine kleine Entschuldigung, denn das frühe Aufstehen, die brutale Sonneneinstrahlung und die Belastung zweier Bühnen fordern ihren Tribut. Sehr gerne würde ich euch noch von Herrn Schirenc berichten, der dem Balinger Publikum die besten Schmankerln des österreichischen Death Metals präsentiert, nämlich aus dem Hause PUNGENT STENCH. Es ist 00:50 Uhr, der Rezensent ist eingeteilt, doch die Füße, das Genick und der Schädel wollen einfach nicht mehr mitmachen, so dass wir kurz nach halb Eins ein wenig traurig die Segel streichen und ins Bett gehen. Allzu viele Leute sind zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Halle, den meisten geht es ähnlich wie uns, doch was man so hört und nach den zahlreich zur Schau gestellten PUNGENT-STENCH-T-Shirts am nächsten Tag zu urteilen, muss der Gig durchaus ganz gut gewesen sein. Hier nochmal die Bitte an die Veranstalter: Wenn ein Festival schon morgens um 9:30 Uhr beginnt, dann muss um 00:50 Uhr keine Band mehr auf die Bretter. Das ist einfach zu viel für die Leute, die sich für alle Bands interessieren, und auch für die Band selbst nicht mehr toll, die den Hinausschmeißer machen muss. So oder so, nochmal ein ganz dickes "Sorry!" an Martin Schirenc und an die PUNGENT-STENCH-Fans, die hier gerne ein paar Worte zum Gig gelesen hätten.
[Rüdiger Stehle]
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- Redakteur:
- Rüdiger Stehle