Bang Your Head!!! 2006 - Balingen
27.07.2006 | 00:2823.06.2006, Messegelände
Samstag, 24.06.
Der Samstag steht ganz (oder eben noch mehr als ohnehin ;-))im Zeichen des runden Leders. Nun gut, es finden sich auch etliche Nicht-Begeisterte oder gar WM-Genervte, was man aufgrund der Omnipräsenz des Sport-Themas in den letzten Wochen und der unglaublichen Euphorie rund um das deutsche Team durchaus auch verstehen kann - dennoch dominiert Schwarz-Rot-Gold, viele DFB-Trikots lassen sich ausmachen und selbst eine kleine Schar Schweden-Fans ist anwesend.
Doch bevor um 17 Uhr endlich Anstoß ist, warten noch eine ganze Menge an leckeren Bands auf die Besucher, die vom extrem heißen Vortag morgens noch etwas gerädert sind. Kein Wunder, denn bereits zu Festivalbeginn treibt einem die sengende Sonne die Schweißperlen auf die Stirn, und die Tatsache, dass bis zu den Mittagsstunden nicht ein kleines Wölkchen am Himmel zu erblicken ist, stimmt einen nicht gerade positiver. Dann muss man sich eben ablenken, was mit dem famosen Programm heute kein Problem darstellen dürfte:
[Rouven Dorn]
POWERWOLF
Wolsgeheul am frühen Morgen, das kennen wir schon vom Summer Breeze 05, und spätestens seitdem POWERWOLF dort die Sonne angeheult haben, erfreuen sie sich einer nicht kleinen Fanschar an Mitheulern. Wie auch immer, auch am BANG YOUR HEAD!!! ist die Freude über die Spaßkombo mit dem transsilvanischen Outfit groß und so sind um 10 Uhr Morgens schon alle bereit, sich den Kater rauszuschwitzen. Musikalisch hat man wieder nur die feinste Mischung aus allen Möglichen Metalgenres parat und bewegt sich gerne in der Klischeesuppe von klassischem Heavy Metal, was man hier allerdings mit einem Augenschmunzeln verdauen sollte. Sehr geil! Die Sonne brutzelt fies auf die Vampire, deren schicke Schminke zu verlaufen droht, doch das hält die Saitenfraktion nicht vom Posen ab (stylisch mit Ventilator, der die Haare aufwirbelt) und auch Sänger Attila Dorn, der sich heute über eine Erkältung beschwert, fuchtelt mit seinem roten Umhang rum. Bleibt nur die Frage offen, wo holt man sich bei der Hitze eine Erkältung? Mit dem Hit 'Mr. Sinister' finden POWERWOLF einen tollen Einstieg und Attila vergisst von Ansage zu Ansage immer mehr seinen perfekt geübten rumänischen Akzent. Macht nichts, denn Sprüche wie "Ich hab zu viel Blut im Alkohol" sind heute unschlagbar und erinnern so manchen an das letzte Saufgelage. Prost, ihr Wölfe!
[Caroline Traitler]
Setlist:
Mr. Sinister
We Came To Take Your Souls
Demons & Diamonds
Montecore
The Evil Made Me Do It
The Kiss Of The Cobra King
Lucifer In Starlight
ANVIL
ANVILs Frontmann Lips ist ein ziemlich durchgeknallter Typ, und zwar im uneingeschränkt positiven Sinn. Das kanadische Speed-Metal-Urgestein strahlt das ganze Festival über wie das vielgerühmte Honigkuchenpferd, so einen Spaß hat der Mann am Auftritt seiner Band beim BANG YOUR HEAD!!!. Auch wenn nach bald dreißig Jahren im Geschäft "nur" Platz zwei von unten im Billing rausspringt, Lips und seine Mannen genießen es sichtlich, vor einem so großen Publikum aufzutreten, und das Publikum genießt es ebenso offensichtlich, den sympathischen Musikern beim Unfugmachen zuzuschauen. So macht Lips seine Begrüßungsansage nicht etwa über das Gesangsmikrofon, sondern er brüllt die Pick-ups seiner Gitarre an, so dass diese seine Stimme wiedergeben - ein Beispiel, das bald redaktionsintern Schule machen dürfte. Dass die Ahornblätter vom Opener '6-6-6' an Birnen abschrauben und Nackenwirbel ausrenken, versteht sich von selbst. Selbstironie fehlt den Herrschaften auch nicht, wenn Lips grinsend den 81er-Hit 'Winged Assassins' mit der Bemerkung ankündigt, dass sie damals alle noch etwas mehr Haare gehabt hätten. Dass sie aber nicht nur lustig können, sondern auch eine ernsthafte Botschaft haben, belegt Lips' Ansage zum Thema Krieg und Frieden: "Unlike Ted Nugent, I hate war. We all can be brothers and sisters. I believe in forgiveness." Weiter geht's mit einem neuen Song vom kommenden dreizehnten ANVIL-Album, bevor die Jungs mit 'Forged In Fire', 'Mothra' (gigantische Gestik und Mimik von Lips zu der japanischen Horror-Story) und 'Metal On Metal' noch drei richtige Klassiker am Stück raushauen und sich dann glücklich von den deutschen Fans verabschieden, welche die Band laut eigenem Bekunden 30 Jahre lang am Leben gehalten haben. Tolle Show einer super-sympathischen Band, oder um es mit einem Wort von Lips zusammenzufassen: "Yesinfuckindeed!"
[Rüdiger Stehle]
Setlist:
666
School Love
Winged Assassins
This Is Thirteen
Forged In Fire
Mothra
Metal On Metal
VICTORY
Kurz vor der Mittagstunde sind dann VICTORY an der Reihe, die gleich mit 'Take The Pace' einen ordentlich vor den Latz knallen. Dabei steht der alten Besetzung der neue Sänger Jioti Parcharidis sehr gut zu Gesicht. Zwar wirkt er mit seinem MAIDEN-Shirt (original von der 90er-"No Prayer For The Dying"-Tour") und knallengen schwarzen Hose wie direkt aus den Achtzigern auf die Bühne gebeamt (frei nach dem Motto: "Beam me up, Fargo!) aus, aber stimmlich gibt's absolut nix auszusetzen. Irgendwo zwischen Charlie Huhn (VICTORY, AXEL RUDI PELL) und einer dreckigeren Variante von SEBASTIAN BACH angesiedelt, lässt er alte, glorreiche Zeiten wieder aufleben. Zwar vermisse ich bei den Klassikern die Fernando Garcia einst intoniert hat ('Power Strikes The Earth', 'On The Loose') die melodische Stimme, aber das wird durch die Hingabe und das Stageacting von Jioti sehr gut ausgeglichen. Alle Mitstreiter haben mächtig Spaß in den Backen und auch das Publikum frisst dem Quintett ordentlich aus der Hand. Dazu sollte noch erwähnt werden, dass Jioti bis zum fünften Song mit einer Sonnenbrille über die Bühne watschelt, diese aber vor 'On The Loose' endgültig weglegt. Und spätestens ab dem Song ist die Stimmung vollends auf dem Siedepunkt angelangt, was nicht nur an den tropischen Temperaturen vor der Bühne liegt. Zwar gehen die Backgroundvocals etwas unter, aber Jioti ist imstande den Alleinunterhalter zu spielen. Nach dem letzten Song 'Check's In The Mail' hält ein Konzertbesucher die Hand um seiner Freundin an. Ist ja schön romantisch, aber irgendwie wird man auf jedem Festival Zeuge solch eines Spektakels. Irgendwie greift das inflationär um sich wie das derzeit grassierende WM-Fieber.
Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass VICTORY wieder zurück sind und in dieser bestechend guten Form auch gerne wieder "reguläre" Alben einspielen können. Wer hingegen die gute Stimmung vom Festivalgig konservieren möchte, sollte sich die aktuelle Scheiblette "Fuel To The Fire" zulegen, wo Bandklassiker neu eingespielt wurden. Ich für meinen Teil zieh' mir erstmal die "Best Of" rein, die ich für günstiges Geld vor einiger Zeit erworben habe.
[Tolga Karbagli]
COUNT RAVEN
Am Vortag die Raben und nun die Rabengrafen... Ich hab's scheinbar mit dem schwarzen Federvieh. Die Schweden von COUNT RAVEN sind der einzige Doom-Vertreter beim heurigen BANG YOUR HEAD!!!, was an sich schade ist, lockert eine gediegene Dosis Doom doch jedes Festival wunderbar auf. Dafür sticht die neu formierte Band um Sänger und Gitarrist Dan "Fodde" Fondelius um so mehr heraus, und das sei dem Trio herzlich gegönnt, denn immerhin haben wir es mit einer waschechten Doom-Legende zu tun, die nun hoffentlich endgültig wieder im Geschäft ist. Als erstes will ich den neuen Mannen am Bass und am Schlagzeug - Fredrik Jansson und Jens Bock - Respekt zollen: Die Jungs machen ihre Sache sehr gut, auch wenn es natürlich kein Leichtes ist, charismatische Gründungsmitglieder wie Wilbur und Renfield zu ersetzen. Die Songauswahl ist wieder einmal klasse, was schon der Einstieg mit 'Jen' und dem großartigen Titelstück des zweiten Albums belegt. Es folgt das neuere Stück 'Scream', bevor ein gut gelaunter Fodde die erste ganz große Hymne von COUNT RAVEN ansagt: 'Hippie's Triumph', gefolgt von dem mächtigen 'Fallen Angels'. Dann kündigt das von Fredrik Jansson gespielte Bassintro den Gänsehautmoment schlechthin an. 'Leaving The Warzone' ist ein Song, bei dem ich jedesmal fast heulen könnte. Besonders, wenn ihn Fodde so leidenschaftlich singt wie heute. Ganz groß! Als Fodde dann feststellt, dass heute ein strenger Zeitplan herrsche, weil ja noch ein Fußballspiel anstehe, wissen wir, dass Zeit ist für den letzten Song. Den gibt es dann in Gestalt von 'High On Infinity', bei dem es dieses Mal (leider) nicht zu regnen anfängt, wie einst zu 'Cosmos' in Wacken. Zumindest ein paar Wolken hätten nicht geschadet. Alles in allem ein großartiger Auftritt von COUNT RAVEN, der auch vom Publikum toll aufgenommen wurde, so dass auch die Musiker nicht allzu traurig gewesen sein dürften, dass die schwedische Nationalmannschaft mit ihnen zusammen den Heimflug antreten konnte.
[Rüdiger Stehle]
Setlist:
Jen
Destruction Of The Void
Scream
Hippie's Triumph
Fallen Angels
Leaving The Warzone
High On Infinity
UNLEASHED
Bleiben wir doch gleich in Schweden - was wäre auch heute passender? Johnny und seine Mannen blasen zum Sturm, und viel kontrastreicher hätte der Wechsel von Doom zu Death nicht ausfallen können. Mit 'Neverending Hate' geht's los, 'To Asgard We Fly' sorgt für erste Begeisterungsstürme vor der Bühne, und spätestens bei 'Don't Want To Be Born' sind die Kollegen Rüdiger und Tolga nicht mehr zu halten. Meine Wenigkeit ist ein wenig geschlaucht ob der hohen Temperaturen und der unbarmherzig brezelnden Sonne, und so ziehe ich es vor, zumindest einen kleinen Abstand zur Bühne zu wahren, um später noch einsatzfähig zu sein.
'Death Metal Victory' mitsamt Mitsingspielchen darf natürlich ebensowenig fehlen wie 'The Longships Are Coming', das auch heute wieder alles abräumt. Dann, endlich, gibt's auch eine neue Granate auf die Lauscher: 'New Dawn Rising' ist eine Abrissbirne par excellence, mit hyperschnellem Riffing und Blastbeats, welche die Marschrichtung des neuen Albums (soll laut Band deutlich heftiger und schneller als noch "Sworn Allegiance" werden) perfekt wiederspiegelt und gerne auch wörtlich genommen werden darf. In der momentanden Verfassung sind UNLEASHED schlichtweg unschlagbar, und ich könnte mir nur zu gut vorstellen, dass sie mit dem neuen Langeisen gar noch in höhere Sphären aufsteigen werden.
Etwas ironisch kommt dann 'Winterland' daher (O-Ton Johnny: "Are you cold?", danke auch), bevor die restlos begeisterte Meute zu 'The Defender' nochmals Odin das Schwert führen lassen darf. Perfekter Gig, perfekte Stimmung - klasse!
[Rouven Dorn]
Setlist:
Neverending Hate
To Asgard We Fly
Don't Want To Be Born
Death Metal Victory
The Longships Are Coming
New Dawn Rising
Winterland
The Defender
Into Glory Ride
---
Immortals
ARMORED SAINT
The Saint is conquering again! Horst Odermatt und seine Crew konnten nichts Besseres tun, als ARMORED SAINT ein zweites Mal zu verpflichten. Diese Band hat immer 100% Energie und bläst jede, und ich meine wirklich jede, Combo mit links von der Bühne. Frontmann John Bush überzeugt dabei dank eines geschmackvollen Deutschlandtrikots schon bevor er das erste Mal seine Metalbänder vibrieren lässt. Die zittern dann das erste Mal beim uralten Gassenhauer 'Lesson Well Learned'. Und schon da wird klar, dass die Setlist einige Überraschungen enthalten wird. Dabei trifft es "einige" nur unzureichend, schließen sich doch Nummern wie 'Pay Dirt', 'Seducer'(!), 'Aftermath' (dass ich das noch erleben darf - Gänsehaut pur!) oder 'Warzone' an, die allesamt eher selten den livehaftigen Weg in die Lauscher der Audienz finden. Kein Wunder, dass neben mir auch alle Anderen komplett ausflippen. Zumal John Bush einmal mehr unter Beweis stellt, dass seine Stimmbänder aus Stahl sind. Dazu kommen die trotz der Affenhitze tierisch agilen Joey Vera, Phil Sandoval und Jeff Duncan, die permanent über die Bühne springen. Dass dabei der Bass von Joey Vera unaufhörlich pumpt, muss ich sicher nicht mehr gesondert erwähnen.
Neben all den Überraschungen gibt es natürlich auch die Standards wie 'Book Of Blood' (inklusive völlig geiler, etwas erweiteter Bridge), 'Tribal Dance', 'Reign Of Fire', 'Nervous Man', 'Can U Deliver' und den abschließenden Knockout 'March Of The Saint' zu hören. Die Masse tobt, bangt, mosht und spingt und fordert schließlich nur eins: SAINT! SAINT! SAINT!
Damit sind ARMORED SAINT der Primus inter pares zwischen DEATH ANGEL, JON OLIVA'S PAIN, FOREIGNER und Co. Yeah! Yeah! Geil! Geil!
[Peter Kubaschk]
PRETTY MAIDS
Es gibt sicherlich dankbarere Aufgaben als nach den überragenden ARMORED SAINT auf die Bühne zu müssen. Aber die PRETTY MAIDS sind ja auch nicht erst seit gestern im Geschäft, und so musste man wohl auch hier keine größeren Bedenken haben, dass etwas schiefgehen könnte. Die reifen Männer um Ronnie Atkins fackeln auch nicht lange und legen mit 'Rock The House' gleich mal richtig los. Auch wenn das BANG YOUR HEAD!!! natürlich eine Open-Air-Veranstaltung ist, ist der Song Programm und die Fans vor der Bühne gehen gleich begeistert mit. Mit der noch etwas älteren Nummer 'Love Games' geht es gleich direkt weiter, und erneut singt und gröhlt das Publikum lautstark mit. Danach widmen sich die Dänen vor allem jüngeren Songs, wie zum Beispiel 'Wouldn't Miss You', 'Virtual Brutality' und 'Live Until It Hurts', aber auch ein Klassiker wie 'Yellow Rain' - ganz großartig! - darf natürlich nicht fehlen. Die Fans nehmen eigentlich alle Songs ziemlich begeistert auf, aber bei den älteren Stücken ist die Stimmung doch noch ein bisschen besser. Das merkt man dann auch ganz deutlich bei einem Song wie 'Back To Back', der natürlich gnadenlos abgefeiert wird. Zur Überraschung des überwiegenden Teils des Publikums gehen die PRETTY MAIDS dann aber von der Bühne, obwohl ihre Spielzeit bei Weitem noch nicht abgelaufen ist. Glücklicherweise kommen sie aber ein paar Minuten später wieder zurück, um ihr obligatorisches Schluss-Doppel, bestehend aus 'Future World' und 'Red, Hot & Heavy', abzufeuern. Damit rennen sie beim Publikum selbstverständlich offene Türen ein, und es wird noch einmal mitgebangt und gegröhlt und mitgeklatscht - kurz: alle haben sichtlich Spaß. So soll es ja auch sein, und damit beenden die Dänen dann auch einen mehr als ordentlichen Auftritt. ARMORED SAINT konnten sie zwar nicht ganz das Wasser reichen, aber das schaffen eh nicht viele Bands...
[Martin Schaich]
Y&T
Es ist schon ein Fluch mit der Fußball-WM, umso mehr, da ich als einzige Österreicherin und Nicht-Fußballfan in der Redaktion wohl auch die einzige bin, die nicht zum Spiel Deutschland - Schweden hetzt. Y&T kenne ich zwar kaum, doch als mich Peter mit großen Kulleraugen um ein Review bittet, kann ich schlecht nein sagen (wer kann da schon wiederstehen?) - und so finde ich in RockHard-Redaktionsmönch Bruder Cle einen eifrigen Mitstreiter in Sachen Fußball-Verweigerung, der seine Eindrücke zu Y&T gerne für uns niederschreibt.
[Caroline Traitler]
Leicht haben sie es nicht, die Mannen um Dave Meniketti, die just zur Zeit, als Deutschland das Achtelfinalspiel der Fußball-WM gegen Schweden bestreitet, die Bühne betreten. Aber trotz Hitze und Fußball-Mania bleiben doch etliche tausend dem Metal treu und zollen bereits dem fetzigen Opener 'Hang 'Em High' kräftig Beifall. In Folge rockt good ol' Dave mit stilgerechter 80er-Lockenmähne, breitem Grinsen und einigen lockeren Sprüchen durch Hardrock-Klassiker wie 'Black Tiger', einem herrlichen 'Midnight In Tokyo', 'Rescue Me' oder 'Meanstreak'. Irgendwie passt der Edelhardrock der Kalifornier einfach perfekt in die prächtige Sommerkulisse des Festivals und spätestens nach der unverzichtbaren Hymne 'I Believe In You' und dem flotten Rausschmeißer 'Forever' steht es 1:0 für Y&T und gute Laune. Klasse!
[Bruder Cle]
Und 2:0 für Deutschland. Danke. :-)
[Peter Kubaschk]
RIK EMMETT
Da ein Fußballspiel bekanntlich zwei Halbzeiten hat, waren Y&T nicht die Einzigen, die unter dem WM-Achtelfinale zwischen Deutschland und Schweden zu leiden haben. Nein, auch der gute RIK EMMETT und seine Mitstreiter müssen sich mit einem sehr übersichtlichen Publikum zufrieden geben. Ein paar Leute wollen den Kanadier und den vollmundig angekündigten "Evening Of TRIUMPH Music" jedoch schon erleben, und sie bekommen mit 'Fight The Good Fight' vom 1981er-Album "Allied Forces" einen sehr ordentlichen Auftakt geboten. Rik & Co. lassen von dieser Scheibe auch gleich noch den Titelsong folgen, der dem diesjährigen BANG YOUR HEAD!!! ja auch das Motto verliehen hat, und die Fans vor der Bühne sind sichtlich zufrieden. Rik macht es allem Anschein nach ebenfalls reichlich Spaß auf der Bühne, und man merkt bei seinen Ansagen auch nur zu deutlich, dass er mit Humor nicht gerade auf Kriegsfuß steht. In unterhaltsamer Manier kündigt er 'Rock And Roll Machine' an, das dann auch in aller Ausführlichkeit präsentiert wird. Weiter geht es anschließend mit 'Blinding Light Show' und 'Lay It On The Line', also zwei Stücken aus den späten Siebzigern, bevor mit 'Ordinary Man' erneut das "Allied Forces"-Album bemüht wird. Das Publikum scheint von diesem Auftritt durchaus angetan, auch wenn keine wirkliche Begeisterung aufkommen will. Doch mir geht es dabei ganz ähnlich - die Band präsentiert sich in ausgesprochen guter Form, aber der Funke springt nicht so recht über. Rik lässt sich dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen und erzählt ausführlich über den nächsten Song (aus seiner High-School-Zeit), nämlich 'Hold On'. Nachdem sich danach erstmal alle Musiker instrumental beweisen durften, kommen Rik & Co. auch schon zum letzten Song, und wie könnte es anders sein, stammt auch dieser vom "Allied Forces"-Output: 'Magic Power'. Dieses Stück wird nochmal ganz gut aufgenommen und angemessen mit Beifall honoriert, und so geht ein durchaus solider, aber keineswegs überragender Auftritt zu Ende. (Ganz analog zum Fußballspiel - die zweite Halbzeit soll ja auch da keine wirkliche Offenbarung mehr gewesen sein...)
[Martin Schaich]
STRATOVARIUS
Obwohl die STRATOS für mich spätestens seit "Visions" nur noch Einheitsbrei fabrizieren und in meinen Ohren stinklangweilig geworden sind, durfte man doch sehr auf diesen Gig gespannt sein. Nach Tolkkis psychischen Problemen, dem Beinahe-Split, dem Riesen-Deal mit Sanctuary, der Farce um "Miss K." und dem zwiespältig aufgenommenen, selbstbetitelten Halb-Comeback würde es interessant sein, die Band mal wieder zusammen auf der Bühne zu sehen. Zumal STRATOVARIUS mittlerweile vielleicht nicht mehr die Klasse alter Tage besitzen, dafür aber eine unbestritten gute Liveband sind, was sie insbesondere hier in Balingen auch schon unter Beweis gestellt hatten.
Der Mitsing-Klassiker 'Hunting High And Low' eröffnet dann mit einem Pyro-Paukenschlag den Gig, und so weit ist noch alles in Butter. Gitarren-Timo sieht in seinen weißen Jogginghosen und mit Kurzhaarfrisur zwar etwas gewöhnungsbedürftig aus und wirkt rein optisch wie ein Fremdkörper in der Band, aber das soll uns hier mal nicht weiter beschäftigen. Schön anzusehen ist auf jeden Fall die unbändige Spielfreude der Band, ständig ist Bewegung auf der Bühne. Danach stimmen die Jungs 'Paradise' an, und meine Ohren ziehen sich zusammen: was in aller Welt ist denn mit Timo Kotipelto los? Dass er nicht gerade der beste (Live-)Sänger ist, ist durchaus bekannt, aber derart kraftlos und meilenweit neben der passenden Gesangsspur habe ich ihn auch noch nicht erlebt. Dazu gesellen sich dann ein paar schiefe Töne auf dem Bass, was die Anfängliche Erwartungshaltung langsam in Skepsis umschlagen lässt.
Ich habe keine Ahnung, ob die Band kollektiv tierisch einen im Tee hat, einfach nicht eingespielt ist oder komplett übermotiviert zu Werke geht, aber auf jeden Fall ist das, was hier zum Großteil aus den Boxen tönt, unter aller Sau. Auch Tolkki passt sich der unsauberen Spielweise an und verhunzt 'Speed Of Light' nach allen Regeln der Kunst (klar ist das Stück nicht einfach, aber wenn er es schreibt und die Band sich entscheidet, das Teil live zu bringen, sollte es wenigstens halbwegs gut gespielt werden) und fällt im weiteren Verlauf des Gigs immer mehr ab. Leute, was ist hier los? Selbst Jörg Michael, Drum-Maschine vorm Herrn, haut einige wenige Male neben den Takt, lediglich von Jens am Keyboard kann ich keinen Fauxpas ausmachen. Am schlimmsten wiegt dabei jedoch die unterirdische Performance von Mikro-Timo, die sämtliche HELLOWEEN/Deris-Nörgler sofort verstummen lassen sollte. Au weia! 'Kiss Of Judas' geht noch recht ordentlich über die Bühne, aber bei 'Eagleheart' und besonders 'Father Time' kann man über die teilweise erschreckenden Fehler der Herren Kotipelto und Tolkki nicht mehr hinweghören. Das tut nicht nur in den Ohren weh, das ist eigentlich schon eine Beleidigung. Einem Teil des Publikums scheint das piepegal zu sein, STRATOVARIUS werden allgemein ordentlich abgefeiert - aber, tut mir leid, verdient haben sie das keine Sekunde. Da auch die abschließenden 'A Million Lightyears Away', 'Phoenix' und das eigentlich so tolle 'Black Diamond' alleine schon gesangstechnisch Lichtjahre neben der Spur liegen, ist die Riesenenttäuschung perfekt. Und 'ne Zugabe gibts auch nicht.
Leute, ihr verdient allesamt mit dieser Arbeit euer Geld! So gesehen ist der Auftritt nicht nur eine große Enttäuschung, sondern schon eine bodenlose Frechheit. An sich hab' ich ja durchaus Spaß daran, einer Band auf der Bühne zuzuschauen wenn sie ein bisschen mehr dem Alkohol oder sonstigen Dingen zugesprochen hat - schließlich sorgt gerade das oftmals für lustige Situationen. Wenn jedoch die musikalische Performance derart darunter leidet, dann kann das einfach nicht sein. Darf nicht sein. Wie gesagt, es entzieht sich meiner Kenntnis, ob die STRATO-Jungs dicht waren oder nicht, aber was unterm' Strich bleibt, ist eine hundsmiserable Darbietung, die eine Beleidigung für alle Fans ist. Vielleicht hätte man sich doch lieber auflösen sollen? Ich habe jedenfalls noch nie eine professionelle Band derart schlecht spielen gehört und gesehen - und hätte auch nicht gedacht, dass so etwas möglich ist. Setzen, sechs!
[Rouven Dorn]
WHITESNAKE
Nach STRATOVARIOUS ist dann endlich die Band an der Reihe, für die ich persönlich den langen Weg nach Balingen auf mich genommen habe: WHITESNAKE. Und wie es sich für einen amtlichen Headliner (leider) gehört, lässt er seine Fans in der Abendsonne warten. Ich meine, ein paar Minuten sind ja okay, aber sage und schreibe 35 (!) Minuten sind selbst dem treuesten Fan der Gruppe ein bisschen zu lang. Als dann die Band endlich gegen 21.55 Uhr die Balinger Bühne betritt, sind - anstatt des erwarteten Jubels - ein gellendes Pfeifkonzert und Stinkefinger angesagt, die der Band entgegen gestreckt werden. Diese lässt sich davon jedoch nicht beirren und legt mit dem Opener der aktuellen "In The Still Of The Night"-DVD, 'Burn', amtlich los. Zwar bin auch ich die ersten zwei bis drei Minuten mächtig angepisst, aber die Spielfreude und das sympathische Auftreten der Band erobert die Herzen der Fans im Sturm. Spätestens nach dem zweiten Song 'Love Ain't No Stranger' ist die einstündige Wartezeit für mich vergessen (immerhin haben STRATOVARIOUS um 20.40 Uhr die Bühne geräumt) und alle Besucher in meinem Umfeld grölen den unnachahmlichen Refrain voller Inbrunst mit. Danach entschuldigt sich Mr. Coverdale für die Verspätung mit den Worten: "Ich bin nicht Axl Rose!", was lachend angenommen wird. Dass der Meister himself nicht gut bei Stimme war, wie ich im Nachhinein erfahren habe, ist die andere Seite der Geschichte. Dennoch sollte schon erwähnt werden, dass über die Klasse der Band groß was zu schreiben genauso sining ist wie Schupfnudeln nach Balingen zu importieren. Genauso wie auf der DVD steht der Song im Vordergrund, so dass sich keiner der Akteure allzu sehr in den Vordergrund drängt. Klar, David Coverdale ist der Boss und hält seine Mitstreiter an der Axt (Reb Beach und Doug Aldrich) und an den Drums (Tommy Aldridge) in Form von Soloparts an einer sehr langen Leine. Was vielleicht gut für die Akteure ist, stößt beim Publikum nicht unbedingt auf vollstes Verständnis. Wenn ich da an die Soloparts auf dem DIO-Konzert auf dem RH-Festival denke, so sind diese Soloparts um Längen besser. Getrübt wird die ganze Sache jedoch dadurch, dass der "alte" Mann 96 Minuten lang die Fans begeistert hat, wohingegen der mindestens zehn Jahre jüngere Coverdale es gerade mal auf eine Spielzeit von sage und schreibe 65 (!) Minuten bringt. Netto sind es gerade Mal 50 Minuten, die der Mann voller Inbrunst seine Stimmbänder strapaziert.
Nichtsdestotrotz hat die Menge ihren Spaß und auch die Setlist ist sehr exquisit ausgefallen. Ich persönlich habe jedenfalls jeden Song mitgegröllt und bin dabei komplett ausgerastet. Leider ist das Ganze nicht mehr als ein Vorspiel wenn man bedenkt, dass die Band mindestens ein halbe Stunde länger spielen könnte, oder anders ausgedrückt: Ein musikalischer "koitus interruptus".
Am Ende des Festivals bleibt ein gutes Konzert des eigentlichen Headliners festzuhalten, der nicht nur in meinen Ohren viel zu kurz ausgefallen ist. Wenn man bedenkt, dass von den 65 Minuten mindestens 15 Minuten für Soli draufgegangen sind, so bin ich in der Hinsicht mehr als enttäuscht. Dafür waren die restlichen 50 Minuten wiederum so klasse, dass es schwer ist den Jungs wirklich böse zu sein. Wie ihr seht bin ich zwiegespalten, was wohl auch auf die übrigen Besucher zutrifft.
Ich bin auf jeden Fall auf die kleine Europatour von WHITESNAKE im August gespannt, wenn der komplette Tourtross am 3. August in der Neu Isenburger Hugenottenhalle halt macht. Bei 40 Euro Eintritt wären 65 Minuten definitiv zu wenig!
[Tolga Karabagli]
Setlist:
Burn
Love Ain´t No Stranger
Ready An´ Willing
Is This Love
Gitarrensolo
Crying In The Rain Part I
Drumsolo
Crying In The Rain Part II
Fool For Your Loving
Here I Go Again
Still Of The Night
Randnotizen:
Fußball macht müde
Das WM-Fieber greift auch auf die Metal-Community über, und so ist es kein Wunder, dass sich am Samstag alle pünktlich zum Schweden - Deutschland-Spiel versammeln. Im VIP-Zelt wird das Spiel ebenfalls übertragen, und die UNLEASHED-Jungs sitzen alle vorne und verfolgen das Geschehen. Nur Gitarrist Fredrik ist nach fünf Minuten eingeschlafen - schön, dass Fußball auch auf Männer so eine Wirkung haben kann, ich schlaf dabei auch immer ein...
Böse Blumen!
Blumen sind nicht Metal! Zumindest denkt ein sichtlich stark alkoholisierter Besucher wohl so, denn auf unserem Weg zum Campingplatz am Sonntagabend finden wir diesen vor dem Gartencenter wie er Blumen zertrampelt und Büsche ausreißt. Nicht schön, finden wir, und fragen nach was denn das Problem sei. "Da war mal eine Metalbar und jetzt ist das ein Gartencenter!" brüllt der Herr entrüstet, woraufhin sich eine ebenfalls mehr als angetrunkene Dame auf der anderen Straßenseite meldet und ein heißes Wortgefecht darüber startet, ob diese angebliche Metalbar wirklich so toll war. Wir verschwinden derweil diskret und lassen die beiden weiter über den Sinn oder Unsinn von Gartencentern und Blumen diskutieren.
Norweger und ihr Lieblingswort
COMMUNIC und vor allem Drummer Tor sind immer noch ganz versessen auf ganz bestimmte Deutsche Wörter (ehm, genauer gesagt auf das Wort "Möse") und basteln daraus durchaus interessante Wortkreationen. Als Dirk von Nuclear Blast die Jungs begrüßt und irgendwas von "I'm your promotion man" labert, dichtet Tor dies gleich in ein "Ah, you are our Möseman!" um. Ganz toll!
[Caroline Traitler]
Hessen und ihr Lieblingsgetränk
Scheinbar enttäuscht darüber, dass es beim BYH!!! keinen Ebbelwoi gibt, spricht TANKARD-Gerre verdammt ordentlich dem Bier zu, so dass er bereits um die Mittagszeit nur noch debil grinsend, leicht schwankend und vor allem derb lallend anzutreffen ist. Auf die nachmittägliche Anfrage, wo denn Gerre zu finden sei, geben ABANDONED nur die Auskunft: "Och, der liegt irgendwo auf dem Gelände im Dreck rum und pennt. Manchmal schmeißt er aber auch noch mit Steinchen!"
Ob sich da noch wer "Erbarme, die Hesse komme!" denkt?
[Rouven Dorn]
Und wenn wir schon bei Gerre sind...
Vor seinem bierseligen Absturz freut sich der Herr noch über das POWERMETAL.de-Pärchen und fragt Rouven und mich, ob wir ihn denn einladen würden falls wir mal heiraten sollten. Unsere verwunderten Gesichter quittiert er mit einem trockenen "Ja, ich will dann freie Drinks". Prost Gerre, wir werden dich schon nicht vergessen ;-)
[Caroline Traitler]
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle