Behemoth/Morbide Festspiele - Bischofswerda
17.09.2004 | 05:1911.09.2004, Eastclub
"It's Catchy, it's brutal, it's aggressive." Besser kann man's nicht auf den Punkt bringen, was BEHEMOTH hier bieten. Eine satte Stunde lang setzt es majestätischen Death Metal der Extra-Klasse. Es ist 0:30, als Nergal, Inferno und Konsorten entschlossenen Schrittes und siegessicheren Blickes endlich die Bühne im Eastclub Bischofswerda entern. "Hello Bischofswerda! We are Behemoth from Poland. Nice to be here again!", spricht's und los geht's mit dem Nackenbrecher 'Antichristian Phenomenon'. Yeah! BEHEMOTH sind doch noch nicht zum Christentum konvertiert. Nur das Publikum verhält sich unangemessen zaghaft. Zwar ist der Saal voll, doch die Bewegung fehlt darin. Nur langsam beginnen die ersten zwei Reihen ihre Köpfe im Takt kreisen oder auf und ab schwingen zu lassen. Der Rest schaut bedächtig drein (sind wir hier bei ner Christmette?!) und hält sich am Bier fest (Hallo? Wozu sind denn die Pausen da?!). Wohl ist der Großteil des Publikums nach 28 Stunden Morbiden Festspielen schon so Grind Core geschädigt, dass im weichgespülten Hirn kein Platz mehr ist für satte Riffs, schwebende Melodien und ultrapräzises Highspeed-Drumming. Die Band juckt das wenig. Professionell ziehen sie ihren Gig durch, spielen alte Songs aus "From The Pagan Vastlands"-Zeiten genauso mit Leib und Seele wie die Hits vom 2002er Meisterwerk "Zos Kia Kultus", welche natürlich den Hauptteil des Set's ausmachen. Logisch, denn Bands haben ja ihr letztes Machwerk immer ganz besonders gern. Die Refrains davon versprühen aber auch wirklich eine ganz besondere Magie: fast hypnotisch gehen die Zeilen solch beschwörender Schlachtrufe wie 'Neru Ra Ha' ins Ohr und nicht mehr raus. Die Krönung setzt dem am Konzertende das groovige 'As Above So Below' auf: "Night is eternal/ And Day is eternal/ With Runes of Life and Runes of Death/ As above, so below/ Now it's Time for the Beast!" Und noch einmal fühlt der Nacken den Zwang Atlas und Axis aus ihrer Einheit zu brechen und den Kopf am besten einmal von vorne bis hinten durch den Saal zu bangen. Inzwischen fühlen sich auch noch ein paar mehr Leute von der Energiemaschine BEHEMOTH angetrieben und fordern laut nach einer Zugabe, als das Vierergespann ausgepowert die Bühne verlässt. Natürlich kommen sie noch mal wieder, mit einem Klassiker von 1994: 'Pure ("Fucking") Evil And Hate' (so steht's auch auf den Gitarren von Havoc und Novy geschrieben) lässt zum Schluss Metaler und Grinder gemeinsam rocken. Für die "alten Helden" BATHORY, VENOM, CELTIC FROST & Co. (ihnen widmet Nergal diese Hymne) kann man sich schon mal verrenken.
Aus dem Programm heraus stachen die zwei neuen Songs vom kommenden Album "Demigod". 'Conquer All' ist eine echte Kriegshymne im Midtempo, die in ihrer epischen Breite und Intensität einem 'Unas Slayer Of The Gods' von NILE in nichts nachsteht. Die gängigen Riffs brennen sich wie glühendes Eisen ins jungfräuliche Gehör. Auch hat Nergal seine Stimme entgültig in den Abyss verlagert. Wie besessen brüllt er die neuen Lines ins Mikro. Man sieht ihm an, dass er mehr als leidenschaftlich hinter dem neuen Werk steht. Wenn er sich nicht vorsieht, entwickelt er sich noch zu einem zweiten Dewin Townsend. (Er nennt ihn ja selbst auch einen der genialsten Musiker unserer Zeit.)
Mit 'Demigod' setzt es zum anderen das Titelstück der neusten Kreation aus der Hölle, das nur einen Schluss zulässt: Spieltechnisch und kompositorisch haben sich BEHEMOTH damit entgültig vom Black Metal der alten Schule emanzipiert. Überhaupt zeigen sie, dass sie vor Kreativität und Vielseitigkeit nur so übersprudeln. Die neuen Songs suchen ihres Gleichen; Vergleiche und Einordnungen in eine bestimmte Metal-Kategorie sind ohne weiteres nicht mehr möglich. Der Stern des Wüstendämons BEHEMOTH ist nun entgültig in den Himmel der unantastbaren Songwritergötter aufgestiegen. Dem Streben nach Perfektion verfallen, stimmt hier bald alles, jede Note scheint ihre eigene Bedeutung zu bekommen im kabbalistisch angelegten Gesamtkunstwerk der neuen CD, welche sich da sinngemäß um ein Wesen drehen wird, das halb Mensch und halb Gott ist. Heben BEHEMOTH jetzt vollkommen ab? Es mutet ja schon unglaublich an, dass während der Show alles glatt geht und weder Soundprobleme noch Verspieler den überirdischen Eindruck trüben. Das einzige Malheur passiert noch vor Beginn des Auftritts: das Gestänge für die schwarzen mit zweiköpfigen Vogelgestalten und Chaosstern gezierten Flaggen bricht zusammen. Aber auch hier zeigt sich der Profi: auch ohne die symbolträchtigen Wegweiser im Hintergrund wirken BEHEMOTH allmächtig.
Gefragt, wie er selbst die Show heute Abend fand, meint Nergal: "Good! But the audience was a bit lacy. Anyway, I allways like being here. Bischofswerda is a special place for us. We played here about four times, the first together with GORGOROTH in 1996. So we allways like coming here again."
Mit einer Crowd in Israel lässt sich das deutsche Publikum natürlich nicht vergleichen. Dort hat der Auftritt solch einer unchristlichen Band wie BEHEMOTH (jüngst zusammen mit SALEM in Tel Aviv) auch eine viel schwerwiegendere Bedeutung. Wie es sich anfühlt als Atheist in der Hauptstadt der Religionen unterwegs zu sein, erklärt Nergal: "It's an enormous feeling to be in Jerusalem, walking the Via Dolorosa and seeing all those holy places. If you want to know what's going on in the world you should go there! It's just fascinating to see so many religiouse people and their enthusiasm. Don't get me wrong, I respect them! But of course it's fun running around with tattoos and turning around a hugh wooden cross." Fürwahr, ein Bild für die Götter!. Bei soviel weltoffenem Interesse, droht da nicht der Verlust aller antichristlichen Werte? "We ain't Christian at all. But we're interested in the Bible and Christianity. You have to know your enemy!" Das sich die Band auf die christliche Kirche eingeschossen hat, zeigen schon die Promofotos, wo sich die Musiker in wallenden schwarzen Priestergewändern vor einer weißen Kirchenkulisse darstellen. Das sieht superb aus, ruft natürlich auch Kritiker auf den Plan. Zu seiner eigenen Allmächtigkeit nimmt Nergal folgendermaßen Stellung: "There are some people that don't like BEHEMOTH for a certain kind of behaviour. I mean arogance. But we need this for doing our work well. That's just how we are." So wie er das sagt und im nächsten Moment anfängt wieder von der Sinnesflut während seiner Besuche im gelobten Land zu schwärmen, mag man's kaum noch glauben, das sich BEHEMOTH für was Besseres halten.
Wenn man sich mal auf alte Black-Metal-Werte besinnt, ist das doch voll im Sinne des Erfinders sich kühl und abweisend zu geben. Seine Roots vergisst man ja nicht so ohne weiteres, was das durch alle Bandjahre führende Set schon deutlich macht. Aber gegen Weiterentwicklung ist nun mal - dem Gehörnten sei Dank! ? noch kein Kraut gewachsen und so wird es mit "Demigod" etwas auf die Ohren geben, was die Welt noch nicht gehört hat. "We just completet the mixing in Swedish DUG OUT-Studio together with Daniel Bergstrand (MESHUGGAH, STRAPPING YOUNG LAD, IN FLAMES -Anm. d. Verf.). It was great working with him! He gave us a really new sound, very wide. I also changed my voice. Believe me, this album is by far the best thing, we've done till now. We have been in the studio for four months and spent over 700 hours working on this record with highest concentration." Das sagt er, als würden ihm gleichzeitig zentnerschwere Steine vom Herzen fallen, dass das Baby nun endlich reif ist die Welt zu erblicken. Im Oktober soll es wohl so weit sein. Bis dahin kann sich der Fan mit der Double-DVD "Crush. Fukk. Create - Requiem For Generation Armageddon" die spätsommerlichen Tage versüßen. Im November steht dann die "Clash Of Demigods"-Tour mit KRISIUN, INCANTATION und RAGNAROK an.
Setlist: Behemoth
Antichristian Phenomenon
From T'he Pagan (Fuckin') Vastlands
Heru Ra Ha: Let There Be Might
Conquer All
Hekau 718
The Act Ov Rebellion
Transilvanian Forest
Intro
Demigod
No Sympathy For Fools
Christians To The Lions
Decade Ov Therion
Intro
As Above So Below
Chant For Eskathon
Pure (Fucking) Evil And Hate
Schlussplädoyer: In letzter Zeit lässt die Aktivität des Metalpublikums vor allem in ostdeutschen Landen (das sage ich, weil ich von da komme und folglich meist auch da auf Konzert gehe) sehr zu wünschen übrig! Leute, was ist nur los mit euch? Seid ihr so übersättigt mit Konzerten, dass ihr es nicht mehr nötig habt euren Arsch zu bewegen, die Arme zur Pommesgabel zu heben und eure Ersatzzahnleiste zum metallischen Schlachtruf aufzureißen? Oder habe ich irgendwas falsch verstanden und der Name der hier besprochenen Veranstaltung ist tatsächlich Programm: Ist es jetzt gängig sich morbide zu behaben und das Metalkonzert als Vorabprogramm zum alsbaldigen Wohnortwechsel ins nächstgelegene Altersheim zu besuchen? Das kann doch nicht das Ende sein...
- Redakteur:
- Wiebke Rost