Black Troll Winterfest - Eisenberg

06.01.2011 | 12:18

18.12.2010, Stadthalle

Es weihnachtet sehr.

Das Black Troll Winterfest ist aus der Ruhrmetropole Essen ins verschlafene Eisenberg umgezogen. Vor Festivalbeginn muss die Feuerwehr anrücken, um das Dach der Stadthalle von Schneemassen zu befreien. Zwischen Bürgersteig und Straße türmen sich etwa ein Meter hohe Schneemauern, ab und zu unterbrochen, damit die Fußgänger die Straßenseite wechseln können. Die Stadthalle ist etwa doppelt so groß wie die Zeche Carl vergangenes Jahr in Essen. Wegen der Wetterbedingungen draußen kommen allerdings nur etwa so viele Besucher wie 2009, die sich noch dazu auf die große Halle verteilen. Viel Fläche bleibt dadurch leider frei.

Doch schon früh sind viele Gäste da, die allerdings erst nicht bemerken, dass NOTHGARD ihren Soundcheck beendet haben und zu spielen beginnen. Die Bayern strapazieren schon ordentlich die Nackenmuskeln, das Publikum traut sich bei 'Sword Of Xanthen' gerade mal zaghaft nach vorne. Sänger Dom bedankt sich: "Es ist eine Ehre, hier zu eröffnen." Er macht gleich Werbung für das im Frühjahr 2011 erscheinende Debütalbum und trinkt anschließend auf die Fans. 'Rise Of The Falling' besticht mit einem guten Gitarrensolo, der Funke springt von der unermüdlich headbangenden Band leider nicht auf das Publikum über.
[Pia-Kim Schaper]

Dann kommen FINSTERFORST mit ihrem nicht mehr ganz so neuen Sänger auf die Bühne, und es geht gleich richtig zur Sache. Dass die Halle leider immer noch recht dürftig besucht ist, hat keine Auswirkung auf die Leistung der Band. Warum auch? Die Show, die Performance und die Interaktion zwischen den Musikern funktioniert. FINSTERFORST beweisen eindrucksvoll, dass ihr Weg noch lange nicht zu Ende ist. Mit Oliver Berlin haben sie einen würdigen Nachfolger als Frontmann am Start. Wir werden noch viel von ihnen hören und sehen, da bin ich mir sicher.
[Wolfgang Kühnle]

Zu PANTHEON I wird es düster. Schwaches, rotes Licht erhellt die Bühne ein wenig. In der ersten Reihe rotieren die Haare, viele Gäste stehen vorne und lassen die Musik auf sich niederprasseln. Passend zur dunklen Musik wechseln die Lichter im Hintergrund.

Schon zur Mittagszeit fragt Sänger Kvebek: "Are you getting drunk, yet?" Einige können das wohl schon bejahen. Seit einem Monat ist ABSU-Gitarrist Aethyris McKay mit an Bord der Norweger und schlägt sich schon sehr gut. Kvebek redet viel mit den Fans, die auch am Rand auf Tischen sitzen, und fragt sie, ob sie ihren Metal auch extrem mögen. Wahrscheinlich, aber so viele scheinen die Band nicht richtig zu kennen. Aber immer mehr kommen nach vorne, um die Musik auf sich wirken zu lassen.

Donnergrollen verkündet die Ankunft des KING OF ASGARD. Headbangend wird er von einigen Anhängern begrüßt, die sich so dicht wie möglich um ihn tummeln. Als erste Band kommen die Schweden ohne Cello, Geige, Synthie oder Akkordeon aus. Den dadurch entstehenden Raum nutzen sie voll und ganz.

Immer mehr Schergen pilgern in die Nähe ihres Königs, und so füllt sich der Platz vor der Bühne langsam, aber stetig. Als Sänger Karl Beckmann den wohl bekanntesten Song 'Einhärjar' ankündigt, bricht Jubel aus. Die gute Stimmung überträgt sich auf die folgenden Reihen. Am Ende überrascht der Shouter noch mit einer klaren, kräftigen Stimme, bis sich der KING OF ASGARD auf seine 'Last Journey' begibt – natürlich nicht ohne seinen Anhängern noch einmal zuzuprosten.

Eine Bühne voller Nebel, dazu rotes Licht. Richtig, weiter geht's mit Black Metal. Die durch Ex-ENDSTILLE-Fronter Iblis rasch bekannt gewordenen HARADWAITH wollen das Black Troll Winterfest in Schutt und Asche legen. Iblis verabschiedete sich nach der Veröffentlichung des Debüts "Creating Hell", doch vermissen braucht man ihn nicht. Nachfolger Skoll wütet auf der Bühne umher, schmeißt seinen Mikrofonständer durch die Gegend und ist geladen wie eine Starkstromleitung. Auch seine Mitmusiker sind keine Kinder von Traurigkeit, wechseln immer wieder die Position und lassen wild die Haare kreisen. HARADWAITH gehen aufs Ganze; als Außenseiter müssen sie das wohl auch.

Als in der ersten Reihe ein optisch dem Hardcore zuzuordnender Fan auftaucht, nimmt Skoll erbost dessen Mütze und wirft sie durch die Halle. Doch damit nicht genug: Wasser und Trinkbecher finden ihren Weg von der Bühne ins Publikum. HARADWAITH wollen Hass säen und versprühen geballte Aggression. Doch für einen Moment lässt Skoll sich die Show stehlen: Bassist Vorst läuft durchs Publikum und spielt dort weiter. Die Leipziger bieten mit Abstand die beste Performance des Festivals, obwohl sie kaum mit ihren Fans sprechen. Aber das ist wohl so im Black Metal.

Auf KROMLEK wartet bereits eine Fanschar. Mr. Alphavarg, zuständig für den Gesang, wirkt mit seiner Frisur und seiner Sing- beziehungsweise Sprechart wie ein Adolf-Hitler-Imitator. Auch die Gestik passt. Ganz großes Kino.

Mit der Musik hat das allerdings wenig zu tun. Episch und leicht schwarzmetallisch angehaucht klingen teils verspielte Melodien aus den Boxen. Trotz der Verspieltheit sind die Songs sehr ausgereift. Als EQUILIBRIUM für Erwachsene könnte man es bezeichnen. Mit den Worten "Lust auf ein bisschen Bewegung?" fordern KROMLEK die Belegschaft zum Pogo auf. Die Stimmung steigt und die Musiker bangen mit den Fans im Takt. Doch plötzlich hören sie auf zu spielen und verlassen die Bühne. "Zugabe!"-Rufe schallen durch die immer noch spärlich gefüllte Halle und werden erhört. Das Publikum gibt noch mal alles.

Vom steigenden Stimmungspegel kommen wir zum steigenden Alkoholpegel und zum steigenden Backdrop, auf dem passenderweise TROLLFEST steht. Verdreckt und mit Saxofon und Mini-Akkordeon entern die Trolle mit einem Bier in der Hand die Bühne. Der Blickfang ist allerdings das Retro-Mikrofon.

Die Band spielt eine bizarre Mischung aus Black Metal und Schlager, die vor allem bei den jungen Fans gut ankommt. Sänger beziehungsweise Marktschreier Trollmannen begrüßt jeden in der ersten Reihe persönlich mit Handschlag. Die restlichen, an den Seiten sitzenden Fans möchten TROLLFEST nach vorne holen und wollen dafür Boten ausschicken, so richtig traut sich aber niemand. Bei der Polonaise sind die Zuschauer jedoch kontaktfreudiger.

Gut, dass erst TROLLFEST und dann ALCEST nach einer längeren Umbaupause spielen, sonst hätten einige sicherlich einen Herzinfarkt ob des Kontrastprogramms gekriegt. Musikalisch fallen die Franzosen nämlich völlig aus dem Rahmen: Sanfter Gesang trifft auf schöne Melodien, zusammen erzeugt das eine ganz besondere Atmosphäre, die ALCEST sogar auf der Bühne erzeugen und auf den Saal übertragen können. Das hervorragend darauf abgestimmte Lichtspiel tut sein Übriges, und nicht jedes Auge bleibt trocken. Die Fans sind absolut ruhig und genießen diesen Moment. Zu manchen Liedern schunkeln sie langsam. Erst ganz am Ende durchdringen harsche Shouts die schöne Klangwelt, doch seltsamerweise passen auch die.

HELJAREYGA – nach gefühlten fünfzig Mal kann ich den Namen jetzt auswendig und fehlerfrei schreiben. Hinter diesem wie eine Aneinanderreihung von Buchstaben wirkenden Namen verbirgt sich die Zweitband des TYR-Sängers und -Gitarristen Heri Joensen. Was eigentlich als Folk Metal betitelt ist, entspricht mehr seinem kleinen Zusatz Progressive. Bis auf den Gesang hat das zumindest musikalisch nichts mit Folk zu tun. Durch Mikro und Gitarre quasi an den Mikrofonständer gekettet, ist es aber nicht Heri, der einheizt, sondern vor allem Bassist Isak Petersen. Aber auch die anderen Musiker rocken ordentlich, laufen viel auf der Bühne umher und wechseln andauernd ihre Postionen, um ein bisschen zu posen. Leider macht die Technik dem Treiben einen Strich durch die Rechnung: Der Sound muss ein wenig nachgebessert werden.

HELJAREYGA veröffentlichten im März 2010 ihr selbstbetiteltes Debüt, dessen Titelsong sie auch auf das Black-Troll-Publikum loslassen. Die Wirkung bleibt allerdings hinter den Erwartungen zurück. Zwar feiert die erste Reihe und lässt kräftig die Haare kreisen, nach ALCEST befinden sich einige Zuschauer wohl aber noch in anderen Sphären und können sich mit den Färingern nicht so richtig anfreunden. Aber die Band hat Spaß, und der in Hamburg lebende Heri richtet noch ein paar deutsche Worte ans Publikum: "Danke schön, meine lieben Freunde." Schade, mit dieser Performance hätten HELJAREYGA auf einem anderen Slot mehr gerissen.

Mit Blut beschmiert kommen WOLFCHANT auf die Bühne und donnern gleich mächtig los. Stolze sieben Männer, oberkörperfrei, schaffen es irgendwie, auf der Bühne herumzutoben. Fragt man sich anfangs, was der siebte Mann neben dem Schlagzeug soll, kommt die Auflösung doch schnell: Er ist der zweite Sänger, und auch wenn diese häufig Kritik einstecken müssen und als überflüssig angesehen werden, bereichert er in diesem Fall die Songs.

Das Publikum honoriert es, und vorne ist wieder mehr los, Hörner werden in die Luft gereckt. Auch die Bayern sind trinkfest und prosten ihren Fans zu. Das kann ja nur gut für die Stimmung sein. 'A Paganstorm' und  'Warriors Of The Forest' treffen den Geschmack des Publikums. Zum Schluss gibt es noch Coverversionen von MANOWAR und GRAVE DIGGER ('Rebellion') auf die Ohren.

Nur noch der harte Kern ist zu XIV DARK CENTURIES geblieben. Mit aufwendiger Bühnendeko und Musikern in Gewändern macht der Auftritt zumindest optisch einiges her. Allerdings fängt die Band eine halbe Stunde später an als geplant, das lange Intro zögert den Auftritt zusätzlich hinaus. Dafür rocken die Musiker mächtig ab und mobilisieren so noch mal die letzten Reserven der Headbanger vorne. Traditionelle Mittelaltermelodien werden in den Songs verbraten. Die Fans reißen die Arme hoch und feuern die Band immer wieder an. Von Müdigkeit ist nichts zu spüren. XIV DARK CENTURIES sind ein passender und würdiger Headliner, der den Stimmungspegel noch einmal hochreißt.

Die Zeche Carl im vergangenen Jahr war eine geeignetere Location, auch wenn sie aus allen Nähten platzte. Die Luftlöcher sorgen leider dafür, dass nur direkt vor der Bühne richtig Stimmung aufkommt, zu viele nutzen die Sitzgelegenheiten am Rand der Halle. Trotzdem haben die Bands gerockt und zum Jahresende ungeahnte Vitalität bei den Besuchern geweckt. Ein schönes Hallenfestival. Bei den winterlichen Verhältnissen auch irgendwie abenteuerlich.

Redakteur:
Pia-Kim Schaper

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