Böhse Onkelz - Frankfurt
03.10.2004 | 10:2125.09.2004, Festhalle
Der letzte Gang zur Festhalle ist vielen Fans sicher nicht leicht gefallen. Noch zwei Frankfurt-Gigs im Rahmen der Abschiedstour, dann werden hier nie wieder "Lieder wie Orkane" die Wände zum Wackeln bringen. Was hatte sich so mancher Fan in unserem Forum ausgeheult. "Das kommt so plötzlich", "ich bin geschockt" oder "die Onkelz dürfen nicht aufhören". 'Ihr hättet es wissen müssen', dachte ich mir nur und habe mir vorgenommen, das Konzert richtig abzufeiern. Das tue ich zwar, doch am Ende des Berichts wird dieser Titel auch für mich eine neue Bedeutung bekommen ...
Von den Supportern THE WONDERFOOLS bekomme ich mit meinen Kumpels am Bierstand leider nicht viel mit. Zumindest kann ich berichten, dass der Gig der Norweger nicht – wie früher bei anderen Vorgruppen schon geschehen – in lautstarken Pfiffen oder "Wir wollen die Onkelz hören"-Chören untergeht. Der teils erdige, teils melodische Punk 'n' Roll kommt bei einigen Zuschauern gut an, aber da die fünf Jungs hierzulande noch völlig unbekannt sind, hält sich der Applaus in Grenzen. Das ändert sich, als während der Umbaupause auf den beiden Leinwänden am Bühnenrand immer wieder Mädels im Publikum herangezoomt werden. Nach lauten Anfeuerungsrufen lüften viele ihre T-Shirts, und ein paar Minuten später folgen auch einige hochgezogene BHs. Die Stimmung ist also bestens, als das Hallenlicht erneut erlischt.
Pogo ist angesagt, als 'Hier sind die Onkelz' aus den Boxen wummert. Die BÖHSEN ONKELZ präsentieren sich in guter Form und schieben wie auf der legendären '96-er Tour gleich noch 'Lieber stehend sterben' hinterher. Ein klasse Anfang, dem 'Finde die Wahrheit', 'Buch der Erinnerung' und die harte Version von 'Ich bin in dir' folgen. Vor 'Wieder mal 'nen Tag verschenkt' stellt Bassist und Bandkopf Stephan die 15.000 Fans vor die Wahl, ob sie die harte Version oder Akustikgitarren hören wollen. Die meisten Stimmen lauthals fürs Abrocken. Danach gibt es keine Experimente mehr, und die "vier Jungs aus Frankfurt" bieten ein reines Best-of-Programm. Von Klassikern wie 'Stunde des Siegers', 'So sind wir' oder 'Nie wieder' über 'Nur die Besten sterben jung' und 'Heilige Lieder' bis hin zu 'Danket dem Herrn' sowie 'Die Firma'. Dazu gibt's vom Abschieds-Album 'Superstar' und 'Ja, Ja'. Auf der breiten Leinwand im Hintergrund flimmern Pozos Videoclips, und bei 'Kirche' fahren über der Bühne vier mächtige, tonnenartige Lichtröhren auf. Ansonsten hält sich die Band abgesehen von einer großen Lichtshow mit Spezialeffekten erst mal zurück und bietet ONKELZ pur. Zwischendurch nimmt 'Für immer' den Fuß vom Gaspedal. Der Security vor mir gibt mir Feuer – zurücklehnen, genießen. Noch einmal Gänsehaut angesichts der vielen Feuerzeuge bei 'Nichts ist für die Ewigkeit'. Noch einmal a cappella den Refrain von 'Mexico' anstimmen, zu dem Gonzo ein paar Riffs besteuert. Noch einmal nach 'Terpentin' a cappella den Chor singen. Am Ende von 'Auf gute Freunde' lässt Gonzo mit einem Solo à la 'Regen' minutenlang den Jimmy Hendrix raushängen, während der grinsende Kevin anbetend neben ihm kniet. "Schenken die hier in der Festhalle inzwischen richtiges Bier aus oder immer noch alkoholfreies?" fragt Stephan und fordert die Zuschauer auf, beim zweiten Konzert ihren eigenen Gerstensaft mitzubringen. "Gibt's Bier eigentlich im Tetrapack?" fragt er seine Bandkollegen augenzwinkernd. Dann brechen die ONKELZ eine ihrer Regeln und beenden mit der traditionell letzten Zugabe 'Erinnerungen' bereits das reguläre Set.
Nach "Zugabe" brauchen die Fans erst gar nicht laut zu verlangen. Laute Motorengeräusche, auf der Leinwand ist der Dragstar-Rennwagen mit dem Band-Logo in Action zu sehen. Dann wird die Bühne wahrhaftig unter 'Feuer' gesetzt, und in den beiden Bohrturm-artigen Lichttowern am Bühnenrand lodern meterhohe Flammen. Dagegen sehen selbst METALLICA bei 'One' blass aus. Anschließend sorgt Gonzo mit einem "Öhse Bonkelz"-Helm für Verwirrung und Gelächter, ehe er wie gewohnt seinen Sombrero aufsetzt. 'Mexico' wird diesmal nicht nur "allen Fußball-Wahnsinnigen und Mexico-Reisenden", sondern von Kevin auch allen "Durchfall-Fetischisten" gewidmet. Allmählich fällt es aber auch den ONKELZ sichtlich schwer, ihre letzten Konzerte in der alten Heimat zu beenden. Kevin versucht, dem mit Alkohol entgegenzuwirken und lallt zwischen den letzten Songs immer mehr. Stephan hält eine minutenlange Abschiedsrede, in der er die Fans um Verständnis bittet, aber auch die Securitys veräppelt: "Ihr seht in euren blauen Hemden richtig scheiße aus!" Zum Abschluss kommt natürlich 'Ihr hättet es wissen müssen', begleitet von Jugendbildern und alten Bandfotos auf der Leinwand. Um mich herum wird so manche Träne vergossen, und auch ich kann mich trotz meiner Eingangsworte nicht dieser traurigen Stimmung entziehen. Erst als zum Instrumental 'A.D.I.O.Z.' ein filmartiger Abspann über die Leinwände flimmert, wird mir wirklich bewusst: Das war die endgültig letzte Tour. Das Konzert war genial, aber zur Verdauung brauche ich wie viele andere jetzt erst mal ein Bier. Einige BOSC-Mitglieder zieht es anschließend zur After-Show-Party, mich nach Hause zum privaten "Verarbeitungs"-Umtrunk. Besten Dank noch mal an Edmund Hartsch für die Karte!
- Redakteur:
- Carsten Praeg