Brutal Assault - Jaromer
13.09.2009 | 11:5506.08.2009, Pevnost Josefov
Im tschechischen Jaromer ist die Welt noch in Ordnung: Top-Bands, klasse Organisation, billiges und vor allem gutes Bier und Essen und wunderschönes Wetter - was will man mehr?
Vor der Mittagszeit auf die Bühne zu müssen, kann mitunter mühsam sein, dennoch hat sich eine ansehnliche Fangemeinde eingefunden, um mit OBSCURA eine gute halbe Stunde lang dem technischen Death Metal zu frönen. Und die deutsch-holländische Gemeinschaft zieht die Zuseher schon beim Eröffnungstrack 'Anticosmic Overload' in ihren Bann. Angespornt durch die überaus positive Resonanz steigern sich OBSCURA in einen High-Class-Technical-Cocktail, der sich natürlich hauptsächlich auf das aktuelle Album "Cosmogenesis" stützt, aber auch einen Track vom "Retribution"-Werk offenbart. Lediglich die Ansage von Sänger Steffen Kummerer ("We suck") kann ich in dieser Form nicht nachvollziehen. Dreh- und Angelpunkt ist natürlich Bassikone Jeroen Paul Thesseling, der auch on stage mit seinen Soloeinlagen glänzen kann.
Weit deftiger donnern dann die Australier von PSYCROPTIC durch die Botanik. Immer wieder wird dem Fan Aufmerksamkeit geschenkt, der mit einer Aussie-Flagge vor der Bühne in Ekstase gerät, dabei vergessen PSYCROPTIC aber nicht, uns eine Abrissbirne nach der anderen um die Ohren zu knallen. Die Balance zwischen neuem Material wie dem Titeltrack der aktuellen Scheibe "(Ob)Servant" oder älterem wie 'The Sword Of Uncreation' vom 2001er Debütalbum "The Isle Of Disenchantment" oder 'The Scepter Of Jaar-Gilon' (vom 2003er "The Scepter Of The Ancients") ist ausgewogen, und die Circle Pits rotieren auch ganz ordentlich.
[Reini Reither]
NEGURA BUNGET sind für mich DIE Neuentdeckung des Festivals, und bei jedem weiteren Song, den die Rumänen spielen, frage ich mich, warum ich die Band nicht schon viel früher gefunden habe. Auch wenn das halbe Line-up von NEGURA BUNGET mal eben umgetauscht wurde, hinterlassen die Herren und die Dame am Keyboard einen gewaltigen Eindruck und spielen ein fragiles, episches und intensives Set. Die zahlreichen exotischen Instrumente, angefangen vom Alphorn bis hin zum Xylophon oder der Panflöte, mischen sich wunderbar mit dem black-metallischen Grundtenor der Musik und erzeugen auch in der größten Mittagshitze und bei sengendem Sonnenschein eine angenehm wohlige Gänsehaut. Wunderschön!
[Caroline Traitler]
Zeit für guten Death Metal oder eher brutalen Death Metal, denn mit VOMITORY hat definitiv kein langsamer Vertreter der Zunft die Bühne betreten. Mit der letzten Scheibe "Carnage Euphoria" bewies das Quartett, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Songs wie 'Terrorize, Brutalize, Sodomize', 'Hollow Retribution' oder vom aktuellen Album 'The Carnage Rages On' schlagen wie Mörsergeschosse in der Menge ein. Schnelle Riffs, aggressives Schlagzeug und tiefe Growls zeichnen die Jungs aus und lassen die Todeswalze auf Hochtouren anlaufen. Soundqualität sehr gut, Stimmung genial, und nach knapp vierzig Minuten verlässt das Quartett zufrieden die Bühne.
[Christoph Gütl]
"Wir spielen das, was die Leute von uns hören wollen, und wenn das nur alte Songs sind, ist es auch okay", so GRAVE-Gitarrist/Vocalist Ole Lindgren mir gegenüber im entspannten Backstageplausch. Und was soll ich sagen: Sie halten Wort. Wie schon Anfang Mai bei den Walpurgis Metal Days konzentrieren sich die Schweden hauptsächlich auf die Frühphase ihres Schaffens, pfeffern Songs mit Kultstatus wie z. B. 'Extremely Rotten Flesh' oder 'Soulless' in die Menge, und lediglich am Schluss schafft es 'Bloodpath' als einzig aktueller Beitrag vom 2008er "Dominion VIII"-Album in die Setlist. Wenn's die Fans so wollen und die Band es auch so rüberbringt – mir soll's recht sein!
DAGOBA schaffen es durch einen Unfall mit ihrem Tourbus nicht nach Josefov, warum die danach auftretenden ATHEIST dann aber trotzdem so elend lang für ihren Linecheck benötigen, ist wohl nicht nur für mich unverständlich. Dadurch schrumpft der Auftritt von Kelly Schaffer und Co. zu einem Rumpfwerk, welcher aus gerade mal sechs Songs besteht. Den ersten Song ('Unquestionable Presence', soweit ich das mitbekommen habe) muss die Band noch dazu abbrechen. Die Vorzeichen stehen bei ATHEIST also nicht unbedingt auf Sturm. Dass es trotz der widrigen Umstände dennoch ein cooler Auftritt wird, verdanken die Mannen natürlich ausschließlich ihrer Vergangenheit. Allein 'Piece Of Time' weckt bei mir so manche Gänsehaut, Kelly Shaffer schaut nach wie vor urcool drein, und mit Tony Choi am Bass (trotz der leicht deplatzierten Garderobe: olivgrüne Jogginghose!) kann sowieso nix schiefgehen.
Nach OBSCURA und PSYCROPTIC der nächste Frickel-Core-Act in Josefov: BENEATH THE MASSACRE. Und die Kanadier brettern ohne Rücksicht drauflos. 'Reign Of Terror', 'The Stench Of Misery', 'Our Common Grave', 'No Future' oder 'System's Failure' prügeln mit technischer Erhabenheit alles in Grund und Boden. Mir ist die ganze Geschichte zwar mit der Zeit eine Spur zu chaotisch, dem Auditorium ist das allerdings genau Nüsse; Brüllwürfel Elliot Desganges und seine drei Kumpanen werden gnadenlos abgefeiert!
[Reini Reither]
Viel zu selten spielen NOVEMBERS DOOM bei uns, was wohl auch an der weiten Anreise aus Chicago liegen mag. So ist die Gelegenheit gut, die Düster-Amis mit dem guten Humor wieder auf europäischem Boden zu sehen und die death-doomigen Kompositionen mit dem ganz eigenen Touch zu genießen. Bei nur 45 Minuten bleibt zwar nicht so viel Zeit, um viele überlange Songs zu präsentieren, doch NOVEMBERS DOOM überzeugen mit einem kleinen Best-of-Repertoire, bei dem vor allem mein absoluter Favorit 'The Pale Haunt Departure' zum Highlight wird.
[Caroline Traitler]
Are you ready for some Brujerizmo? Die Spaßbacken von BRUJERIA, bei denen ja aktuell Jeff Walker (CARCASS), Shane Embury (NAPALM DEATH) bzw. Adrian Erlandsson (ex-CRADLE OF FILTH, aktuell bei PARADISE LOST und NEMHAIN) für große Teile der Instrumentalparts zuständig sind, zelebrieren von der ersten Minute an einen Mordsspaß. Die Gesichstverhangenen, bei denen gerade die beiden Sänger (Juan Brujo und Pinche Peach) wie Derwische über die Bühne fegen, singen über Satanismus, Sex, Politik, Immigration, Revolution, lassen Pancho Villa hochleben, und viel genialer als BRUJERIA kann man einen Track wie 'Macarena' nicht verunglimpfen. Ist sogar so genial, die letzte Zugabe, dass man gar nicht mitbekommt, dass die Band längst die Bühne verlassen hat und einen lediglich ein Band unterhält. Trotzdem: hola banditos!
[Reini Reither]
Es gibt Bands, die nie langweilig werden, egal, wie oft man sie sieht, und in dieser Liga spielen zweifelsohne OPETH! Mikael Åkerfeldt ist einfach ein Meister seines Fachs, sowohl musikalisch als auch in seiner Rolle als Frontmann, und auch auf dem Brutal Assault lässt er die Gelegenheit nicht aus, seine Fans wieder mit ein paar Witzchen zu amüsieren - zwar nicht so intensiv wie bei seinen Clubshows (die Zeit ist leider knapp), aber der sympathische Schwede hat einfach diesen fannahen Charme, der oft keiner großen Worte bedarf und nur mit einem kleinen Satz zu belustigen weiß. "Als ich bei OPETH angefangen habe, war ich Bassist. Jetzt bin ich Sänger und Gitarrist, das ist eindeutig die attraktivere Position, ich bin jetzt der sexy Frontmann", scherzt Mikael und erntet herzliche Lacher. Die Band ist heute außerdem eindeutig im Jam-Fieber und improvisiert während der überlangen Songs immer wieder herrliche Soundcollagen, die mehr als einmal an PINK FLOYD erinnern, und Mikael lässt es sich nicht nehmen, auch mal Popsongs in einem Intro zu verwursten.
In punkto Songs gibt's zwar keine großen Überraschungen, aber Stücke wie 'Leper Affinity', 'Ghost Of Perdition' oder 'Deliverance' funktionieren immer wieder bestens. OPETH sind einfach eine sympathische Band, die sich sowohl auf der Bühne als auch bei Interviews und Signing Sessions so herrlich rockstarallürenfrei gibt.
[Caroline Traitler]
Bestbesetzung, das heißt bei TESTAMENT Gitarrengenie Alex Skolnick ist mit auf Tournee, genial unterstützt von Eric Peterson an der zweiten Axt, Paul Bostaph rührt den Kessel und dann diese Setlist, liebe Leute: 'The Preacher', 'The New Order', 'Over The Wall', 'Practice What You Preach', 'More Than Meets The Eye', 'The Persecuted Won't Forget', 'Burnt Offerings', 'Into The Pit', 'Disciples Of The Watch', 'D.N.R. (Do Not Resuscitate)', '3 Days In Darkness', 'The Formation Of Damnation'.
Allein der Teil vor dem Zugabenblock ist so was wie eine Lehrstunde in Old School Bay Area Thrash Metal. Chuck Billy, den Mikroständer schwingend, ist zwar ein wenig bewegungsarm, dafür umso besser bei Stimme und führt seine Kumpanen von einem Klassiker zum Nächsten. Also ehrlich jetzt: Viel besser geht es im Thrash-Genre nicht mehr, eine der absoluten Gewinner des diesjährigen Brutal-Aassault-Festivals! 'Nuff said!
[Reini Reither]
Man kann über ULVER denken, was man will. Die einen hassen sie, die anderen lieben sie. Wer die Bandgeschichte kennt, weiß, dass ULVER definitiv kein Band ist, die auf einem Level stehen bleibt. Dementsprechend sind auch die Erwartungen an den Live-Auftritt der Norweger, die sich so rar machen wie Glen Benton in Europa. Zusätzlich zur Show wird noch eine Videowall aufgestellt, auf der ganz einfach "Forgive us ..." geschrieben steht.
Den Anfang macht ein Mix-Song, der aus der "A Quick Fix Of Melancholy"-EP besteht. Düstere Stimmung verbreitet sich unter der Menge, und so mancher weiß nicht, was er davon halten soll. Trotzdem: Mit Songs wie 'Love Music' vom aktuellen Album "Shadows Of The Sun" oder 'Gnosis' können die Mannen um Kristoffer Rygg (wie kann man so viel rauchen während einer Show?) die Menge für sich gewinnen. Hier bekommt man den beeindruckenden Beweis geliefert, dass man auch ohne wildes Herumgepose auf der Bühne eine gute Show liefern kann.
Auf der Videowall bekommt man während der Show nachdenklich machende Videos zu sehen, wie z. B. pornographische Filme und Bilder gekreuzt mit Kirchenfilmen. Provokation, Eigenständigkeit und garantiert nicht uninteressant, ich glaube so kann man eine Show dieser Band am besten bezeichnen.
[Christoph Gütl]
- Redakteur:
- Caroline Traitler