Brutal Assault - Jaromer
13.09.2009 | 11:5506.08.2009, Pevnost Josefov
Im tschechischen Jaromer ist die Welt noch in Ordnung: Top-Bands, klasse Organisation, billiges und vor allem gutes Bier und Essen und wunderschönes Wetter - was will man mehr?
AGATHODAIMON, die gibt's noch? Freudig stelle ich also fest, dass sich die Band, die vor mehr als zehn Jahren für absolut innovativen Black Metal sorgte, auch heute noch auf Festivalbühnen stellt und rockt. Es ist früh, und das erste kühle Bier geht die Kehle runter, da passen Songs mit Nostalgiefaktor wie 'Ne Cheama Pamintul' oder 'Tongues Of Thorn' perfekt dazu! Leider krankt der Auftritt der Düster-Deutschen ein wenig unter dem Wiederholungs-Langweile-Geist, der sich hier und da nach einer halben Stunde einschleicht. Solide, aber leider nicht mehr so mitreißend wie damals. Vielleicht lag's auch an der frühen Spielzeit und dem Sonnenschein?
[Caroline Traitler]
Die derzeit wohl bekannteste junge Thrash-Band von der grünen Insel, GAMA BOMB, darf in sengender Mittagshitze für ein wenig Auflockerung sorgen. 'Steel Teeth (The Metal Jaw)', der 'Final Fight', 'Time Crime' und das vernichtende 'Hammer Slammer' sind probate Mittel, um der Meute ein wenig den Schlaf aus den Augen zu treiben. Und sogar ein neuer Track verirrt sich in die Setliste und macht definitiv Lust auf das im November '09 erscheinende Album namens "Tales From The Grave In Space". Weiters kredenzen uns die Iren die Kurzeruption 'OCP', 'In The Court Of General Zod', 'Bullet Belt' und als krönenden Abschluss den 'Hell Trucker'. Erfrischend dargebotener, schnörkelloser Thrash ist das.
[Reini Reither]
Auch wenn ASHES YOU LEAVE mit ihrem Musikstil eher Einzelgänger sind auf dem Brutal Assault, so findet sich doch eine kleine, aber feine Menge an Genrefans vor der Bühne ein. Als ich die Kroaten das letzte Mal vor fünf Jahren gesehen habe, haben sie keinen wirklich guten Eindruck hinterlassen, aber ein paar Jahre später und mit neuer Sängerin weiß der klassische Gothic Metal mit lieblichen Melodien und Geige durchaus zu überzeugen. Die Musik ist zwar nichts Neues, aber manchmal funktioniert auch Altbewährtes ganz gut. Vielleicht würde es in einer anderen Umgebung sogar noch besser klappen, denn so bleiben ASHES YOU LEAVE die "female clean vocals"-Exoten des Festivals.
[Caroline Traitler]
Guy Kozowyk ist ein Tier, und Bassist Greg Weeks wohl DER Grimassenschneider des kompletten Festivals, dagegen agiert THE RED CHORD-Gitarrist Mike McKenzie richtig zahm und zurückhaltend on stage. Die von den vier Amis heraufbeschworene Staubwüste kann aber auch das verhaltene Stageacting des Gitarristen nicht verhindern. Die Circle Pits sind auf Dauerrotation, und Kozowyk stellt unmissverständlich klar: "We just do one thing: kick ass and keep going." Da feiert das Publikum sogar die beiden neuen Tracks 'Moralizer' und 'Hour Of Rest' gehörig ab, die einen Ausblick auf das im Spätherbst erscheinende neue Album geben. Brutal as fuck sagt man dazu oder so ähnlich. Und das bei sengender Hitze.
Für die Technokraten von THE FACELESS ist der Auftritt auf dem Brutal-Aassault-Festival wohl was Besonderes, feiert doch Gitarrist Michael Keene Geburtstag, was von der Menge auch gleich mit einem zünftigen 'Happy Birthday' goutiert wird. Sonst gibt's jede Menge Fingerverrenkungen vom "Planetary Duality"-Überwerk, die Cyber-Vocals kommen – logisch – vom Band, und mit Tracks wie 'Prison Born' oder 'Legion Of The Serpent' kann man trotz aller Vertracktheit nichts, aber schon gar nichts falsch machen!
[Reini Reither]
Mein ganz persönliches Highlight des Tages folgt mit den Finnen GHOST BRIGADE, die mit ihrer genialen Mischung aus KATATONIA und Postrock den Nerv der Zeit treffen (und so nebenbei bemerkt auch genau meinen Geschmack). Die leidenschaftlichen Kompositionen zaubern eine Gänsehaut nach der anderen auch bei gefühlten vierzig Grad im Schatten, und bei Songs wie 'Suffocate' oder 'Into The Black Light' gibt's die GHOST BRIGADE-Vollbedienung für die leider recht überschaubare Fan-Community.
[Caroline Traitler]
Auch die Brit-Thrasher von EVILE werden in Kürze ein neues Album auf den Markt werfen, und zwar exakt am 21. September 2009 über Earache Records. Dadurch kommt Josefov in den Genuss zweier neuer Tracks der Briten, 'Now Demolition' und der Titeltrack 'Infected Nations', die schön stimmig in das Gesamtbild der schon bekannten Tunes wie 'We Who Are About To Die', 'Bathe In Blood', 'Armoured Assault' oder des Titeltracks des 2007er Debüts "Enter The Grave" passen. Klingt dann in etwa so, als kopulierten (old) METALLICA heftig mit SLAYER. Nicht ganz so spaßig und bei Laune haltend wie GAMA BOMB, aber im Großen und Ganzen okay, der Gig!
HATE ETERNAL sind wohl der Einfahrer des Festivals. Okay, über die technischen Fähigkeiten braucht man bei Eric Rutan und Co. nicht zu diskutieren, dennoch will das permanente Brutalo-Statement überhaupt nicht zünden. Was auch daran liegen mag, dass man als Trio von vornherein über einen immens beschränkten Bewegungsradius verfügt. Ohne Rücksicht nach vorne losbrettern, viel zu lange Pausen zwischen den Songs, kaum Interaktion mit dem Publikum - das ist doch nicht der Weisheit letzter Schluss, Mr. Rutan. Schade, aber irgendwie laufen diese 35 Minuten nicht nur an mir, sondern auch am Großteil der Anwesenden ziemlich ausdruckslos vorbei.
[Reini Reither]
"Okay, guys, let's do this! - We never come in peace!" ist Kampfansage und gleichzeitig erster Song von MISERY INDEX, die am späten Nachmittag bei praller Hitze die Bühne betreten. Und die Fans sollen nicht enttäuscht werden. Nach dem genialen Opener legt man mit 'Theocrazy' und 'Partisans Of Grief' gleich noch zwei aktuelle Stücke vom neuen Album "Traitors" nach, das wieder einmal zeigt, warum die Jungs inzwischen eine der angesagtesten Bands aus Amerika sind. Klassiker wie 'The Great Depression' dürfen nicht fehlen, die Menge dankt es mit gebührendem Applaus und einer Menge fetter Moshpits. Guter Sound - gute Band, was will man mehr?
[Christoph Gütl]
ANAAL NATHRAKH, das ist irgendwie so, als renne man völlig indisponiert gegen einen fahrenden Eisenbahnzug – oder anders ausgedrückt: diese zwölf Weltuntergänge: 'In The Constellation Of The Black Widow', 'I Am The Wrath Of Gods And The Desolation Of The Earth', 'Bellum Omnium Contra Omnes', 'The Final Absolution', 'Submission Is For The Weak', 'More Of Fire Than Blood', 'Solifugae', 'Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen', 'The Lucifer Effect', 'The Destroying Angel', 'Do Not Speak', ' Pandemonic Hyperblast'.
Die Songs bringen sogar einen routinierten Frontmann wie Dave Hunt (BENEDICTION) ob ihrer Brutalität, ihrer Kompromisslosigkeit und ihrer gnadenlosen Härte ein ums andere Mal völlig aus der Puste, so dass die Ansagen des Sängers über weite Strecken von nach Luft lechzenden tiefen Atemzügen unterbrochen werden müssen. Eine Atombombendetonation in unmittelbarer Nähe kann nicht viel vernichtender sein als ANAAL NATHRAKH on stage!
[Reini Reither]
Wir schreiben 20.30 Uhr, die Hitze des Tages vergeht schön langsam und tauscht mit der Kälte der hereinbrechenden Nacht. Noch schnell was gegessen, frisches Bier besorgt, und schon geht's weiter mit einem persönlichen Highlight des Tages: SUFFOCATION. Die New Yorker sind immer wieder gerne gesehene Gäste in Europa, was hier in Tschechien besonders zutage tritt.
Schon ertönt der fette Gitarrensound begleitet von einem tiefen Bass-Sound und treibendem Schlagzeug. Die Growls von Frontmann Frank Mullen immer wieder ein Genuss für die Ohren. Songs wie 'Blind Torture Kill', 'Catatonia' oder 'Breeding The Spawn' treffen den Nerv des Publikums, das nicht genug von dem Quintett aus New York bekommen kann. Die Spielfreude springt wie ein Funken auf das Publikum über. Nicht umsonst gelten die Jungs als eine der besten Live-Combos im Death-Metal-Bereich. Am Ende versichert uns Mr. Mullen noch, dass die Welt untergehen wird und wir nicht zu Hause sitzen sollen - so bekommen wir zum Schluss noch den Song 'Prelude To Repulsion' um die Ohren geknallt.
Geniale Show, geniale Stimmung, definitiv eine der besseren Shows des Festivals. Immerhin sind SUFFOCATION eine der wenigen Bands, die per "Zugabe!"-Rufe wieder zurück auf die Bühne kommen. Hier noch zwei Songs, und nach über einer Stunde ist der Spuk schon wieder vorbei.
[Christoph Gütl]
Schnell mal den Fotograben leer räumen lassen, beim Eröffnungstrack 'The Sun No Longer Rises' ein paar Pyros in die Luft gejagt, die gewohnt kultige Erstansage ("Alright ladies and motherfuckers!"): It's IMMORTAL time. Und die drei Kult-Blackies, die weit mehr Rock 'n' Roll in den Eiern haben als so manche Möchtegern-Rocker, zementieren ihren Headlinerstatus in bekannt norwegischer, stoischer Ruhe direkt in der Armeefestung in Josefov!
Ein herrlich herausgebelltes 'Sons Of Nothern Darkness' wird gleich den Brüdern im Geiste von MARDUK gewidmet, 'Tyrants' mutiert zum Mammutsong, und nicht mal der Umstand, dass Abbaths Amp bei 'Beyond The North Waves' für ca. zwei Minuten den Geist aufgibt, kann die zur Schau gestellte Routine des Trios aus der Bahn werfen.
Die Bühnenshow ist opulent, die Feuersäulen üppig, Abbaths Feuerspucken kommt natürlich aus dem Horn (was sonst?), und "some more old shit" wie 'Unsilent Storms In The North Abyss' wird gnadenlos abgefeiert, und nach exakt 55 Minuten ist erst mal Schicht im Schacht.
"There is a lightning on fire motherfuckers" läutet 'Beyond The North Waves' ein, bevor uns 'Battles In The North' und 'Blashyrkh' den endgültigen Gnadenstoß versetzen. Mein persönliches Fazit: IMMORTAL für endgeil befunden!
Setlist:
The Sun No Longer Rises
Solarfall
Sons Of Northern Darkness
Tyrants
One By One
Damned In Black
Withstand The Fall Of Time
Unholy Forces Of Evil
Unsilent Storms In The North Abyss
Beyond The North Waves
Battles In The North
Blashyrkh (Mighty Ravendark)
WALLS OF JERICHO sollen jene Band werden, die die gesamte Schreiber-Crew als erfrischend-erfreulichen Schlusspunkt des diesjährigen Brutal-Assault-Festivals sieht. Hängt natürlich auch damit zusammen, dass die ersten beiden MARDUK-Songs irgendwie zum Davonlaufen sind und daher SKEPTICISM und ETERNAL DEFORMITY als Leidtragende dastehen.
Zurück aber zu Madame Candace Kucsulain und ihren Mitstreitern. Nachdem die kleine Frontderwischin ja aufgrund eines Todesfalles in ihrem engsten Freundeskreis einige Shows in Europa aussetzen musste, ist sie beim Brutal Assault wieder am Start. Im Interview sah man ihr die noch nicht ganz überwundene Trauer zwar an, on stage lässt sie aber zu keiner Sekunde Zweifel aufkommen, wer in den von WALLS OF JERICHO gefüllten fünfzig Minuten das Sagen hat. Das Publikum wird dirigiert, der zaghafte Versuch, in der Meute eine Wall Of Death anzufangen, mit den Worten "If you gonna do it than do it right or let it be" kommentiert, und schon hat die zierliche Rothaarige wieder das Heft in der Hand, und die Wall Of Death ist immens, geradezu kolossal.
Hinsichtlich der Songs gibt es eine gesunde Mischung. 'The Prey' als Opener (nach dem Intro!), Älteres wie 'All Hail The Dead' oder der Titeltrack des aktuellen Albums "The American Dream" lassen wuchtige Circle Pits kreisen (übrigens die massivsten des Festivals!), und nach elendig langer Wartezeit kommen Candace und ihre Mannen noch für die Zugabe 'Revival Never Goes Out Of Style' zurück auf die Bretter. Ein angenehmer Abschluss einer Band, die trotz aller Hardcore-Attitüde mittlerweile knietief im Thrash Metal umherwildert!
[Reini Reither]
- Redakteur:
- Caroline Traitler