CHILDREN OF BODOM - Berlin
27.07.2005 | 16:1923.07.2005, Alte Zigarettenfabrik
So ganz schlau geworden bin ich aus diesem Event bis heute noch nicht: Ganz am Rande hatte er wohl etwas mit der in Berlin gastierenden Modemesse "Bread and Butter" zu tun, aber in der Hauptsache war es die Launch-Party des kanadischen Vice Magazine (http://www.viceland.com), das gerade zur Eroberung des deutschen Marktes ansetzt. Allerdings fand sich weder für das eine noch das andere auch nur der klitzekleinste Hinweis. Lediglich die arg aufgehübschten Menschen, die sich mit dem Taxi nach Pankow kutschieren ließen, waren etwas auffällig. Und auch der Veranstaltungsort, die Alte Zigarettenfabrik, existiert eigentlich gar nicht im Berliner Party-Leben, zumindest habe ich noch nie zuvor von ihm gehört. Überall blätterte die Tapete von den Wänden, der Fußboden war löchrig, lediglich die opulente Deckenlampe in der Garderobe zeugte von altem Glanz. Die Toiletten waren nachträglich (vielleicht sogar nur für diesen Zweck?) von außen angebaut und wurden durch einige Dixis auf dem mit Ledersofa und Kickertisch ausgestatteten Innenhof ergänzt. Die beiden Bars wurden vermutlich ebenso nur für diesen einen Abend installiert wie die plüschig-roten runden Sitzgelegenheiten, auf denen es sich je nach Durchmesser gepflegt herumlümmeln ließ.
Gegen 23 Uhr lockte uns zunächst die Aufforderung "everybody with an invitation please come to the left entrance" weg von dem nur durch einen grellen Scheinwerfer erleuchteten Innenhof zu einem noch schummrigeren Seiteneingang. Besagte "invitation" bekamen wir über ein Gewinnspiel von Universal Music, wo die CHILDREN OF BODOM unter Vertrag stehen und bei dem vermutlich jeder Erfolg hatte, denn allein aus meinem Bekanntenkreis waren drei Gewinner bzw. Gewinnerinnen plus jeweils eine Begleitperson zugegen. Allerdings muss es dem doch eher unmetallischen Publikum zufolge noch andere Einladungs-Quellen gegeben haben. Am Einlass bekamen wir zunächst eine Art Festivalbändchen verpasst und stürzten uns drinnen sogleich an die Bar, an der sich besagtes Bändchen als Sesam-Öffne-Dich zu den nahezu unerschöpflichen Veltins-Biervorräten erwies. Freibier für alle? Nicht ganz, nur "geladene" Gäste (so wie wir) kamen in den Genuss. Die Chance auf ein Gratis-Finlandia-Vodka-Mixgetränk haben wir leider verpasst, da diese aufgrund der doch wohl etwas zu großen Nachfrage recht bald nur noch kostenpflichtig erhältlich waren (und wir den Rest des Abends noch halbwegs nüchtern erleben wollten und zu spät reagierten). Aber auch mit Bier konnte man sich so manches schön saufen. Und dass ein Großteil der Finanzierung über Sponsoring lief, wurde spätestens bei einem Blick auf den Zigarettenautomaten deutlich: Lucky Strike Red, Luky Strike Silver und das ganze jeweils noch als Big Box, verteilt auf ca. 20 Tasten, aber leider nicht kostenlos. Sehr skurril ...
Genauso bunt wie das Publikum, das sich aus einer Hand voll Metaller (COB-Gewinnspiel) und sehr viel mehr Szenevolk zusammensetze, war auch die musikalische Beschallung des Abends. Neben den Toiletten, an denen frau zu späterer Stunde anstehen musste, befand sich eine Hip-Hop-Bühne. Vermutlich amüsieren sich die Basecap-Träger über headbangende Metaller genauso wie wir über ihre hochgereckten Hände - yo man! Aber ob sie ebenso der Meinung sind, dass eigentlich alles gleich klingt? Quer über den Hof gab es einen weiteren Raum, den wir bei unserem Eintreffen noch recht verwaist vorfanden und zu dem wir uns später nicht mehr durchzukämpfen versuchten. Es füllte sich nämlich im Laufe des Abends gewaltig.
In einem kleinen Nebenraum befand sich schließlich die von uns favorisierte Rock-Bühne. Weitere dort auftretende Bands waren ART BRUT (recht unterhaltsamer Briten-Rock mit entsprechend schrägem Humor), CLOR (nerviger UK-Alternative-Rock, den wir dazu nutzten, unsere Biervorräte aufzufrischen) sowie CRAZY TITCH und BABYSHAMBLES, die wir uns jedoch aufgrund der bereits sehr vorgerückten Stunde nicht mehr reinzogen. Somit werden wir wohl nie erfahren, ob die Freundin von BABYSHAMBLES-Fronter Pete Doherty, niemand geringeres als Supermodel Kate Moss, sich ebenfalls noch hat blicken lassen.
Inmitten all dieser eher dem (Alternative) Rock zuzuordnenden Bands spielten also die CHILDREN OF BODOM - keine Ahnung, warum, aber uns hat's gefreut. Am meisten hat mich eigentlich erstaunt, dass angesichts der für das Mainstream-Publikum doch extrem harten Klänge nicht der Großteil die Flucht angetreten hat. Entweder wussten die Anwesenden, was sie erwartet, oder sie hatten bereits genug Alkohol intus, um sich quasi jede Form von musikalischer Berieselung reinzuziehen, Hauptsache, sie konnten der Hip-Hop-Hölle im Vorraum entfliehen.
Flitzefinger Alexi Laiho und seine Mannen erfreuten uns mit durch die Bank ansehlichen freien Oberkörpern und präsentierten eine bunte Mischung aus alten Hits, entgegen diverser Spekulationen jedoch keinen neuen Song und schon gar nicht das Britney Spears-Cover 'Oops I Did It Again', obwohl die mehrheitlichen Szenetypen damit wohl am ehesten etwas hätten anfangen können. Zumindest in den ersten Reihen versuchten sich die wenigen CHILDREN OF BODOM-Fans an einem kleinen Moshpit, der allerdings nicht über zaghaftes Haareschütteln hinausging. Die Band störte das jedoch wenig und gab ordentlich Gas. Gitarrist Roope Latvala war bereits nach einem Song schweißgebadet, Basser Henkka Seppälä tropfte nur unwesentlich später ebenfalls dezent vor sich hin, nur Alexi erwies sich als verhältnismäßig hitzeresistent und schwenkte als einziger der Band eine Bierflasche (nuckelte aber auch heimlich am Evian seiner Kollegen). Der Sound war zumindest direkt vor der Bühne recht matschig, vor allem das Gekeife des Fronters hätte ruhig etwas lauter sein können. Dafür beeindruckte Mr. Wildchild wie immer durch die Verwendung möglichst vieler F-Worte in möglichst wenigen Sätzen sowie sein scheinbar lässig aus dem Handgelenk geschütteltes virtuoses Gitarrenspiel, bei dem er trotzdem nebenbei noch mit Keyboarder Janne Warman und den anderen Jungs rumalbern konnte. Auf dessen Instrument klebte übrigens - typisch finnischer Humor - in Anspielung auf die berühmten Schweden-Elch-Aufkleber ein Sticker mit zwei sich paarenden Huftieren.
Nach ca. 40 Minuten Spielzeit verließen Alexi & Co. durch das Publikum die Bühne (huch, ist der Typ winzig!) und wir strömten bierselig und zufrieden in Richtung Garderobe. Kostenfaktor dieses insgesamt sehr unterhaltsamen Abends: Ein Euro für's Jacke abgeben. Liebe Veranstalter, bitte bitte kommt bald wieder!
Setlist:
Hate Me!
Silent Night, Bodom Night
Needled 24/7
Everytime I Die
Bodom Beach Terror
Hate Crew Deathroll
Downfall
- Redakteur:
- Elke Huber