CONAN, LORD DYING - Wiesbaden

06.11.2023 | 22:14

31.10.2023, Schlachthof

Doom-Abriss im Kesselhaus.

Nachdem ich wirklich lange Zeit auf die Gelegenheit warten musste, CONAN live sehen zu können, hat das Warten nun endlich ein Ende. Es ist ein nasskalter Dienstag, der letzte Tag des Oktobers, und ich schaffe es pünktlich, Feierabend zu machen, um mich also entspannt auf den Weg Richtung Schlachthof Wiesbaden zu begeben. Nach einem Zwischenstopp und einer ordentlichen Stärkung geht es nun mit mehr als genug Zeit im Nacken auf die Autobahn Richtung Wiesbaden. Als eingefleischter Schlachthof-Besucher weiß man nur zu gut, dass man sich auf dieser Strecke auch mal ganz schnell inmitten des Feierabend- oder generell sehr zähfließenden Verkehrs befinden kann und es durchaus auch mal knapp werden kann pünktlich zum Einlass vor Ort anzukommen. Doch heute ist die Autobahn frei und es geht in einem Rutsch durch bis zum Wiesbadener Stadtzentrum. Und siehe da, der Parkplatz ist halb leer, Parkplatzsuche fällt also weg und es sind nur drei Minuten Fußweg bis zum Schlachthof. Noch ein paar Minuten im warmen Auto warten, um dann punktgenau zum Einlass vor Ort zu sein, wo sich schon erstaunlich viele Besucher versammeln.

Heute heißt es nicht große Halle, es geht ins kleine, beschauliche Kesselhaus. Der Einlass klappt erstaunlich gut, schnell und unkompliziert wird im Kassenhäuschen die Gästeliste gezückt, Stempel aufs Handgelenk und schon geht es nach drinnen und ohne Umwege Richtung Theke. Es bleibt wie so oft auch heute bei einer Cola, wenn man allein unterwegs und somit auch der einzige Fahrer ist, aber das schmälert in keinster Weise die große Vorfreude und die positive Stimmung. Die Räumlichkeit ist bereits wenige Minuten nach Einlass schon beachtlich gefüllt, kein dichtes Gedränge, aber viel Platz ist durchaus nicht mehr vorhanden. Der Altersschnitt unter den Besuchern ist wie zu erwarten etwas höher, was allerdings für ein Doom-Metal-Konzert nichts Ungewöhnliches ist, doch auch der eine oder andere jüngere Besucher lässt sich erblicken. Nach guten zwanzig Minuten des Wartens geht die Deckenbeleuchtung aus: LORD DYING aus Portland, Oregon steht auf der Bühne und stellt heute den Support.

Leider hatte ich vor dem Konzert so gut wie keine Gelegenheit in die Werke von LORD DYING reinzuhören, das Dargebotene ist also für mich völlig neu. Das Quartett spielt fetten, groovigen, fiesen doomig-progressiven Sludge Metal und lässt sich stilistisch mit Bands wie HIGH ON FIRE, KYLESA, RED FANG oder auch BLACK TUSK vergleichen, wobei die Band ihre ganz eigenen Ideen und musikalischen Nuancen an den Tag legt. Das dargebotene Songmaterial bietet von Anfang an sehr viel Abwechslung und wirkt zu keiner Sekunde langweilig, im Gegenteil, es ist eine große Freude den Musikern zuzusehen, was durch die ersichtliche Spielfreude und Motivation auf der Bühne untermalt wird. Vor allem Gitarrist Chris und Bassistin Alyssa, die mit ihrem Bass durchgehend klar und deutlich zu hören ist und nicht nur rhythmisch, sondern auch melodisch etwas beiträgt, stehen sich immer wieder gegenüber, lassen ihre Finger über die Griffbretter wandern und duellieren sich regelrecht mit groovigen Rhythmus-Passagen oder melodiösen Zwischenspielen. Aber auch Drummer Kevin legt sich ordentlich ins Zeug und bearbeitet die Felle wuchtig, während Sänger und Gitarrist Erik durch sein Gitarrenspiel und herrlich doomig-fiese und teils ruhige Gesangspassagen glänzt. Der Wechsel zwischen groovigen, aggressiven, melodiösen und progressiven Parts macht das Ganze komplett stimmig und interessant, genial umgesetzt! Insgesamt eine großartige Einstimmung auf den Headliner, musikalisch und auch soundtechnisch. LORD DYING reißt das Publikum vom ersten Song an mit und bekommt nach jedem Stück einen ordentlichen Applaus und auch einige Jubelrufe sind zu vernehmen. Ein absolut gelungener Auftritt!

Jetzt ist es an der Zeit, LORD DYING mit angemessenem Applaus zu verabschieden. CONAN betritt die Bühne, baut auf und bereitet sich vor. Der Umbau geht zügig und als die Jungs auf der Bühne bereit sind, wird der Raum erneut in ein fahles Licht getaucht, denn jetzt ist es Zeit für britischen Doom-Abrissbirnen-Metal! Das Trio bezeichnet sich selbst gerne als "UK based caveman battle doom pioneers", eine sehr treffende Bezeichnung, wie ich finde. Denn CONAN versteht es durch brachiale, teils simple Songstrukturen und eine gehörige Portion Wucht eine absolut mitreißende Klangwand zu erzeugen. Endlich ist es soweit und der erste Song 'Equilibrium Of Mankind' dröhnt wuchtig und stampfend aus den Boxen. Die ersten drei bis vier Reihen, mich selbst eingeschlossen, beginnen unmittelbar nach Beginn des Stücks alle im Takt mit den Köpfen zu nicken. Es geht gar nicht anders, die Riffs reißen gnadenlos mit. Ab jetzt ist klar, dass es ab sofort keine Kompromisse und keine Gefangenen geben wird! Die Briten wirken sehr konzentriert und abgeklärt, ganz so, als wären sie genauso in der Musik versunken wie das Publikum. Songs wie 'Hawk As Weapon' oder auch 'Levitation Hoax' scheinen beinahe zähfließend wie Honig aus den Boxen zu wabern, eine Klangwand, so gnadenlos, dass es einem durch Mark und Bein fährt, man die Fäuste ballt und unaufhörlich die Nackenmuskulatur trainiert. Auch Titel wie 'Satsumo', 'Gravity Chasm' oder auch 'Ritual Of Anonymity' lassen nicht nur mein Doom-Herz, sondern anscheinend auch das jedes weiteren Besuchers und Fans höher schlagen.

Doch dann kommt es zu einigen eher unschönen Szenen: In der ersten Reihe verschüttet ein Besucher während des Headbangens sein auf der Bühne abgestelltes Bier und reißt den Monitor von Bassist Chris fast von der Bühne, wovon sich der routinierte Musiker nicht ablenken lässt und gnadenlos sein Ding durchzieht. Doch das sollte leider noch nicht alles gewesen sein, kurze Zeit später versucht sich derselbe Besucher (mittlerweile anscheinend sturzbetrunken) an Chris' Mikrofonständer festzuhalten und reißt diesen beinahe vollständig um, sein Stehnachbar reagiert blitzschnell, fängt diesen auf und stellt ihn wieder aufrecht hin, auch diesmal zeigt sich der Bassist unbeeindruckt und spielt lässig und gekonnt weiter. Kurze Zeit später kommt es erneut zu einer unschönen Situation, wobei es der Besucher endgültig schafft ein Kabel aus einer Steckerleiste zu ziehen, Chris schreitet ein und beim Versuch den Stecker wieder einzustecken, stöpselt er ungewollt seinen Bass aus. Doch auch in dieser Situation bleibt er besonnen, genau wie seine beiden Bandkollegen, die einfach weiterspielen und keine Miene verziehen. Nachdem alles wieder gerichtet ist, steigt der Bassist wieder mit ein und der Song kann ohne weitere Störungen zu Ende gespielt werden.

Die Reaktionen des Publikums auf das Chaos in der ersten Reihe reichen von Lachern bis hin zu eher genervten Reaktionen. Aber ein ganz großes Lob geht hier an die Mannen von CONAN, die wirklich absolut professionell mit der Situation umgehen und sich voll und ganz auf die Musik konzentrieren. Aber es heißt nun weiter headbangen und das Konzert genießen, denn es sollten unter anderem noch absolute Bretter wie 'Total Conquest' und 'Foehammer' folgen, bei denen ich das Gefühl bekomme, dass die Backsteinwände des Kesselhauses anfangen zu bröckeln. Beeindruckend finde ich, wie intensiv das Ganze live klingt, wuchtig, fesselnd, hypnotisch. Dieses dichte Klanggebilde kommt nicht nur unaufhaltsam auf einen zu, es scheint auch so, als sei man in ein Doom-Metal-Soundgewand eingehüllt, das einen grinsend und glücklich zurücklässt.

Abschließend bleibt nur noch zu sagen, dass sowohl die Auswahl des Supports, als auch Licht, Sound und die Songauswahl einfach nur fantastisch sind. CONAN ist mir durch dieses tolle Live-Erlebnis nochmal ein Stück mehr ans Herz gewachsen und LORD DYING hat an diesem Abend einen neuen Fan dazu gewonnen. Große Klasse, jederzeit wieder!

Photo Credit: Finn Geiger

Redakteur:
Kevin Kleine

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