DIE KASSIERER - Frankfurt

21.01.2013 | 21:37

18.01.2013, Batschkapp

25 Jahre Kassierer - das kann nicht gut gehen!

Zur positiven Überraschung ist die S6 angenehm leer und es ist leicht einen Sitzplatz zu bekommen. Neben mir hat sich ein jugendliches Trio mit Sixpack bewaffnet breit gemacht, um ebenfalls den Weg in die "Batschkapp" anzutreten. Mit den fluoreszierenden Leuchtstoffröhren auf dem Kopf, die wie eine Krone wirken, sind sie leicht als KASSIERER-Fans zu enttarnen. Zu meiner Überraschung ist das Konzert ausverkauft, was verwundert, da eine Woche vorher auf der "Batschkapp"-Seite noch welche zur Verfügung standen. Die meisten Besucher zieht es noch nicht in die mollig beheizte Halle rein, stattdessen werden die mitgebrachten Biervorräte vernichtet. Ferner kitzelt süßlicher Cannabisgeruch in die noch intakten Nasenhaare, womit das Vorglühen in vollem Gange ist, was auch mit der Tatsache zusammenhängt, dass heute Freitag ist und die meisten Besucher den nächsten Tag ihren Rausch ausschlafen können.

Aufgeweckt ist auch die Vorgruppe EMSCHERKURVE 77, die um kurz nach Sieben die Bretter besteigt um den Stimmungspegel bis zum Beginn des Hauptacts nach oben zu treiben. Da die meisten Anwesenden noch mit der Restvernichtung ihrer Alkoholvorräte zu tun haben, ist es beim Startschuss noch nicht so voll, was sich im Laufe des Sets ändern soll. Des Weiteren erwischt das Quintett einen schlechten Start, da der Sound zu laut und matschig aus den Boxen dröhnt. Da ich nicht mit dem Songmaterial der Truppe vertraut bin, fällt es umso schwerer die Tracks voneinander zu unterscheiden, geschweige denn heraus zu hören welcher Refrain geschmettert wird. Neben 'Deine Eltern sind Geschwister' bleiben noch 'Louis de Funés' und ein DRITTE WAHL-Cover bei mir hängen. Die Jungs haben ordentlich Spaß in den Backen und erfüllen ihren Job als Anheizer mehr als gut. Nach einer guten Dreiviertelstunde ist Schluss, und man kann feststellen, dass das Publikum sich warmgegrölt und –geschunkelt hat.

Schon während der angenehm kurzen Umbaupause von zwanzig Minuten wird vom Klassiker 'Blumenkohl am Pillermann' der Textauszug "Ha – He, mein Penis der tut weh!" im Publikum skandiert. Als dann DIE KASSIERER auf die Bühne steigen und mit 'Besoffen sein' loslegen, gibt es kein Halten mehr. Im Minutentakt steigt jemand auf die Bühne (meistens männlichen Geschlechts, da neunzig Prozent der Anwesenden Männer sind) um Wölfi zu umarmen oder seinen Bauch zu streicheln. Die Gelegenheit dem „Buddha des Punkrock“ die Plautze zu streicheln ergibt sich nach dem ersten Song, da er fortan "oben ohne" seine Gesangskunst darbietet. Seiner Aufforderung sich ebenfalls komplett seiner Kleider zu entledigen, kommen die Wenigsten nach, auch wenn hier und da einige mit freiem Oberkörper das Konzert bestreiten. Ansonsten werden in erster Linie bekannteren Songs geschmettert, wodurch die Temperaturen in der "Kapp" in astronomische Höhen steigen und man auch ohne aktive Beteiligung am Geschehen ins Schwitzen gerät. Zur "Abkühlung" fliegen vor und auf die Bühne Becher mit Restalkohol, wovor vor allem die Beteiligten vor der Bühne nicht ungeschoren davonkommen. Überdies werden die Anwesenden in der Mitte des Konzerts Zeuge einer Sex-Show auf der Bühne, wo der Gitarrist Niko den Drummer Volker Kampfgarten versucht zu begatten, was mit einem Penis in unerigiertem Zustand nicht möglich ist und somit eher dazu dienen sollte, Wölfi eine Verschnaufpause zu verschaffen.

Je weiter das Konzert voranschreitet, umso hemmungsloser werden die Aktionen auf der Bühne seitens der Besucher, die es sich nicht nehmen lassen ihr bestes Vorder- und Hinterteil dem Rest des Publikums zu präsentieren. Ferner wird Wölfi im Zugabenteil noch von einem Plastikbecher auf der Nase getroffen, trägt jedoch keine sichtbaren Verletzungen davon. Dass die KASSIERER auch die Klassiker zu würdigen wissen, wird durch das Anspielen von DEEP PURPLEs 'Smoke On The Water' und GOLDEN EARINGs 'Radar Love' unter Beweis gestellt. Man hört: Auch Rockgourmets werden heute Abend musikalisch bedient. Nach neunzig Minuten ist bei der Band die Luft raus und die überhitzte Menge wird in die kalte Frankfurter Luft entlassen.


Bleibt zum Abschluss festzuhalten, dass ein KASSIERER-Konzert so etwas wie Karneval für die Rockgemeinde darstellt, denn selten habe ich eine so ausgelassen Stimmung erlebt wie bei diesem Konzert. Wer also seine angestauten Aggressionen kanalisieren möchte, ist beim nächsten Gastspiel herzlich willkommen. Alle anderen werden das Phänomen KASSIERER wohl nie verstehen und zu würdigen wissen.

[Tolga Karabagli]

Redakteur:
Tolga Karabagli

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