DOOL und HANGMAN'S CHAIR - Hamburg
24.10.2024 | 18:1514.10.2024, Bahnhof Pauli
Schöne holländisch-französische Live-Co-Produktion an der U-Bahn-Haltestelle.
Es geht heute in den Bahnhof Pauli, gelegen mitten auf der sündigen Meile aka Reeperbahn. Der Name der Location ist nicht ganz zufällig gewählt, erinnert sie in ihrer innenarchitektonischen und tubenförmigen Einrichtung doch wirklich an eine stillgelegte U-Bahn-Station inklusive weißer Wandkacheln und allem Drum und Dran. Man könnte tatsächlich vermuten, dass hier bis vor einigen Jahrzehnten noch U-Bahnen durchgerauscht sind, aber dem ist nicht so, auch wenn sich um den 2015 eröffneten Venue so manch irre Gerüchte ranken.
Ein wildes Gerücht spekuliert beispielsweise, dass der Bahnhof Pauli eine Verbindung zu Zeitreisen oder Parallelwelten bietet. Gäste könnten angeblich durch die Türen des Bahnhof Pauli treten und in eine andere Zeit oder Dimension eintauchen. Sozusagen Hamburgs 9 ¾-Version. Ein weiteres Gerücht besagt, dass der Bahnhof Pauli auf geheimnisvolle Weise mit einer längst vergessenen U-Bahn-Station aus der Vergangenheit verbunden ist. Ein verborgenes Netzwerk von Tunneln und Bahnsteigen könnte angeblich unter den Straßen von St. Pauli existieren, und der Bahnhof Pauli wäre der Zugang zu dieser geheimen Untergrundwelt. Nun denn, genug der Legenden und Mythen, hier und heute fährt nämlich kein Zug nach Nirgendwo, sondern mit DOOL und HANGMAN'S CHAIR geben sich hier zwei sehr interessante Bands ein Stelldichein. Das Package wurde aber nicht gänzlich ohne Grund so zusammengeschnürt, denn die Franzosen haben zusammen mit Raven van Dorst und DOOL gerade mit '2 AM Thoughts' einen gemeinsamen Song zusammen veröffentlicht, der seinen Weg auch heute in die Setliste findet.
HANGMAN'S CHAIR aus Frankreich gibt hier also heute den Anheizer. Doom Metal mit einer feinen Gothic- und noch feineren Grunge-Note haben sich die vier Herren auf ihre musikalische Fahne geschrieben. Sechs Alben hat die Band seit 2006 nun auch immerhin schon veröffentlicht. Und obwohl dem Doom Metal grundsätzlich mehr als zugetan, habe ich mich bis dato immer ein wenig schwergetan, in den musikalischen Kosmos der Kombo einzudringen und mir die Klänge irgendwie zu eigen zu machen. Denn bislang ist der Groschen noch nicht gefallen und auch heute macht es mir die Band nicht wirklich viel leichter. Die überwiegend melancholisch angelegten und emotional düsteren Kompositionen klingen in meinen Ohren doch sehr ähnlich, mir fehlt es hier auf Dauer einfach an Abwechslung und Dynamik. Das Soundkostüm präsentiert sich hier zumindest um einiges druckvoller als auf Tonträger. Der Bass wummert mir fast ein Loch in den Körper und die fett bratenden Gitarren kommen gelegentlich mit richtig wuchtigen Riffs um die Ecke. Das ist es aber auch schon, was ich hier an überschaubaren Pluspunkten sammeln kann. Auch wenn Sänger und Gitarrist Cédric Toufouti es schafft, hier nicht ein persönliches Wort an das Publikum zu richten, bleibt unterm Strich doch ein solider und souveräner Gig hängen. Fans der Band dürften hier vermutlich nicht allzu viel auszusetzen haben, ich gehöre dieser Gruppe aber leider nicht an.
Setliste: Cold & Distant; An Ode To Breakdown; Who Wants To Die Old; Dripping Low; 04/09/16; Naive; The Worst Is Yet To Come; 2 AM Thoughts; Kowloon Lights; A Thousand Miles Away
Gute zwanzig Minuten später entert die aus Holland stammenden Formation DOOL mit ihrem verlockenden Mix aus Dark Post Rock und (Doom) Metal die Bretter. Nachdem ich die Band bereits zweimal auf Festivals erleben durfte, ist dies nun mein lange ersehnter erster Club-Gig. Anfang September hatte ich die Band noch auf dem Prophecy Fest sehen dürfen und war, ob der dort dargebotenen Spielfreude aller Musiker durchweg begeistert. Ich hätte mich schon schwer gewundert, wenn man es in einem kleinen Club mit vermutlich hier nur knapp 150 - 200 anwesenden Leutchen in solch einem intimeren Rahmen ruhiger hätte angehen lassen. Ich hatte im Übrigen mit deutlich mehr Publikum gerechnet, aber Montag ist und bleibt wohl nicht der allergünstigste Tag, um sich aus den heimischen vier Wänden zu schälen.
Ist der Band aber anscheinend ziemlich egal, da sie sich auch hier wieder einmal von ihrer allerfeinsten Schokoladenseite präsentiert. Ich für meinen Teil bin erstmal froh, dass ich nach anfänglichen Startschwierigkeiten Zugang zu dem aktuellen Werk "The Shape Of Fluidity" gefunden habe und es nun endlich auch zuhause seine regelmäßigen Runden im CD-Player drehen darf. Wer also eher den ersten beiden Werken zugetan ist, hat hier heute nämlich nicht die besten Karten in der Hand, denn acht der zwölf Songs gehen heute auf das Konto der aktuellen Platte. Mit anderen Worten gesprochen: Bis auf einen Song wird das komplette Album dargeboten. Und so startet man mit vier Songs ('Venus in Flames', 'Self-Dissect', 'The Hand Of Creation' und 'The Shape Of Fluidity') eben jenes Albums in den Abend, bevor mit 'Summerland' immerhin auch ein Track des gleichnamigen zweiten Albums zum Besten gegeben wird.
Raven van Dorst gibt wie immer alles und wischt sich bereits nach dem dritten Song den fleißig laufenden Schweiß aus dem Gesicht, Bassist Job van de Zande befindet sich wie ein Duracell-Häschen in Dauerheadbangerschleife, und auch dem Rest der Band kann man viel vorwerfen, aber definitiv keine Bewegungsmüdigkeit. So und nicht anders geht live! Nach einem kurzen Abstecher mit 'The Alpha' Richtung famosem Debütalbum geht es dann wieder für vier Songs zur aktuellen Platte, wobei hier besonders 'House Of A Thousand Dreams' und 'Hermagorgon' frenetisch von der euphorisierten Meute abgefeiert werden. Zwei Songs gehören mittlerweile zum festen Repertoire eines jeden DOOL-Auftritts, und diese beiden Stücke werden nicht ohne Grund an das Ende der Setliste gesetzt. Es ist zum einen die grandiose Interpretation des KILLING JOKE-Songs 'Love Like Blood' und das stets als Zugabe fungierende 'Oweynagat' vom Debütalbum, welches mittlerweile ja mehr oder minder als Band-Hit zu betrachten ist.
Wie immer hat die Band auf ganzer Linie energiegeladen bis in die Haarspitzen abgeliefert und gehört für mich somit nach wie vor zu den aktuell besten und intensivsten Livebands da draußen. Einen schlechten Auftritt der Formation habe ich weder live noch auf YouTube bisher erlebt. Einzig und allein an der Zusammenstellung der Setliste besteht zukünftig vielleicht noch ein wenig Optimierungsbedarf, denn auch das erste Album "Here Now, There Then" hat neben 'Oweynagat' noch immer so manch brillanten Song am Start, der auch live durchaus seine Daseinsberechtigung in der Setliste finden darf. Mein lokaler Plattenhändler, dem ich wie so oft bei Konzerten über den Weg laufe und der für gewöhnlich immer sehr geschmackssicher und stilbewusst unterwegs ist, spricht hier übrigens vom "schlechtesten Auftritt", den er bislang (sieben an der Zahl) von der Band gesehen hat. Hm, ich denke mir: Entweder hatte der gute Mann heute was im Bier oder die anderen sechs Auftritte müssen einfach nur überdurchschnittlich und überirdisch grandios gewesen sein.
Ich selbst, sowie der große Teil der anwesenden Hörerschaft um mich herum, jedenfalls verlasse den "Bahnhof" mit einem breiten und zufriedenen Grinsen im Gesicht. DOOL, auch beim nächsten Konzert sind die meisten von uns wohl wieder am Start!
Setliste: Venus In Flames; Self-Dissect; The Hand Of Creation; The Shape Of Fluidity; Wolf Moon; The Alpha; Currents; Evil In You; House Of A Thousand Dreams; Hermagorgon; Love Like Blood (KILLING JOKE Cover); Oweynagat
Photo Credits: Thorsten Dörting und Stephan Lenze
- Redakteur:
- Stephan Lenze