DRACONIAN, HARAKIRI FOR THE SKY, SOJOURNER - Leipzig
23.02.2019 | 16:3224.01.2019, Hellraiser
Melancholie und Schwermütigkeit par excellence.
Die schwedische Band DRACONIAN hierzulande einmal live erleben zu können, ist gar nicht so einfach. Im Oktober 2015 erschien mit "Sovran" das letzte Album der Band. 2016 sollten die Schweden ja beim Rockharz Open Air spielen, aber der Gig scheiterte an diversen Einreiseformalitäten für die Sängerin Heike Langhans. Sie stammt aus Südafrika und wollte nach ihrem Einstieg bei der Band in Schweden die Einbürgerung beantragen, was sich wohl als schwierig erwies. 2017 spielten die Gothic-Doomer zwar bei der 70000 Tons Of Metal-Kreuzfahrt, doch stand dort Lisa Cuthbert am Mikrofon, die damals auch einen absolut tollen Job machte. Heute ist hier in Leipzig nun die komplette Band in ihrer aktuellen Besetzung zu erleben, was für viele der Besucher sicherlich auch eine Premiere darstellt.
Den Anfang der "The Sovereign Arsonists-Tour 2019" macht jedoch die international besetzte Band SOJOURNER. Diese ist seit Ende des letzten Jahres ebenfalls bei Napalm Records unter Vertrag und jetzt mit den Labelkollegen auf Achse. Zu Beginn ist der Hellraiser nicht wirklich gut gefüllt und es ist verdammt kalt drin. Irgendwer meinte, dass das Konzert eigentlich im kleinen Saal stattfinden sollte und erst kurzfristig in die große Halle verlegt wurde. Gut, wärmer wird es durch diese Tatsache trotzdem nicht, wäre aber zumindest eine Erklärung. Oder man wollte sich einfach dem Sound des heutigen Abends anpassen, denn der ist durchaus eisig und schwermütig. Als die Band ihren Gig beginnt, ist das Publikum jedenfalls bei der Sache, rückt nach vorne und empfängt die Musiker mit einem ordentlichen Applaus. Allzu viel sieht man von den Herrschaften auf der Bühne nicht, denn die mögen es wohl eher dunkel. So wirkt es von weiter hinten vielmehr so, als würden ein paar Schatten da oben stehen. Passt aber klasse zur Musik!
Sänger Emilio Crespo lässt des Öfteren seine langen Haare kreisen und kann die Menge recht gut animieren, soweit das eben bei der Musik möglich ist. Denn dieser düstere und atmosphärische Sound ist nun mal keine Stimmungsmusik zum mitklatschen. Dennoch bekommen sie nach jedem Song gut Beifall. Musikalisch passt die Band jedenfalls bestens in das heutige Programm. Auch der Wechsel zwischen den Growls des Sängers und dem Klargesang der Gitarristin Chloe Bray ist eine feine Sache, 'An Oath Sworn In Sorrow' ist dafür ein tolles Beispiel. Musikalisch bieten die Musiker eine Mischung aus Black Metal mit streckenweise recht hohem Symphonic-Anteil vom Band, aber auch folkigen Passagen. Insgesamt eine runde Angelegenheit und das sehen auch die Besucher so, denn als mit 'Titan' das Konzert endet, gibt es lautstarken Applaus. So dürfte die Band an diesem Abend sicher einige neue Fans dazu gewonnen haben. Dass die junge Gruppe noch nicht so oft auf einer Bühne stand, ist zwar hier und da zu spüren, tut aber dem Klangerlebnis überhaupt keinen Abbruch. Alles in allem ein gelungener Einstieg in einen unterkühlten und melancholischen Konzertabend.
Für die heutige Stimmung passt die nächste Band natürlich auch wunderbar, denn weiter geht es mit dem atmosphärisch getragenen Sound der österreichischen Band HARAKIRI FOR THE SKY. Die Jungs sind dagegen "alte Hasen" auf der Bühne und so sitzt jeder Handgriff perfekt, als es mit 'Heroin Waltz' vom letzten Album "Arson" los geht. Jetzt ist es vor der Bühne logischerweise wesentlich voller geworden. Bis zur Technik stehen die Besucher nun dicht gedrängt, um der Musik der Band zu lauschen. Großartige Reden des Sängers gibt es keine, es wird sich eben auf die Musik konzentriert. Die Songs der Band sind allesamt durchaus als recht lang zu bezeichnen, da unter zehn Minuten kaum etwas läuft. Das hat zum einen den Vorteil, dass die Hörer sich völlig der Musik hingeben und darin abtauchen können. Heißt aber auch, dass es streckenweise etwas eintönig wird, denn nicht jeder Song schafft es wirklich voll und ganz mitzureißen. Und das passiert bei ALCEST eigentlich nie, mit der die Band ja gerne verglichen wird. Dennoch wäre es vermessen von einem schlechten Konzert zu reden. Mir persönlich fehlen bei den neuen Songs streckenweise die berühmte Ecken und Kanten, um vollends überzeugen zu können. Das kleine Manko wird eher durch nervige Besucher genutzt, die der Meinung sind, sich permanent unterhalten zu müssen. Bitte nicht falsch verstehen: Nicht jeder Gast quatscht. Aber einige Anwesende tun es halt pausenlos und ignorieren die breite Masse, die gerade schön in den Sound abtaucht. Man könnte sich ja auch weiter weg stellen, aber das tun sie nicht. Dafür können die Jungs aus Österreich nun wirklich nichts und zocken sich weiter wortlos durch ihr Set. Das ebenfalls neue Stück 'You Are The Scars' kommt auf der Bühne besonders garstig herüber, trotz seiner streckenweise recht eingängigen Melodien. Der etwas ältere Song '69 Dead Birds For Utøya' vom 2014er Album "Aokigahra" schafft es dagegen, alle zu überzeugen, und nach dem gemeinsamen Kopfnicken gibt es viel Beifall für die Jungs. 'The Graves We’ve Dug' beendet den Gig in Leipzig und am Ende möchten die Fans noch mehr, doch daraus wird leider nichts. Alles in allem ein solides Konzert mit einem guten Querschnitt in der Songauswahl. Und wenn HARAKIRI FOR THE SKY mal wieder in der Nähe sind, kann man sich das auf jeden Fall wieder ansehen.
Setliste: Heroin Waltz; Funeral Dreams; Calling The Rain; 69 Dead Birds For Utøya; You Are The Scars; My Bones To The Sea; The Graves We’ve Dug
Ob man bei dem 2015 veröffentlichten Album "Sovran" noch von einem aktuellen Werk sprechen kann, das sei mal dahin gestellt. Fakt ist jedoch, dass es die letzte Veröffentlichung der schwedischen Band DRACONIAN ist, welches dem Publikum an diesem Abend teilweise vorgestellt wird. Mit Kapuzenjacke und einer zur Hälfte geleerten Flasche Cabernet Sauvignon tritt Sänger Anders Jacobsson vor seine Fans, die ihn lautstark begrüßen. Das hält auch weiter an, als Sängerin Heike Langhans auf die Bühne kommt. Die Gothic-Doomer starten mit 'Stellar Tombs' vom besagten letzten Album und sofort klebt die Menge an den Lippen der beiden. Obwohl die zwei völlig autark auf der Bühne agieren, ist das Resultat immer ein tolles. Es ist ein außergewöhnliches Zusammenspiel, doch der Gegensatz zwischen den männlichen Growls und dem zarten Elfengesang wirkt bei DRACONIAN nie schmalzig oder stereotypisch. Das hat die Band echt klasse drauf. Der Sängerin sieht man optisch jedoch noch mehr an, wie sie gerade in ihrer Musik lebt. Ab und an sinkt sie in sich zusammen, als würde die Schwere des Dooms sie auf den Boden drücken. Dagegen animiert der Sänger die Fans des Öfteren zum mitklatschen. Ab und an wirkt er etwas aufgekratzt und schielt auffällig oft auf die von Hand geschriebene Setliste am Boden. Keine Ahnung ob der Wein daran schuld ist. Der musikalischen Darbietung tut es jedenfalls überhaupt keinen Abbruch. Im Gegenteil: 'Bloodflower' wird überwältigend vorgetragen.
Das Publikum ist völlig im Sound der Schweden gefangen und bedankt sich mit viel Beifall. Auch das vom 2005er Album "Arcane Rain Fell" stammende 'A Scenery Of Loss' kann in Leipzig punkten und für wahre Begeisterungsstürme am Ende sorgen. Dennoch bleibt die eisige und bedrückende Stimmung, die die Songs verbreiten, sehr gut erhalten. Viel zu schnell kündigt der Sänger mit dem grandiosen 'The Marriage Of Attaris' das Konzertende an. Noch ein letztes Mal können sich die Besucher mit der Band in der Musik treiben lassen. Und das tun sie auch. Als das Ende naht, bedanken die sich mit viel Beifall bei den Musikern und fordern natürlich nach mehr. Dies wird teilweise erfüllt, denn es erscheint "nur" Heike Langhans. Sie hat einen ihrer neuen Songs mitgebracht. 'Burial' ist ein sehr emotionales Lied und wird selbstredend auch so von der Sängerin vorgetragen. Das verursacht Gänsehaut pur! Für diese grandiose Darbietung bekommt sie noch einmal sehr viel Applaus.
Leider lässt sich die komplette Band im Anschluss nicht noch einmal auf der Bühne blicken, um sich richtig zu verabschieden. Darüber hätten sich die Fans wirklich gefreut. Zumal DRACONIAN eine tolle Show abgeliefert hat. Die war mit knapp einer Stunde Spielzeit zwar vergleichsweise kurz, dafür aber sehr intensiv. So lichten sich langsam die Reihen im unterkühlten Hellraiser. Bis auf die recht karge Spielzeit von DRACONIAN, was wirklich schade ist, geht ein wunderschöner Konzertabend zu Ende. Bei dem Zuspruch, den die Band hier erfahren hat bleibt nur zu hoffen, dass sie recht bald wieder kommt.
Setliste: Stellar Tombs; Bloodflower; A Phantom Dissonance; The Wretched Tide; Pale Tortured Blue; A Scenery Of Loss; The Last Hour of Ancient Sunlight; The Marriage Of Attaris; Zugabe: Burial
- Redakteur:
- Swen Reuter