DREAM THEATER - Düsseldorf

16.02.2023 | 22:28

08.02.2023, Mitsubishi Electric Halle

Traumtheater im Rheinischen

So sehnlichst wie wir dem gewohnten Konzertbetrieb nach der Pandemie entgegengefiebert hatten, so ernüchternd kann die Realität manchmal sein. Die Mitsubishi Electric Halle (ehemals Philipshalle) ist für DREAM THEATER immer schon ein Heimspiel gewesen. Ich erinnere mich gut an Kämpfe um einen Platz in der ersten Reihe und eine prall gefüllte Halle. Doch heute: Es wurden anscheinend so wenige Tickets im Vorverkauf abgesetzt, dass bereits hinter dem ersten Drittel der Rest der Halle durch einen Vorhang abgetrennt wurde. Auch im Fotograben werden wir uns nicht übermäßig im Weg stehen, wie eine erste Bestandsaufnahme um kurz vor 19 Uhr zeigt.

Im Gegensatz zur letzten "An Evening With"-Tour gibt es heute eine Vorband. ARION ist eine finnische Melodic-Metal-Truppe, die pünktlich die Bretter betritt und gleich auf ein aufgeschlossenes Publikum trifft. Sänger Lassi Vääränen ist eine geborene Rampensau und heizt dem Publikum ein, insofern das vor einem DREAM THEATER-Gig bei gesetzter Zuschauerschaft überhaupt möglich ist. Auch wenn die Finnen auf meiner musikalischen Landkarte bisher nicht stattgefunden haben, zeigen sie sich als gut eingespieltes Quartett, das auch in Sachen Bühnenperformance ziemlich routiniert wirkt. Die ersten drei Songs im Fotograben vergehen wie gewohnt schnell, was mir immerhin noch weitere drei Nummern lang die Möglichkeit gibt, die Band ohne Ohrstöpsel aus einiger Entfernung zu begutachten. Wer gerne harten Melodic Metal hört, und das sind im Publikum an diesem Abend einige, kann schnell Gefallen an den Nummern des aktuellen Albums "Vultures Die Alone" finden. Dass so viele mitsingende und Fäuste reckende Fans schon vor DREAM THEATER ihrer Begeisterung freien Lauf lassen, will gewiss etwas heißen! So routiniert, wie die Band begonnen hat, läutet sie auch mit 'At The Break Of Dawn', dem dank des Gastgesangs von Elize Ryd wohl bekanntesten Song der Band, den Abschluss für heute ein. Elizes Gesang kommt dabei natürlich vom Band, das stört aber niemanden.

Setlist: No One Stands In My Way, I'm Here To Save You, Punish You, Unforgivable, Bloodline, At The Break Of Dawn

Nach der kurzen Umbaupause ist die Bühne für DREAM THEATER bereit. Wer bei den letzten Touren anwesend war, bemerkt schnell die drastisch reduzierte Produktion. Die Bühne ist von Projektionsvorhängen umgeben, ansonsten aber völlig aufgeräumt. Selbst Manginis Drumkit wirkt irgendwie winzig, als wäre es bei den Frachtkosten auf jedes Gramm angekommen. Die Enthüllung wird dennoch von einigen Fans beklatscht. Euphorisch wird es aber erst mit erloschenem Saallicht und dem kurzen Intro-Tape, das die Band beim Betreten der Bühne laufen lässt. 'The Alien' ist die erste Nummer, welche wir heute auf die Ohren bekommen. Falls noch jemand in Gedanken am Brezel- oder Merchstand war, ist das spätestens jetzt vorbei. Wie gewohnt sitzt jede Note, auch James hat heute wohl einen guten Tag erwischt. Das Schlagzeug ist im Mix wirklich prominent, als hätte man die guten alten Portnoy-Tage dabei im Sinn gehabt. Nur die Octobans mögen sich nicht recht einfügen, vielleicht sind aber meine Ohren auch nur besonders aufmerksam.

Mit '6:00' geht es weiter, hier fällt vor allem der wieder einmal geniale Gitarrensound John Petruccis auf, dem im Gegensatz zu vielen aktuellen Stücken beim 90er-Repertoire auch im Rhythmus-Spiel viele Nuancen abverlangt werden. Ganz großes Kino, wie die Nummer groovt. Myung kennt anscheinend keine schlechten Tage und auch Tastenmeister Rudess hat die richtigen Patches im Gepäck. Mit dem folgenden 'Sleeping Giant' schafft es die nächste Nummer des aktuellen Albums in die Setlist und auch beim Zehnminüter vergeht die Zeit leider viel zu schnell. Ich hätte mir im Anschluss ja lieber 'Awaken The Master' gewünscht, doch wir reisen zurück zum ersten Album der Mangini-Ära und bekommen 'Bridges In The Sky' dargeboten. Ich muss sagen, auch wenn ich den Song auf Platte selten auflege, macht er live doch wirklich Spaß. Das locker-flockige 'Caught In A Web' quittiert das Publikum übrigens mit der gleichen Leidenschaft wie 'Answering The Call', bei dem wir gerne John Myung die Aufmerksamkeit schenken, die er mit seinem Fundament ein ums andere Mal verdient hat.

Ehe es aber mit der Show weitergeht, wird noch der Geburtstag von Tourmanager Rikk Feulner gefeiert, der heute mal verkleidet auf die Bühne kommt und ein lautstark dargebotenes Ständchen aus dem Publikum mit Hilfe von Jordan und Mike bekommt. Die nächsten Songs stellen mein persönliches Highlight dar. Mit einem Triple von der "Six Degrees Of Inner Turbulence" hätte ich nun nicht gerechnet. 'Solitary Shell', 'About To Crash (Reprise)' und 'Losing Time/Grand Finale' gibt es ja nicht alle Tage zu hören und die verspielt-orchestralen Songs stellen einen schönen Kontrast zum knackigen Material der aktuellen Scheibe dar. Ehrlich gesagt brauchen wir 2027 ganz dringend eine Jubiläumstour mit der gesamten "Six Degrees..."; so gut wie hier klingt James nur selten!

Was soll jetzt noch kommen? Ja natürlich, die obligatorische Hitsingle 'Pull Me Under'. Es sind wohl viele junge Fans am Start, denn mit den ersten Takten der Nummer steigt das Stimmungbarometer noch einmal an. Für mich irgendwie unverständlich, denn im reichen Katalog der New Yorker gibt es sicherlich 20-30 andere kurze Songs, die ich jetzt lieber hören würde. Aber die Band macht ihren Job gut, schließlich ist der Spaß nach acht Minuten ja schon wieder vorbei und wir kommen zum letzten regulären Song. 'A View From The Top Of The World' ist ein wunderbarer Longtrack, der zum Ende des Konzerts noch einmal alle Trademarks DREAM THEATERs auf die Bühne bringt. Dramatik, starke Riffs, Abwechslung ohne Ende ... ein wirklich gelungener Abschluss der Show!

Auch wenn heute das Publikum überschaubar ist, fällt der anschließende Applaus gewaltig aus. Völlig zu recht, und als Zugabe gibt es - ganz im DT-Maßstab - die ebenfalls 20-Minuten-Nummer 'The Count Of Tuscany'. Die "Woho"-Chöre sitzen natürlich bei den Fans, die Band gibt noch einmal Vollgas und mit dieser Nummer im Ohr endet ein erneut toller Konzertabend wie es sein sollte: mit einem hartnäckigen Ohrwurm.

Setlist: The Alien, 6:00, Sleeping Giant, Bridges In The Sky, Caught In A Web, Answering The Call, Solitary Shell, About To Crash (Reprise), Losing Time/Grand Finale, Pull Me Under, A View From The Top Of The World, The Count Of Tuscany

Redakteur:
Nils Macher

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