DYNAMO OPEN AIR 1995 - Eindhoven

12.04.2020 | 16:04

02.06.1995, Vliegbasis Welschap

In den Neunzigern war das in Eindhoven stattfindende Festival das Maß aller Dinge im Metalbereich. 1995 gab es dann den Höhepunkt zum zehnjährigen Bestehen mit beinahe 120000 Besuchern bei typisch mäßigem niederländischen Wetter!

Samstag, 3. Juni 1995

Heute mussten wir früh raus, denn wir wollten unbedingt die Langhaarigen aus Seattle sehen: NEVERMORE. Matten flogen und messerscharfe Riffs vor einem riesigen "Dynamo"-Backdrop vertrieben jede Müdigkeit. Für Messages wie Warrel Danes T-Shirt, auf dem "TV Lies" stand, war es aber doch zu früh. Die Setliste enthielt natürlich mehrere SANCTUARY-Klassiker, auch wenn ich nicht mehr exakt weiß, welche. 'Battle Angels' war wahrscheinlich dabei, das spielten die eigentlich immer während der Frühzeit, und von dem zweiten SANCTUARY-Album gab es auf jeden Fall 'Future Tense'. Ansonsten hatte die Band ja nur das eine, selbstbetitelte Debüt auf dem Markt, daher ist die Setliste recht einfach umrissen. Für mich als Old School Metaller war NEVERMORE definitiv eines der Highlights.

Die danach folgende Band MADBALL schenkten wir uns, denn mit dem Core der Buben konnten wir alle nicht viel anfangen, das war uns zu einförmig nach nur zwei Stücken, und auch MENTAL HIPPIE BLOOD hat keinen nachhaltigen Eindruck gemacht, denn ich erinnere mich nicht mehr an die Band. Erst bei NAILBOMB waren wir wieder am Start, denn hier krawallte immerhin Max Cavalera! Aber was war das für ein Lärm? Meine Güte. Nein, das habe ich nicht allzu lang ausgehalten, dafür war ich zu weich. Heute ärgere ich mich ein wenig darüber, aber das war schon roh und obendrein klang der Groove Metal recht einförmig, durch den Livesound noch mehr als auf Konserve. Nur das Backdrop war cool: Torsos mit weißen Kapuzen mit Fadenkreuz.

Auch die folgende Band FEAR FACTORY war schwierig, vor allem wegen des mäßigen Sounds an der Stelle, an der wir uns auf dem riesigen Areal eingefunden hatten. Glücklicherweise hatte ich bereits die Scheibe "Demanufacture", die dummerweise offiziell erst eine Woche nach dem Festival erschien, als Promo bekommen. Zwar waren die Lieder nicht immer gut zu erkennen, aber die Band hatte einen mächtigen Cyberpunk-Metal-Sound, unnachgiebig und kalt und hart. In der Rückschau würde ich diesen Auftritt heute gerne nochmal sehen, denn 1995 befand sich die Band meiner Ansicht nach auf ihrem Höhepunkt. Die Musiker waren ständig in Aktion und lebten ihre Musik auf der Bühne aus und vermochte gerade bei den neuen Liedern mit den tollen Refrains zu punkten.

Mit WARRIOR SOUL wurde es dann melodischer, gute Musik für die Nahrungsaufnahme und ein Kaltgetränk, aber auch nicht mehr. Die zappelige Rockstar-Attitüde der US-Amerikaner verkam immer mehr zur Hintergrundmusik und konnte mich nicht recht packen. Aber bei der Menge an Musikfans war es bei jeder Band voll vor der Bühne und zu diesem Zeitpunkt mitten am Tag auch noch erträglich, obwohl bereits jetzt aus vollen Rohren Wasser auf die Meute gespritzt wurde, um kollabierende Banger zu vermeiden.

Wir warteten auf die nächste Band: GRIP INC. Dave Lombardo von SLAYER hatte die Band mit VOODOOCULT-Gitarrist Waldemar Sorychta ins Leben gerufen und "Power Of Inner Strength" war ein echtes Brett geworden, das ich schwer abfeierte. Von Anfang an war Eskalation angesagt, Gus Chambers war ein Frontschwein und gab mit "Fuck The New World Order" den Ton an und bekam wohl Kilometergeld. Der absolute Höhepunkt war 'Hostage To Heaven', der Überflieger des Debütalbums. Ja, das war der Höhepunkt, auch wenn GRIP INC. den Set mit einer SLAYER-Coverversion von 'Raining Blood' beendete.

Kontrast war aber auch beim Dynamo Trumpf, denn jetzt folgte Spaß mit DOG EAT DOG. Okay, der Sänger sah mit seiner riesigen Baseballcap ziemlich dusselig aus, aber immerhin war sein Haarschnitt dann noch schrecklicher, als er sie absetzte. Ansonsten war Hüpfen angesagt, Sport-Trikots und eine Wasserpistole. Und ein Saxophon. Und Fans auf der Bühne. Was das mit Metal zu tun hat? Ja, gar nichts, aber ein großer Spaß war es dennoch. Okay, dass der Sänger dann einen Ritt auf einem Surfbrett über die Menge machte, hätten wir nicht gebraucht, aber es verdeutlicht die Stimmung des Festivals.

Doch wie am Vortag war jetzt Schluss mit lustig. TYPE O NEGATIVE groovte uns erstmal wieder den Ernst der Lage in die Knochen. Mit 'Paranoid', rollendem "R", viel Keyboard und Gothic-Sound nahm die Band mal eben den Spaß aus der Chose und beendete die musikalischen Partysounds nachhaltig. Man musste sich auch auf die Musik einlassen, denn auf der Bühne passierte mal eben gar nichts. Starr wie das Backdrop, auf dem Bäume zu sehen waren, harrten die Musiker meist auf ihrem bierdeckelgroßen Bühnenabschnitt aus. Ganz ehrlich: Ich war mächtig gelangweilt.

Zum Abschluss gab es dann noch PARADISE LOST, auf deren Sound TYPE O NEGATIVE schon passend eingestimmt hat, sodass die Briten beinahe fröhlich wirkten und agil, etwas, das man im Zusammenhang mit PARADISE LOST auch nicht häufig hört. Auch für diese Band gilt meiner Meinung nach, dass sie nach 1995 nicht mehr besser wurde. Einzelne Songs vielleicht, aber nach "Draconian Times" und damit vor der Elektro-Phase der Band erreichten die Briten ihren Höhepunkt. Die frühen Sachen aus ihrer echten Death-Metal-Phase wurden weggelassen, ob komplett oder nur weitgehend, entzieht sich meiner Erinnerung, sehr zum Verdruss der niederländischen Death-Fans um mich herum, aber ich habe sie völlig abgefeiert wegen der drei Alben "Shades Of God", "Icon" und "Draconian Times", aus denen der Gig nahezu komplett bestand. Großartig!

Ein großes Feuerwerk beendete den Tag, denn der Samstag war der eigentliche Haupttag des Dynamo und PARADISE LOST der Headliner des gesamten Festivals.

Hier geht es zum Sonntag...

Redakteur:
Frank Jaeger

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